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Archiv "Das Porträt: Dr. med. Günter Ettrich Es geht ums Prinzip" (16.09.2005)

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r. med. Günter Ettrich fackelt nicht lange. Mit festen Schritten betritt er sein Sprechzimmer, wirft sich nach einem knappen Gruß seinen weißen Kittel über und legt los. „Ich ha- be hier diverse Schriftstücke vorberei- tet, in denen ich meine Argumente ge- gen die gesetzlich diktierte Altersgrenze für Vertragsärzte zusammengefasst ha- be“, erklärt er und beginnt unverzüg- lich, wortwörtlich aus den Schreiben zu zitieren. Dabei ist er kaum zu bremsen, ereifert er sich immer weiter, unter- streicht seine Argumente mit Gesten und wirft einem nur ab und an mal einen kurzen Blick über seine Lesebrille zu.

Erst nach einigen Minuten lässt der inzwischen (zwangs-)pensionierte Kas- senarzt – zumindest für wenige Augen- blicke – von seinen Papieren ab. Und das auch nur, um deutlich zu machen, dass es ihm bei seinem juristischen Feldzug gegen den gesetzlich verordne- ten Entzug der Zulassungen von Ver- tragsärzten, die das 68. Lebensjahr voll- endet haben, ums Prinzip geht. Ettrich sieht das so: „Wenn mich jemand in den Hintern tritt, trete ich zurück!“

Er selbst hält sich weder für Michael Kohlhaas noch für Don Quichotte.Aber, was Recht sei, müsse Recht bleiben, meint er, und die Zwangspensionierung deutscher Vertragsärzte sei für ihn eine

„Altersdiskriminierung in Reinkultur“, die er nicht hinnehmen wolle. „Die Re- gelung verletzt nicht nur unsere Grund- rechte, sondern verstößt auch gegen eu- ropäisches Recht“, schimpft Ettrich und ist bereits wieder voll bei der Sache.

Gut vier Jahre zieht der streitbare In- ternist nun schon gegen diese „demüti-

gende“ Regelung zu Felde, die unzäh- lige Ärzte in eine unvorhersehbare Schuldenfalle stürzt, weil sie keinen Praxisnachfolger finden. Für Ettrich ist es völlig unbegreiflich, dass der Staat trotz des inzwischen klar belegten Ärz- temangels dennoch munter weiter Ärz- te in den Ruhestand zwingt und mitun- ter sogar in die Zwangsverarmung treibt, statt endlich mit diesem Unsinn aufzuhören.

Begonnen hat Ettrich seinen persön- lichen Feldzug bereits zwei Jahre vor seinem 69. Geburtstag am 31. März 2003. Seither lässt er nicht mehr locker.

Keine gerichtliche Instanz und keine politische Institution sind vor ihm si- cher. Vom Sozialgericht in Karlsruhe über das Bundesverfassungsgericht (BVG) bis hin zum Europäischen Ge- richtshof für Menschenrechte (EuGH) in Straßburg hat er sich bereits durch- gekämpft, um die Regelung zu Fall zu bringen. Bislang alles ohne Erfolg.Auch eine Eingabe beim Deutschen Bundes- tag fiel nicht auf fruchtbaren Boden.

Vor einigen Monaten hat Ettrich sich daher an das Europäische Parlament

gewandt. Hier konnte er immerhin er- reichen, dass sich der Petitionsaus- schuss mit der Frage einer eventuell un- zulässigen Altersdiskriminierung vor dem Hintergrund europäischen Rechts eingehender befassen will. Ettrichs Wangen glühen, als er die Begründung für die Ablehnung seiner Beschwerde durch das BVG wiedergibt. „Ich habe immer gedacht, ich lebe in einem Rechtsstaat“, ereifert er sich. Ver- tragsärzte über 68 Jahre pauschal als

„Gefahr für die Allgemeinheit“ hinzu- stellen, empfindet er nicht nur als Frech- heit, sondern vor allem als gezielte und politisch motivierte Diskriminierung der Ärzteschaft. „Einem Freiberufler seine Lebensarbeitszeit durch Gesetz zu begrenzen ist und bleibt Unrecht“, betont er.

Ungebrochener Kampfgeist

Von einer eingeschränkten körperli- chen und geistigen Leistungsfähigkeit ist bei ihm jedenfalls nichts zu erken- nen. Im Gegenteil: Der 70-Jährige sprüht vor Vitalität. Aus dem Stand zi- tiert er Hemingway, dessen Motto „ein Mann kann besiegt werden, aber er darf nicht aufgeben“ ihn antreibt. Kerzenge- rade sitzt er auf seinem Stuhl, springt plötzlich auf, um einen weiteren Ordner mit Schriftstücken und Belegen aus dem Schrank zu holen. Ihn in seinem Redefluss zu unterbrechen erfordert schon einiges Geschick.

Ettrichs Kampfgeist kommt nicht von ungefähr. Aus dem niederschlesi- schen Schreiberhau, seinem Geburts- ort, zog es die Familie zunächst in die DDR, dann nach Serbien und schließ- lich nach Schwäbisch-Gmünd. Das war 1950. Sieben Jahre lang hatte der da- mals 15-Jährige keine Schule besucht und war in erster Linie von Kriegsgefan- genen unterrichtet worden. Dennoch schaffte er den Sprung aufs Gymnasium und schloss seine Schullaufbahn 1956

mit dem Abitur ab.

P O L I T I K

Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 37⏐⏐16. September 2005 AA2441

Dr. med. Günter Ettrich

Es geht ums Prinzip

P orträt das

„Zwangspensioniert“, aber nicht zwangsläufig resigniert: Dr. med. Günter Ettrich

Fotos:Petra Spielberg

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In Freiburg, München und Heidelberg studierte er anschließend Medizin, bilde- te sich zum Internisten weiter und eröff- nete 1973 seine eigene Praxis in Sand- hausen, nahe Heidelberg. Mehr als 30 Jahre lang war er hier als Hausarzt tätig.

Anfangs war Ettrich der einzige Inter- nist für rund 20 000 Patienten aus dem Umkreis. Erst nach und nach ließen sich weitere Kollegen in der Umgebung nie- der. Dennoch hatte seine Praxis immer regen Zulauf, zumal er über eine eigene Röntgenanlage verfügte. Über eine Mil- lion DM hat er Anfang der 70er-Jahre in die Geräte investiert. Doch K.O.-Kata- log und Punktwertverfall zwangen ihn dazu, das Röntgen aufzugeben.

Dennoch kann er sich zu den Glück- lichen zählen, die ihre Praxis pünktlich zur Beendigung der Vertragsarztzulas- sung an einen Nachfolger übergeben konnten. Seit April 2003 hat der Inter- nist Dr. med. Thomas Müller die ver- tragsärztliche Versorgung in der Haag- stiegstraße übernommen. Ettrich ist trotzdem jeden Tag in der Praxis, um drei, manchmal auch bis zu sieben Pati- enten privat zu behandeln.

Trotz aller Ärgernisse denkt er gerne an seine Zeit als Vertragsarzt zurück:

„Mein Beruf hat mich immer begei- stert. Ich war mit Leib und Seele Haus- arzt und habe die Arbeit nie als Last empfunden“, sagt Ettrich. Hausbesuche am Wochenende oder nachts waren für ihn ebenso eine Selbstverständlichkeit wie der leidige Schriftkram.

Viele Patienten haben ihm sein En- gagement mit freundschaftlicher Zu- neigung gedankt. Aber über solch per- sönliche Dinge spricht Ettrich nicht ger- ne. Ihm geht es um die Sache. Sentimen- talitäten haben da keinen Platz. Umso enttäuschter ist er, dass sich ein Groß- teil der betroffenen Ärzte ganz offen- sichtlich in ihr Schicksal ergeben hat, anstatt geschlossen aufzustehen und zu kämpfen. Gerade mal eine knappe Handvoll Mitstreiter unterstützen sein Anliegen offiziell.

Zwar haben ihm zahlreiche Kollegen geschrieben und geschildert, in welche persönliche und finanzielle Misere sie die gesetzliche Regelung stürzt. Zur Be- kräftigung wedelt Ettrich mit einem großen Stoß Papier, den er aus der Schreibtischschublade zieht. Dennoch vermisst er Solidarität und Kampfgeist

sowohl bei den Betroffenen als auch bei ihren Berufsvertretungen. „Der alte Hartmann würde sich im Grabe umdre- hen, wenn er wüsste, was sich die Kolle- gen alles gefallen lassen“, sagt er und betont zugleich, dass er mittlerweile aus dem Hartmannbund ausgetreten ist.

Rechtsfrieden kann es erst geben, wenn alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel ausgeschöpft sind. Sollte Ettrich

mit seinem Begehren beim Europäi- schen Parlament Schiffbruch erleiden, geht es als Nächstes an das Europäische Gericht erster Instanz – und wenn er auch da nicht weiterkommt, will er sich an die Vereinten Nationen wenden.

Sein Gesichtsausdruck lässt zumindest keinen Zweifel daran aufkommen, dass er es mit dieser Ankündigung ernst

meint. Petra Spielberg

P O L I T I K

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A2442 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 37⏐⏐16. September 2005

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ieder ist ein wunderschöner Sommer vorbei. Gestählt durch Sonnen- baden an fernen Gestaden, Genuss fremder Kulturen sowie sportli- che Herausforderungen, sind wir nun wieder in der Lage, die näch- sten Quartale durchzuhalten. Nicht nur die praxiseigene Festplatte quillt vor Urlaubsfotos über, sondern auch die Zunge ob der vielen kostbaren Erinne- rungen. Dies ist uns Medizinern bestens als Urlaubslogorrhö vertraut, und Sie mögen mir nachsehen, dass ich auch nicht ganz frei davon bin.

Nach jahrelanger Abstinenz hatte ich einen Urlaub im Traumparadies ge- bucht. Bereits auf dem Hinflug wurde mir viel Aufmerksamkeit zuteil, da ich, als gewissenhafter deutscher Mediziner auf größtmögliche Sicherheit bedacht, sämtliche Notsysteme höchstpersönlich austestete. Trotzdem pünktlich in der All-inclusive-Lagune gelandet, unterhielt ich beim Abendessen meine Mitrei- senden durch höchst penible Beschreibungen der Spätsymptomatik enteropa- thogener Escherichia-coli-Infektionen. Dies hatte zur Folge, dass mir die Ho-

telleitung bei den folgenden Abendessen einen besonders exquisiten Platz gönnte. Schwieriger wurde es allerdings, die freundlichen Miturlauber beim Bootsausflug zum Korallenriff über neurologische Defizite bei Dekompressi- onserkrankungen zu unterrichten, waren meine Patienten, pardon, die Urlau- ber doch überwiegend fremdsprachig. Kraft meiner Fantasie verlegte ich mich auf lebensnahe Demonstrationen von Halbseitenlähmungen und Krampfan- fällen, was den Reiseleiter unnötigerweise dazu veranlasste, die Bootsfahrt frühzeitig abzubrechen. Das Gala-Diner am Abend gab mir viel Gelegenheit, die Runde intensiv über Wurmverseuchungen einheimischer Tierarten aufzu- klären, welche sich auch auf den Tellern in erlegter Form wieder fanden.

Mein Bekanntheitsgrad war letztendlich so hoch, dass ich mich beim Rück- flug genötigt sah, den Flugkapitän mit den Worten zu begrüßen: „I am this ger- man doctor who everybody is speaking of!“ Daraufhin stellte er mir exklusiv einen Leerflug zur Verfügung. Ich muss gestehen, das hat mir schon gefallen, so ganz alleine im Flieger – obwohl – ich hätte meinen Mitpassagieren gerne ein bisschen über Verletzungsmu- ster bei Druckabfällen erzählt.

Zurück in Deutschland, finde ich mich schokoladen- gebräunt wieder in der Sprechstunde ein. Meine Patien- ten kommen gar nicht zu Wort, müssen sich erst einmal Schilderungen meiner Abenteuer anhören. Schließlich habe ich noch etwas Urlaub nachzuholen. Ich war doch pausenlos im Einsatz. Dr. med. Thomas Böhmeke

Reisen

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