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ethicillinresistente Sta- phylokokken (Staphy- lococcus aureus und koagulasenegative Staphylo- kokken) sind als resistent ge- gen alle b-Laktamantibiotika anzusehen. Die Ausbreitung dieser Stämme wird durch die Besiedlung der Haut und Schleimhäute von Patienten wie von Krankenhausperso- nal begünstigt. Der Anteil der methicillinresistenten Stäm- me von Staphylococcus au- reus (MRSA) lag in einer von der Paul-Ehrlich-Gesell- schaft durchgeführten europa- weiten Studie bei 6,2 Prozent.Eine weitere paneuropäische Studie, die vorwiegend Isolate von Intensivpatienten be- rücksichtigte, deckte 12,8 Pro- zent MRSA auf. Die Resistenz der Staphylokokken gegen- über fluorierten Chinolonen hat seit der Einführung von Ciprofloxacin im Jahr 1983 von null auf heute über zehn Prozent zugenommen.
Neben den MRSA stel- len die methicillinresistenten Stämme von koagulasenega- tiven Staphylokokken ein er- hebliches Gefahrenpotential dar. Betroffen sind vor allem Patienten mit intravasalem Katheter oder zentralnervö- sem Shunt, künstlichen Herz- klappen und Augenlinsen, Patienten nach Organ- und Gelenkersatz, Mammaplasti- ken sowie i. v. Drogenabhän- gige, die häufig eine Rechts- herzendokarditis entwickeln.
Unter den zahlreichen Spezies der Gruppe der ko- agulasenegativen Staphylo- kokken ist Staphylococcus epidermidis an den soge- nannten „Plastikinfektionen“
am häufigsten beteiligt. Diese Spezies besitzt besondere Fähigkeiten zur Adhäsion an Kunststoffoberflächen. Der Adhäsion der Bakterienzel- len folgt die Bildung eines Biofilms, so daß die Erreger vor dem Zugriff der Abwehr- zellen sowie der Antibiotika geschützt sind. Der von den Staphylokokken gebildete extrazelluläre Schleim besitzt Hemmwirkung auf T-Lym- phozyten, die Chemotaxis, Opsonophagozytose und in- trazelluläre Bakterizidie der
Leukozyten. Die Glykopep- tidantibiotika Vancomycin und Teicoplanin (Targocid, Hoechst) sind als Alternativ- therapeutika bei b-Laktam- Unverträglichkeit und als Mittel der Wahl bei Infektion mit methicillinresistenten Sta- phylokokken und anderen re- sistenten grampositiven Erre- gern etabliert. Die Anteile glykopeptidresistenter Sta- phylokokken sind nach Witte
(Wernigerode) in Deutsch- land noch sehr gering.
Wegen des unterschiedli- chen Verhaltens gegen Van- comycin und Teicoplanin sollten beide Antibiotika in die Empfindlichkeitstestung einbezogen werden, die we- gen der schlechten Diffusion der Glykopeptide in Agar mit dem Bouillonverdünnungs- test zur Bestimmung der mi- nimalen Hemmkonzentratio- nen erfolgen muß.
Um die Glykopeptide als wirksame Therapeutika zu erhalten, wird davor gewarnt, diese Substanzen bereits rou- tinemäßig in die empirischen Therapien einzubeziehen.
Auch bei den hochgradig ge- fährdeten hämatologisch-on- kologischen Patienten mit schwerer Neutropenie hat sich, wie B. E. de Pauw (Nij-
megen) auf einem Symposi- um in Berlin hervorhob, ge- zeigt, daß eine Staphylokok- keninfektion im zweiten An- satz ohne Erhöhung der Mor- talität mit einem Glykopeptid behandelt werden kann, wenn methicillinresistente Stämme isoliert wurden oder die Infektion auf die Initial- therapie mit einem b-Lak- tamantibiotikum (mit oder ohne Aminoglykosid) nicht
angesprochen hat. Teicoplanin entspricht in sei- nem Wirkungs- spektrum (Strep- tokokken, Pneu- mokokken, Co- rynebakterien, Clostridien, En- terokokken, me- thicillinresisten- te Staphylokok- ken) weitgehend dem Vancomy- cin. Eine diffe- renzierte mikro- biologische Te- stung der beiden Substanzen ist dennoch nötig, da sich die Re- sistenzen nicht regelhaft über- schneiden.
In Situationen, in denen bereits potentiell nephrotoxi- sche zytostatische Chemothe- rapien und Cyclosporin A ge- geben werden müssen, ist das Vermeiden von Nephrotoxi- zität besonders wichtig. In dieser Situation hat Teicopla- nin erhebliche Vorteile vor Vancomycin. Bei Patienten, die bereits eine eingeschränk- te Nierenfunktion haben, muß das vorwiegend renal eliminierte Teicoplanin in der Dosierung nach Pharmako- kinetikprogramm laut G.
Marklein (Bonn) angepaßt werden. Bei Knocheninfek- tionen hat Teicoplanin den Vorteil der besseren Gewe- bepenetration. Der Applika- tionsmodus von Teicoplanin
als einmal täglicher i. v. Bolus, wahlweise i. m., vereinfacht die Anwendung und macht eine Heimtherapie möglich.
Drug monitoring wird für Vancomycin in vielen Situa- tionen für erforderlich gehal- ten, um die Toxizität zu ver- meiden und therapeutisch wirksame Spiegel zu sichern (Marklein). Bei Teicoplanin ist ein einfaches Drug moni- toring am zweiten bis dritten Tag nach Therapiebeginn (Steady state) bei Patienten mit eingeschränkter Nieren- funktion, bei Endokarditis, septischer Arthritis und chro- nischer Osteomyelitis emp- fehlenswert.
Aufgrund der klinischen Erfahrungen der letzten Jah- re wurden die Dosisempfeh- lungen für Teicoplanin neu festgelegt. Nach R. N. Grüne- berg (London) ist heute die Standarddosis mit 6 mg/kg KG Tag (entsprechend 400 mg einmal täglich) etabliert, die für fast alle Indikationen angewandt werden kann. Ei- ne Verdoppelung der Dosis bei der Behandlung intra- venös Drogenabhängiger, bei der septischen Arthritis und bei Behandlung der Staphy- lokokkenendokarditis in Mo- notherapie ist die empfohle- ne Dosis 12 mg/kg KG mit ei- nem Serumspitzenspiegel- Zielwert von mindestens 20 mg/l. Wenn Teicoplanin in der Endokarditisbehandlung als Kombinationstherapie eingesetzt wird, ist die Stan- darddosis von 6 mg/kg KG einzuhalten. Bei Kindern liegen noch keine einheitli- chen Dosierungsempfehlun- gen vor (Handrick). Bei Kin- dern bis zu zwölf Jahren sind nach dem Ergebnis bisher vorliegender pharmakokine- tischer Daten zunächst drei Dosen von 10 mg/kg KG im Abstand von zwölf Stunden und dann täglich einmal 6 bis 10 mg/kg KG, je nach Schwe- regrad der Infektion, zu ap- plizieren. Bei Neu- und Früh- geborenen werden nach einer Loading-Dosis von 15 mg/kg KG einmal täglich 8 mg/kg KG gegeben.
Dr. med. Elisabeth Gabler-Sandberger A-1446 (74) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 21, 23. Mai 1997
V A R I A AUS UNTERNEHMEN
Glykopeptid- Antibiotikum Teicoplanin
Mittel der Wahl bei Methicillin-Resistenz
Staphylococcus aureus auf Blutagar ist durch eine aus- geprägte b-Hämolyse um die einzelnen Kolonien herum und durch seine Pigmentbildung gut zu erkennen.
Foto: Dr. Karl Thomae GmbH