• Keine Ergebnisse gefunden

Kapitel 2 Einfluss des Kristallgitters auf Sputter- und Sekundärelektronen-Yield

2.8 Vergleich der Modelle mit den experimentellen Daten

2.8.1 Diskussion der Vorhersagekraft des Onderdelinden-Modells

Die folgende Diskussion der Übereinstimmung des Onderdelinden-Modells mit den gemessenen Kurven beginnt mit der Fragestellung, ob das einfache Modell einen brauchbaren und zuverlässigen Ansatz liefern kann, um die Winkelabhängigkeit des Sputter-Yields für ein noch nicht experimentell vermessenes Material vorherzusagen. Der Grund für diese Fragestellung ist, dass in der FIB-Literatur in Ermangelung experimenteller Daten häufig genau dieser Eindruck erweckt wird [Orlo97,03, Kemp01]. Da vor dieser Arbeit keine experimentellen winkelabhängigen Yield-Daten zur FIB-Stukturierung von Einkristallen publiziert wurden, sollte die Anwendbarkeit dieser am einfachsten zu handhabenden Näherung überprüft werden. Berücksichtigt man nur axiales Channeling, setzt den Anpassungsparameter für die individuelle Tiefe der Minima auf (ηuvw = 1), verwendet den Weitenparameter f = 1,2 und den Yield für amorphes Material aus einer TRIM-Simulation, so lässt sich mit dem Modell von Onderdelinden für jedes Material und jeden Einfalls- und Kristallwinkel ein Wert für den Sputter-Yield berechnen. Der Aspekt, inwieweit eine TRIM-Simulation einen guten Ausgangspunkt für die Beschreibung der in dieser Arbeit gemessenen absoluten Sputter-Yield Werte bietet, wird in einem eigenen Unterkapitel 2.8.3 diskutiert.

Messwerte

Erw. Transparenzmodell Onderdelinden-Modell mit axialem Channeling Onderdelinden-Modell mit planarem Channeling

Hier wird zunächst die Beschreibung der relativen Yield-Variation unter Winkeländerung betrachtet.

• Der grobe Verlauf der Messwerte , d.h. Position, ungefähre Breite und Tiefe der Minima, wird von dem Onderdelinden-Modell mit rein axialem Channeling in der Mehrheit der Fälle einigermaßen gut erfasst. Im Detail gibt es jedoch viele, zum Teil starke Abweichungen, auf die im Folgenden eingegangen wird.

• Auch ohne Variation der individuellen Anpassungsparameter für die Tiefe der Minima (ηuvw = 1) passt das relative Verhältnis der Tiefen der Minima zueinander bei der Drehung von Wolfram und Eisen um die <001>-Achse sowie bei der Vanadium-Messung ziemlich gut. Bei den Kurven für Blei, Nickel und für die Drehung um die <011>-Achse passt das relative Verhältnis der Minima weniger gut.

• Schwache Minima sind im Modell häufig etwas tiefer als in der Messung. Eine Erklärung könnte die thermische Bewegung der Targetatome sein, die effektiv zu einer weiteren Verengung der ohnehin schmalen Kanäle führt. Eine weitere Ursache hierfür kann ein signifikanter Anteil von planarem Channeling sein (siehe unten).

• Mit dem Anpassungsparameter f = 1,2 in Gl. (2.22) passt die Form der Modellkurven in der Umgebung der Minima ziemlich gut an den Kurvenverlauf. Im oberen Bereich der Parabeln ist der gemessene Yield aber immer deutlich kleiner (der Kurvenverlauf ist abgerundet) als es das fast rechtwinklige Abknicken der Yield-Kurve im Modell vorhersagt. Diese Abweichung wurde bereits bei Francken et al. beschrieben [Fran70].

• Der relative Sputter-Yield-Kontrast KSY zwischen Ionenstrahlrichtungen ohne und mit Channeling ist identisch mit dem Kehrwert von χ0uvw. Wie man an Gl. (2.18) ablesen kann, nimmt KSY zu, je größer die Ionenenergie ist, und je kleiner der Abstand tuvw der Atomebenen, die Anzahldichte nt der Atome, die Thomas-Fermi-Abschirmlänge aTF und die Kernladungszahlen Zi, Zt von Ion und Targetatomen sind. Rechnerisch ergibt sich für 30 keV-Gallium-Ionen und in <100>-Richtung die Reihenfolge:

KSY (V)= 7,44 > KSY (Fe)= 6,63 > KSY (W)= 5,54 > KSY (Pb)= 5,26 > KSY (Ni)= 4,41.

Experimentell ergibt sich um die <100>-Richtung:

KSY (W)= 6,08 > KSY (Fe)= 5,68 > KSY (Ni)= 4,07 > KSY(Pb)= 2,84 > KSY(V)= 1,4.

Die ersten drei Werte liegen in Rahmen des Erwarteten, aber die Reihenfolge von Wolf-ram und Eisen ist vertauscht. Für Blei und Vanadium ist KSY(Pb)= 2,84 bzw. KSY(V)=

1,4 ca. Hälfte bzw. nur ein Fünftel dessen, was nach dem Modell zu erwarten ist.

• Bei Vanadium ist ein dominanter nicht winkelabhängiger Yield-Beitrag offensichtlich.

Seine Stärke relativ zum winkelabhängigen Beitrag ist 3 zu 1,45, also ist sein Anteil etwa 2/3. Im Modell von Francken ist ein solcher Beitrag als G12 vorgesehen (Loss near the surface as result of first collision). Denkbar sind auch andere Erklärungen, wie eine Verstopfung der Kanäle oder die Rekristallisierung in ein defektreiches Kristallgitter (nach lokalem Schmelzen). Durch so einen winkelunabhängigen Beitrag würde sich auch

die Anpassung für die Messungen an Eisen und Wolfram in <110>-Richtung etwas verbessern. Dort wäre es aber nur eine kleine Korrektur.

• Bei Blei liegen in der Nähe der <100>-Richtung die Messwerte deutlich oberhalb der Modellkurve. Dies könnte eine Auswirkung der oben diskutierten besonderen Oberflächenmorphologie (Bildung von Ga-Tropfen) sein.

• Der Vergleich der Kurven von Eisen bei der Drehung um die <001> bzw. um die <011>-Achse zeigt, dass die Berücksichtigung nur des axialen Channelings den Yield im zweiten Fall außerhalb der niedrig indizierten Richtungen um einen Faktor zwei überschätzt. Das ist, wie schon bei der Kurvendiskussion dargestellt, ein Beleg für die Wirksamkeit von planarem Channeling, da die zweite Rotationsachse diejenige mit den breitesten Kanal-Ebenen ist.

Berücksichtigt man explizit das planare Channeling nach dem oben beschriebenen Modell, ergibt sich kein einheitliches Bild. Tabelle 2.2 gibt Werte von PncP nach Gleichung (2.23) von Onderdelinden an. Für alle durchgeführten Drehungen resultiert einen Anteil planaren Channelings von mindestens 25%, d.h. der Anteil der nicht kanalisierten Ionen wird nie größer als 75%.

• Der größte Anteil planar kanalisierter Ionen wird bei Drehung von Eisen um eine

<011>-Achse erreicht und beträgt 55 %. Berücksichtigt man dies, so passt die Modell-Kurve sehr gut und mit demselben amorphen Yield wie bei Drehung um die

<001>-Achse – allerdings nur wenn man dort kein planares Channeling berücksichtigt.

• Wird beim Modellieren für Blei und Nickel das planare Channeling berücksichtigt, so ergibt sich eine verbesserte Übereinstimmung der Theoriekurve mit den Messwerten.

Minima, die in der axialen Näherung zu stark ausgeprägt sind, werden reduziert. Dabei erhöht sich aber der aus dem Modell erhaltene Wert für den amorphen Sputter-Yield bei Blei von 31 auf 40 (statt nur 15 nach TRIM), bei Nickel von 9 auf 10 (statt 8). Da der hohe amorphe Sputter-Yield bei Blei nicht durch TRIM erklärt werden kann, ist das kein Gegenargument. Die Verbesserung der Anpassung bei Blei und Nickel ist deutlich genug, um dies als einen Hinweis für das Vorliegen von planarem Channeling zu werten. Zur Bestätigung wäre hier noch eine Messung des Sputter-Yields bei Drehung der Kristalle um eine andere Achse erforderlich.

• Für die Messwerte von Eisen und Wolfram bei der Drehung um die <001>-Achse sowie für Vanadium passen die Kurven des Onderdelinden-Modells mit Berücksichtigung des planaren Channelings viel schlechter als ohne. Zum Beispiel wird für Eisen das Verschwinden des deutlich sichtbaren Minimums in <210>-Richtung vohersagt – siehe Abbildung 2.31. Auch in <110>-<210>-Richtung würde die Stärke des Minimums fälschlich halbiert. Offensichtlich ist planares Channeling bei der Drehung um eine <001>-Achse bei den untersuchten Kristallen nicht effektiv, obwohl das Modell den Anteil von planar kanalisierten Ionen in dieser Ebene zu 33%

für Eisen, 27 % für Wolfram und sogar 58 % für Vanadium vorhersagt.

El. Z

Atom-masse

(u) Stru-

ktur Dichte (g/cm3)

nT

3 22

cm 10

R

Atom

(Å) aTF (Å)

t100 (Å)

χ0

100

KSY

100

theor.

KSY

100

exp.

Yam nur axial

PncP planar, Drehachse

Yam ax.+

plan.

V 23 50,94 bcc 6,11 7,22 1,35 0,111 3,03 0,135 7,44 1,40 1,45+3 0,42 <011> xx Fe 26 55,85 bcc 7,87 8,49 1,40 0,108 2,87 0,151 6,63 5,68 7 0,67 <001> xx 0,45 <011> 7 Ni 28 58,69 fcc 8,91 9,14 1,35 0,107 3,52 0,227 4,41 4,07 9 0,79 <011> 10 W 74 183,8 bcc 19,3 6,32 1,35 0,089 3,16 0,180 5,54 6,08 7 0,73 <001> xx Pb 82 207,2 fcc 11,3 3,30 1,80 0,087 4,95 0,190 5,26 2,84 31 0,73 <011> 40 Tabelle 2.2: Ausgewählte Eigenschaften der experimentell untersuchten Kristalle sowie Parameter aus der Anpassung des Onderdelinden-Modells. Symbole: Z – Kernladungszahl, nT – Atome je Volumeneinheit, aTF Thomas-Fermi-Abschirmlänge, t100 – Abstand zum nächsten Nachbaratom in

<100>-Richtung, χ0 – Anteil der nicht kanalisierten Atome in <100>-Richtung nach Onderdelinden, KSY,100 – Yield-Kontrast zwischen Ionenstrahlrichtungen ohne und mit Channeling (in <100>-Richtung) (KSY =1/χ0), Yam – Anpassungsparamter für den amorphen Yield, der sich ohne bzw. mit Berücksichti-gung planaren Channelings ergibt (xx bedeutet, dass das Modell keine brauchbare Übereinstimmung liefert), PncP ist der nicht kanalisierte Ionen-Anteil, der alleine unter Berücksichtigung planaren Channelings winkelunabhängig bei der Drehung um die angezeigte Achse vorhergesagt wird.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass planares Channeling bei großem Ebenenabstand einen ebenso starken Einfluss auf den Yield haben kann wie axiales Channeling. Es wird in einigen der untersuchten Fälle im Modell von Onderdelinden gut beschreiben. In anderen Fällen scheint es aber quasi „abgeschaltet“ zu sein. Das lässt vermuten, dass entweder das Streupotential, das von Onderdelinden für die Beschreibung vorgeschlagen wurde (Gl. (2.24)) nicht die korrekte Form hat, oder dass andere Effekte das planare Channeling stören.