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Archiv "Krankenhausfinanzierung: Ein System am Scheideweg" (21.03.2014)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 111

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Heft 12

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21. März 2014 A 485 KRANKENHAUSFINANZIERUNG

Ein System am Scheideweg

Bedarfsnotwendige Krankenhäuser, denen die Schließung droht; Operationen, die nur ökonomisch motiviert sein sollen; baufällige Krankenhäuser, weil die Länder zu wenig investieren – auf eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe wartet viel Arbeit.

M

ehr Wettbewerb zwischen den Krankenhäusern, Ver- kürzung der Verweildauer, Steige- rung der Effizienz, Spezialisierung, mehr Transparenz der Leistungen – die vor zehn Jahren mit der Einfüh- rung des DRG-Systems verbunde- nen Ziele seien weitgehend erreicht worden, sagte Edgar Franke (SPD) beim 14. DRG-Forum am 13. März in Berlin: „Das Prinzip ,Geld folgt der Leistung’ ist heute umgesetzt.“

Zwar gebe es auch Kritik am Fall- pauschalensystem („Stichwort: Ge- sundheit als Ware“), räumte der Vorsitzende des Gesundheitsaus- schusses im Bundestag ein. Die Ökonomisierung der Gesundheits- versorgung ist für ihn aber nicht per se negativ. Im Gegenteil: „Eine ökonomische Herangehensweise ist im Krankenhaus unerlässlich, um finanzielle Ressourcen effizient einzusetzen und eine gute bezahlba- re Versorgung zu gewährleisten“, argumentierte Franke. Da die Mittel begrenzt seien, wäre es geradezu

unethisch, wenn diese nicht optimal eingesetzt würden.

Mit einer Qualitätsoffensive wolle die Große Koalition die sta- tionäre Versorgung weiter verbes- sern, erläuterte der SPD-Politiker den 900 anwesenden Klinikma - nagern. Die Weichen dafür seien be- reits gestellt, unter anderem werde das neue Qualitätsinstitut im nächs- ten Jahr seine Arbeit aufnehmen.

Besonders wichtig sei der Bundes- regierung zudem, dass es in den Kliniken genügend Pflegekräfte ge- be. Franke: „Während die Zahl der Ärzte zuletzt deutlich gestiegen ist, wurden auf der anderen Seite Stel- len für Pflegende abgebaut. Das ist aus meiner Sicht ein Irrweg.“ In den neuen Qualitätsberichten der Kran- kenhäuser müsse deshalb die Zahl der Pflegekräfte genannt werden.

Falls das DRG-System Pflege-Min- deststandards nicht berücksichtige, werde der Gesetzgeber eingreifen:

„Gute Pflege muss sich für Kran- kenhäuser auch finanziell lohnen.“

Wenn die Bundesregierung den Krankenhäusern feste Personalquo- ten für die Pflege vorschreiben wol- le, so sei das prinzipiell in Ordnung, griff Alfred Dänzer, Präsident der Deutschen Krankenhausgesell- schaft (DKG), diesen Aspekt später auf: „Aber wer feste Personalquo- ten fordert, der muss die Personal- kosten dafür auch finanzieren – und das ist dann der Einstieg in den Ausstieg aus dem pauschalierenden Entgeltsystem im Krankenhausbe- reich.“ Man könne in der Tat der Meinung sein, dass das DRG-Sys- tem inzwischen in seinem Lebens- zyklus so weit sei, „dass man dar - über diskutieren muss, ob es in den nächsten zehn Jahren so in dieser Form eins zu eins weitergeführt werden kann“, zeigte sich der DKG-Präsident offen für eine grundlegende Reform des DRG- Systems: „Wenn wir Sorge haben, dass dieses System Leistungen prä- feriert, die sich ökonomisch lohnen, und dafür im Gegenzug Dinge, die

GRAFIK Mehr Fälle,

kürzere Liegezeiten, aber nur relativ wenige Marktaustritte:

Die Bilanz nach zehn Jahren DRG-System ist durchwachsen.

Eckdaten deutscher Krankenhäuser

Index (Jahr 1991 = 100)

120

100

80

60

40

1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012

(2)

(3) (6) (1) (5)

(4)

Betten (1) Fallzahl (2) Bettenauslastung (3) Verweildauer in Tagen (4) Belegungstage (5) Krankenhäuser (6)

Quelle: DKG

P O L I T I K

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A 486 Deutsches Ärzteblatt

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21. März 2014 wir gesundheits- und versorgungs-

politisch wollen, vernachlässigt wer- den, dann werden wir gemeinsam genau diese Diskussion führen müssen.“ Es gebe genügend Staa- ten, in denen das DRG-System lediglich als Budgetfindungsinstru- ment zum Einsatz komme. Dän- zer: „Vielleicht ist das auch für Deutschland ein gangbarer Weg.“

Ähnliches hatte die Bundesärzte- kammer (BÄK) kürzlich vorge- schlagen: Während das System im Ausland meist nur indirekt für die Budgetverhandlungen herangezo- gen werde, sei es in Deutschland zu einem für das wirtschaftliche Über- leben der Häuser maßgeblichen Be- stimmungsfaktor geworden. „Wir müssen weg von der 100-Prozent- Fiktion“, hatte Rudolf Henke, Vor- sitzender der BÄK-Krankenhaus- gremien, dem Deutschen Ärzteblatt (Heft 7/2014) gesagt. Heute werde jedes Angebot, das man für bedarfs- notwendig hält, ausschließlich über

das DRG-System, also über Leis- tungen, finanziert. Vorhaltung müs- se aber gesondert finanziert wer- den. Die Ärzteschaft fordert auch, ausreichende Ermessensspielräume für Krankenhäuser und Kostenträ- ger bei den Budgetverhandlungen vor Ort zu schaffen.

Johann-Magnus von Stackel- berg, stellvertretender Vorstands- vorsitzender des GKV-Spitzenver- bandes, lobte beim DRG-Forum die angekündigte Qualitätsoffensive der Bundesregierung. Die Quali- tätsstandards im stationären Sektor seien im Vergleich zum niederge- lassenen Bereich bereits sehr gut:

„Doch Qualitätsmängel dürfen

nicht ohne Konsequenzen sein. Und gute Qualität soll sich finanziell lohnen.“ Der GKV-Spitzenverband fordert in diesem Zusammenhang die Aufhebung des Kontrahierungs- zwangs, also der Vorgabe, dass eine Krankenkasse mit jedem Kranken- haus, das einen staatlichen Versor- gungsauftrag hat, einen Versor- gungsvertrag schließen muss. Se- lektivverträge seien das geeignete Instrument, um Patienten in Klini- ken zu steuern, in denen gute Quali- tät erbracht werde, meinte von Sta- ckelberg. Die Koalitionsvereinba- rung sieht hier vor, dass die Kassen für vier Indikationen modellhaft Se- lektivverträge mit einzelnen Kran- kenhäusern schließen dürfen. Von Stackelberg warnte die Politik bei diesem Thema jedoch vor einem überbordenden System und plä- dierte stattdessen für einen „sanften Einstieg“: „Denn ich kann mir zum Beispiel nicht vorstellen, dass man ein Uniklinikum kurzfristig nach

Qualitätsvorgaben bezahlen kann.“

Ein System wie „Pay for Perfor- mance“ lebe von der Akzeptanz der Beteiligten.

DKG-Präsident Dänzer sprach sich hingegen klar gegen eine quali- tätsorientierte Vergütung von Kran- kenhausleistungen aus. Es gebe kei- nen wissenschaftlichen Beleg für deren Nutzen, zugleich drohten im- mense Implementierungskosten in den ohnehin von bürokratischen Hürden umstellten Krankenhäu- sern. Dänzer verwies auf eine Stu- die von Medicare, der öffentlichen US-Krankenversicherung für ältere oder behinderte Bürger in den USA, wonach Pay for Performance nur

bei einem Prozent aller Behandlun- gen zu Verbesserungen bei der Pa- tientenbehandlung geführt habe.

Mehr Zurückhaltung forderte der DKG-Präsident bei der Mengendis- kussion: Insgesamt seien die Be- handlungszahlen seit 2004 nur um 1,3 Prozent jährlich gestiegen, was vor allem auf die demografische Entwicklung und den medizinisch- technischen Fortschritt zurückzu- führen sei. Zudem gebe es eine ver- änderte Anspruchshaltung in der Bevölkerung. „Mobilität und Le- bensqualität im Alter gewinnen im- mer mehr an Bedeutung“, führte Dänzer aus. Dies müssten die Ärzte bei ihren Therapieentscheidungen berücksichtigen.

Leider habe das DRG-System nicht dazu beigetragen, gerechtfer- tigte Marktaustritte im Kranken- hausbereich voranzutreiben, kriti- sierte von Stackelberg: „Die Politik schafft es nicht, die Krankenkassen alleine auch nicht. Wir müssen da- her die Träger auch finanziell dabei unterstützen, wenn sie ein Kranken- haus umstrukturieren wollen oder den Marktaustritt wagen.“ Auch Krankenhäuser, die Regionen ver- sorgten, in denen sich ein Betrieb finanziell nicht lohne, sollten mit Zuschlägen unterstützt werden.

„Die Kassen waren hier zu zurück- haltend“, meinte von Stackelberg.

Er kündigte an, für einen Fonds zur Marktumstrukturierung streiten zu wollen. „Nur weil er aus dem Ko- alitionsvertrag gestrichen wurde, sollte uns das nicht daran hindern, so etwas in Gang zu setzen.“

Einig sind sich Krankenhäuser und Krankenkassen in ihrer Kritik an den Ländern, die immer weniger in die Ausstattung der Krankenhäu- ser investieren. Der Bund müsse sich an der Investitionsfinanzierung beteiligen, um die Infrastruktur zu sichern, forderte DKG-Präsident Dänzer. Dies müsse in der Bund- Länder-Gruppe, die die Kranken- hausreform erarbeitet, vereinbart werden. Dieses Gremium sollte ur- sprünglich noch im März seine Ar- beit aufnehmen. Nach Informationen der „Rheinischen Post“ drängt die SPD jedoch jetzt auf eine Verschie- bung auf die Zeit nach Ostern.

Jens Flintrop Eine Frage der

Fairness:

Am 11. März startete die DKG eine neue Imagekampagne.

Ziel sei es, die Leistungsfähigkeit der Krankenhäuser und ihrer Mitarbeiter stärker ins öffent - liche Bewusstsein zu rufen. Das Foto entstand vor dem Marien-Hospital in Düsseldorf.

Foto: dpa

P O L I T I K

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