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ZUVERLÄSSIGES KAPAZITÄTSMANAGEMENT

Im Dokument Unternehmerin Kommune: (Seite 71-74)

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UNTERNEHMERIN KOMMUNE • AUSGABE 02 / 3. 10. 2015 72

Das mecklenburg-vorpommersche Mittelzentrum Teterow aus der Luft – in der Mitte die Kernstadt und oben rechts der Teterower See.

DDR-Bezirk Schwerin, zunehmend aber auch darüber hinaus. Die WEMAG erfuhr bundesweite Beachtung, als sie 2010 als erster Regionalversorger überhaupt rekommunalisiert wurde. Nachdem der schwedische Staats-konzern Vattenfall die Aufgabe seiner Anteile ankündigte, wurde das Aktienpaket von 194 Gemeinden aus Mecklenburg und der angrenzenden Prignitz übernommen. Auch die Thüga als Minderheitsgesellschafter ist ein kommunales Unternehmen, sodass die WEMAG vollständig in kommunaler Hand ist.

Das Beziehungsgeflecht zwischen Stadt-werken und ihren kommunalen Gesellschaftern sei hier und an anderer Stelle bereits hin-reichend thematisiert worden, leitet Prof. Dr.

Schäfer ein. Unstimmigkeiten ließen sich im Idealfall auf dem kurzen Dienstweg lösen.

Andererseits könnte die räumliche und sach-liche Nähe auch Missverständnisse provozieren, etwa wenn sich kommunale Gesellschafter in das operative Geschäft mischten und/oder dem Unternehmen zu viele defizitäre Neben-tätigkeiten abverlangt würden. An Caspar Baumgart, Vorstand der WEMAG, geht die Frage, wie sich das Verhältnis zwischen Kommunalpolitik und Kommunalwirtschaft

in einem derart heterogenen Verbund wie der WEMAG darstellt. „Die an der WEMAG beteiligten Gemeinden haben sich in einem Anteilseignerverband zusammengeschlossen“, entgegnet Baumgart. Diesen gäbe es nicht erst seit der Rekommunalisierung, sondern schon seit Anfang der 90er Jahre. Mit dem Verkauf der Vattenfall-Anteile hätten sich lediglich die Mehrheitsverhältnisse geändert. „Nun halten die Kommunen nicht mehr nur ein, sondern knapp drei Viertel am Unternehmen.“ Im Zweckverband seien mit der Zeit verläss-liche Strukturen entstanden. „Hier werden Meinungen gebildet, Interessen gebündelt und hier ist auch der Ort des Austauschs zwischen dem Vorstand und den kommunalen Anteils-eignern.“ Insofern unterscheide sich das Ver-hältnis nicht allzu massiv von dem zwischen einem Stadtwerk und der betreffenden Kommune.

Ein Vorteil der WEMAG-Konstruktion sei jedoch, dass parteipolitische Einflüsse kaum eine Rolle spielten und Auseinandersetzungen betont sachlich geführt würden. Der Anteils-eignerverband habe sich kurz nach erfolgter Rekommunalisierung auf Ausschüttungen in der Höhe beschränkt, wie sie zur

Refinanzierung des Anteilserwerbs notwendig sind. Eine möglichst schnelle Konsolidierung sollte eine frühzeitige Rückzahlung der auf-genommenen Darlehen ermöglichen. Die teilweise Thesaurierung der erwirtschafteten Ergebnisse habe sich ausgezahlt, denn die WEMAG liege seit der Rekommunalisierung kontinuierlich über den Ergebniserwartungen.

Die Stärkung der Innenfinanzierung sei dringend notwendig, um im Zusammen-hang mit der Energiewende den Netzausbau zu finanzieren. In Bezug auf die Kunden-nähe sei es natürlich von Vorteil, wenn sich

Im Anteilseignerverband der WEMAG sind mit der Zeit

ver-lässliche Strukturen entstanden.

Hier werden Meinungen gebildet, Interessen gebündelt und hier ist auch der Ort des Austauschs zwischen dem Vorstand und den

kommunalen Anteilseignern.

„ ______________________

Caspar Baumgart

Das Investitionspaket des Bundes für die Kommunen hat ein leises Zeichen der Hoffnung für den Aufbruch in eine neue Richtung gesetzt. Dies ist durchaus im Interesse der gesamten Volkswirtschaft. Denn wenn die Infrastrukturen vor Ort weiter zu Schanden geritten werden, ist auch die

Stellung Deutschlands als größte Exportnation der Welt gefährdet. Die notwendigen Finanzmittel lassen sich zum einen über höhere Einnahmen generieren. Genauso wichtig wird es jedoch sein, die Kosten zu optimieren. Bürokratieabbau ist hier ein wichtiges Stichwort.

Die Kommunalwirtschaft kann zum Ausgleich der Fehlbeträge in den kommunalen Haushalten nur bedingt herangezogen werden. Sie kann da und dort einige Löcher stopfen, aber sie sollte sich vor allem auf die Daseinsvorsorge konzentrieren. Im Grundgesetz ist nicht nur die kommuna-le Selbstverwaltung, sondern auch eine entsprechende Finanzausstattung verankert. Um diesen Grundsätzen gerecht zu werden, wird es nötig sein, die Rolle der Kommunen im politischen Ge-füge zu stärken. Die nordeuropäischen Staaten zeigen uns, wie mit starken Kommunen erfolg-reiche Volkswirtschaften entstehen können. Die Rahmenbedingungen kommunalen Handelns in den Neuen Bundesländern sind derart herausfordernd, dass bestehende Strukturen über ihre bloße Optimierung hinaus auf ihre Sinnhaftigkeit überprüft werden sollten.

Falk Schäfer

DIE TEILNEHMER DER PODIUMSDISKUSSION (IN NAMENSAlpHABETIScHER REIHENfOlGE)

ˆ Caspar Baumgart – Vorstand WEMAG AG

ˆ Dr. Reinhard Dettmann – Bürgermeister der Stadt Teterow und Vorsitzender des Vorstands des Städte- und Gemeindetages Mecklenburg-Vorpommern

ˆ Dr. Harald Michel – Leiter IFAD-Institut für angewandte Demografie in Berlin

ˆ Heike Polzin – Landesfinanzministerin Mecklenburg-Vorpommern

ˆ Klaus Reinders – Geschäftsführer Stadtwerke Teterow GmbH und Stellvertretender Vorsitzender der VKU-Landesgruppe Nord

ˆ Prof. Dr. Michael Schäfer – Chefredakteur und Herausgeber von UNTERNEHMERIN KOMMUNE

der Bürger einer Stadt mit seinem Stadtwerk identifizieren kann, wenn er sieht, welche Bei-träge direkt vor Ort für die Kommune erbracht werden. Wenn die Kredite zur Finanzierung der Rekommunalisierung schnell zurückgezahlt werden könnten, liege das auch im Interesse der WEMAG, weil danach mehr finanzielle Mittel in den Kommunen ankommen und die Bürger sehen könnten, was „ihr“ Regionalversorger für sie leistet, so Baumgart.

Realitäten erkennen

Neben der kommunalen Finanzknappheit und den Herausforderungen der ökologischen Wende in der Energieversorgung ist der demo-grafische Wandel der grundlegende Trend, dem sich die Kommunen im überwiegend strukturschwachen Osten der Republik stellen müssen. Dr. Harald Michel untersucht seit Jahrzehnten die vielfältigen Facetten des demo-grafischen Wandels. Das IFAD-Institut für angewandte Demografie, dem er als Leiter vor-steht, hätte gerade in den 90er Jahren intensiv für eine Mentalitätsänderung weg von naiv optimistischen Wachstumserwartungen und hin zu einer realistischen Analyse geworben.

Die schlechten Botschaften seien in einigen Landesregierungen allerdings derart ungern gehört worden, dass Dr. Michel und das IFAD für einige Jahre nicht mehr eingeladen wurden, stellt Prof. Dr. Schäfer einen weiteren Podiumsgast vor. Wenn die Kommunen in den Neuen Bundesländern den historisch ein-maligen Paradigmenwechsel vom Wachstum zur Schrumpfung nun endlich offen angehen, sei

dies auch dem IFAD, Dr. Michel und anderen mutigen Demografen zu verdanken. Dr.

Michel fällt die Aufgabe zu, die grundlegenden demografischen Trends für Mecklenburg-Vor-pommern und Ostdeutschland zu schildern und auf die komplexen Auswirkungen einzugehen, die sie vor Ort entfalten.

„Vor 20 Jahren hat sich noch niemand vorstellen können, dass das ewige Wachstum irgendwann ein Ende haben könnte.“ Mittler-weile hätte sich diese Einsicht in den Neuen Bundesländern durchgesetzt, in vielen Regionen des Alt-Bundesgebietes jedoch noch nicht.

„Demografische Prozesse laufen ab – ob wir es wollen oder nicht“, so Dr. Michel. Politik sei gefragt, sich möglichst intelligent daran anzu-passen, anstatt Gelder für kontraproduktive Maßnahmen zu verschwenden. An den grund-legenden Trends der demografischen Ent-wicklung werde sich in den kommenden 50 Jahren nichts ändern. Demografische Prozesse

seien relativ träge und in einer überschaubaren Schwankungsbreite mittelfristig fast sicher vor-hersagbar. Politische Maßnahmen könnten nur unwesentlich eingreifen. So würde selbst die aktuell massive Zuwanderung in die Bundes-republik nur geringe demografische Impulse ent-falten. Aus sozialwissenschaftlicher Perspektive verwirft Dr. Michel den Ansatz, dem demo-grafischen Wandel mit dem Instrument der Zuwanderung begegnen zu wollen. Die demo-grafischen Wirkungen seien begrenzt, hohe Integrationskosten müssten gestemmt werden und nicht zuletzt würden die Potentiale der Quellregionen weltweit geschmälert. Klüger und ehrlicher wäre es, die Prozesse zur Kenntnis zu nehmen und sie möglichst gut zu begleiten.

Um die vielfältigen Implikationen des demo-grafischen Wandels zu untersuchen, müssten nicht nur quantitative, sondern auch qualitative Parameter herangezogen werden. Grundsätzlich würden sich Lebensentwürfe und Lebensformen in der Bundesrepublik weiter diversifizieren. Die Neuen Bundesländer müssten zusätzlich mit einer anhaltenden Abwanderung klarkommen. Seit der Wende hätten etwa anderthalb Millionen Menschen Ostdeutschland verlassen. Diese seien besser quali-fiziert, jünger und weiblicher gewesen, als der Durchschnitt der Bevölkerung. Für die Quellländer – also Ostdeutschland – hätte sich die Ausgangsbasis ihrer Bevölkerungen teilweise deutlich verändert.

Dies sei ein Grund, warum sich Sozialkosten und Arbeitslosenquoten trotz sinkender Einwohner-zahlen weiter verfestigen. Generell ließen sich aus der Schrumpfung kaum positive Effekte folgern. So hätte eine sinkende Siedlungsdichte mitnichten zur Folge, dass etwa Verkehrsströme geringer würden.

Dies sei erst jüngst im nördlichen Brandenburg nachgewiesen worden. 20 Prozent weniger Ein-wohner hätten dort zu 30 Prozent mehr privatem Verkehr geführt. n

Die Diskussion dokumentierte Falk Schäfer www.vfke.org

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