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Archiv "2. World Health Summit: Botschaften von globaler Relevanz" (22.10.2010)

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Deutsches Ärzteblatt

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22. Oktober 2010 A 2019

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ass Bundesgesundheitsminis- ter Philipp Rösler (FDP) beim 2. World Health Summit (WHS) an der Berliner Charité nicht nur selbst sprach, sondern sich bei der Eröff- nung mehr als zwei Stunden Zeit für die Reden der anderen nahm, darf man wohl als Zeichen werten:

Der Weltgesundheitsgipfel wird als potenzieller Ratgeber für die Politik ernst genommen. Schon jetzt. Die Wissenschaft möchte ihren Ein- fluss auf gesundheitsrelevante, po- litische Entscheidungen internatio- nal dauerhaft stärken – als eigene Kraft, die von ökonomischen und politischen Interessen unabhängig ist. Das Ziel sei, die Ungleichhei- ten der gesundheitlichen Versor- gung zwischen den verschiedenen Ländern, aber auch innerhalb ein- zelner Nationen zu verringern, sag- ten die beiden Präsidenten des WHS, Prof. Dr. med. Stephen K.

Smith vom Imperial College Lon- don und Prof. Dr. med. Detlef Gan- ten (Charité).

So liegt die durchschnittliche Le- benserwartung in wenig entwickel- ten Ländern der Weltgesundheits - organisation (WHO) zufolge um mehr als 40 Jahre unter der von Ländern mit guter Gesundheitsver- sorgung wie Japan, Australien oder der Schweiz (79–80 Jahre). Aber auch innerhalb von Industrienatio- nen kann das Gefälle groß sein. In einem Stadtteil von Glasgow mit hoher Arbeitslosigkeit und ver- gleichsweise geringem Bildungs- stand sterben die Männer mit durchschnittlich 53,9 Jahren vor al- lem als Folge von ungesundem Le- bensstil und Suchterkrankungen, 79 Jahre betrage der Durchschnitt für britische Männer, berichtete Prof.

Michael Marmot, Epidemiologe am Imperial College of London. Mar-

mot hat soziale Einflüsse auf die Gesundheit im Auftrag der WHO untersucht. Zsuzsanna Jakab, Gene- raldirektorin der WHO Region Eu- ropa, äußerte die Besorgnis darüber, dass wirtschaftliche und strukturel- le Ungleichheiten innerhalb und zwischen Ländern – in Assoziation mit einem hohen Gefälle des Ge- sundheitszustands der Menschen sowie dem Klimawandel – zuneh- mend sozialen Sprengstoff liefern werden.

Zu internationalen Institutionen wie der WHO sieht sich der Weltge- sundheitsgipfel nicht in Konkur- renz, sondern als „neue Stimme“.

Mit circa 1 200 Teilnehmern brach- te der WHS Vertreter aus Medizin, Gesundheitswissenschaften, Regie- rungen, Nicht-Regierungsorganisa- tionen und Industrie ins Gespräch in einer von Umfang und Zusammen- setzung seltenen Kombination. ► 2. WORLD HEALTH SUMMIT

Botschaften von globaler Relevanz

Vom 9. bis 13. Oktober trafen sich internationale Meinungsführer aus Wissenschaft, Forschung, Zivilgesellschaft, Industrie und Politik in Berlin. Das Deutsche Ärzteblatt war Gastgeber einer Diskussionsrunde zu innovativen Finanzierungsmechanismen.

Fotos: Steffen Kugler

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22. Oktober 2010 Im Vergleich zum vergangenen

Jahr ist das Spektrum von Mei- nungsführern wie Vertretern der Nationalakademien und Entschei- dungsträgern repräsentativer ge- worden: Mehr als 70 Länder waren vertreten, deutlich mehr afrikani- sche und südamerikanische Länder als 2009. Dies war im Sinne der Zielsetzung, für die Lösung der

drängendsten, globalen Gesund- heitsprobleme nach Fachgebiets- und institutionsübergreifenden We- gen zu suchen mit der Frage: Wel- chen Beitrag kann die Wissenschaft zur Lösung leisten? „Evidenz aus medizinischer Wissenschaft und Ge- sundheitsversorgungsforschung sind für wenig entwickelte Länder beson- ders wichtig, weil sie eine unan- fechtbare Grundlage für sinnvolle Prävention und Behandlung lie- fern“, sagte Prof. Dr. Mohammed Hassan von der Academy of Sci - ences for the Developing World.

Die drei Hauptthemen des WHS:

die Überführung von Innova- tionen der Wissenschaft in neue the- rapeutische Ansätze („translation“)

die Umwandlung der Kran- kenversorgung in wirksame, prä- ventionsorientierte Gesundheitsver- sorgung durch die Politik („trans- formation“) und

die Bewältigung der Probleme durch demografische Veränderun- gen und Zunahme chronischer Er- krankungen in unterfinanzierten Systemen („transition“).

Nicht nur Minister Rösler mach- te deutlich, dass die Übertragung

des medizinisch-technischen Fort- schritts in eine gute Gesundheits- versorgung nur sektorenübergrei- fend erfolgen könne, aber das Sys- tem an seine finanziellen Grenzen führe. Vertreter der Industrie pflich- teten ihm bei. „Wir müssen uns um- stellen – vom Pillenverkäufer zu ei- nem Gesundheitsversorger, der den Fokus auf den Patienten legt“, er-

klärte Joe Jimenez, Konzernchef der Novartis AG. Eine weitere Bot- schaft vonseiten der Industrie: Es gelte, im Gesundheitswesen vom Wettbewerb zu mehr Zusammenar- beit zu kommen.

Lebhafte Diskussionsrunde beim Deutschen Ärzteblatt Dabei dürften sich die bestehenden Probleme durch die gesundheit - lichen Folgen des Klimawandels noch verstärken. Die Erde habe in den vergangenen Jahrzehnten einen regelrechten „Hitzeschock“ bekom- men, sagte Prof. Dr. rer. nat. Hans Joachim Schellnhuber (Potsdam In- stitut für Klimafolgenforschung).

Allein seit 1980 habe sie sich um durchschnittlich 0,2 Grad Celsius pro Jahrzehnt erwärmt. Schon bei einer längeren Temperatursteige- rung um vier bis fünf Grad wären in einigen Regionen unmittelbar phy- siologische Grenzen für den Men- schen erreicht – abgesehen von den Problemen erhöhter Anfälligkeit für körperliche und seelische Krank- heiten, Nahrungs- und Wasser- knappheit. Große Wanderungsbe- wegungen würden einsetzen. „Wes-

sen Staates Bürger sollen Menschen sein, deren Land nicht mehr exis- tiert?“, fragte Schellnhuber.

Eine der Kernfragen beim WHS in Berlin lautete: Wie sollte die inter- nationale Gemeinschaft globale Ge- sundheit künftig finanzieren? Zu die- sem Thema hatte das Deutsche Ärz- teblatt (DÄ) als Medienpartner des Weltgesundheitsgipfels eingeladen.

Einer der wichtigsten und erfolg- reichen Geldgeber für globale Ge- sundheit ist der Globale Fonds zur Bekämpfung von Aids/HIV, Tuber- kulose und Malaria. Daher stelle sich die Frage, so Diskussionsleiter James Chau (Chefsprecher des chi- nesischen Fernsehsenders CCTV-9), ob es Sinn machen würde, sein Mandat deutlich zu erweitern. Rifat Atun, Professor für International Health Management am London Imperial College und Strategieex- perte beim Globalen Fonds, bejahte dies, gab aber zu bedenken, dass der Fonds bereits jetzt unterfinanziert sei: „Für die nächsten drei Jahre stellen die Geberländer dem Globa- len Fonds zwar 11,8 Milliarden US- Dollar zur Verfügung. Allein um die bisherigen Programme auszuweiten, sind jedoch weitere sechs Milliarden notwendig“, so Atun.

Prof. Peter Piot, Direktor des In- stitute for Global Health am Imperi- al College (London) forderte, dass Finanzmittel zielgenauer eingesetzt werden müssten: „Warum sollte der Global Fund Geld in Länder mit ei- nem mittleren Einkommen inves- tieren, wenn die dortige Regierung Diskutanten der

Veranstaltung des Deutschen Ärzteblatts „Fund - ing Global Health:

Can Innovative Mechanisms Save the Poor?“ Peter Piot (Imperial College London, links), Joelle Tanguy ( GAVI, Mitte links), Rifat Atun (Globaler Fonds, Mitte rechts), Moderator James Chau (CCTV-9, rechts)

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22. Oktober 2010 A 2021 nichts zur Bekämpfung von Aids

beiträgt? Dieses Geld könnten wir sparen und es dort einsetzen, wo es dringender gebraucht wird.“

Dr. Joelle Tanguy, Geschäftsfüh- rerin der Global Alliance for Vacci- nes and Immunization (GAVI), stimmte zu, dass Empfängerländer politischen Willen und Engagement für die Gesundheit der Bevölkerung

zeigen müssten. „Allerdings sind sie schon durch Aids/HIV, Malaria und Tuberkulose stark belastet. Sie selbst können keine zusätzlichen Steuern aufbringen“, so Tanguy.

Deshalb brauche man eine globale Steuer. Denkbar sei eine Abgabe auf Finanztransaktionen (Robin- Hood-tax) zu erheben, die insbe- sondere Banken, Hedgefonds und Finanzinstitute treffen würde (Kas- ten). Auch Steuern auf Konsumgü- ter oder Freizeitaktivitäten seien möglich. Atun mahnte jedoch zur Transparenz: „Wenn wir eine neue Steuer einführen, müssen die Men- schen nachvollziehen können, wo- für genau dieser Beitrag ausgege- ben wird.“

Einig waren sich die Diskutanten des DÄ-Panels, dass künftig die Fi- nanzierung über Privatspenden eine wesentliche Rolle spielen wird.

„Das bekannte Modell basiert dar- auf, Gelder zu geben und dann zu sehen, was damit gemacht wird“, erklärte Atun. Spenden von Privat- leuten seien aber fast immer auf be- stimmte Projekte bezogen. „Da muss sich unsere Arbeit ändern.“

Die Weltwirtschaftskrise hat in vie-

len Ländern das Gesundheitssystem geschwächt, die Folgen sind spür- bar. Während eine hohe Eigenbetei- ligung in wirtschaftlich prosperie- renden Ländern kein Hinderungs- grund für den Gang zum Arzt oder in die Apotheke darstellt, schreckt sie Patienten in einem Land wie Uganda in vielen Fällen ab. „96 Prozent unserer Krebspatienten

können sich keine ärztli- che Versorgung leisten“, berichtete der ugandische Vizepräsident Gilbert Bali- baseka Bukenya.

So sehr viele afrikani- sche Länder gewillt sind, aus eigener Kraft – durch höhere Steuerzuschüsse, eine höhere Eigenbeteili- gung oder höhere Beiträge zu einer sozialen Kranken- versicherung – die Finan- zierungslast zu senken,

„ohne externe Hilfe könn- ten sie die Herausforde- rungen im Gesundheitsbe- reich nicht bewältigen“, unterstrich der Gesund- heitsminister von Ruanda, Dr. Ri- chard Sizibera.

Prof. Dr. Michel D. Kazatchkine, geschäftsführender Direktor des Globalen Fonds, forderte mehr Ei-

genverantwortung der Empfänger- länder: „Wir können nicht von Wa- shington aus entscheiden, was zu fi- nanzieren ist!“ Entscheidende Fort- schritte müssten auch nicht immer viel Geld kosten, wie zum Beispiel Moskitonetze zur Prävention von Malaria. Auch Piot mahnte zu mehr Verantwortung der Empfängerstaa- ten: „Ohne den politischen Willen der Empfängerländer wird die Auf- stockung des Geldes allein nichts bewirken.“ Die Geberstaaten müss- ten allerdings selbst stärker evaluie- ren, welche Ergebnisse die interna- tionale Entwicklungshilfe in den je- weiligen Ländern im Gesundheits- bereich habe, forderte Tanguy.

Dr. Juan Garay, Gesundheits- fachmann bei der Europäischen Kommission, warf einen kritischen Blick auf die internationale Ent- wicklungshilfe: „Es gibt weltweit 100 globale Initiativen im Gesund- heitsbereich und zahlreiche bilate- rale Abkommen.“ In den Empfänger- ländern gehe sehr viel Zeit dadurch verloren, den jeweiligen Initiativen Bericht zu erstatten und die Finan- zen zu regeln: „Was wir alle gut meinen, hat leider vielerorts zu Chaos geführt“, sagte Garay. ■

Dr. rer. nat. Marc Meißner, Martina Merten Dr. rer. nat. Nicola Siegmund-Schultze

Advance Market Committment (AMC): Das AMC ist darauf ausgerichtet, eine beständige Ver- sorgung mit Medikamenten und Impfstoffen (zum Beispiel gegen Pneumokokken und Rotavirus) zu gewährleisten sowie den Ausbau der entspre- chenden Produktionskapazitäten in den ärmsten Ländern der Welt zu fördern. Um Pharmafirmen zur Entwicklung eines Medikaments für vernach- lässigte Krankheiten zu motivieren, wird bei Erfolg eine große Abnahmemenge zu einem festen Preis garantiert, der auch für die Entwicklungsländer erschwinglich ist.

Debt2Health: Schuldenumwandlungsini- tiative des Globalen Fonds zur Bekämpfung von HIV/Aids, Malaria und Tuberkulose; gezielter Schuldenerlass soll Finanzmittel des Entwick- lungslandes freisetzen, die mit Hilfe des Globa- len Fonds in dringende Gesundheitsmaßnah- men gegen Aids, Malaria und Tuberkulose um- gesetzt werden.

International Financing Facility for Immuniza- tion (IFFIm): Anschubfinanzierung von Impfpro- grammen – Finanzinstitution, die auf der Basis von Spendenzusagen auf den internationalen Finanz- märkten Kredite zur sofortigen Verwendung auf- nimmt. Ziel der IFFIm ist, die Verfügbarkeit von Gel- dern für Gesundheits- und Impfprogramme in den 70 ärmsten Ländern der Welt zu beschleunigen.

Die Gelder, die von der GAVI Alliance vergeben wer- den, dienen dem Ausbau der Gesundheitssysteme und der Unterstützung von Impfprogrammen.

UNITAID: Internationale Einrichtung zur Be- schaffung von Medikamenten gegen Aids, Tuber- kulose und Malaria. Sie wurde im September 2006 auf Initiative Brasiliens (Präsident Lula da Silva) und Frankreichs (Präsident Jacques Chirac) hin zusammen mit den Regierungen von Chile, Großbritannien und Norwegen gegründet. Finan- zierung durch Solidaritätsabgabe auf Flugtickets (www.unitaid.eu/)

INNOVATIVE FINANZIERUNGSMODELLE

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