Zur Fortbildung Aktuelle Medizin
KONGRESS-NACHRICHTEN
Dem Hospitalismus zu Leibe rücken
Krankenhausinfektionen mit mei- stens a priori chemotherapieresi- stenten Erregern sind eine Realität, mit der man sich nicht abfinden darf (Professor Dr. G. Henneberg, Bundesgesundheitsamt, Berlin).
Die Richtlinien, die das Bundesge- sundheitsamt zur Bekämpfung des Hospitalismus ausgearbeitet hat, sind keine Empfehlungen, sondern Forderungen, an denen künftig wohl auch die Frage der Haftung gemessen werden dürfte. — Auf Grund verschiedener Schätzungen wird angenommen, daß derzeit bis zu sechs Prozent aller Patienten während eines stationären Aufent- haltes eine Hospitalismus-Infektion erleiden. Gefährdet sind speziell Risikopatienten aller Art. Ohne Krankenhaushygieni ker bezie- hungsweise Hygienekommission dürfte es kaum noch möglich sein, diese häufig letal endenden Infek- tionen zu bannen.
(Wissenschaftliches Symposium des Bun- desgesundheitsamtes über „Bewertung von Risiken für die Gesundheit", Mai 1976, Ber- lin)
Das gewandelte Infektionsrisiko
Die Infektionsepidemiologie der letzten hundert Jahre läßt ein ver- blüffend symmetrisches Bild erken- nen (Professor Dr. H. J. Raettig, Robert-Koch-Institut des Bundes- gesundheitsamtes, Berlin):
• Acht Seuchen konnten gebannt beziehungsweise bis zur Unbedeut- samkeit zurückgedrängt werden (klassische Cholera, Typhus abdo- minalis, Paratyphus B, Pocken, Malaria, Scharlachletalität, Pertus- sisletalität, Diphtherie).
b■ Acht akute Infektionskrankhei- ten sind bei uns unverändert ende- misch: Masern, Mumps, Röteln, Windpocken, Influenza, Ruhr, Scharlachmorbidität, Toxoplasmo- se.
Acht Infektionskrankheiten sind neu in Erscheinung getreten oder breiten sich immer weiter aus: Vi- rusinfektionen des Zentralnerven- systems, Meningitis epidemica, Enteritis salmonellosa, Hospitalis- mus, Geschlechtskrankheiten, El- Tor-Cholera, Hepatitis epidemica, infektiöse Mononukleose.
(Wissenschaftliches Symposium des Bun- desgesundheitsamtes über „Bewertung von Risiken für die Gesundheit", Mai 1976, Ber- lin)
Hirndefekte
durch Zytomegalievirus
Vorwiegend bei mütterlicher Erst- infektion mit Zytomegalievirus in der Frühschwangerschaft sind un- geborene Kinder gefährdet. Man rechnet etwa jährlich mit 6000 Säug- lingen mit Zytomegalievirusinfek- tion, von denen 60 bis 600 pro Jahr virus-embryopathogenetische Hirn- defekte und andere Fehlbildungen davontragen (Professor Dr. H.
Spiess, Kinderpoliklinik der Univer- sität München). Die Lage ist also ähnlich wie bei Rötelninfektion der Mutter in der Frühschwanger- schaft. Derzeit bemüht man sich einmal um die Diagnostik der pri- mären Zytomegalievirusinfektion in der Frühschwangerschaft, zum an- deren um die Entwicklung eines Impfstoffes.
(Wissenschaftliches Symposium des Bun- desgesundheitsamtes über „Bewertung von Risiken für die Gesundheit", Mai 1976, Ber- lin)
Behandlung
bei therapieresistenter Schizophrenie
Die bekannten extrapyramidalen Nebenwirkungen limitieren eine neuroleptische Therapie nicht sel- ten vor Erreichen des Behand- lungserfolges. Mit extrem hohen Dosen eines Depotneuroleptikums kann man diese „Nebenwirkungs- zone" überspringen und wenig- stens noch jedem zweiten dieser therapieresistenten Kranken helfen
(Dr. G. J. Beker, Göteborg). Bei In- itialdosen von 400 bis 750 (!) mg eines Depotneuroleptikums werden für einige Tage Serumspiegel von 30 ng/ml Wirkstoff erreicht. Nur selten treten extrapyramidale Symptome beim Durchschreiten der „extrapyramidalen" Zone wäh- rend des Abklingens der Wirkung ein. 250 mg Depotneuroleptikum reichen nicht. — Unter 2500 schi- zophrenen Patienten waren bei Be- ker 300 resistent gegenüber der konventionellen Therapie. Weit über die Hälfte - sprach sehr gut auf die Hochdosenbehandlung an. Nur zwei davon zeigten beim Abklingen der Wirkung schwere extrapyrami- dale Nebenwirkungen. Die meisten hatten freilich etwa drei Monate lang eine Akanthese.
(12. Psychiatrisches Symposium, Mai 1976, Lahnstein)
Isotopen bei
Koronarkrankheiten
In den letzten Jahren haben nu- klearmedizinische Untersuchungs- techniken bei Koronarkrankheiten einen großen Schritt nach vorn ge- bracht. Lokale Durchblutungsstö- rungen und lokale Störungen der Myokardfunktion, speziell des lin- ken Ventrikels, können schon heute mit ihrer Hilfe sehr exakt unblutig gemessen werden (Pumpfunktion und Herzmuskeldynamik). Dyskine- sien, Hypo- und Akinesen der Vor- der-Seitenwand des linken Ventri- kels sind in nahezu allen ventriku- lographisch gesicherten Fällen auch durch Isotopentechniken nachweisbar (Professor Dr. W. E.
Adam, Radiologisches Institut der Universität Ulm). — Im Perfusions- (Ruhe-)Szintigramm können heute auch die hämodynamischen Aus- wirkungen von Koronarstenosen kontrolliert werden (Professor Dr.
R. Felix, Radiologische Universi- tätsklinik Bonn). — Ein totaler oder subtotaler Ausfall zeigt eine Narbe an. Auch die relative Größe einer Kollateralzirkulation kann angege- ben werden. Die Doppelradionu-
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2378 Heft 38 vom 16. September 1976 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
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klid-Szintigraphie (zum Beispiel J' 3 ' und Tc 999 ermöglicht Zweit- oder Kontrollszintigramme von der Durchströmung im gleichen Unter- suchungsgang. — In Zukunft ist mit weiteren Verbesserungen der nichtinvasiven Herzdarstellung zu rechnen. Die derzeitigen Methoden dürften in absehbarer Zeit Routine- verfahren werden — die einschlä- gige Apparatur pp. vorausgesetzt (Dr. W. L. Ashburn, University of California, San Diego Medical Cen- ter).
(Internationales Symposium des Deutschen Herzzentrums über klinische Aspekte der Myokarddurchblutung, Juni 1976, München)
Dauertraining
bei Angina pectoris
Angina-pectoris-Kranke mit gesi- cherter Koronarsklerose können durch tägliches körperliches Trai- ning am Rudergerät zu Hause lei- stungsfähiger und schmerzfreier werden (Oberstabsarzt Dr. N. Gre- we, Bundeswehrkrankenhaus Ulm).
Bei kontrolliertem Heimtraining mit Ausdauerbelastung bis zum star- ken Herzschmerz erzielt man einen sicheren peripheren Trainingsef- fekt, möglicherweise auch einen Trainingseffekt am Herzen sowie eine Verringerung der Angina-pec- toris-Symptomatik. Die subjektive und objektive Befundbesserung ist im ersten Halbjahr ausgeprägter als im zweiten. — Das gilt auch in An- betracht der Tatsache, daß Herz- frequenz, systolischer Blutdruck und das Ausmaß der ST-Senkung im EKG sowie schließlich die sub- jektiven Schmerzempfindungen bei wiederholten Kontrollen eines An- gina-pectoris-Kranken zwischen 20 und 40 Prozent schwanken können.
Solche Spontanschwankungen gilt es also stets zu beachten (Ober- stabsarzt Dr. B. K. S. Härich, Zen- trum innere Medizin und Kinder- heilkunde der Universität Ulm).
(Wehrmedizinische Tagung der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehr- pharmazie, Juli 1976, Ulm)
Neuroleptika und Thymoleptika in einem Boot
Daß zumindest bei schizoid-affekti- ven Mischpsychosen kombinierter Einsatz von Thymo- und Neurolep- tika indiziert ist, geht schon aus der Symptomatik hervor. Neurolep- tika bessern vegetative Symptome bei Depressiven, bei denen Thymo- leptika allein ziemlich hilflos sind.
Die neuroleptische Dosis liegt da- bei in niedrigen Bereichen, in de- nen diese Psychopharmaka auch anxiolytisch wirken. — Es gibt aber auch für Thymoleptika Indikationen bei der Schizophrenie (Prof. Dr. W.
Walcher, Psychiatrische Universi- tätsklinik Graz): Die extrapyramida- len Nebenwirkungen, die die neu- roleptische Schizophrenie-Thera- pie belasten, werden durch Thymo- leptika (zum Beispiel Amitriptylin) ebenfalls und vielleicht noch bes- ser hintangehalten. Eine solche Kombinationstherapie soll vor al- lem die Rehabilitation Schizophre- ner erleichtern.
(12. Psychiatrisches Symposium, Mai 1976, Lahnstein)
Intraperitoneale Proteinaseninhibition bei Pankreatitis
Bei der konservativen Behandlung einer akuten Pankreatitis ist der Einsatz von Proteinasenhemmern unerläßlich. Noch wirksamer ist die Therapie, wenn man damit schon bei begründetem Verdacht auf aku- te Pankreatitis beginnt (Professor Dr. W. Theisinger, Chirurgische Universitätsklinik der Technischen Hochschule München). — Neuer- dings wurde darüber hinaus gefun- den, daß die intraperitoneale Appli- kation des Proteinaseinhibitors noch größere Therapiechancen bietet (Dr. P. Wendt, Institut für ex- perimentelle Chirurgie an der Technischen Hochschule Mün- chen). Dadurch wird nicht nur die hohe intraperitoneale proteolyti- sche Aktivität erheblich reduziert,
sondern auch der Lipase- und Amylasegehalt und überhaupt der Einstrom von toxischen Substan- zen in die Blutbahn gehemmt (Dr.
C. Hilbe, Institut für experimentelle Chirurgie an der Technischen Hochschule München).
(Symposium über Proteinaseinhibition in der Chirurgie und Anästhesiologie, Mai 1976, München)
Gefährliche
Raucherbronchitis
Rauchen ist nicht nur Risikofak- tor erster Ordnung für Bronchial- karzinom und Herzinfarkt, sondern auch für die fatale Entwicklung ei- ner chronischen obstruktiven Bron- chitis (Prof. Dr. C. M. Fletcher, Uni- versität London). Das maximale Sekundenausatmungsvolumen als verläßlicher Parameter einer bron- chialen Obstruktion ist speziell mit den Rauchgewohnheiten korreliert.
Wird das Rauchen eingestellt, blei- ben zwar inzwischen eingetretene organische Lungenveränderungen bestehen. Das Sekundenausat- mungsvolumen normalisiert sich jedoch meistens weitgehend. Da- mit nimmt auch die Lebenserwar- tung der Betroffenen wieder erheb- lich zu. Nur bei Emphysem kommt der Nichtraucherentschluß zu spät.
(12. Internationaler Kongreß für Lebensver- sicherungs-Medizin, Juni 1976, München)
Sauerstoffnot nach Herzinfarkt
Nach einem akuten Myokardinfarkt ist die Arbeitsbelastung des kom- pensierenden Myokards besonders groß. Der Stoffwechsel der Mito- chondrien im überlebenden Myo- kard steigt an, folglich auch des- sen Sauerstoffbedarf (Dr. W. D.
Sack, I. Medizinische Universitäts- klinik der TH München). Deshalb ist das überlebende Myokard gera- de in-der Postinfarktphase beson- ders empfindlich für jegliche Hyp- oxie. WP
(7. Europäischer Kongreß für Kardiologie, Juni 1976, Amsterdam)
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