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I 031/2001 BVE 4. Juli 2001 49C
Interpellation
2137 Bühler, Bern (FDP)
Weitere Unterschriften: 21 Eingereicht am: 05.02.2001
Das neue EMG und der Service public im Elektrizitätsbereich
Elektrizität ist die Schlüsselenergie der modernen Gesellschaft. Es ist deshalb von Bedeutung, ob auch in einem künftigen liberalisierten Markt die bisherigen Verteil- und Versorgungsstrukturen aufrecht erhalten werden können. Es dürfte nicht sein, dass dannzumal Elektrizitätskunden in Randregionen, auch im Kanton Bern, benachteiligt würden, allerdings wird dabei auch die Frage der Marktwirtschaftlichkeit nicht zu unterschätzen sein. Die Forderung nach garantierten und günstig zu liefernden Energie könnte nämlich eines Tages in Frage gestellt sein, sei es infolge Verknappung der Ressourcen, sei es durch zu viel Deregulierung oder aber auch zu viel Neu-Regulierung.
Was letztere betrifft, lässt das Beispiel Kalifornien grüssen. Infolge dieses Themas von künftiger grosser Tragweite hier zwar keine Forderungen, aber immerhin ein paar Fragen in Form der Interpellation:
1. Hat der Regierungsrat vor, in Sachen service public des Elektrizitätsmarktes im Kanton Bern aktiv zu werden und, falls ja, wie?
2. Soll resp. will, und dies als zentrale Frage, der Kanton in Sachen service public im Elektrizitätsmarkt eine steuernde, also dirigistische Rolle spielen? Sollte er sich nicht vielmehr darauf beschränken, mittels optimaler Rahmenbedingungen der einheimischen Elektrizitätswirtschaft eine gute Position im nationalen und internationalen Konkurrenzkampf zu verschaffen?
3. Ist man nicht auch der grundsätzlichen Meinung, dass der freie Markt gerade auch bei der angestrebten vollen Liberalisierung spielen sollte, also keinesfalls irgend welche staatlich festgelegten Einheits- oder Höchsttarife? Gerade diese Auflagen haben nämlich wesentlich zu den kürzlichen Elektrizitätskrisen in Kalifornien sowie in Schweden beigetragen.
4. Sollten bezüglich dezentraler allenfalls gefährdeter Endverbraucher nicht vorab die Gemeinden resp. die örtlichen oder regionalen Verteiler für den service public verantwortlich sein, ohne dass der Kanton hier eingreifen muss?
Antwort des Regierungsrates
Der Regierungsrat äussert sich zu den gestellten Fragen wie folgt:
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1. Der Regierungsrat muss gemäss Elektrizitätsmarktgesetz (EMG) aktiv werden. Dieses weist die Gewährleistung des service public primär den Kantonen zu. Zentral für die Kantone sind insbesondere Artikel 6, 11 und 32 EMG:
• Die Kantone treffen geeignete Massnahmen zur Angleichung unverhältnismässiger Unterschiede der Durchleitungsvergütungen (Preis für die Netzbenutzung) innerhalb des Kantonsgebietes (Artikel 6 Absatz 5 EMG).
• Die Kantone regeln die Zuteilung der Netzgebiete an die auf ihrem Gebiet tätigen Elektrizitätsversorgungsunternehmen (EVU); sie können diese Zuteilung mit einem Leistungsauftrag an die Netzbetreiberin verbinden und besondere Bestimmungen erlassen über Anschlüsse ausserhalb des Siedlungsgebietes und Anschlusskosten (Artikel 11 Absätze 1 und 3 EMG);
• Die Kantone regeln die Bedingungen, unter denen den festen Stromkundinnen und Stromkunden, die noch keinen freien Zugang zum Markt haben, in Ausnahmefällen unterschiedliche Anschlussgebühren verrechnet werden dürfen (Artikel 32 Absatz 2 EMG).
Der Regierungsrat nimmt diese Aufgaben ernst. Die federführende Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion arbeitete in einer Arbeitsgruppe der Energiedirektoren-Konferenz zur Rolle der Kantone gemäss EMG aktiv mit. Weiter hat sie im Frühling 2001 selber eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die zusammen mit den betroffenen Stellen, Verbänden und Unternehmen die Einführung des EMG im Kanton Bern vorzubereiten hat.
Die Liberalisierung wird voraussichtlich zu Änderungen der bernischen Energiegesetzgebung führen. Im 3. Energiebericht wird das weitere Vorgehen näher erläutert.
2. Verfehlte staatliche Eingriffe können zu ungewollten und untragbaren Auswirkungen der Liberalisierung führen. Der Regierungsrat ist sich dessen bewusst und wird daher bei Wahrnehmung seiner Aufgaben gemäss EMG sorgfältig allfällige unerwünschte Auswirkungen prüfen und bewährte Strukturen wenn möglich erhalten.
3. Das EMG sieht keine Einheits- bzw. Höchsttarife vor, verpflichtet aber zu einem gewissen Tarifausgleich. Der durch die Kantone zu vollziehende Artikel 32 EMG beinhaltet den Grundsatz der Preissolidarität. Gestützt darauf müssen die Elektrizitätsversorgungsunternehmen (EVU) festen Kundinnen und Kunden, die noch keinen freien Marktzugang haben, innerhalb der gleichen Kundengruppe (Kundschaft mit gleicher Verbrauchsstruktur, z.B. Haushalte, Gewerbe, Industrie) und des gleichen Netzgebietes gleiche Preise verrechnen. Die Preissolidarität bezieht sich auf Strompreis und Durchleitungsvergütung. Bei den Anschlussgebühren ist die Berücksichtigung struktureller, regionaler Unterschiede möglich. Die Kantone regeln die Voraussetzungen (Artikel 32 Absatz 2 EMG).
4. Gemäss heute geltender Gesetzgebung sind die Gemeinden für die Versorgung mit Strom in ihrem Gemeindegebiet zuständig (Art. 8 Abs. 2 des bernischen Energiegesetzes).
Das EMG sieht vor, dass die Versorgungspflicht an die EVU übergeht, vorbehältlich abweichender bundesrechtlicher und kantonaler Bestimmungen (Artikel 7 Absatz 2 und Artikel 32 Absatz 1 EMG). Es wird zu prüfen sein, wie in diesem Bereich die bernische Energiegesetzgebung anzupassen ist.
An den Grossen Rat