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Kapitel 2 Einfluss des Kristallgitters auf Sputter- und Sekundärelektronen-Yield

2.9 Zusammenfassung

Das zweite Kapitel der vorliegenden Dissertation beschäftigt sich mit der Entwicklung und Erprobung einer Methodik für die Messung des Sputter-Yields, vor allem von einkristallinen Materialien. Die gewonnenen Werte können in der Praxis direkt eingesetzt werden und schließen somit eine immer noch vorhandene Lücke in der Literatur. Um eine sinnvolle und reproduzierbare Messung zu ermöglichen, muss klar definiert sein, was, wie und womit gemessen werden soll. In diesem Teil der Arbeit kann man drei Meilensteine eingrenzen:

• Ausarbeiten einer integrierten Messmethodik für den winkelabhängigen Sputter- und Sekundärelektronen-Yield bei der FIB-Bestrahlung.

• Messung des winkelabhängigen Sputter- und Sekundärelektronen-Yields für verschiedene, hauptsächlich metallische Einkristalle.

• Vergleich der Messergebnisse für den Sputter-Yield mit Modellen und die Diskussion von daraus folgenden Schlussfolgerungen.

Als erstes wurde eine neue, genaue und relativ unaufwendige Methode zur Bestimmung des Sputter-Yields an planaren Proben für beliebige Sputterwinkel ausgearbeitet. Sie kann ohne Probentransfers direkt in der FIB-Anlage durchgeführt werden und erfordert lediglich eine kippbare Probenbühne. Anschließend wurde die Methodik auf Messungen an axial montierten Einkristallen in Form einer zylindrischen Scheibe erweitert. Dies erlaubt die Untersuchung des Einflusses der Kristallstruktur auf den Yield ohne Überlagerung durch Effekte, die von der gleichzeitigen Variation des Einfallswinkels zur Oberflächenormale stammen. Unter Anwendung der genannten Methodik entstanden winkelabhängige Sputter-Yield-Messreihen für:

• kubisch-raumzentrierte plane Fe- und W-Einkristalle,

• einen runden kubisch-raumzentrierten V-Einkristall,

• und zwei kubisch-flächenzentrierte runde Ni- und Pb-Einkristalle.

• Für einige weitere Materialien wie polykristallines Co, Graphit, GaAs(100), Si(100) und Permalloy (Ni80Fe20) in Form von planen Proben wurde der mittlere Sputter-Yield nur für senkrechten Ioneneinfall bestimmt.

Parallel hierzu wurde ein Sekundärelektronen-Yield-Detektor konstruiert. Für die Messung an runden Einkristallen wurde der Sekundärelektronen-Yield Detektor zu einem axialen 4π-Detektor umgebaut. Für die oben genannten Elemente, ausgenommen Blei und Vanadium, wurden der Sekundärelektronen-Yield und/oder die Energieverteilung der Sekundärelektronen gemessen. Aus letzterer wurde die Elektronen-Austrittsarbeit bestimmt. Die Übereinstimmung mit Literaturwerten deutet auf die Richtigkeit der Messungen. Es wurden die folgenden Messungen des Sekundärelektronen-Yields durchgeführt:

• quantitativ für senkrechten Ioneneinfall für Graphit, GaAs, und Si(100),

• qualitativ winkelabhängig für kubisch raumzentrierte plane Fe- und W-Einkristalle,

• quantitativ winkelabhängig für einen kubisch flächenzentrierten runden Ni-Einkristall.

In allen Fällen zeigte sich ein ähnlicher winkelabhängiger Verlauf des Sekundärelektronen- und des Sputter-Yields. Dies wird auf Kanalisierung (das Channeling) der Ionen im Kritallgitter zurück geführt. Allerdings zeigt der SY ausgeprägtere Minima.

Die experimentellen Ergebnisse für den Sputter-Yield wurden mit zwei theoretischen Modellen verglichen, die das Channeling der Ionen berücksichtigen. Das erste Modell nach Onderdelinden verbindet die Transparenztheorie mit der Lindhard-Theorie. Das Modell nimmt an, dass Ionen, die kanalisiert werden, nicht zum Sputter-Yield beitragen und ihre Energie so tief im Kristall abgeben, dass die vom Ion ggf. zurückgestoßenen Atome in der Tiefe des Kristalls verbleiben. Zusätzlich wird hier zwischen axialem und planarem Channeling unterschieden. Nach Analyse der Grafiken 2.31-2.34 lässt sich zusammenfassend sagen, dass die Messkurven im Allgemeinen brauchbar gut mit dem Modell mit axialem Channeling beschrieben werden. In einigen Fällen wird die Übereinstimmung durch Berücksichtigung des planaren Channelings verbessert, in anderen Fällen scheint es aber quasi „abgeschaltet“ zu sein, bzw. die Gewichtung seiner Stärke ist nicht korrekt. Das Modell ist materialabhängig und fast parameterfrei. Der in Abschnitt 2.8 durchgeführte Vergleich der experimentellen winkelabhängigen Sputter-Yield-Ergebnisse mit dem Modell von Onderdelinden zeigt, dass in vielen Fällen eine quantitative Vorhersage des generellen Kurvenverlaufs möglich ist. Im Detail zeigen die gemessenen Kurven des winkelabhängigen Sputter-Yields ebenso wie die angepassten Kurven des erweiterten Transparenzmodells (siehe unten) mehr Struktur, als die Kurven, die nach Onderdelinden modelliert bzw.

angepasst wurden. Insbesondere erfolgt nach Onderdelinden der Übergang zwischen Einfallswinkeln mit und ohne Kanalisierung plötzlich und mit einem Sprung in der Ableitung des Sputter-Yields.

Zweitens wurde mit der Absicht, die reale Kristallgeometrie besser zu modellieren, eine Erweiterung der einfachen Transparenzmodelle entwickelt, die das Channeling – wenn auch in stark vereinfachter Form – explizit einbaut. Die Parameter des Modells können gegenwärtig nur empirisch aus der Anpassung einer Kurvenschar an die Messdaten gewonnen werden, dafür ist aber die Geometrie des Gitters vollständiger berücksichtigt. Es zeigt sich, dass dieses Modell die Winkelabhängigkeit des Yields gut erfasst und dabei meistens näher an

die experimentell gemessene Kurvenform herankommt, als es mit dem Modell von Onderdelinden möglich ist. Da eine physikalische Ableitung der Parameter dieses erweiterten Transparenzmodells aus den Materialeigenschaften noch nicht existiert, hat es gegenwärtig keine Vorhersagekraft. Hier könnten sich weiterführende Untersuchungen anschließen.

Die verbleibenden Abweichungen zwischen dem experimentellen richtungsabhängigen Sputter-Yield und den Vorhersagen der Modelle zeigen, dass Messungen unersetzlich sind, wenn für die Anwendung verlässliche Yield-Werte benötigt werden. Mit zunehmender Rechenleistung ist es zukünftig interessant, inwieweit die gefundenen Verläufe, evtl. unter Einbindung von Molekulardynamik-Simulationen, besser reproduziert werden können.

Die durchgeführten Experimente haben eine Reihe interessanter neuer Fragen gebracht, die auch Gegenstand von zukünftigen Untersuchungen werden könnten: z.B. die Frage nach den Mechanismen der Bildung und Verschmelzung von Gallium-Nanotropfen in der GaPb-Legierung, die beim FIB-Sputtern auf einem Blei-Einkristall erzeugt werden. Oder wodurch die reduzierte Amplitude der Modulation des winkelabhängigen Sputter-Yields bei Vanadium hervorgerufen wird, was in dieser Arbeit nicht mehr systematisch untersucht werden konnte.

Sputter-Yield-Kenntnisse sind sowohl in der Nano- und Mikro- als auch in der Makrowelt relevant – von der Optimierung von MEMS bis hin zum Bau von Fusionsreaktoren. Bei Letzterem spielt die Minimierung der Abtragsrate des Materials für die innere Beschichtung der Reaktorwände eine essenzielle Rolle. Entsprechende Untersuchungen wurden von Ran et al. an Wolfram durchgeführt [Ran12]. Deren Ergebnisse bauen auf bereits aus dieser Dissertation publizierten Daten [Star09] auf und sind in Abbildung 3.36 dargestellt. Sie ist sehr ähnlich zu Abbildung 2.1, die am Anfang dieses Teil der Arbeit motivierte. So liegt zwischen dem ersten und dem letztem Bild dieses Kapitels das ganze Spektrum des Bedarfs für die Kenntnis der winkelabhängigen Sputter-Yields.

a) b) c)

Abbildung 3.36: Yield-Minimierung für die Anwendung im Fusionsreaktorbau nach [Ran12]. a) SEM-Bild einer W-Probe vor dem FIB-Sputtern zeigt Kristallite verschiedener Orientierung. b) Ein FIB-SEM-Bild derselben Probe nach dem Sputtern mit Ga-Ionen zeigt sowohl Höhenunterschiede als auch starke Unterschiede in der Textur der Probe. c) Aus EBSD-Daten2 zu a) gewonnenes Bild, das die kristallographische Orientierung der einzelnen Kristallite angibt.

2EBSD – engl.:”Electron Backscatter Diffraction”.

(001) (107) (6154)

(371) (233)

(1-110) (6-115)

5 µm 4 µm

5 µm