• Keine Ergebnisse gefunden

3. Selbstinszenierung des menschlichen Körpers

3.3. Zweifelhafte Sicherstellung der Identität durch Selbstinszenierung?

Baacke beschreibt die einzelnen Entwicklungsstufen, die ein Jugendlicher zu machen hat, um eine Identität bilden zu können. Er unterteilt die Stufen in a) Bewusstwerden der eige-nen Individualität, b) Entdeckung des Selbst und c) Formung der Rollen (vgl.Baacke 1985, S. 156).

Nach Hopfner lasse sich zeitlich nicht festmachen, wann eine Identität fertig gebildet sei. Die Identität eines Subjektes liege zugleich in der Gegenwart und in der Zukunft (vgl. Hopfner 2011, S. 153).

Die Autorin schreibt, dass viele Zeitgenossen, so auch Hengst die Identitätsentwicklung in der Postmoderne für die Kinder/Jugendlichen als schwieriger beschreiben als in der Vergan-genheit. Die Verknüpfung der individuellen und gesellschaftlichen Ebene sei um einiges schwieriger geworden, da traditionelle, vorgegebene Identitätsmuster geschrumpft seien.

Das Subjekt habe also unter Rückgriff auf Hengst „´heute eine hohe Eigenleistung`“ bei der Identitätsentwicklung und der Einfügung ins soziale System zu erbringen (vgl. Hopfner 2011, S. 147). Es gebe kaum noch kollektive Identitäten, die es dem Individuum erleichtern sich in ein neues gesellschaftliches Gefüge zu integrieren und zu positionieren. Die Autorin entgeg-net diesen Aussagen aber, dass einige postmoderne Zeitgenossen so täten als hätte es

sol-38 für alle Subjekte in der Vergangenheit gegeben. Möglicherweise wäre der Lebenslauf für manche Jugendliche von den Erwachsenen geplant und vorgegeben gewesen. Allerdings wäre dies erstens nicht die Realität für alle gewesen und zweitens existiere in der Praxis trotz Sicherheit zum Orientieren dennoch kein durchgängiges und konfliktfreies Entwickeln der Identität sowie kein problemloses Verorten in das soziale System (vgl. ebd., S. 146f.).

Langner greift bei der „Konstruiertheit von Identität“ u.a. auf Mead zurück, der diese als refle-xiven Moment betrachte. Der US-amerikanische Soziologe, Philosoph und Psychologe sei also der Auffassung, Identität entwickle sich nur „in den Interaktionen, der wechselseitigen Anerkennung zwischen dem Individuum und den anderen“ (vgl. Langner 2009, S. 180).

Durch dieses und weitere Konzepte über die Identitätsentwicklung in der Forschung kam es nach Langner zu einem Umdenken. Es werde nicht mehr von etwas naturgegebenem und abgeschlossenen bei der Identitätsentwicklung ausgegangen, sondern es handle sich hierbei um einen alltäglichen Prozess, bei dem das Individuum über ein Wechselspiel mit der Um-welt und mit sich selbst einen Platz in den sozialen Strukturen finden müsse (vgl. ebd., S. 182).

Die von Hopfner erwähnten Zeitgenossen der Postmoderne übersehen bei ihrer Problem-darstellung für heutige Jugendliche die Schwierigkeiten von behinderten Menschen beim Prozess der Identitätsentwicklung. Maskos Rebecca, Diplom Psychologin, freie Journalistin und Referentin für Disability Studies vertritt die Meinung, dass die Identitätsbildung behinder-ter Menschen viel konfliktreicher als die von nichtbehinderten Menschen verlaufe (vgl.

Maskos 2008, S. 6). Sie beschäftigen in diesem Kontext folgende Fragen: „Wie entwickeln behinderte Menschen ein positives Verhältnis zu sich und ihrem Körper? Wie schaffen sie die Wende vom Schock eines Unfalles oder einer chronischen Krankheit oder die Überwin-dung der Beschämung über ihre `Andersartigkeit` durch eine angeborene Behinderung, hin zur Emanzipation?“ (Maskos 2008, S. 2).

Goffmans Gedanken beschreiben die Schwierigkeiten, die behinderte Menschen bei ihrer Identitätsentwicklung haben.

Goffmans Konzept beinhalte nach Langner die Ansicht, dass es „Beschädigungen der Identi-tät“ gebe. Diese erfolgen durch Zuschreibungsprozesse in Interaktion mit anderen aufgrund eines Merkmals (z.B. eine Behinderung) (vgl. Langner 2009, S. 180). Nach Maskos sei für Goffman ein körperliches Merkmal immer dann ein Stigmasymbol, wenn „es eine Diskrepanz zwischen virtualer und aktualer sozialer Identität eröffnet“ (Maskos 2008, S. 6). Mit der „`ak-tuale[n] soziale[n] Identität`“ meine Goffman, nach der Autorin, wenn ein Subjekt beispiels-weise einen Sprachfehler habe, so sei dieser, sobald er mit jemandem spreche, Teil seiner

„aktualen sozialen Identität“. Die „`virtuale soziale Identität`“ hingegen sei das, was von

die-sem Menschen bei der ersten Begegnung erwartet werde, nämlich, dass dieser ohne Sprachfehler spreche (vgl. ebd., S. 7). So ein Merkmal zwinge den davon betroffenen Men-schen zu einer doppelten Anstrengung, denn dieser müsse die Zuschreibungen verarbeiten und gleichzeitig dazu den anderen den Umgang mit sich selbst erleichtern (vgl. Langner 2009, S. 180).

Für moderne, bürgerliche Menschen bedeute Behinderung eine große, fast nicht bewältigba-re Katastrophe. Immerhin widerspbewältigba-reche sie doch scheinbar vielen gesellschaftlichen Nor-men, die von BürgerInnen erwartet werden (vgl. Maskos 2008, S. 8): „eloquentes und an-sprechendes Auftreten, Vertragsfähigkeit, die Fähigkeit Familien zu gründen, Arbeitsfähigkeit usw.“ (ebd., S. 8). Andererseits würden behinderte Menschen auch oft als HeldInnen be-trachtet und ihre Leistungen im Alltag idealisiert werden. So seien Menschen mit Behinde-rung mit diesen beiden Polen im Leben konfrontiert und müssen zwischen „Entwertung“ ei-nerseits und „Idealisierung“ andererseits stehen. Dies entspreche aber oft nicht dem eigenen Selbstbild und erzeuge somit Unbehagen (vgl. ebd., S. 9). Nach Mürner sei für Goffman das wirkliche Problem nicht mit dem Spannungsverhältnis zwischen sozialer und persönlicher Identität zurechtzukommen, sondern die Informationen bezogen auf das Stigma zu steuern.

Das heiße zu entscheiden, es in einer bestimmten Situation zu zeigen oder zu verheimli-chen. Mürner greift hierzu auf Goffmans Beispiel der „kleinwüchsigen Frau“ zurück: Sie wäre sehr klein, wie ein Zwerg und sie wäre auch sehr gebildet gewesen, allerdings habe sie dar-auf geachtet, in der Öffentlichkeit nichts anderes zu sein als die Kleinwüchsige und habe die Rolle der Närrin übernommen, so wie sie seit den Königshöfen des Mittelalters für die Cha-rakteristik des Narren bekannt gewesen sei. Nur in der Gegenwart der FreundInnen habe sie wirklich so sein können, wie sie es gewesen sei, nämlich intelligent, traurig und einsam (vgl.

Mürner 2011, S. 172).

Es soll nun nach keiner Begriffsdefinition für Identität gesucht werden. Baacke schreibt, dass es auch nicht sinnvoll sei diesen Begriff in eine abgrenzende Definition zu bringen (vgl. Baa-cke 1985, S. 140). Dies führe zu einer Verkürzung der vielfältigen Dimensionen des Lebens, folglich also auch zu einer Einschränkung menschlicher Existenz (vgl. Hopfner 2011, S. 153).

Stattdessen soll vorerst der Prozess der Identitätsentwicklung, ohne dabei zu sehr in die Tie-fe zu gehen, durchleuchtet und auch auf gesellschaftlich konstruierte Identitäten und somit auf die Einschränkung wirklicher Identitäten eingegangen werden. Hopfner schreibt, dass die gegenwärtig verbreitete Rede über Identität eher ein Indiz dafür sei, dass sie in ihrer Vielfalt nicht gelebt werde (vgl., ebd., S. 153).

40 3.3.1. Entwicklungsstufen der Identität

„Individualität“

Die menschliche Identität bestehe u.a. daraus, dass sich beim Menschen ein Gefühl der Ein-zigartigkeit, also der Individualität entwickle (vgl. Baacke 1985, S. 156).

Allerdings schreibt Hopfner, dass wenn ein Subjekt sich nur auf sich selbst beziehe, es zwangsläufig eine innere Leere verspüre. Nur im Austausch mit dem allgemeinen Leben könne es eine Identität bilden (vgl. Hopfner 2011, S. 153).

Einzig und allein das Erkennen der Individualität genüge also nicht; das soziale Umfeld und der Austausch mit diesem seien ebenso relevant für die Bildung der eigenen Identität. Die nächste wichtige Stufe sei also die Wahrnehmung des „Selbst“ (vgl. Baacke 1985, S. 156ff.).

„Selbst“

Das „Selbst“ sei die Art und Weise, wie ich mich als Person wahrnehme, wie mich andere sehen sollen und auch tatsächlich sehen. Das „Selbst“ durchwandere eine historische Ent-wicklung und entstehe nicht unerwartet. Es entwickle sich also nach dem Zeitpunkt des Er-kennens des „Ich“ (vgl. ebd., S. 159).

Ein Neugeborenes besitze noch kein Selbstbewusstsein und sondere sich auch noch nicht von seiner sozialen Umgebung ab. Im 9. Monat erkenne das Kind seine Eltern im Spiegel, aber sich selbst noch nicht. Im Alter von 12 Monaten beginne es „Ich“ zu sagen ohne dabei aber eine stabile Identität zu besitzen. Beim Spielen mit anderen Burschen und Mädchen schlüpfe das Kleinkind in differente Rollen. Das Entwickeln eines „Selbstbildes“, das auch

„Selbst-Konzept“ genannt werde, passiere jedoch erst beim Heranwachsenden und sollte am Ende der Adoleszenzphase soweit abgeschlossen sein, damit es sich als guter Anhaltspunkt für eine Identitätsentwicklung erweise (vgl. ebd., S. 159).

Baacke schreibt, dass das „Selbst“ drei Einheiten beinhaltet:

• „Das materielle Selbst“: Körper, Kleidung, Besitztümer

• „Das soziale Selbst“: Anerkennung durch Mitmenschen

• „Das geistige Selbst“: Geistige und psychische Fähigkeiten des Menschen (vgl. ebd., S. 159).

Wichtig ist festzuhalten, dass das „Selbst“ nicht nur Produkt der Rückbeziehung auf die ei-gene Person sei, sondern, dass es sich auch nach außen und von außen her definiere. Ar-mut oder Hässlichkeit, also ein schwaches „materielles Selbst“ habe oft auch ein schwaches

„soziales“ und „geistiges“ „Selbst“ zur Folge. Dies veranschauliche den Beziehungscharakter dieser Komponenten (vgl. ebd., S. 159f.).

„Rolle“

Baacke schreibt, dass ebenfalls wie beim Bilden des „Selbstkonzeptes“ Kleinkinder noch nicht die Fähigkeit eines Rollenverhaltens besitzen, sondern spontan auf die Umwelt reagie-ren. Im Normalfall können wir uns mit den gespielten Rollen, die wir internalisiert haben, identifizieren. Rollen haben auch einen negativen Beigeschmack, denn in dem Moment, wo ich mich auf meine Mitmenschen einlasse und mit ihnen in Interaktion trete, werde ich von diesen beobachtet und ich muss ihre Erwartungen erfüllen. Ich darf mich sozusagen nicht entgegen ihrer Normvorstellungen verhalten (vgl. ebd., S. 166f.).

In Anlehnung an Strauss meint Baacke Folgendes:

„Identität ist für Strauss (H) in erster Linie die Art und Weise, wie jemand in einer Situation sich verhält. Stabilisieren sich bestimmte Verhaltenszüge durch Wie-derholung oder Erwartung der anderen, werden sie schließlich zu Rollen und damit zu einem Verhalten, das nicht zuverlässig, aber doch in gewissem Maß die Vorhersehbarkeit von Verhaltenssequenzen erlaubt“ (ebd., S. 165).

Damit wurde beschrieben, wie sich Identitäten entwickeln. Im Folgenden wird reflektiert, ob der Anspruch eines Subjektes bei der Selbstinszenierung die eigene Individualität zu un-terstreichen, überhaupt Wirklichkeit werden kann. An den genannten Beispielen soll „die Wi-dersprüchlichkeit des Identitätskonzeptes“ (Hopfner 2011, S. 149) greifbar werden. Die Si-cherung der eigenen Identität durch Selbstinszenierung auf körperlicher Ebene wird in Frage gestellt und schließlich von Hopfner als „Uniformierung“ statt Individualisierung betrachtet (vgl. ebd., S. 147).

Kunt und Zaszkaliczky weisen darauf hin, dass die Auseinandersetzung mit dem behinderten Körper diese zwanghafte Abstraktion von Identitäten, die von Mächten wie den Medien, aus-gehen, sichtbar machen könne. „Provokationen“ durch die öffentliche Präsentation behinder-ter Körper könne ein geeignetes Mittel zum Wachrütteln der Gesellschaft sein, um ihre ein-seitigen Ideale zu reflektieren (vgl. Kunt/Zaszkaliczky 2011, S. 178).

42 3.3.2. „Uniformierte“ Identitäten?

Degele schreibt, dass die Auffassung - die Verantwortung weg von Gott und dem Schicksal hin zum Individuum zu verlagern - ein Gedanke sei, der aus der Zeit der Aufklärung stamme.

Diese Verlagerung der Verantwortung auf das Individuum habe nicht nur im Kopf der Men-schen stattgefunden, sondern habe auch Seele, Körper und Befindlichkeit betroffen. Der Mensch sei für sein Leben und sein Glück selbst verantwortlich und müsse dieses daher auch in die eigenen Hände nehmen (vgl. Degele 2008, S. 68). Die Franzosen ließen sich von dieser Idee in der Zeit der Französischen Revolution begeistern, identifizierten sich damit und setzten sie in die Wirklichkeit um (vgl. Hopfner 2011, S. 145). Diese Idee wurde zur nati-onalen Identität für die Franzosen. Sie entwickelten durch die Reduktion der Lebensvielfalt und Gedanken auf die Fixierung dieser einzigen Idee eine gefährliche und zerstörerische Haltung. Hopfner schreibt unter Bezugnahme auf Hegel, dass dieser „`Fanatismus der Frei-heit`“ für viele Menschen in Frankreich existenziell bedrohlich spürbar wurde und für den Rest der Menschen unübersehbar war. Dieses praktische Beispiel aus der Geschichte soll die Fürchterlichkeit darstellen, die aus „der fanatischen Überhöhung des Freiheitsgedankens in Frankreich“ resultierte (vgl. Hopfner 2011, S. 144). Die „Abstraktion Identität“ treibe man-che Mensman-chen wegen ihrer Reduktion auf eine nationale, religiöse, geschlechtliman-che Zugehö-rigkeit in eine selbstmörderische Haltung. Außerdem führe sie zu einer Verkürzung der viel-fältigen Dimensionen des Lebens (vgl. ebd., S. 153). Es werden beispielsweise bei nationalen Identitäten die vielfältigen Zugehörigkeiten einzelner Menschen gewaltsam abs-trahiert und zu einem Gemeinsamen zusammengefügt. Die Gemeinsamkeit der Franzosen, der Deutschen, der Österreicher usw. werde also nach Hopfner erst konstruiert (vgl. ebd., S.

145).

Außerdem meint die Autorin, je mehr Wert auf Individualität gelegt wird, desto weniger hat diese tatsächlich Realität für das einzelne Subjekt. Der Grund liegt in dem „uniformierten Rückzug auf das pure Selbst“ (vgl. ebd., S. 152):

„Wer über Identität reflektiert und spricht, lebt sie nicht in der Freude an `dem Reichtum der menschlichen Natur` und an dem dynamischen Prozess der Ver-änderung des Selbst in seinem praktischen Bezug auf die Welt“ (Hopfner 2011, S. 153).

Dies kann z.B. nicht nur bei der Diskussion um nationale Identität, sondern auch auf körperli-cher Ebene sichtbar werden.

Das folgende Einzelfallbeispiel soll Hopfners Gedanken bekräftigen:

Fleig reflektiert John von Düffels Romansatire EGO. Das Ziel des Unternehmensberaters sei die Modellierung seines Körpers. Spiegel und Maßband seien seine täglichen Begleiter im Alltag, um seinen Körper stets zu perfektionieren (vgl. Fleig 2008, S. 85). Dieses Beispiel macht auf die Uniformierung des Subjektes durch die Gestaltung am eigenen Körper auf-merksam, anstatt dass sich Individualisierung hierbei vollzieht. Obwohl das Ziel die Schaf-fung eines Selbstentwurfes sei, führe dieser Einsatz sich zu individualisieren zu dem Ergeb-nis, sich zu einem von vielen umgestaltet zu haben. Der Unternehmensberater gestalte nämlich gemäß seines Grundsatzes – „Schönheit ist relativ“ – normengeleitet seinen eigenen Körper nach dem aktuellen, europäischen Körperbild des Mannes (vgl. ebd., S. 94).

Tatsächliche Individualität bzw. Unverwechselbarkeit bedeute eine Abweichung der normier-ten Körperformen und -modellierungen und werde somit von der Gesellschaft nicht wertge-schätzt (vgl. Posch 1999, S. 76).

Entsprechen die folgenden Abbildungen auch den verbreiteten europäischen Körpernormen?

Ist Andersartigkeit, also die persönliche Individualität, bei der Selbstinszenierung wirklich erlaubt? Oder erfahren diese Menschen, die dies in Anspruch nehmen, Ausgrenzung? Die folgenden Abbildungen sollen eine Möglichkeit darstellen, wie körperliche Selbstinszenierung aussehen kann, die allerdings nicht dem gesellschaftlich normierten, europäischen Körper-bild entspricht:

Abbildung 7 soll aufzeigen, dass auch der gesunde Körper gesellschaftlichen Normen unter-liegt, die von gewissen Mächten produziert werden. Obwohl Tätowierungen mittlerweile

ge-Abb. 7 (links): „Mexican Vampire Woman“

(http://salzburg.orf.at/new s/stories/2579961/).

Abb. 8: Tätowierung auf Armprothese (vgl.

http://www.spreeblick.co m/2010/07/03/baby-you-can-drive-my-chair/).

44 sellschaftlich akzeptiert werden, wird diese extreme Weise der Körpermodifikation, wie sie auf der Abbildung 7 zu sehen ist, möglicherweise von der Gesellschaft auch nicht akzeptiert, nicht als normal wahrgenommen.

Im Jahr 2013 wurde in Österreich vom internationalen Institut für Markt- und Sozialanalysen (IMAS) in Linz, eine Meinungsumfrage zur Thematik Tätowierungen unter der österreichi-schen Bevölkerung erhoben. Mittels Face-to-face Interviews wurden 1.014 Personen ab dem 16. Lebensjahr zum Thema Tätowierungen befragt (vgl. IMAS 2013, o.S.).

Abb. 9: Anzahl der tätowierten ProbandInnen (vgl. IMAS 2013, o.S.).

Insgesamt haben Dreiviertel der ProbandInnen den Eindruck, dass es heute mehr tätowierte Menschen gebe als früher und diese Körpermodifikation auch niemanden mehr aufrege. Für 72% der UntersuchungsteilnehmerInnen sei diese Art der Körpermodifikation Privatsache.

Dennoch kam bei dieser Studie heraus, dass 20% der Personen ohne Tätowierung Men-schen mit Tätowierung als unsympathischer empfinden, hingegen nur 4% der Personen mit einer Tätowierung, Individuen mit einer Tätowierung als unsympathisch bewerten (vgl. ebd., o.S.).

Die Ergebnisse zeigen, dass grundsätzlich die Tätowierung als eine Form zur körperlichen Selbstinszenierung in Österreich akzeptiert wird. Sie zeigen aber auch, dass es dennoch einen minimalen Unterschied bei der Beurteilung der geschmückten Person gibt, je nachdem ob der/die BetrachterIn tätowiert ist oder nicht. Für die Masterarbeit ergibt sich noch die Fra-ge, ob diese Körpermodifikation bei einem körperlich behinderten Menschen von dem sozia-len Umfeld auch mit der Einstellung, dass es Privatsache sei, betrachtet wird.

Auf der Abbildung 8 ist ein Rollstuhlfahrer zu sehen, der eine tätowierte Armprothese trägt.

Wie wird ein behinderter Körper wahrgenommen, der nicht den Formen des gegenwärtigen Schönheitsideales entspricht, aber durch Selbstinszenierung die eigene Identität unterstrei-chen möchte? Was bei einem gesunden Körper vom sozialen Umfeld als Körperschmuck wahrgenommen wird, wird möglicherweise bei einem körperlich behinderten Menschen als bewusste Provokation interpretiert? Entspricht diese Art der Körpermodifikation überhaupt dem gesellschaftlichen Bild eines Behinderten? Werden möglicherweise behinderte Men-schen und deren Tätowierungen von ebenso tätowierten Individuen eher akzeptiert bezie-hungsweise erhalten positivere Rückmeldung bezüglich ihrer Körpermodifikation als von nicht tätowierten Menschen?

Diese Fragen werden durch die Forschungsergebnisse im empirischen Teil der Arbeit be-antwortet.

3.4. Selbstinszenierung behinderter Körper – Möglichkeiten und Hindernisse