D
ie medikamentöse The- rapie der Herzinsuffizi- enz wird in Zukunft aus einem „Medikamenten- Cocktail“ bestehen, progno- stizierte Prof. Bertram Pitt (Ann Arbor/USA). Er gehe davon aus, daß die Fachge- sellschaften in den USA und Europa in naher Zukunft ihre Empfehlungen an die neuen Erkenntnisse anpassen wer- den. Seine Einschätzung ba- siert auf den Ergebnissen von drei internationalen Inter- ventionsstudien.Diese randomisiert dop- pelblind plazebo-kontrolliert durchgeführten multizentri- schen Untersuchungen waren vorzeitig abgebrochen wor- den, weil in den Kontroll- gruppen – unter einer best- möglichen Basistherapie mit ACE-Hemmern, Diuretika und eventuell Digitalis – die Gesamtmortalität statistisch signifikant höher gewesen war als in den Patienten-Kol- lektiven, die zusätzlich einen Beta-Rezeptorenblocker be- ziehungsweise Spironolacton erhalten hatten.
Blockade der Beta-Rezeptoren An Cibis II (Cardiac Insuf- fiency Bisoprolol Study) hat- ten 2 647 Patienten mit Herz- insuffizienz im NYHA-Stadi- um III oder IV und einer Ejektionsfraktion von unter 35 Prozent teilgenommen.
Verum war Bisoprolol (Con- cor®, Merck), das sehr lang- sam bis zu einer Dosis von 10 mg/Tag aufdosiert werden konnte. In etwa 50 Prozent der Fälle wäre diese Höchstdosis erreicht worden, berichtete Dr. Henry Dargie (Glasgow).
Nach einer mittleren Behand- lungsdauer von 1,4 Jahren un- terschieden sich die Todesra- ten im Verum- und Plazebo- Arm um 32 Prozent (11,8 ver- sus 17,3 Prozent). Besonders ausgeprägt war die Risikore- duktion mit 45 Prozent beim plötzlichen Herztod.
Für MERIT-HF (Meto- prolol CR/XL Randomized Intervention Trial in Heart Failure) mit 3 991 Teilneh- mern liegt bisher nur das Er-
gebnis einer sehr groben Da- tenauswertung vor, da die Entscheidung zum Studien- abbruch erst bei einer Zwi- schenanalyse im September gefallen war. Zu diesem Zeit- punkt – nach durchschnittlich einjähriger Laufzeit – war die Gesamtletalität bei den mit Metoprolol in einer retardier- ten Darreichungsform (Be- loc-Zoc®, Astra/Promed) be- handelten Patienten um 35 Prozent niedriger als im Pla- zebo-Kollektiv. Das Dosisziel von 200 mg/Tag hatte in etwa zwei Drittel der Fälle reali- siert werden können.
Die Relevanz von MERIT-HF sieht Prof. Sid- ney Goldstein (Detroit) vor allem darin, daß es sich bei
dem Studienkollektiv um ei- ne für den klinischen Alltag repräsentative Gruppe von Herzinsuffizienz-Patienten gehandelt habe: 90 Prozent waren im NYHA-Stadium II/III, und die kardiale Lei- stungsfähigkeit betrug weni- ger als 35 Prozent.
Der Ausgang dieser Studi- en kann auch als Beleg dafür angesehen werden, daß der prognoseverbessernde Effekt der Beta-Rezeptorenblocker bei Patienten mit Herzinsuffi- zienz vorrangig auf dem sym- pathikolytischen Effekt be- ruht. Denn Bisoprolol und Metoprolol sind kardioselek- tive Substanzen ohne zusätz- liche vasodilatierende Eigen- schaften wie beispielsweise Carvedilol, das sich ebenfalls als lebensverlängernd erwie- sen hat.
Besonders unerwartet war der Ausgang der RALES- Studie (Randomized Aldac- tone Evaluation Study), da die Verumsubstanz Spironolacton bisher bei Herzinsuffizienz kontraindiziert ist – besonders bei gleichzeitiger ACE-Hem-
mer-Therapie. Die Studie soll- te die Hypothese bestätigen, daß die erhöhte Aldosteron- Aktivität bei Herzinsuffizienz einen weitgehend vom Renin- Angiotensin-System unabhän- gigen Risikofaktor darstellt.
Eingeschlossen worden waren 1 663 Patienten mit Herzinsuf- fizienz im NYHA III und IV und linksventrikulärer Dys- funktion (EF < 35 Prozent).
Die Dosis von Spironalac- ton betrug 25 mg/Tag und konnte bei Zeichen einer Hy- perkaliämie halbiert oder bei Progredienz der Symptoma- tik verdoppelt werden. Nach einer mittleren Studiendauer von zwei Jahren war die Ge- samtmortalität im Verum- Arm um 27 Prozent niedriger
als in der Kontrollgruppe.
Aufgrund des geringen zeitli- chen Abstands zwischen RALES-Abbruch und Prä- sentation der ersten Daten konnte Pitt noch keine abso- luten Zahlen nennen.
Er hob hervor, daß sich frühere Befürchtungen, durch die Aldosteron-Hemmung eine Hyperkaliämie zu indu- zieren, zumindest unter die- ser niedrigen Dosierung nicht bewahrheitet hätten. Als ein- zige relevante Nebenwirkung wären in der Verum-Grup- pe in sieben Prozent der Fälle schmerzhafte Gynäko- mastien aufgetreten.
In der Behandlung akuter ischämischer Koronarsyndro- me gewinnen konservative Behandlungsstrategien an Boden. Als eine echte Alter- native zur akuten Ballondila- tation bezeichnete Prof. Marc Cohen (Philadelphia) die Ga- be von Glykoprotein-IIb/
IIIa-Rezeptor-Antagonisten wie Tirofiban (Aggrastat®), um Patienten vor einem dro- henden Myokardinfarkt zu bewahren. Diese Schlußfol-
gerungen ließen sich aus dem Ergebnis von PRISM-PLUS (Platelet Receptor Inhibition for Ischemic Syndrome Man- agement – Patients Limited to Very Unstable Signs and Syn- droms) ziehen. 1 570 Patien- ten mit instabiler Angina pec- toris und ischämietypischen EKG- und Enzymverände- rungen hatten randomisiert doppelblind zusätzlich zu He- parin/ASS entweder über im Mittel 72 Stunden Tirofiban oder Plazebo-Lösung infun- diert bekommen.
Nach 48 Stunden waren unter dem Tirofiban-Schutz dreimal weniger Myokardin- farkte und Todesfälle aufge- treten als in der Kontrollgrup- pe (0,9 versus 2,6 Prozent).
Damit würde ausreichend Zeit gewonnen, um das weite- re therapeutische Prozedere zu planen oder um den Patien- ten in eine Klinik mit Kathe- terlabor zu verlegen, erläuter- te Cohen die Relevanz für den klinischen Alltag.
In PRISM-PLUS wurde zwischen dem zweiten und vierten Tag bei etwa 30 Prozent der Probanden eine Angiopla- stie durchgeführt. Dabei profi- tierten die mit Tirofiban vorbe- handelten Patienten statistisch signifikant stärker. Die Wahr- scheinlichkeit, bis zum dreißig- sten Tag einen Myokardinfarkt zu erleiden oder zu versterben, war um 44 Prozent geringer als unter alleiniger Heparin/ASS- Gabe (5,9 versus 10,2 Prozent).
Wenn keine invasive Interven- tion durchgeführt worden war, betrug die Risikoreduktion aber immerhin noch 25 Pro- zent (7,8 versus 10,1 Prozent).
Insgesamt war nach einem Monat die Ereignisrate um 30 Prozent (8,7 versus 11,9 Pro- zent) geringer als in der Kon- trollgruppe.
Studien versus klinischer Alltag Ergebnisse kontrollierter Studien mit einer strengen Se- lektion der ein- und auszu- schließenden Patienten spie- geln nach Ansicht von Dr.
Jaime Caro (Concord/USA) die Realität des klinischen All- tags und damit auch den Nut- A-3302 (58) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 51–52, 21. Dezember 1998
V A R I A AUS UNTERNEHMEN
American Heart Association
Highlights der
Kardioforschung
zen therapeutischer Strategien
„im wirklichen Leben“ nur un- zureichend wider. Ob das auch für die Sekundärprophylaxe mit Thrombozyten-Aggregati- onshemmern gilt, hat seine Ar- beitsgruppe in CAPRA (CA- PRIE Actual Practice Rates Analysis) untersucht.
Grundlage waren die Da- ten von CAPRIE (Clopido- grel versus Aspirin in Patients at Risk of Ischemic Events).
Bei 19 185 Patienten nach Schlaganfall oder Myokardin- farkt sowie mit einer sympto- matischen peripheren arteriel- len Verschlußkrankheit, die randomisiert doppelblind mit Clopidogrel (Iscover®, Bristol- Myers Squibb/Plavix®, Sanofi- Winthrop) oder Acetylsalicyl- säure behandelt worden wa- ren, konnte die Wahrschein- lichkeit für ein weiteres/erst- maliges ischämisches Ereignis durch Clopidogrel statistisch signifikant stärker – um 8,7 Prozent/Behandlungsjahr – ge- senkt werden als durch den bis- herigen Goldstandard ASS.
In CAPRA wurden die CAPRIE-Teilnehmer in der ASS-Gruppe mit einer Popu- lation von etwa 13 000 Patien- ten der kanadischen Region Saskatchewan, denen auf- grund einer „CAPRIE-Indi- kation“ ASS verordnet wor- den war, verglichen. Das Er- gebnis bestätigte Caros Ein- schätzung: In dieser unselek- tierten Kohorte war die jährli- che Inzidenz ischämiebeding- ter Ereignisse 2,4mal höher als in CAPRIE. Das lasse vermu- ten, so Caro, daß eine Prophy- laxe mit Clopidogrel pro ein- tausend Behandelten statt fünf – wie in CAPRIE – möglicherweise zwölf zu- sätzliche Myokardinfarkte, Schlaganfälle oder vaskulär- bedingte Todesfälle verhindert hätte. Gabriele Bläser-Kiel
„Politisch korrekt wäre wohl eine Fusion zweier europäischer Konzerne“ – so antwortete Jean-René Four- tou, Präsident des fran- zösischen Pharmakonzerns Rhône-Poulenc, im April dem „Handelsblatt“ auf die Frage nach einem Wunsch- kandidaten für eine Allianz.
Politisch korrekt ist die An- fang Dezember angekündigte Fusion von Rhône-Poulenc SA und dem Hoechst-Kon- zern also. Ob sie es auch im unternehmerischen Sinn ist, muß sich erst noch erweisen.
Fourtou lobte im April aus- drücklich die Strategie von Hoechst, sich vom Geschäfts- feld Chemie zu trennen und sich auf die Bereiche zu kon- zentrieren, die mit dem Mo- dewort „Life Science“ zusam- mengefaßt werden: Pharma, Diagnostika, landwirtschaft- liche Chemie, Tiermedizin.
Konzernzentrale in Straßburg Ergebnis der Fusion soll ein Konzern namens Aventis sein, an dem beide Geschäfts- partner je zur Hälfte beteiligt werden. Aventis wird seinen Sitz in Straßburg haben, wo- bei das Pharmageschäft wohl in Frankfurt/Main angesie- delt werden soll und der Be- reich Landwirtschaft in Lyon.
Aventis wird einen Umsatz von schätzungsweise 34 Milli- arden DM erwirtschaften und rund 95 000 Mitarbeiter be- schäftigen. Ihre Zahl wird
sich sicherlich noch reduzie- ren, denn die Entlassung von Mitarbeitern gilt bei Fusio- nen als sicherster Synergieef- fekt. Bis zum Jahr 2001 sollen sich Hoechst wie Rhône-Pou- lenc von ihren Geschäftsfel- dern in der industriellen Che- mie getrennt haben, womit sie bekanntlich längst begon- nen haben. Aventis wäre dann wohl in Zukunft sowohl im Bereich Pharma wie im ge- samten Life-science-Bereich weltweit die Nummer zwei, gemessen am Umsatz.
Daß das neue Unterneh- men den Kunstnamen Aven- tis tragen soll, hat sicher nicht nur etwas mit dem Zeitgeist zu tun. Wollte man aus den großen Konzernbestandtei- len einen einzigen Namen kreieren, würde ein Mehrzei- ler dabei herauskommen.
Hoechsts Pharmageschäft fir- miert längst unter Hoechst Marion Roussel (HMR). In den 90er Jahren kauften die Frankfurter die Unterneh- men Roussel-Uclaf (Frank- reich) sowie Marion Merrell Dow (USA). Zu letzterem gehörte auch eine Generika- Tochter, was paßte, solange die aufgekauften Firmen Cox (Großbritannien) und Copley Pharmaceuticals (USA) zum Konzern zählten. Hoechst hat sich jedoch inzwischen vom Generikageschäft verab- schiedet.
Rhône-Poulenc war bis Mitte der 80er Jahre „ein ka- pitalschwacher und unrenta- bler Chemieriese“, wie es die
FAZ kürzlich formulierte.
Fourtou baute konsequent das Pharmageschäft aus und begann mit der Ablösung des Chemiezweiges – darin offenbar dem Hoechst-Kon- zernchef Jürgen Dormann ähnlich. Gekauft wurden nacheinander Nattermann (Deutschland), Rorer (USA) und Fisons (Großbritannien).
Rhône-Poulenc produziert heute Medikamente für Anwendungen in den Indi- kationsgebieten Atemwege/
Asthma, Herz-Kreislauf, On- kologie, Zentrales Nerven- system und Infektionskrank- heiten. Besonderen Erfolg verspricht man sich derzeit von Lovenox, einem Präparat gegen Thrombosen, sowie von Taxotere, das zur Be- handlung von Brustkrebs ein- gesetzt wird. Die Tochterge- sellschaft Pasteur Mérieux Connaught ist zudem einer der größten Impfstoffprodu- zenten.
Produktpaletten passen zusammen Mit Hoechst verband Rhône-Poulenc bislang nur ein Engagement: die Firma Centeon, die Blutplasmaprä- parate herstellt. Ob es sich bei der Fusion um einen ge- glückten Coup handelt, ist umstritten. Zwar passen die beiden Produktpaletten recht gut zusammen. Auch strate- gisch scheinen die „Köpfe“
von Hoechst und Rhône-Pou- lenc ähnlich ausgerichtet. An- dererseits hat keines der bei- den Unternehmen in den USA eine besonders starke Position. Genau dies galt für eine Partnerwahl aber bis- lang als wichtiges Kriterium.
Und was die fusionierte Pipe- line enthält – es wird sich zei-
gen. Rie
A-3303 Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 51–52, 21. Dezember 1998 (59)
V A R I A
AUS UNTERNEHMEN/WIRTSCHAFT