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4. Befragung tätowierter Personen mit körperlicher Behinderung

4.2. Fragestellungen

1. Mit welchen Möglichkeiten und Hemmnissen im Sinne des Empowerment-Konzeptes sind körperlich behinderte Menschen konfrontiert, wenn sie sich tätowieren lassen möchten?

2. Welche Reaktionen auf ihre Tätowierung erleben körperlich behinderte Menschen im sozialen Kontext?

• Von tätowierten Menschen

• Von nicht-tätowierten Menschen

54 4.3. Begriffsdefinitionen

In diesem Kapitel sollen jene für die Fragestellungen relevanten Begriffe definiert werden, um zu garantieren, dass nachvollzogen werden kann, welcher Bedeutungsinhalt mit diesen verbunden ist.

4.3.1. Körperliche Behinderung

Nach dem BMASK stellen behinderte Menschen eine sehr heterogene Gruppe dar, die sich hinsichtlich zahlreicher Merkmale unterscheidet (vgl. BMASK 2009, S. 7). Pawel schreibt, dass oft der/die RollstuhlfahrerIn als der „Prototyp“ von körperlich Behinderten betrachtet wird und auch Gesamtzahlen über Behinderte fälschlicherweise auf diese Gruppe bezogen werden (vgl. Pawel 1984, S. 14). Aufgrund der geschichtlichen Vergangenheit Österreichs ist es wegen des Datenschutzgesetzes nicht erlaubt, Daten in Bezug auf Behinderungen in der Bevölkerung zu sammeln. Die Ausnahme besteht darin, wenn die Erhebung dieser Informa-tionen zur Erfüllung gesetzlicher Aufträge unerlässlich ist (vgl. BMASK 2009, S. 7).

Biewer zählt nicht nur Schädigungen, die unmittelbar den Bewegungsapparat (motorische Einschränkungen) betreffen, zu Körperbehinderungen, sondern auch schwere chronische Krankheiten, die den Körper beeinträchtigen. Ausgenommen seien Sinnesschädigungen.

Der Autor bezieht sich auf den Sammelband von Kallenbach und zählt folgende Schädigun-gen zu KörperbehinderunSchädigun-gen (vgl. Biewer 2009, S. 51):

„cerebrale Bewegungsstörungen, Schädel-Hirn-Trauma, Spina bifida, Querschnittslähmung, Poliomyelitis, Muskeldystrophie, Fehlbildungen, Störungen der Knochenentwicklung, chroni-sches Nierenversagen“ (ebd., S. 51).

Dederich schreibt allerdings, dass sich die WissenschaftlerInnen bis in die Gegenwart nicht einig wurden, ob ein pädagogischer Behindertenbegriff überhaupt notwendig ist und vor al-lem wie dieser definiert werden soll (vgl. Dederich 2009, S.16).

4.3.2. Empowerment

Herriger schreibt, dass eine allgemein akzeptierte Definition von Empowerment, die den wis-senschaftlichen Diskurs oder die psychosoziale Praxis anleiten könnte, noch nicht existiere.

Diese indifferenten Definitionsangebote würden auch den Diskurs über Empowerment be-lasten. Da es keine einheitliche Begriffsdefinition gebe, würde Empowerment von vielen wis-senschaftlichen Disziplinen und Lebensbereichen aufgegriffen, allerdings unterschiedlich

interpretiert werden (vgl., ebd., S. 13f.). Herriger betrachtet Empowerment auf vier verschie-denen Ebenen:

a. „Empowerment – lebensweltlich buchstabiert“

In diesem Wortsinn versteht Herriger unter Empowerment das Vermögen von Individuen die Komplikationen und Belastungen ihres Lebensalltags aus eigener Kraft zu bewälti-gen. Diese lebensweltbezogene Definition stellt ein Gelingen des Alltags durch autono-mes Handeln in den Mittelpunkt (vgl. ebd., S. 15).

b. „Empowerment – reflexiv buchstabiert“

Aus dieser Perspektive wird Empowerment als Befreiung aus der Opferrolle und der Ab-hängigkeitsposition aus eigener Kraft durch das betroffene Individuum selbst, verstan-den. Der/die Betroffene werden nach Herriger zu handelnden AkteurInnen, die für ihre Selbstbestimmtheit und Autonomie kämpfen (vgl., ebd., S. 16).

c. „Empowerment – transitiv buchstabiert“

In diesem Wortsinn werden die Unterstützung und die Förderung von Selbstbestimmung durch andere betont. Transitive Definitionen von Empowerment legen den Fokus also auf die Kompetenzen der HelferInnen, die Ressourcen für Empowermentprozesse bereitstel-len (vgl. ebd., S. 17).

d. „Empowerment – politisch buchstabiert“

Dieser Begriff kann nach der vierten Variante mit „politischer Macht“ übersetzt werden. In diesem Zusammenhang thematisiert Empowerment die strukturell ungleiche Verteilung von politischer Macht. Empowerment auf diese Art und Weise zu verstehen findet man nach Herriger häufig in Projekten und Arbeitsansätzen, die sozialen Emanzipationsbe-wegungen entstammen (vgl. ebd., S. 14).

56 4.3.3. Empowerment – Hemmnisse

Nach Bindreiters Bachelorarbeit mit dem Titel „Empowerment für Menschen mit Beeinträchti-gung – Ein Konzept und seine Umsetzung im deutschsprachigen Raum“, kann Empower-ment auch durch unterschiedliche Handlungen, Sichtweisen oder Lebensumwelten gehemmt werden (vgl. Bindreiter 2010, o.S.). In der vorliegenden Masterarbeit liegt der Fokus nicht nur auf den Möglichkeiten von Empowerment, also seien es Stärken, Ressourcen, die die Indivi-duen selbst erkennen, um aus ihrer Opferrolle herauszutreten oder Unterstützungsmöglich-keiten, die diese stärken oder überhaupt erst gemeinsam mit dem/der Betroffenen entde-cken. Es sollen auch Hemmnisse sichtbar gemacht werden. Bindreiter schreibt, dass zwischen folgenden Hemmnissen unterschieden werden kann:

a. Technische Hemmnisse seien fehlende Zugänglichkeit zu Veranstaltun-gen oder die Barrieren bei der Nutzung von Verkehrsmitteln.

b. Unter gesellschaftlichen Hemmnissen würden der „häufig fehlende Zu-gang von Menschen ohne Beeinträchtigung zu Menschen mit Beeinträch-tigung gemeint“ sein oder Überforderung seitens der Bezugspersonen mit der körperlichen Behinderung, sowie Überfürsorglichkeit (vgl. ebd., o.S.).

4.4. Beschreibung der Stichprobe

Aufgrund der Merkmale, die die Probanden dieser Untersuchung kennzeichnen ist es schwierig an eine große Anzahl zu gelangen. Die Kriterien sind: Menschen mit körperlicher Behinderung, die eine oder mehrere Tätowierungen tragen. Die Zugänge ins Feld sind durch einen Bekannten aus dem Freundeskreis gelungen, der selbst auch körperlich behindert ist und Tätowierungen hat. Leider wollte er selbst kein Interview geben. In weiterer Folge konnte durch das Schneeballsystem ein Proband gefunden werden, der damit einverstanden war, Fragen zu dieser Thematik zu beantworten. Dieser Proband erzählte mir, dass er einige kör-perlich behinderte Menschen in seinem Bekanntenkreis habe, jedoch keiner von diesen eine Tätowierung trage.

Weiters wurde der Verein „Die Brücke“ in Graz kontaktiert. Die Geschäftsführerin des Verei-nes meldete sich und vermittelte mir einen Probanden, der mir ebenso eine weitere Proban-din nannte.

Die Einrichtung „Die Brücke“ verfolgt das Ziel, sowohl gesellschaftliche als auch bauliche Barrieren herab zu mindern und die Kommunikation zwischen Menschen mit und ohne Be-hinderung zu fördern. Der Verein bietet diverse Angebote an, um dem Ziel näher zu kom-men, wie z.B. Freizeitassistenz, Planung von Veranstaltungen, Familienentlastung,

Wohnas-sistenz und auch Unterstützung bei Arztbesuchen. Ebenso hat sich der Verein „einen Namen als Veranstaltungsort ohne bauliche und gedankliche Grenzen“ gemacht. Insbesondere liegt der Fokus des Programmes auf musikalischen Beiträgen (vgl. http://www.bruecke-graz.at).

Der Versuch über Tattoostudios an Probanden zu gelangen ist gescheitert. Aufgrund des Datenschutzes, dem die Studios unterliegen, dürfen keine Daten über ihre Kunden weiterge-geben werden. Schlussendlich haben sich drei Probanden mit Querschnittslähmung freiwillig für die Untersuchung gemeldet.

4.5. Untersuchungsplan

Um die Forschungsfragen zu beantworten wurde ein qualitativer Forschungsansatz gewählt.

Bei der qualitativen Forschung werden Ergebnisse nichtnumerischer Art erhoben, sondern Texte, Beobachtungen, Erhebungen und Beschreibungen erfasst (vgl. Reicher 2012, S. 96).

Reicher schreibt, dass die Stärken der qualitativen Methoden darin liegen, dass „subjektive Deutungsmuster“ und „soziokulturelle Lebensmuster“ mittels dieser Methode genauer fokus-siert werden können (vgl. ebd., S. 97).

Mayring schreibt, dass fast jeder forschende Zugang zur Realität eine Verzerrung in sich birgt. Qualitativer Forschung gehe es darum, die Verzerrung zu verringern, indem möglichst nahe an der alltäglichen Lebenssituation der ProbandInnen angeknüpft werde (vgl. Mayring 2002, S. 23). Beim qualitativen Ansatz sei das Prinzip der Offenheit sehr wichtig. Das bedeu-te, dass im Laufe der empirischen Untersuchung Neufassungen oder Ergänzungen bezüg-lich der Forschungsfragen oder auch der Methoden mögbezüg-lich seien, wenn dies der Gegens-tand erfordere (vgl. ebd., S. 28). Dennoch ist nach Mayring sehr wichtig, sich bei den Verfahren, die zur Beantwortung der Fragestellungen gewählt werden, an begründeten Re-geln zu orientieren. Außerdem müssen nach dem Autor auch die einzelnen Schritte des For-schungsprozesses genau dokumentiert werden (vgl. ebd., S. 29).

Mayring unterscheidet bei der qualitativen Forschung zwischen folgenden Arbeitstechniken, die in drei Phasen des Forschungsprozesses eingesetzt werden:

• „Erhebungstechniken/ -verfahren/ -methoden“: Sammlung des Materials

• „Aufbereitungstechniken“: Sicherung und Strukturierung des Materials

• „Auswertungstechniken“: Materialanalyse (vgl. Mayring 2002, S. 65f.).

58 4.5.1. Erhebungsmethode

Die qualitative, mündliche Befragung eignet sich besonders gut zur Beantwortung der Frage-stellungen dieser Untersuchung, da keine numerischen Ergebnisse erwartet werden.

Hingegen soll hier mehr in die Tiefe gegangen werden und die Ergebnisse „subjektive Deu-tungsmuster“ (Reicher 2012, S. 96) repräsentieren. Die mündliche Befragung soll auch die Möglichkeit bieten genau in die Tiefe zu gehen, während hingegen ein Fragebogen nach Rhein kein differenzierendes oder klärendes Nachfragen ermöglicht (vgl. Huschke-Rhein 1991, S. 47).

In der qualitativen Forschung spiele der verbale Zugang, also das Gespräch eine besondere Rolle. Es gebe mittlerweile einige unterschiedliche Interviewtechniken, mit Bezeichnungen wie: „Problemzentriertes Interview“, „Qualitatives Interview“, „Offenes Interview“, „Fokussier-tes Interview“ usw.. All diese genannten qualitativen Verfahren seien sich in der Offenheit der Fragenformulierung und der qualitativen Auswertung weitgehend einig. Der Strukturiertheits-grad des Interviewleitfadens schwanke allerdings bei diesen (vgl. Mayring 2002, S. 66f.).

Für die gegenständliche empirische Untersuchung wurde ein qualitatives, face to face Ein-zelinterview gewählt. Es wurden offene und geschlossene Fragen an die Probanden gestellt und der Interviewleitfaden ist halbstandardisiert gestaltet worden.

Huschke-Rhein schreibt, dass je stärker die Fragen im Leitfaden strukturiert sind, umso grö-ßer ist auch anschließend bei der Auswertung die Vergleichbarkeit der Antworten. Unstruktu-rierte Interviews seien eher nützlich zur Felderkundung und zur Vorbereitung einer späteren strukturierten Befragung (vgl. Huschke-Rhein 1991, S. 47). Dennoch wurde bei dieser Unter-suchung auf einen zur Gänze standardisierten Interviewleitfaden verzichtet. Der Grund dafür liegt darin, dass die Forscherin Raum finden soll, je nach Interviewsituation, die eine oder andere Frage umzuformulieren, bei Bedarf stärker in die Tiefe zu gehen oder auch eine Fra-ge auszulassen, wenn dies die Interviewsituation erfordert, daher ist der Leitfaden auch nur halbstandardisiert.

In der offenen Antwortmöglichkeit für die Teilnehmer dieser Untersuchung, also ohne strikte Antwortvorgaben liegt die Hoffnung darin, dass die Probanden ohne Zwang oder ohne, dass sie sich zu sehr von der Forscherin in eine Richtung gedrängt fühlen, antworten können.

Auch wenn dennoch erwähnt werden muss, dass das Formulieren offener Fragen auch kei-ne Garantie dafür ist, dass die Probanden alle Infomatiokei-nen preisgeben. Trattkei-ner schreibt in ihrer Diplomarbeit, dass der Vorteil einer schriftlichen Befragung darin liegt, dass die Teil-nehmer eventuell auch Informationen von sich geben, die sie bei einer mündlichen

Befra-gung nicht mitteilen würden (vgl. Trattner 2008, S. 97), weil es sich möglicherweise für man-che Untersuchungsteilnehmer leichter anfühlt einen Fragebogen auszufüllen als über die Problematik zu sprechen.

4.5.2. Erhebungsinstrument

Stigler und Felbinger schreiben, dass der Interviewleitfaden als Orientierungshilfe und Ge-dächtnisstütze dienen soll. Es könne zwischen „Schlüsselfragen“, das sind jene, die unbe-dingt gestellt werden müssten und solchen, die keine so große Bedeutung hätten, das seien sogenannte „optionale Fragen“ unterschieden werden (vgl. Stigler/Felbinger 2012, S. 141).

Die beiden Autoren betrachten folgende drei Punkte bei der Konstruktion eines Leitfadens als besonders wichtig:

a. Es solle überlegt werden, ob die Fragen überhaupt für das Forschungsthema relevant seien.

b. Der Leitfaden müsse gut und genau strukturiert sein. Der/die ForscherIn müsse in der Lage sein zu begründen, warum die Frage an einer gewissen Stelle gefragt werde und thematische Gesprächssprünge sollten vermieden werden.

c. Auch die Formulierung der Fragestellungen sei ein wichtiger Punkt, der überlegt wer-den müsse. Stigler und Felbinger schreiben, dass es z.B. Fragen zum Gesprächsein-stieg gebe, Informationsfragen (z.B. Alter, Beruf), Wiederholungen/Wiederaufnahmen oder Erzählaufforderungen (vgl. ebd., S. 143f.).

Struktur des Leitfadens

Zu Beginn des Leitfadens werden I. soziodemographische Daten: Geschlecht, Alter, Wohnort, Art der Körperbehinderung und Erwerb der Körperbehinderung erhoben. Im Übri-gen ist der Interviewleitfaden eingeteilt in zwei weitere Hauptbereiche, nämlich: II. Empo-werment – Möglichkeiten – Hemmnisse und III. Tätowierung – identitätsstiftend?

Empowerment kann, wie bereits bei der Begriffsdefinition erwähnt, aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet und folglich auch interpretiert werden. Hier wird Empowerment le-bensweltlich, reflexiv, transitiv und politisch betrachtet. Auf allen vier Ebenen, ob reflexiv, transitiv, lebensweltlich oder politisch betrachtet, sollen Möglichkeiten und Hemmnisse sicht-bar gemacht werden, da diese zur Beantwortung der 1. Fragestellung relevant sind. Wenn die gesetzliche Lage in Österreich körperlich behinderten Menschen verbietet sich tätowieren zu lassen, ist das Individuum in seiner Selbstbestimmtheit gehemmt, wenn es über gewisse

60 Ressourcen nicht verfügt, um den Alltag zu bewältigen wird es ebenso gehemmt sein. Ge-nauso relevant ist es Empowerment aus der reflexiven Ebene zu betrachten. Es ist auch ent-scheidend, ob das Subjekt aus der sozial konstruierten Opferrolle hinaus treten möchte.

Wenn es nicht zu einem selbstbewussten und autonom handelnden Menschen wird, ist es bei der Umsetzung seinen Körper zu gestalten, gehindert. Der Blick auf die Kompetenzen der Unterstützungspersonen hat ebenso für die Fragestellung Relevanz, denn beispielsweise Bindreiter schreibt in ihrer Bachelorarbeit, dass Selbstbemächtigung nicht nur von den Stär-ken und Ressourcen der Betroffenen abhängt, sondern diese ebenso erst mit Hilfe von Un-terstützungspersonen geweckt oder gefördert werden können, allerdings ohne, dass sich der/die Behinderte bevormundet fühlen soll (vgl. Bindreiter 2010, o.S).

Nach dem theoretischen Wissen kann gesagt werden, dass Tätowierungen der sozialen Po-sitionierung dienen und diese dabei auch die Identität sicherstellen, auch wenn es mögli-cherweise nur eine uniformierte Identität ist, die damit nach außen präsentiert wird. Ob bei einem körperlich behinderten Menschen eine Tätowierung die Identität sicherstellen kann, soll einerseits durch seine eigene Wahrnehmung des Körpers mit der Tätowierung (was un-ter der II. Hauptkategorie bei Empowerment – Möglichkeiten- Hemmnisse gefragt wird) und anhand der Rückmeldungen aus dem sozialen Umfeld auf seine Tätowierungen hin (III.

Hauptkategorie Tätowierung identitätsstiftend?) erforscht werden.

Der II. Abschnitt Empowerment – Möglichkeiten – Hemmnisse beinhaltet die vier Per-spektivenebenen des Empowerment-Konzeptes von Herriger:

„Empowerment – lebensweltlich buchstabiert“

Empowerment wird hier im lebensweltlichen Kontext betrachtet, daher soll nach den eigenen Ressourcen des/der Interviewpartners/Interviewpartnerin gefragt werden, die er/sie besitzt oder nicht besitzt, um den Alltag selbstbestimmt zu bewältigen. Hierzu zählen nicht nur Res-sourcen wie Konfliktfähigkeit, Vertrauen in eigene Kompetenzen, sondern auch die Verfüg-barkeit von Bezugspersonen, die die eigenen Ressourcen möglicherweise auch stärken, um den Alltag besser bewältigen zu können. In dieser Unterkategorie wird noch nicht genau nachgefragt, wie und wobei diese Menschen die Befragten im Alltag helfen, da der Fokus nur auf den Ressourcen liegt, die vorhanden sind oder nicht. Weiters wird nach den Interessen und Hobbies gefragt, die ebenso zum alltäglichen Leben zählen und es soll dabei

unter-sucht werden, ob diese trotz körperlicher Behinderung auch verwirklicht werden können oder nicht. Abschließend wird nach der Mobilität gefragt, um hier zu untersuchen, wie einge-schränkt oder wie flexibel die Probanden sich in ihrem Alltag von einem Ort zum anderen bewegen können.

„Empowerment – reflexiv buchstabiert“

In dieser Unterkategorie wird Empowerment dahingehend betrachtet, ob das Individuum sich als Opfer sieht oder aus eigenen Kräften selbstbewusst aus dieser Rolle heraustritt. Es soll hier nach dem körperlichen Selbstbild (vor bzw. nach der Tätowierung) gefragt werden, um zu erfahren, ob es sich als behindert und minderwertiger sieht oder sehr wohl auch den ei-genen Körper als schön betrachtet. Ebenso wird danach gefragt, ob die Modewelt durch die Medien das Bild vom individuellen schönen Körper prägt und somit möglicherweise das ei-gene körperliche Selbstbild negativ beeinflusst. Zur korporalen Selbstinszenierung werden Fragen nach dem eigenen Modebewusstsein, sowie beispielsweise nach der Körperstelle, die für die Tätowierung ausgewählt wurde, gestellt. Dies soll zeigen, ob das Subjekt seine Tätowierung trotz der Behinderung voller Stolz nach außen präsentiert oder diese unter der Kleidung versteckt. Hier sollen also Informationen rund um die Bedeutung der körperlichen Selbstinszenierung für die/den Befragte(n) und um die eigene Tätowierung in Erfahrung ge-bracht werden.

„Empowerment – transitiv buchstabiert“

Aus dieser Perspektive liegt der Fokus auf den Kompetenzen der Unterstützungspersonen, die Ressourcen für Empowermentprozesse bereitstellen. Bezogen auf die Unterstützungs-personen soll gefragt werden, wer die UnterstützungsUnterstützungs-personen für die Probanden sind, wo-bei diese helfen und wie häufig sie dies tun. Außerdem soll gefragt werden, ob diese Men-schen sich bevormundend oder überfordert auf Grund der körperlichen Behinderung verhalten. Auch die TätowiererInnen sollen im Fokus stehen und aus der Sicht der Interview-ten hinsichtlich ihrer KompeInterview-tenzen im Umgang mit körperlich behinderInterview-ten Menschen er-forscht werden.

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„Empowerment – politisch buchstabiert“

Hier soll überprüft werden, ob das Behindertengleichstellungsgesetz in der Realität Wirklich-keit ist und ob selbstbestimmtes Handeln für körperlich behinderte Menschen auf Grund der rechtlichen Lage in Österreich überhaupt möglich ist oder erschwert wird. Außerdem soll gefragt werden, wie die Befragten damit umgehen, wenn sie sich ungerecht behandelt füh-len.

Der III. Bereich Tätowierung – identitätsstiftend? ist wie folgt gegliedert:

Zum einen liegt das Interesse auf Reaktionen bezüglich der Tätowierung. Der/die Befrag-te wird dazu aufgefordert zu erzählen, welche Reaktionen er/sie bisher bezüglich der eige-nen Tätowierung wahrgenommen hat.

Zum anderen soll bei der Unterkategorie soziales Umfeld darauf eingegangen werden, ob es bezüglich der Reaktionen Unterschiede gibt, wenn diese von ebenfalls tätowierten oder nicht tätowierten Menschen kommen.

4.5.3. Durchführung des Interviews

Die Probanden wurden an drei verschiedenen Orten, je nach ihrem Wunsch, interviewt. Das erste Interview wurde im Stadtpark geführt, das zweite in einer Räumlichkeit des Vereines

„Die Brücke“ und das dritte in der Wohnung der Probandin. Im Vordergrund stand, dass sich die Teilnehmer wohl fühlten und dass die Umgebung leise war, damit das aufgenommene Gespräch beim Transkribieren gut zu hören ist.

Die Dauer des Gespräches war unterschiedlich lang. Das erste Interview dauerte 20 Minu-ten, das zweite 55 Minuten und das dritte 30 Minuten. Die Probanden hatten die Möglichkeit die Fragen frei zu beantworten, außer wenn sie zu sehr von der Thematik abschweiften, wurden sie im Redefluss unterbrochen.

Zu Beginn des Interviews wurden die Probanden nochmals über das Forschungsziel der Un-tersuchung aufgeklärt und über die Gliederung des Leitfadens informiert. Außerdem wurden sie gefragt, ob es ihnen lieber ist, dass ich sie im Gespräch mit Du oder Sie anspreche.

Da es ein halbstandardisiertes Leitfadeninterview ist und je nach Interviewsituation die eine oder andere Frage bei diesem ausgelassen werden kann, wurden bei allen drei Interviews die Frage 25 und 26 auf Grund der Beantwortung der vorigen Fragen nicht mehr gestellt, da

sie sich erübrigt haben. Je nach Gesprächssituation und Bedarf wurde auch genauer nach-gefragt.

Abschließend wurde den Probanden folgende Zusatzfrage gestellt:

Abschließend möchte ich dich noch um deine persönliche Meinung fragen, was du zu den Diskussionen um die Begrifflichkeiten, wie körperlich behindert oder körperlich beeinträchtigt, sagst? Welcher Begriff ist dir lieber?

Diese Frage diente zwar nicht unmittelbar der Beantwortung der beiden Fragestellungen, dennoch erschien sie mir wichtig, da diese Thematik ebenso im theoretischen Teil der Arbeit diskutiert wird. Nach der theoretischen Auseinandersetzung mit den Disability Studies und deren Ansichten zu dieser Thematik wollte ich die Probanden um ihre Meinung fragen.

4.5.4. Aufbereitungsmethode

Durch Erhebungsverfahren werde versucht aus der Realität Informationen zu gewinnen. Die-ses Material müsse aber erst festgehalten, aufbereitet und geordnet werden, bevor die Aus-wertung geschehe (vgl. Mayring 2002, S. 85).

Mayring plädiert also dafür, zwischen der Erhebungs- und der Auswertungsphase einen Zwi-schenschritt zu machen, nämlich den der Aufbereitung des Datenmaterials (vgl. ebd., S. 85).

In dieser Arbeit wurden die Informationen von den Probanden durch das qualitative Interview erhoben. Dieses wurde mit einem Tonband aufgenommen, das mittels wörtlicher Transkripti-on aufbereitet wurde.

Bei der wörtlichen Transkription könne zwischen drei Techniken unterschieden werden (vgl.

ebd., S. 91):

• „das Internationale Phonetische Alphabet“: Mit diesem könnten der Dialekt der Be-fragten und auch die Sprachverfärbungen genauestens wiedergegeben werden.

• „die literarische Umschrift“: Bei dieser Technik könne der Dialekt auch im gewöhnli-chen Alphabet wiedergegeben werden. Allerdings seien solche Texte anstrengend zu lesen.

• „die Übertragung in normales Schriftdeutsch“: Diese Technik wurde auch in der vor-liegenden Untersuchung angewandt. Der Dialekt werde bei der Transkription berei-nigt und Satzbaufehler werden korrigiert (vgl. ebd., S. 91).

Diese Variante wurde deshalb gewählt, da hier nicht das Sprachliche von Relevanz ist, sondern die inhaltlichen Informationen für die Untersuchung wichtig sind. Die

Pro-64 banden wurden als Experten ihrer Lebenslage betrachtet und der Fokus lag auf den

Pro-64 banden wurden als Experten ihrer Lebenslage betrachtet und der Fokus lag auf den