K
aum eine Diagnose ist mit so einer schlechten Prognose verknüpft wie die der malignen Hirntumo- ren. Trotz multimodaler The- rapiekonzepte mit Operation und anschließender adjuvan- ter Strahlen- und Chemothe- rapie überlebten nur zwei bis vier Prozent der Patienten mit malignem Gliom die nächsten fünf Jahre, erläuter- te Prof. Ulrich Bogdahn, Neu- rologische Universitätsklinik Regensburg. Zehn bis 15 Pro- zent der Patienten mit Glio- blastoma multiforme überle- ben zwei Jahre ab Diagnose- stellung. Etwas günstiger und dennoch ernüchternd ist die mediane Zwei-Jahres-Über- lebenszeit der Patienten mit anaplastischem Astrozytom.Mit Temozolomid steht nun eine Substanz zur adju- vanten Behandlung des Glio- blastoma multiforme zur Ver- fügung, von der sich Experten eine Verbesserung der Progno- se ihrer Patienten erhoffen. In der für die Zulassung relevan- ten Phase-II-Studie wurden in Abhängigkeit von der Vorbe- handlung 225 Patienten mit re- zidiviertem Glioblastoma mul- tiforme mit 150 bis 200 mg/m²
Temozolomid (T. 1–5, alle vier Wochen) oder 125 bis 150 mg/m² Procarbazin (T. 1–28, alle 56 Tage) behandelt.
Nach sechs Monaten wa- ren noch 21 Prozent der Temozolomid-Patienten pro- gressionsfrei gegenüber nur neun Prozent der Patien- ten im Vergleichsarm. Dieser Unterschied war statistisch signifikant und schlug sich auch in einer Verlängerung des progressionsfreien Über- lebens sowie des Gesamt- überlebens unter Temozo- lomid nieder. Nach sechs Monaten lebten noch 60 Pro- zent der Temozolomid- und 44 Prozent der Procarbazin- Patienten. Im Median über- lebten die Patienten in der Te- mozolomid-Gruppe 1,5 Mo- nate länger (7,34 Monate be- ziehungsweise 5,66 Monate).
Erfreulich ist die aus- gesprochen gute Verträglich-
keit der Substanz, erläuterte Prof. Rita Engenhart-Cabillic (Universitätsklinik Marburg).
Klinisch relevante Grad-drei- bis-vier-Nebenwirkungen sind selten, was sich auch in einer geringeren Rate an The- rapieabbrüchen zeigte: drei Prozent unter Temozolomid versus zehn Prozent unter Procarbazin. Eine kumulati- ve Myelosuppression wurde nicht beobachtet. Die im Rahmen der Zulassungsstu- die durchgeführte Lebens- qualitätsanalyse zeigte klare Vorteile für Temozolomid.
Orale
Bioverfügbarkeit Eine zweite vielverspre- chende Indikation ist laut Engenhart-Cabillic das ana- plastische Astrozytom. Im Rahmen einer international durchgeführten, multizentri-
schen Phase-III-Studie bei 162 Patienten zeigt die Intent- to-Treat-Analyse eine Ein- Jahres-Überlebensrate von 56 Prozent. 46 Prozent der Patienten waren nach sechs Monaten noch progressions- frei, acht Prozent der Patien- ten erreichten immerhin eine komplette Remission.
Temozolomid (Temodal®, Essex Pharma) wird einmal täglich oral gegeben. Auf- grund der einfachen Hand- habung und der guten Verträglichkeit ist erstmals eine ambulante Therapie von Patienten mit malignen Hirntumoren möglich. Die vergleichsweise guten Ergeb- nisse von Temozolomid basieren wesentlich auf der 100prozentigen oralen Bio- verfügbarkeit der Substanz und darauf, daß Temozo- lomid, anders als die herkömmlichen Substanzen, die Blut-Hirn-Schranke über- windet und sich speziell im Tumorgewebe anreichert.
Überlegungen zur weiteren Therapieoptimierung beste- hen darin, Temozolomid mit anderen Substanzen zu kombinieren.
Birgit-Kristin Pohlmann
A-1914 (54) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 28–29, 19. Juli 1999
V A R I A AUS UNTERNEHMEN
B
ei einer Angioplastie wird heute in Europa in 50 bis 70 Prozent der Fälle ein Stent implantiert – mit steigender Tendenz. Zur Prophylaxe einer akuten oder subakuten Thrombose hat sich die kombinierte Gabe von Acetylsalicylsäure und Ticlopidin (Tiklyd®, Sanofi Winthrop) bewährt, die über synergistische Mechanismen die Thrombozyten-Aggrega- tion hemmen. Seit einiger Zeit steht mit Clopidogrel (Iscover®, Bristol-Myers Squibb, Plavix®, Sanofi Win- throp) ein weiteres Thienopy- ridin-Derivat zur Verfügung, das sich durch seine bessere Verträglichkeit auszeichnet.Dies wird jetzt durch die CLASSICS-Studie (Clopido- grel Aspirin Stent Interna- tional Cooperative Study) be- stätigt. Hierbei wurden in 48 kardiologischen Zentren in
acht europäischen Ländern 1 020 Patienten randomisiert drei Gruppen zugeordnet. In- nerhalb von sechs Stunden nach Stent-Implantation er- hielten sie doppelblind zusätz- lich zu einer Basismedikation mit ASS (325 mg/Tag)
cam ersten Tag Clopido- grel 300 mg und dann bis zum 28. Tag 75 mg/Tag,
cvon Beginn an Clopido- grel 75 mg/Tag oder
cTiclopidin 500 mg/Tag.
Primäres Ziel der Studie war der Vergleich von Si- cherheit und Verträglichkeit beider Thienopyridin-Deriva-
te, definiert als Inzidenz von schweren Blutungskom- plikationen, Neutropenie und Thrombozytopenie bezie- hungsweise Studienabbruch aufgrund nichtkardiovaskulär bedingter Ereignisse.
In dieser Hinsicht schnit- ten die Patienten unter Clopi- dogrel mit 4,56 Prozent sta- tistisch signifikant besser ab als die mit Ticlopidin behan- delte Gruppe mit 9,12 Pro- zent. Am deutlichsten profi- tierten die Studienteilneh- mer, die initial eine Dosis von 300 mg Clopidogrel erhalten hatten (2,9 versus 6,3 Prozent
unter gleichbleibender Clopi- dogrel-Medikation).
Die Aufsättigung habe den Vorteil, erklärte Studi- enleiter Prof. Michel Ber- trand (Lille) beim Kongreß des American College of Cardiology in New Orleans, daß man einen rascheren Be- ginn der Plättchen-Aggre- gationshemmung erwarten könne.
Kein Unterschied ergab sich bei der Inzidenz kar- diovaskulärer Ereignisse, die mit 0,9 Prozent (Ticlopidin), 1,2 Prozent (Clopidogrel mit Aufsättigung) und 1,5 Pro- zent (Clopidogrel ohne Auf- sättigung) sehr niedrig war.
Das spreche für die Rich- tigkeit des Konzepts einer Kombination von ASS plus Thienopyridin-Derivat zur Thrombose-Prophylaxe nach Stent-Implantation, so Ber- trand. Gabriele Blaeser-Kiel