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Archiv "World Health Summit: Gesundheit braucht eine globale Perspektive" (02.11.2012)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 109

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Heft 44

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2. November 2012 A 2187

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ie Ziele sind hoch gesteckt.

Das, was der G-20-Gipfel für die Politik ist und das Forum in Da- vos für die Weltwirtschaft, will der World Health Summit (WHS) für die globale Gesundheit werden.

Dessen Gründungspräsident, Prof.

Dr. med. Detlef Ganten, formulierte es bei der feierlichen Eröffnung des Gipfels so: „Wir verstehen uns als offenes Forum, in dem – organisiert von der Wissenschaft – Erfahrun- gen ausgetauscht werden, damit Menschen nicht länger sterben müssen, die unter anderen Umstän- den überleben könnten.“

Um Lösungsvorschläge für die drängendsten Probleme der Ge- sundheitsversorgung weltweit zu erarbeiten, brachte der WHS jetzt zum vierten Mal internationale Experten aus Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft zusammen.

Der interdisziplinäre Ansatz ist Pro- gramm. „Denn zur Gesundheit ge- hört mehr als Medizin“, betonte Ganten. Entsprechend breit war das Themenspektrum in den zahlrei- chen Veranstaltungen und Work- shops. Neben medizinischen The- men wie der weltweiten Zunahme der „Zivilisationskrankheiten“ stan-

den die Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise für die Gesundheitssys- teme ebenso auf der Tagesordnung wie Fragen des gerechten Zugangs zu Gesundheitsleistungen.

Gesundheit = Menschenrecht Diesen Punkt griffen bei der Eröff- nung gleich zwei Redner auf. Dr.

med. Sima Samar, die Vorsitzende der afghanischen Menschenrechts- kommission und diesjährige Träge- rin des Alternativen Nobelpreises, erklärte: „Gesundheit ist ein grund- legendes Menschenrecht, das auch die schwächsten Glieder der Gesell- schaft einschließt.“ Die Realität se- he allerdings oft anders aus. Insbe- sondere in vielen ärmeren Ländern würden vor allem Frauen systema- tisch benachteiligt. „Dabei sollten sie das Recht haben, selbst zum Beispiel über ihre Sexualität und ih- re reproduktive Gesundheit zu ent- scheiden“, sagte die afghanische Aktivistin (siehe Interview mit Si- ma Samar in diesem Heft).

Für Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) ist der gerechte Zugang zu Gesundheitsleistungen untrennbar mit der universellen Absicherung im Krankheitsfall ver-

bunden. „Medizinische Behand- lungskosten treiben jedes Jahr mehr als 150 Millionen Menschen welt- weit in den finanziellen Ruin, weil sie nicht gegen Krankheit abge - sichert sind“, sagte Bahr beim WHS.

Diese fehlende soziale Absiche- rung verursache zudem erhebliche makroökonomische Kosten und verschlechtere die Aussichten auf Wirtschaftswachstum und Wohl- stand. „Die Erfahrungen der deut- schen Geschichte zeigen: Zugang zu bezahlbarer Gesundheitsversor- gung ist ein wirksamer Schutz vor Verarmung und gleichzeitig eine Grundvoraussetzung für wirtschaft- liche Leistungsfähigkeit und sozia- len Frieden“, betonte der Bundes- gesundheitsminister.

Bahr sieht die internationale Ge- meinschaft gefordert, Entwicklungs- und Schwellenländer beim Aufbau sozialer Sicherungssysteme zu un- terstützen. Ein gutes Beispiel dafür, wie das aussehen kann, ist nach Ansicht von Bahr die „Providing for Health (P4H)“-Initiative , an der sich neben Deutschland auch Frankreich, die Schweiz, Spanien, die Weltbank, die Weltgesundheitsorganisation, die Internationale Arbeitsorganisation und Eingerahmt vom

Gründungspräsidenten, Detlev Ganten (links), und dem diesjährigen Präsidenten, Michel Klag (rechts), der Gesundheitsminister

von Botswana, John Seakgosing, Berlins Regierender Bürger- meister Klaus Wowereit

und Bundes - gesundheitsminister Daniel Bahr

Foto: Steffen Kugler

WORLD HEALTH SUMMIT

Gesundheit braucht eine globale Perspektive

Mehr als 1 000 Experten aus Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft kamen vom 21. bis 24. Oktober in Berlin zusammen, um über die größten

Herausforderungen für die weltweite Gesundheitsversorgung zu diskutieren.

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A 2188 Deutsches Ärzteblatt

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2. November 2012 die Afrikanische Entwicklungsbank

beteiligen (siehe Kommentar). Bahr zufolge hat das P4H-Netzwerk bis- her 20 Länder darin unterstützt, eigene Strategien zur universellen Absicherung im Krankheitsfall zu entwickeln, unter anderem Kenia, Uganda, Nepal, Bangladesch und Kambodscha. Eine bezahlbare und universelle Absicherung im Krank- heitsfall zu schaffen oder zu erhal- ten, sei eine Herausforderung – so- wohl für die ärmeren Länder als auch für die Industriestaaten, sagte Bahr: „Aber es ist möglich.“

Vorzeigeland Botswana

Der Ausbau des Gesundheitssystems hat auch für Bahrs Amtskollegen aus Botswana, Dr. med. John Seakgos - ing, Priorität. „Botswana hat in den letzten Jahren vom Wirtschafts- wachstum profitiert“, erklärte der Minister in Berlin. Das Geld habe man in Gesundheit, Bildung und In- frastruktur investiert. Dennoch stehe das Gesundheitssystem des südafri- kanischen Landes vor großen Her - ausforderungen. „Wir befinden uns in einer Phase des Übergangs“, sagte Seakgosing. Während nichtüber - tragbare Krankheiten wie Krebs, Diabetes oder Herzerkrankungen zu- nähmen, bleibe der Anteil der Infek- tionskrankheiten unverändert hoch.

Doch gerade im Kampf gegen HIV/Aids hat das Land einige Er- folge aufzuweisen. Inzwischen er- hielten fast 200 000 Patientinnen und Patienten eine antiretrovirale Therapie, erklärte Seakgosing. Das seien circa 70 Prozent aller Betrof- fenen. Die hohen Behandlungszah- len hätten dazu geführt, dass sich Aids auch in Botswana von einer tödlichen zu einer chronischen Krankheit entwickelt habe. Diesen Herausforderungen müsse sich das Gesundheitssystem stellen.

„Angesichts der weltweiten Wirt- schaftskrise können wir nicht mit großen Geldzuflüssen rechnen“, sagte Seakgosing. „Wir müssen in- novativ sein, unsere Gesundheitspo- litik evaluieren sowie Organisation und Management verbessern.“ Den WHS sieht er als gute Gelegenheit, sich zu vernetzen: „Denn wir brau- chen weiterhin Unterstützung.“

Heike Korzilius

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as Fieber war sehr hoch am vierten Tag, und ich konnte ihn nicht wieder mit nach Hause nehmen.

Also hinterlegte ich mein Stück Land, um mir Geld zu leihen – für Essen, Medikamente und Transport“, berich- tet die kambodschanische Mutter. Auf die Hilfe der Ärzte hoffend hat sie ihr Kind in das nächste Provinzkranken- haus gebracht. „Jetzt habe ich kein Land mehr und muss anders Geld ver- dienen, um Reis für meine Kinder zu

kaufen.“ Kambodscha gehört zu den ärmsten Länder in Asien. Doch nicht nur dort hat eine Krankheit häufig dra- matische Konsequenzen.

Existenzielle Sorgen wegen der Fi- nanzierung von medizinischer Versor- gung muss sich in den meisten Indus- trienationen kaum jemand machen.

Eine Krankenversicherung zu haben, ist in Deutschland selbstverständlich.

In ärmeren Staaten sieht das ganz an- ders aus. Ausgaben für medizinische Leistungen bilden weltweit eine Hauptursache, warum Familien verar- men. Der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge haben 1,3 Milliarden Menschen – mehr als ein Fünftel der Weltbevölkerung – keinen ausreichen- den Zugang zu medizinischer Versor- gung. Weitere 100 Millionen Men- schen fallen jährlich unter die Armuts- grenze, weil sie ihre Behandlung bar bezahlen müssen.

„Die universelle soziale Absicherung im Krankheitsfall ist das mächtigste Konzept, das die öffentliche Gesund- heitsversorgung zu bieten hat“, betont die Generaldirektorin der WHO, Margaret Chan. Auch Deutschland engagiert sich international kontinuierlich bei dem The- ma. Aus Deutschland stammt auch die Idee der „Providing For Health (P4H)“- Initiative. Das stetig wachsende inter- nationale Netzwerk hilft Entwicklungs-

und Schwellenländern, ihr soziales Si- cherungsnetz für das Gesundheitswe- sen auszubauen und nachhaltig zu fi- nanzieren. Von deutscher Seite enga- gieren sich die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und die KfW-Entwicklungsbank für P4H.

Ein Beispiel, wie sich die Versorgung armer Menschen sicherstellen lässt, ohne sie in den finanziellen Ruin zu treiben, liefert Indien. Statt mehr Geld in das chronisch unterfinanzierte Gesund-

heitssystem zu pumpen, stattete das Land arme Familien mit einer Kranken- versicherungskarte aus. Mit dem dort gespeicherten Guthaben können diese frei entscheiden, welche Leistungen sie wo wählen. Durch eine adäquate Ver- gütung der Ärzte entsteht gleichzeitig ein Anreiz, Arme zu behandeln. In den vergangenen Jahren konnten mit dem 2007 gestarteten „Rashriya Swastya Bima Yojana (RSBY)“-Programm, das ebenfalls von der GIZ unterstützt wird, 160 Millionen Menschen in das Ge- sundheitssystem integriert werden.

Bemerkenswerte Erfolge verzeich- net auch Thailand. Aus fragmentierten Versicherungen, die Beamte und die wenigen formell Beschäftigten schütz- ten, ist seit 2001 ein System entstan- den, das alle einschließt und inzwi- schen 70 Millionen Menschen um- fasst. In Afrika zeigen Ruanda und Ghana, was möglich ist. Mit starkem politischem Willen schufen beide Län- der Bedingungen für gerechtere Sys- teme der Gesundheitsversorgung. Und das ist gut so. Soziale Absicherung im Krankheitsfall und medizinische Ver- sorgung sind zentrale Voraussetzun- gen für Wachstum und Entwicklung eines Landes.

KOMMENTAR

Viktoria Rabovskaja, Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit

SOZIALE ABSICHERUNG IN ENTWICKLUNGSLÄNDERN

Modelle gegen Armut

Koautor des Kommentars ist Jean-Oliver Schmidt.

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