Erhebung des Blutdrucks
Die „Fußangeln“ der Meßverfahren
ei der Messung des Blutdrucks handelt es sich um ein lang bewährtes, einfaches diagnostisches Ver- fahren. Die Werte liefern direkt Hinweise auf den Gesundheitszustand des Patienten und auf lange Sicht auch auf sein Risiko, eine kardiovaskuläre Krank- heit zu entwickeln oder daran zu sterben. Trotz dieser großen Bedeutung und der Weiterentwicklung des Ver- fahrens hat sich die Umsetzung dieses Fortschrittes in der Arztpraxis nicht vollzogen. Im High-Tech-Zeitalter wird in 88 Prozent der Arztpraxen noch nach der alten Korot- kow-Methode mit Stethoskop und Quecksilbermanome- ter gemessen. Die ermittelten Werte ließen daher auch an Genauigkeit zu wünschen übrig, meint Professor Dr. Ul- rich Gleichmann vom Herzzentrum NRW in Bad Oeyn- hausen. Das hat zwei Gründe: Erstens werden oft Fehler beim Messen gemacht, und zweitens beinhaltet die Mes- sung nach Korotkow per se gewisse Abweichungen ge- genüber einem blutig gemessenen Blutdruck.
ie Korotkow-Methode ist laut Gleichmann des- halb auch für die Standardmessung überholt.
Eingesetzt werden sollten oszillometrisch arbei- tende Systeme, und zwar am besten als vollautomatische Messung, da dann am ehesten zuverlässige Werte ermit- telt werden. Das aber gilt auch nur begrenzt, denn Effek- te wie die „Weißkittel-Hypertonie“ sind gut bekannt. An- dere Patienten – etwa Manager – reagieren laut Gleich- mann durch die Zeit im Wartezimmer mit einer Absen- kung des Blutdrucks, auch bei ihnen wird man keine re- präsentativen Werte erhalten. Das erklärt, warum in jüngster Zeit der Selbstmessung so große Bedeutung zu- gemessen wird. Sie hat gegenüber der 24-Stunden-Blut- druckmessung den Nachteil, daß nachts keine Werte er- hoben werden. Andererseits kann der Patient tagsüber praktisch zu jeder Zeit und in jeder Situation bestimmen, wie hoch sein aktueller Blutdruck ist.
llerdings ist auch die Selbstmessung nicht unpro- blematisch, und auch bei ihr gibt es Fußangeln.
So muß der Patient gut instruiert und mit einem geeigneten Blutdruckmeßgerät versorgt werden. Denn laut Professor Dr. Manfred Anlauf (Bremerhaven) lie- fern unterschiedliche Meßgeräte recht unterschiedliche Blutdruckwerte, so daß Kontrollen in der Praxis unerläß- lich sind. Konkret könnte das so aussehen: Der Arzt hält einige der gängigen Modelle zur Selbstmessung vor, die individuell erprobt werden. Der Patient besorgt sich das für ihn am besten geeignete System, und in der Praxis wird mit diesem Gerät dann nochmals kontrolliert, inwie- weit die erhaltenen Werte korrekt sind. So wäre nach An- lauf eine optimale Versorgung mit möglichst realistischen Werten vorstellbar. Christine Vetter
A-2112
S P E K T R U M AKUT
B
A D
(4) Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 34–35, 26. August 1996