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Archiv "Menopause lässt Prävalenz ansteigen" (03.02.2012)

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80 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 109

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Heft 5

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3. Februar 2012

M E D I Z I N

Objektivität zweifelhaft

In der Leitlinie zum unkomplizierten Harnwegsin- fekt wird Fosfomycin als Mittel der ersten Wahl empfohlen – ein Antibiotikum, das in den 1980er Jahren als Reserveantibiotikum für multiresistente Staphylokokken auf den Markt gebracht wurde und auch heute noch in dieser Funktion bei MRSA-Pa- tienten eingesetzt werden kann. Bei E. coli weist es Resistenzraten von unter 10 % auf – also ein wichti- ges, immer noch hochwirksames Antibiotikum.

Was wird nun mit dieser Substanz passieren, wenn sie – seit einigen Jahren als orale Gabe im Handel – jetzt bereits bei unkomplizierter Cystitis eingesetzt wird? Wahrscheinlich wird die Resistenzentwick- lung einen ähnlichen Verlauf nehmen wie die der Chinolone, die in den 1980er Jahren das einzige ora- le Antibiotikum gegen Pseudomonas waren, dann sehr breit, vor allem im urologischen Bereich, einge- setzt wurden und heute eine Resistenzrate von 25–30 % aufweisen.

Gibt es einen zwingenden Grund, Fosfomycin jetzt bereits breit im Primärbereich einzusetzen und damit einer Resistenzentwicklung Tür und Tor zu öffnen?

Die Ärzte, die am häufigsten mit der unkompli- zierten Cystitis konfrontiert werden (Hausärzte, Kin- derärzte, Gynäkologen) haben über ihre Fachgesell- schaften eine eher ablehnende Haltung bekundet (siehe auch „FRAUENARZT“ 2/11).

Trotzdem ist die Leitlinie so entstanden. Von den Verfassern haben drei Autoren Zuwendungen der Firma Pierre-Fabre, den Vertreibern von Monuril, dokumentiert. Professor Wagenlehner gibt Kontakte zu insgesamt 19 Pharmaherstellern, darunter auch der Firma Pierre-Fabre an.

Bei derartig engen Verbindungen zur Arzneimit- telindustrie frage ich mich, ob die Empfehlungen zum Antibiotikaeinsatz wirklich aus objektiven und unabhängigen Beurteilungen hervorgegangen sind, wie Ärzteschaft und auch Patienten es von einer Leitlinie erwarten.

DOI: 10.3238/arztebl.2012.0080a

LITERATUR

1. Wagenlehner FME, Hoyme U, Kaase M, et al.: Clinical practice guide- line: uncomplicated urinary tract infections. Dtsch Arztebl Int 2011:

108(24): 415–23.

Menopause lässt Prävalenz ansteigen

Die S-3 Leitlinien HWI wollen rationalen Einsatz anti- mikrobieller Arzneimittel fördern. Auf rationalen Ein- satz von Östriol lokal-vaginal wird nicht hingewiesen.

Dieser schwach wirksame Metabolit von Östradiol hat eine um den Faktor 7 kürzere Rezeptorbindungszeit und somit weder Krebs- noch Thromboserisiken.

Harnwegsinfekte (HWI) ab der Menopause sind häufig und ab 65 Jahren ist jede vierte Frau betroffen.

Deutlich ansteigende Prävalenz von Dysurie, imperati- vem Harndrang und Pollakisurie ist biologisch erklär- bar mit zunehmender Urogenitalatrophie bis hin zur Kolpitis senilis bei lang andauerndem Östrogenmangel.

Dann gelangen Vaginalkeime problemlos via Urethral- mündung in die Harnblase. Erleichtert wird das durch insuffiziente Urethralverschluss-Mechanismen infolge Östrogenmangels. Hinzu kommen mäßige Trinkmen- gen mit höherem Alter (insbesondere bei Harninkonti- nenz) mit mangelnden Spüleffekten via Blasenentlee- rung.

Lokal-vaginale Östrioltherapie wirkt auf Urethral- und Harnblasen-Schleimhaut proliferativ (nach weni- gen Tagen an Vaginal-Epithelien unter dem Mikroskop erkennbar mit Zellbildern wie vor der Menopause). Bei 6 von 10 Frauen erscheinen im Vaginalsekret wieder Laktobazillen wie im fertilen Alter (unter Placebo bei 0 von 10) (1). Deren Milchsäureproduktion mit saurem Scheidenmillieu schützt vor pathogenen Keimen.

Mit Östriol als Östradiol-Metabolit wird die Uroge- nitalregion besser vaskularisiert, allerdings werden kei- ne klimakterischen Beschwerden beseitigt. Das prolife- rationsfördernde Östriol wirkt präventiv bei rezidivie- renden HWI nach Antibiose.

Die Infekt-Anfälligkeit ist durch lokales Östriol auf 0,5 Episoden/Jahr reduzierbar gegenüber 5,9 bei gleichaltrigen Frauen nach randomisiert-doppelblinden prospektiven Studien (2). Dieser Östriol-Vorteil wurde placebokontrolliert bestätigt (3).

Ein Östriol-Ovulum 0,5 mg kostet 0,7 Euro (anfangs zweimal, dann einmal wöchentlich). Risiken und Ne- benwirkungen sind seit 40 Jahren unbekannt.

Das entspricht dem Ziel der HWI-Richtlinien: weni- ger Belastungen durch antimikrobielle Arzneimittel.

DOI: 10.3238/arztebl.2012.0080b

LITERATUR

1. Yoshimura T, et al.: Short term oral estriol treatment restores normal premenopausal vaginal flora to elderly women. Maturitas 2001; 39:

253–7.

2. Raz R, et al.: A controlled trail of intravaginal estriol in postmenopau- sal women with recurrent urinary tract infections. N Engl J Med 1993; 329: 753–6.

LITERATUR

1. Wagenlehner FME, Hoyme U, Kaase M, et al.: Clinical practice guide- line: uncomplicated urinary tract infections. Dtsch Arztebl Int 2011:

108(24): 415–23.

Dr. med. Jörg Wefer, FEBU

Urologische Gemeinschaftspraxis, Oldenburg joerg.wefer@googlemail.com

Interessenkonflikt

Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Dr. med. Swana Swalve-Bordeaux Eckernförde

swalve-bordeaux@gmx.de

Interessenkonflikt

Die Autorin erklärt, dass kein Interessenkonflikt besteht.

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 109

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Heft 5

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3. Februar 2012 81

M E D I Z I N

Ändern sich so die Zeiten?

Was bedeutet unkompliziert wirklich und warum be- darf gerade eine solche Infektion der differenten Anti- biotikatherapie? Erstaunt griff ich während der Lektüre der „Klinischen Leitlinie“ in das Bücherregal und nahm die „Antibiotika-Therapie“ von C. Simon und W.

Stille aus dem Jahr 1989 (7. Auflage) zur Hand, um Einzelheiten über die neuerdings zur First-live-Thera- pie empfohlenen älteren Harnwegstherapeutika nach- zulesen. Dort steht, dass Mecillinam (als Ester Pivme- cillinam, S. 68) ein stark wirksames Breitspektrum-Pe- nicillin ist, Fosfomycin (S. 205) in der Schwanger- schaft früher kontraindiziert war und mit sekundärer Resistenzentwicklung in vitro und vivo behaftet ist.

Was aber das Chemotherapeutikum Nitrofurantoin an- betrifft, so gebe ich einige Passagen im Wortlaut kurz wieder (S. 256): „ . . . Indikationen: Bei Berücksichti- gung der Vor- und Nachteile von Nitrofurantoin er- scheint es dringend notwendig, die Indikationen von Nitrofurantoin erheblich zu reduzieren und dieses Prä- parat nur noch als Reserve-Chemotherapeutikum für besondere Formen von Harnwegsinfektionen zu emp- fehlen. . . . Falsche Indikationen: Auch unkomplizierte Harnwegsinfektionen von Frauen sollten heute nicht mehr mit Nitrofurantoin behandelt werden . . . “. Die Gegenanzeigen umfassen auch hier wegen der mutage- nen Effekte die Gravidität. Weiteres siehe 11. Auflage (2). Ändern sich so die Zeiten? Unbehaglich auch die vielfältigen Verbindungen fast aller Autoren zur Pharmaindustrie.

DOI: 10.3238/arztebl.2012.0081a

LITERATUR

1. Wagenlehner FME, Hoyme U, Kaase M, et al.: Clinical practice guide- line: uncomplicated urinary tract infections. Dtsch Arztebl Int 2011:

108(24): 415–23.

2. Stille W, Brodt HR, Groll AH, Just-Nübling G: Antibiotika-Therapie:

Klinik und Praxis der antiinfektiösen Behandlung. Stuttgart, Germany:

Schattauer-Verlag 2005; 234–7.

Dr. med. Ulrike Grundmann Fachärztin für Innere Medizin Naturheilverfahren Marktplatz 32–34 56727 Mayen

Interessenkonflikt

Die Autorin erklärt, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Schlusswort

Die klinische S3-Leitlinie unkomplizierte Harnwegsin- fektionen (HWI) beschäftigt sich mit der Therapie un- komplizierter HWI und nicht mit der Prophylaxe. Der Hinweis von Prof. Wenderlein, dass bei postmenopau- salen Patientinnen eine lokal-vaginale prophylaktische Östradiolgabe wiederkehrende HWI verhindern kann, ist richtig, bezieht sich jedoch nicht auf die akute The- rapie, sondern auf die Prophylaxe.

Herr Kollege Wefer weist auf die Ähnlichkeit der S3-Leitlinie mit der aktuellen Leitlinie der European As- sociation of Urology hin. Da alle hochwertigen Leitlinien nach den gleichen Regeln der evidenzbasierten Medizin erarbeitet werden, können die vergleichbaren Empfeh- lungen in internationalen Publikationen (1) eher als Qua- litätsmerkmal, denn als Problem angesehen werden. Die wichtigen Säulen dieser S3-Leitlinie (Resistenzentwick- lung, Kollateralschaden, Studiendaten, Nebenwirkun- gen, Dosierung) finden sich annähernd identisch in den vergleichbaren internationalen hochwertigen Leitlinien.

In Bezug auf die Bewertung des Trimethoprims konnte leider kein Konsens erzielt werden. Dies liegt in erster Linie an der unterschiedlichen Beurteilung beste- hender Resistenzgrenzen. In Deutschland liegt die Re- sistenzrate von E. coli gegen Cotrimoxazol/ Trimetho- prim bei 30 % (2).

Diese S3-Leitlinie ist für den gesamten deutschspra- chigen Raum gültig, weshalb auch Pivmezillinam in die Therapie aufgenommen wurde, das zum Beispiel in Österreich erhältlich ist und aus den in der Leitlinie dargelegten Gründen eine geeignete Substanz für die Therapie der unkomplizierten Zystitis darstellt.

Dem Hinweis des Kollegen Liebendörfer, dass Ni- trofurantoin keine Therapiealternative darstellt, kann man entgegnen: Die Resistenzrate von Nitrofurantoin ist auch in den letzten Jahren nicht angestiegen und liegt in allen Studien unter 10 %. Wahrscheinlich meint Kollege Liebendörfer, dass bei Durchbruchsinfektionen während einer Langzeitprophylaxe mit Nitrofurantoin Resistenzraten von über 20 % zu beobachten sind. Dies ist möglich und wird überhaupt nicht bestritten. Des- halb sollte bei jeder Antibiotikatherapie auch die Anti- biotikavortherapie ins Kalkül gezogen werden, was ge- nauso für eine Cotrimoxazol- oder Fluorchinolon-Vor- therapie zutrifft. Die möglichen Nebenwirkungen von Nitrofurantoin und die Indikationseinschränkung durch die Fachinformation werden in der S3-Leitlinie offen angesprochen. Gelegentlich schwere Nebenwirkungen gibt es aber auch mit Cotrimoxazol (Hopf et al. 1981) und seltener auch mit Trimethoprim (Bijl et al. 1998).

Frau Kollegin Grundmann vergleicht die derzeitige Leitlinie mit dem Buch Antibiotikatherapie von Simon und Stille aus dem Jahre 1989. In einem Zeitraum von 22 Jahren hat sich jedoch vieles geändert. Im Jahre 1989 war die Fluorchinolonresistenz zumindest bei unkomplizier- ten HWI nicht existent und wurde deswegen auch nicht als Problem erachtet. Dies hat sich in der Zwischenzeit grundlegend geändert. Deshalb werden die Fluorchinolo- ne nicht mehr als Erstlinientherapie bei der akuten Zysti- tis, sondern nur noch bei der akuten unkomplizierten 3. Dessole S, et al.: Efficacy of low-dose intravaginal estriol on urogeni-

tal aging in postmenopausal women. Menopause 2004; 11: 49–56.

4. Wagenlehner FME, Hoyme U, Kaase M, et al.: Clinical practice guide- line: uncomplicated urinary tract infections. Dtsch Arztebl Int 2011:

108(24): 415–23.

Prof. Dr. med J. Matthias Wenderlein Universität Ulm

wenderlein@gmx.de

Interessenkonflikt

Prof. Wenderlein erhielt Honorare für die Vorbereitung von wissenschaftlichen Fortbildungsveranstaltungen von Kade-Berlin.

Referenzen

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