obersten Rechtsgebot: „In dubio pro reo" — zugunsten eines Angeklagten
— anzuwenden.
Nach § 13 Abs. 1 BtMG 1981 dürfen Betäubungsmittel „nur von Ärzten, Zahnärzten, Tierärzten und nur dann verschrieben . . . werden, wenn ihre Anwendung am oder im menschlichen oder tierischen Körper begründet ist".
Mit Nachdruck weist der BGH darauf hin, daß „an die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals" — „keine Be- gründetheit der Anwendung am oder im menschlichen Körper" — strenge Anforderungen zu stellen sind. Denn vom Vorliegen dieses Merkmals hängt es ab, ob ein Arzt, der ein an sich verschreibungsfähiges Betäu- bungsmittel verordnet, eine Straftat begeht, die mit Freiheitsstrafe bis zu vier Jahren bedroht ist.
Der angeklagte Arzt verfolgte
„in den abgeurteilten Fällen den Zweck, die Patienten bis zum bevor- stehenden Antritt einer Therapie oder einer Haftstrafe zu stabilisieren (UA S. 11). Das Landgericht hätte sich daher auch mit der besonderen rechtlichen Problematik der ambu- lanten Überbrückungstherapie in den zur Beurteilung anstehenden Fällen auseinandersetzen müssen".
Dies sei jedoch nicht geschehen, und das Landgericht sei statt einer zu for- dernden eigenständigen Prüfung der konkreten Situation den Empfehlun- gen des Vorstandes der Bundesärz- tekammer zur streng begrenzten Verschreibungsmöglichkeit von „Er- satzdrogen" aus dem Jahre 1988 (Dt.
Ärztebl. Heft 5/1988) gefolgt und ha- be diesen Empfehlungen fälschli- cherweise eine „Richtlinienkompe- tenz" zugeschrieben.
Ferner heißt es in der Begrün- dung: „Entgegen der Ansicht des Landgerichts liegt der Tatbestand des unerlaubten Verschreibens von Betäubungsmitteln nicht schon des- halb vor, weil der Arzt durch die Verordnung der Ersatzdroge gegen die Regeln der Schulmedizin versto- ßen hat (vgl. UA S. 4, 16 f, 19). Dies würde zu einer Kriminalisierung me- dizinisch vertretbarer, abweichender
Auffassungen führen und durch Strafandrohung die Entwicklung neuer Therapien verhindern. Viel- mehr ist anerkannt, daß die Verfah- ren der Schulmedizin nicht ohne weiteres mit den für die strafrechtli- che Auslegung maßgeblichen Regeln der ärztlichen Kunst gleichzusetzen sind . . . Erst wenn die dem Arzt zu- zubilligende Risikogrenze eindeutig überschritten ist, greift die Straf- norm des § 29 Abs. 1, Nr. 6 a BtMG ein, und zwar unabhängig davon, ob für die berufsrechtliche oder verwal- tungsrechtliche Beurteilung ein strengerer Maßstab anzulegen ist".
Schließlich reichten dem BGH
„auch die Erwägungen des Landge- richts zur Schuld des Angeklagten nicht aus", weil u. a. nicht geprüft worden sei, ob sich der Arzt „in ei- nem den Vorsatz ausschließenden Tatbestandsirrtum befunden hat".
Schlußbetrachtungen aus rechtsmedizinischer Sicht Angesichts der vielen in der me- dizinischen Laienpresse erschiene- nen Fehlinterpretationen zu diesem in der ärztlichen Therapie „heißen Eisen" war es im Interesse und zum Schutz der mit der Betreuung von Drogenabhängigen befaßten Kolle- ginnen und Kollegen notwendig, klarzustellen, daß der Bundesge- richtshof in diesem Beschluß weder grundsätzlich eine Liberalisierung der „Therapie" von Drogenabhängi- gen mit Methadon anstrebt noch ei- ne Kritik an den Empfehlungen des Vorstandes der Bundesärztekammer zur „Anwendung von Ersatzdrogen"
übt. Die Problematik dieser „Thera- pieformen" mußte aber vom BGH angesprochen werden, um unter an- derem auch die Lücken in der Ur- teilsbegründung des Landgerichts Düsseldorf deutlich zu machen.
Hätte es sich um eines der zahl- reichen Revisionsverfahren ohne arztrechtliche Brisanz gehandelt, wä- re zweifelsohne nicht so viel Wind in die journalistischen Segel geraten.
Prof. Dr. med. Hans-Joachim Wag- ner, W-6650 Homburg/Saar
H
öchstrichterliche Entschei- dungen zum Thema Alkohol und Betäubungsmittel stoßen auf größtes Interesse in der Öffent- lichkeit. Dies war im Juni 1990 (3.StR 297/90) bei Herabsetzung der absoluten Fahruntüchtigkeitsgrenze von 1,3 auf 1,1 Promille Blutalkohol- gehalt nicht anders als jetzt im Mai 1991, wo es in einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH-3.
StR 8/91) um die Problematik der Verschreibung von Betäubungsmit- teln ging.
Die gesamte Medienlandschaft hat dieses Thema geradezu begierig aufgegriffen, heftig diskutiert, aber nicht selten auch falsch kommen- tiert. Zahlreiche Anfragen seitens der Ärzteschaft machten das Aus- maß der Verunsicherung deutlich.
Was lag dem
BGH-Beschluß zugrunde?
Eine Strafkammer des Landge- richts Düsseldorf hatte einen Arzt wegen unerlaubten Verschreibens von Betäubungsmitteln, zumeist von Levomethadon (L-Polamidon®) und einmal von Methylphenidat (Rita- lin®), gemäß der § 29 und 13 des Be- täubungsmittelgesetzes (BtMG) ver- urteilt. Der Arzt hatte auch die Ein- nahme dieser Betäubungsmittel an rauschgiftabhängige Patienten über- wacht, die Dosis mit fortdauernder Therapie ständig reduziert und die Patienten mindestens einmal in der Woche untersucht. Es sollte „eine Stabilisierung bis zum bevorstehen- den Antritt einer Therapie oder ei- ner Haftstrafe erreicht werden". Auf die Revision des Angeklagten hob der 3. Strafsenat beim BGH dieses Urteil auf und „verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entschei- dung" an eine andere Strafkammer beim Landgericht mit der Begrün- dung zurück, „daß die Feststellungen zum objektiven und subjektiven Tat- bestand unvollständig sind" und das Landgericht „die für die rechtliche Beurteilung maßgebenden Gesichts- punkte zum Teil verkannt hat".
Im Revisionsverfahren wird un- ter Zugrundelegung rechtlich ein- wandfrei festgestellter Tatsachen das angefochtene Urteil „nur" dahinge- hend überprüft, ob Fehler in der Rechtsanwendung vorliegen. Erge- ben sich bei dieser Uberprüfung Zweifel, dann sind sie gemäß dem
„In dubio pro reo"
BGH-Entscheidung zur ärztlichen Methadonverordnung
Dt. Ärztebl. 88, Heft 30, 25. Juli 1991 (19) A-2539