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Zusammenhänge der verschiedenen Ausprägungen von Lateralität bzw

2. Literatur

2.4. Lateralität und Schiefe von Equiden in wissenschaftlichen Publikationen

2.4.3. Zusammenhänge der verschiedenen Ausprägungen von Lateralität bzw

Schiefe

Die zerebrale Lateralität und ihre Rolle als mögliche übergeordnete Ursache motorischer (Kap. „2.4.1.2.1 Zerebrale Lateralität“, S. 71) und sensorischer (Kap. „2.4.2.2.1 Zerebrale Lateralität“, S. 80) Lateralität beim Pferd wurde bereits dargestellt; es wird nur erneut hierauf eingegangen, soweit es bisher unerwähnte Zusammenhänge mit struktureller La-teralität betrifft. Zusätzlich sei lediglich gesagt, dass laut AUSTIN u. ROGERS (2014) visuelle (also sensorische) Lateralität beim Pferd eher einen Hinweis auf die zerebrale

Lateralität93 gibt als die motorische Präferenz im Weideschritt – zumal visuelle Lateralität über Rassen und Geschlechter hinweg stabiler erscheint als motorische.

2.4.3.1. Zusammenhänge verschiedener Ausprägungen motorischer Lateralität Ob einzelne motorische Einseitigkeiten individuell voneinander abhängen, wurde für viele mögliche Kombinationen bisher nicht untersucht. Die Aufgabenspezifität motorischer La-teralität kann zu sehr uneinheitlichen Präferenzen beim Einzeltier führen, wie GRZIMEK (1949) bemerkte: „Ein Pferd kann beim Scharren R., beim Gehbeginn aber L., beim Ga-lopp wieder R. sein usw. [R.= rechts, L.= links, Anm. d. Verf.]“

Der von (LUDWIG 1932, S. 320) postulierte Zusammenhang von Rechtswendigkeit und bevorzugtem Rechtsgalopp stellt eine unbewiesene Vermutung dar.

Am häufigsten untersucht wurden Zusammenhänge mit dem bevorzugten Weideschritt.

Hier zeigten sich keine Korrelationen mit motorischer Lateralität für Scharren oder Schil-dern (MCGREEVY 2008). Auf Populationsebene konnten A. WELLS u. BLACHE (2008) keine Korrelation mit bevorzugtem Galopp herstellen; VAN HEEL et al. (2010) zeigten aber für Dreijährige individuell einen lineareren Zusammenhang zwischen Existenz einer Weideschrittlateralität und eines bevorzugten Handgalopps auf, wobei aus der Richtung des Weideschritts der bevorzugte Galopp nicht ableitbar war. Einseitige Hinterhandver-schiebung im Stand korrelierte bei Vollblütern nicht mit Weideschrittpräferenz (KUHNKE u. KÖNIG VON BORSTEL 2016a). Bei KUHNKE u. KÖNIG VON BORSTEL (2014a) zeigte keines der vom Reiter als „rechtsseitig“ beurteilten Pferde signifikante Weide-schrittpräferenz, während manche der „linksseitigen“ Pferde signifikante Linkspräferenz aufwiesen; Letztere korrelierte positiv mit reiterlich festgestellter „Linksseitigkeit“ und sen-sorischer Linksäugigkeit, der Umkehrschluss bei Rechtspräferenz war nicht zutreffend.

Alle Pferde mit linksseitiger Hinterhandverschiebung im Stand wurden reiterlich als „links-seitig“ bewertet, bei rechtsseitiger Verschiebung die meisten, aber nicht alle als „rechts-seitig“. Dies belegt, dass Linksseitigkeit beim Pferd nicht einfach „umgekehrte Rechtssei-tigkeit“ ist, sondern kompliziertere Zusammenhänge zugrunde liegen.94

LERBS et al. (2014) beobachteten keine Korrelationen beim einzelnen Fohlen zwischen den Richtungen von Weideschrittlateralität, lateraler Wirbelsäulenbiegung, bevorzugter Liegeseite und bevorzugter Saugeseite. VAN DIERENDONCK et al. (2005) dagegen sprechen bei Fohlen von schwachen Zusammenhängen zwischen Weideschrittlateralität und bevorzugten Galopp, bevorzugter Saugeseite sowie bevorzugter Liegeseite.

93 Im Sinne der typischen Aufgabenteilung der Gehirnhemisphären (Populationsbene).

94 Vgl. hierzu ein ähnlich kompliziertes Verhältnis beim Menschen, was das Verhältnis von Lage des Sprachzentrums und Händigkeit ((KNECHT et al. 2000)) bzw. Händigkeit und Füßigkeit ((PETERS u.

DURDING 1979; PETERS 1988; DARGENT-PARÉ et al. 1992; REISS u. REISS 1997a)) anbetrifft: Hier sind die Zusammenhänge bei Linkshändern weniger deutlich ausgeprägt als bei Rechtshändern.

Laut MURPHY et al. (2005) entsprechen sich die bevorzugte Ablegeseite zum Wälzen und die Seite, auf der ein Pferd unter dem passiven Reiter einem Hindernis ausweicht.

Zudem seien meist die Richtung individueller Lateralität zum Antreten in Schritt oder Trab mit einem bestimmten Vorderbein und zum Umlaufen eines Hindernisses identisch.

MEIJ u. MEIJ (1980) beschreiben, die meisten Pferde seien links hohl, die Hinterhand falle in Kurven zur festen Seite nach innen aus und es sei hier für das Pferd problema-tisch, das äußere Vorderbein weit genug vorzubringen. Die motorische Asymmetrie wird auf allgemeine "Seitigkeit" bzw. "Beinigkeit" zurückgeführt: Z.B. seien beim links hohlen Pferd rechtes Vorder- und linkes Hinterbein die stärkere Diagonale, während die andere Diagonale schwächer sei. Allerdings handelt es sich hierbei um Beobachtungen; statis-tisch untersucht wurde nur der reiterliche Gesamteindruck. STEINMETZ (2004) be-schreibt ihre Vermutungen motorischer Zusammenhänge sehr genau: Ein linksseitig schiefes Pferd (=linksgebogen; häufigere Form; für das rechtsgebogene Pferd gelten die folgenden Charakteristika umgekehrt) wird als „Rechtshänder“ bezeichnet (später (STEINMETZ 2005) korrigiert sie dies aber ohne Begründung in „Linkshänder“); die rechte Diagonale sei die tragende, die linke die schubentwickelnde Diagonale; letztere zeige größere Schrittlänge. Der Schwerpunkt werde in Richtung des Vorderbeins der fes-ten Seite verschoben. Die Vorhand laufe gegenüber der Hinterhand nach rechts versetzt (traversartig). Linksgalopp werde bevorzugt. Das Pferd tendiere zum Ausbrechen über die rechte Schulter. Es gäbe entsprechende Konsequenzen für die Hufform. Für den Linksshänder gelte das gleiche umgekehrt.

2.4.3.2. Zusammenhänge verschiedener Ausprägungen sensorischer Lateralität Ob sich Lateralität beim Sehen, Hören und Riechen entsprechen, ist weitgehend unklar.

Lediglich DE BOYER DES ROCHES et al. (2008) stellten trotz unterschiedlicher visueller Lateralität für emotional verschieden bewertete Objekte keine Unterschiede der olfakto-rischen Lateralität fest und vermuten Unabhängigkeit dieser Merkmale.

2.4.3.3. Zusammenhänge zwischen motorischer und sensorischer Lateralität Überwiegend wird vermutet, dass sensorische und motorische Lateralität nicht miteinan-der korrelieren (KRUEGER et al. 2011). Auch bei Vollblütern trat trotz Linkspräferenz im Weideschritt und olfaktorischer Rechtspräferenz für neue Gerüche auf Populationsebene dabei für das einzelne Individuum keine Korrelation auf (MCGREEVY u. ROGERS 2005).

Bei AUSTIN u. ROGERS (2014, 2012) lassen sich jedoch mögliche Überlagerungen er-kennen: Die Linkspräferenz von australischen Wildpferden und Przewalskipferden für a-gonistisches Verhalten, Wachsamkeit und Reaktivität wird als visuelle Linkspräferenz aufgrund zerebraler Populationslateralität gedeutet, impliziert aber auch motorisch links-betonte Verhaltensweisen (Kopf- und Halsdrehung, evtl. Wirbelsäulenbiegung).

Während die visuelle Lateralität bei einem unbekannten Objekt keinen Zusammenhang zu Weideschrittlateralität und einseitiger Hinterhandverschiebung im Stand bei Vollblü-tern (KUHNKE u. KÖNIG VON BORSTEL 2016a) sowie zu bevorzugter Längsbiegung der Wirbelsäule, Weideschrittlateralität und bevorzugter Liege- und Saugeseite bei Foh-len (LERBS et al. 2014) hatte, zeigten bei Warmblütern ausschließlich solche Pferde vi-suelle Lateralität bei einem unbekannten Objekt, die entweder keine oder linksseitige Weideschrittlateralität hatten (KUHNKE u. KÖNIG VON BORSTEL 2014a).

Auf der linken Hand besser zu reitende Warmblüter scheinen weniger sensibel auf Druck im Rücken zu sein als rechtsseitig bessere oder eher beidseitige Pferde (KRAUSKOPF u. KÖNIG VON BORSTEL 2016) – auch dies deutet auf Korrelationen zwischen (evtl. mit sensorischer Lateralität zusammenhängender) Sensibilität und motorischer Lateralität.

2.4.3.4. Zusammenhänge zwischen struktureller und zerebraler Lateralität Es gibt Verknüpfungen zwischen individueller zerebraler (Ängstlichkeit, Charakter) und struktureller Lateralität über die Stirnwirbelposition: Während Ponys mit rechtsseitigen Stirnwirbeln ängstlicher sind als die mit linksseitigen (RANDLE et al. 2003), erscheinen Pferde mit Wirbeln über den Augen schwerer händelbar als die mit Wirbeln zwischen oder unter den Augen (ohne unterschiedliche Schreckhaftigkeit) (GÓRECKA et al. 2007).

In letzterer Studie zögerten außerdem Pferde mit verlängertem oder doppeltem Wirbel länger, ein neues Objekt zu berühren. – Auch die Drehrichtung von Stirnwirbeln korreliert mit individueller zerebraler Lateralität: Laut SAVIN u. RANDLE (2011) bewegen sich Pferde mit Wirbeln im Uhrzeigersinn signifikant mehr als solche mit Wirbeln andersherum.

2.4.3.5. Zusammenhänge zwischen struktureller und motorischer Lateralität95 Offensichtlich beeinflusst die Drehrichtung von Stirnwirbeln beim Pferd motorische Late-ralität. So haben von ihren Besitzern als „rechtshändig" beurteilte Pferde eher im Uhrzei-gersinn drehende Stirnwirbel, „linkshändige" solche gegen ihn (RANDLE u. ELWORTHY 2005). Wirbelanzahl und -position hatten hierauf keinen Einfluss. Ebenso fanden MUR-PHY u. ARKINS (2008) bei von professionellen Trainern als „linkslateral“ eingeschätzten Pferden meist Stirnwirbel gegen den Uhrzeigersinn, während diese bei „rechtslateralen“

Pferden überwiegend im Uhrzeigersinn verliefen; gut balancierte Pferde zeigten beide Varianten gleich häufig. Vor frontalem Objekt scheuten Pferde mit Stirnwirbeln im Uhr-zeigersinn eher nach rechts, Pferde mit Wirbeln gegen ihn eher nach links (SHIVLEY et al. 2016); dies entspricht vermutlich motorischer Lateralität, da die mit individueller ze-rebraler Lateralität assoziierte Position96 der Wirbel (Höhe und Seite) keinen Einfluss auf die Wenderichtung hatte; die ansonsten zum Betrachten neuer Objekte gezeigte und von

95 Der Einfluss anatomisch-funktioneller Asymmetrien wurde bereits im Kap. „2.4.1.2.2 Anatomisch-funkti-onelle Einflussfaktoren“, S. 73, beschrieben und wird daher hier nicht erneut erwähnt.

96 S. vorangegangenes Kap. „2.4.3.4 Zusammenhänge zwischen struktureller und zerebraler Lateralität“.

der zerebralen Lateralität abhängige visuelle Lateralität tritt wahrscheinlich aufgrund fron-taler Präsentation des Stimulus und schneller Reaktion nicht in Erscheinung. Auch wenn das linke Vorderbein eines Fohlens zuerst geboren wird, verläuft der Stirnwirbel meist entgegen dem Uhrzeigersinn, und umgekehrt (MURPHY u. ARKINS 2005). In allen die-sen Fällen ist also eine Linkspräferenz mit Stirnwirbeln entgegen dem Uhrzeigersinn ver-bunden, bei Rechtspräferenz ist es umgekehrt; SAVIN u. RANDLE (2011) stellten mit Hilfe von Pedometern fest, dass die insgesamt bei Pferden vorhandene Tendenz, das linke Vorderbein mehr zu bewegen als das rechte, bei Pferden mit Wirbeln im Uhrzeiger-sinn stärker ausgeprägt ist, was sich durch die Position des linken Beines auf der Außen-seite bei bevorzugter rechter Laufrichtung erklären könnte.

Von dreijährigen Quarter Horses in Reiningprüfungen trugen 74% der Stuten und 65%

der männlichen Tiere die Mähne auf der rechten Seite; dies hatte weder einen Einfluss auf die Punktzahl für Galoppzirkel, Spin und Roll Back im Seitenvergleich noch auf die Gesamtpunktzahl (WHISHAW u. KOLB 2016).

Die bereits beschriebenen97 dorsalen Hufwinkelasymmetrien ziehen offensichtlich wei-tere Bewegungsasymmetrien nach sich: WIGGERS et al. (2015) fanden bei 27 von 34 Pferden Hufwinkelasymmetrien der Vorderhufe, wobei im Trab der flachere Huf mit hö-herer vertikalen Spitzenkraft belastet wurde. VAN HEEL et al. (2006) stellten bei Fohlen fest, dass das Druckzentrum sich unter ungleichen Vorderhufen beim flacheren Huf von der Hufspitze entfernt, beim steileren ihr annähert. Bei dreijährigen Pferden besteht dar-über hinaus ein linearer Zusammenhang zw. Existenz von Galopppräferenz und Hufwin-kelasymmetrie der Vorderhufe (VAN HEEL et al. 2010).

2.4.3.6. Zusammenhänge zwischen sensorischer und struktureller Lateralität Sieht man von der Studie von SHIVLEY et al. (2016) ab, in der eine Korrelation zwischen (wahrscheinlich eher motorisch als visuell bedingter) Wenderichtung beim Scheuen vor einem frontalen Stimulus und der Drehrichtung von Stirnwirbeln nachgewiesen wurde, so scheinen derartige Zusammenhänge noch nicht untersucht zu sein.

2.4.4. Hinweise auf orthopädische Auswirkungen asymmetrischer Belastung