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Kapitel 4 Nanostrukturierung von Siliziumnitrid-Membranen. Experimente

4.5 Membran-Sensoren in Cantilever-Form

4.5.1 Schaufelartige Cantilever

Als erster Ansatz für die Form des Cantilevers wurde eine sogenannte „Schaufel“ gewählt.

Die 100 µm × 100 µm große Schaufel-Fläche „hängt“ über einen 30 µm × 30 µm großen Hals an der restlichen Membran bzw. am Membranhalter. Die geringere Breite des Halses soll zu einer stärkeren Auslenkung führen. In Abbildung 4.18 ist ein schaufelförmiger Cantilever und seine Platzierung im Membranfenster skizziert.

Eine einfach ausgeschnittene Schaufel ohne Freibereich, wie sie in Abbildung 4.19 a) gezeigt ist, kann sich mit der restlichen Membran verkeilen, sobald die Schaufel in Bewegung gesetzt

wird, da sich die ausgeschnittene Struktur ebenso wie stehengebliebene Teile der Membran beim Strukturieren verziehen können. Für die Bewegungsfreiheit der Schaufel muss sie tatsäch-lich frei stehen. Dazu wird der grüne Bereich in Abbildung 4.18 entfernt, wobei die Methode, mit der man diesen Bereich entfernt, genaue Überlegung erfordert: Wenn das „grüne“ Feld um Schaufel herum einfach entlang der grünen durchgehenden Linie in Abb. 4.18 geschnitten wird, verdreht und verkeilt sich der ausgeschnittene Bereich und bleibt in dem Membranfens-ter. Entweder legt er sich auf die Schaufel und verändert dadurch ihr weiteres Verhalten, oder er hängt herunter und führt bei späteren Messungen zum Kurzschluss. Ein anschauliches Bei-spiel hierfür zeigt Abbildung 4.19 b). Um dies zu vermeiden, wird das grüne Feld in 15 Quad-rate zerlegt. Es ist aus der Praxis bekannt, dass sich am Rand ausgeschnittene Flächen (Quad-rate, Kreise und auch komplizierte Strukturen) zum Ionenstrahl hin aufstellen bevor der Strahl die letzten paar Nanometer durchtrennt. Deswegen muss die Reihenfolge, in der man die Sei-ten jedes Quadrats schneidet, so gewählt werden, dass sich das Quadrat von der Schaufel weg klappt. Im Bild 4.18 ist unter der Lupe die richtige Reihenfolge des Schneidens skizziert. In Abbildung 4.19 c) erkennt man auf der linken oberen Ecke der Schaufels ein Quadrat, das fehlerhaft zuletzt an der rot markierten Seite geschnitten wurde: Es stellt sich unter einen stei-lem Winkel zum Ionenstrahl hin, so dass der Strahl das Stück nur streift und der Schnitt nicht

a) b) c)

Abbildung 4.19: a) Aus der Membran ausgeschnittene, schlecht als Kondensatorplatte geeignete Schaufel ohne Freibereich; b) Schaufel und umgebendes, „grünes“ Feld, ausgeschnitten entlang der durchgehenden grüne Linie aus Abb. 4.18; c) freistehende Schaufel mit einem Quadrat oben links, das sich zu Strahl hin geklappt hat, bevor es durchgeschnitten wurde. Alle Schaufeln sind aus 100 nm SiN hergestellt.

3 2

1 4

20 µm 30 µm

Abbildung 4.18: Schaufelförmiger Can-tilever. Rot – die eigentliche Schaufel (100x100µm) mit Hals (30x30µm); Grün – Freibereich um die Schaufel, zum Ausschneiden in Quadrate (30x30µm) geteilt; Blau – SiN-Fenster (250x250µm).

Die grünen Pfeile kennzeichnen jeweils einen der möglichen Schneide-Start-punkte. Unter der Lupe: Beispiel für Richtung und Reihenfolge des Schnei-dens eines einzelnen Quadrates.

20 µm

vollendet wird. Das Ausschneiden der 15 Quadrate um die Schaufel herum ist zeitaufwändig.

Vor dem Ausschneiden jedes Quadrats wird der FIB-Strahl nachfokussiert und seine Strahl-stärke geprüft. Das darf keinesfalls auf der Schaufel-Fläche stattfinden, da es sonst durch Ma-terialveränderung zu einer Verbiegung der Schaufel kommen kann. Nach dem Nachfokussie-ren auf dem Membran-Träger wird das nächste Quadrat mit richtiger Schneidereihenfolge ausgewählt und manuell gestartet. Der Vorgang lässt sich nicht voll automatisieren, so dass menschlichen Fehler auftreten können – siehe noch mal Abbildung 4.19 c): Das fehlerhafte Stück oben links verursachte beim weiteren Einsatz dieses Schaufel-Cantilevers einen Kurz-schluss, was zum sofortigen Verglühen des Cantilevers führte. Hat man genügend Erfahrung und vermeidet derartige Fehler, so lässt sich die vorstehend beschriebene Methode erfolgreich anwenden.

Die ersten Schaufel-Cantilever wurden aus 100 nm dünnen Membranen hergestellt. Sie waren beidseitig und unsymmetrisch mit Chrom und Gold und/oder Permalloy beschichtet. Die ein-zelnen Schichten waren zwischen 40 nm und 100 nm dick. Alle solchen Cantilever erwiesen sich als fragil und unelastisch. Spätestens wenn sie mit einer elektrischen Spannung ausge-lenkt werden, knicken bzw. brechen die Schaufeln im Hals-Bereich ab. Um die Schaufeln elastischer zu machen und gleichzeitig die Herstellungszeiten zu minimieren, wurden Memb-ran- und Metallschichtdicken variiert. Außerdem wurden Membranen verschiedener Herstel-ler (Silson und SPI) verglichen. Aus den Beobachtungen zahlreicher Experimente lässt sich Folgendes zusammenfassen:

• Das Verhalten gleich beschichteter und identisch strukturierter Membranen von Silson und SPI unterscheidet sich nicht mehr als das Verhalten der Membranen aus verschie-denen Chargen eines Herstellers.

• Membranen mit DSiN = 200 nm platzen beim Strukturieren mittels FIB ausnahmslos, egal wie man die Strahl-Charakteristiken oder die Schichtdicken variiert. Sie sind für die im Rahmen dieser Arbeit angestrebten Zwecke nicht geeignet.

• Membranen mit DSiN = 100 nm und Metallschichten mit über 80 nm Gesamtdicke platzen oft.

• Membranen mit DSiN = 100 nm und Metallschichten mit einer Gesamtdicke zwischen 20 nm und 60 nm liefern die besten Ergebnisse.

• Symmetrie ist vorteilhaft: Soweit Eigenspannungen und ggf. Wärmeausdehnungs-koeffizienten der Metallschichten und der Membran eine Rolle spielen, sollten beide Membranseiten gleich beschichtet werden, so dass sich die Auswirkungen kompensie-ren. Die besten Schaufeln entstanden aus nur mit Chrom symmetrisch bedampften, 100 nm dicken Membranen.

• Werden Cantilever-Strukturen aus 50 nm dünnen SiN-Membranen freigeschnitten und anschließend unter Einsatz des FIB-Strahls betrachtet, so rollen sie sich besonders schnell auf. Als Beispiel hierfür zeigt Abbildung 4.20 das unterschiedliche Verhalten von zwei Membranen die sich nur in der SiN-Dicke (50 nm bzw. 100 nm) unter-

a) b)

Abbildung 4.20: Zwei Membranen mit identischen symmetrischen Beschichtung (15nm Cr je Seite), die mit identischen FIB-Parametern und auf gleiche Weise freigeschnitten wurden. a) Membran der Dicke DSiN = 100 nm – Ergebnis ist eine fast ebene Schaufel. b) zwei FIB-Aufnahmen einer Membran der Dicke DSiN = 50 nm – während und nach dem Schneiden rollen sich die freien Membranteile auf.

scheiden. Beide Membranen sind vom selben Hersteller, haben identische Beschich-tung (15 nm Cr je Seite) und sind auf gleiche Weise präpariert und ausgeschnitten.

Beispiele für die Veränderung von Schaufelcantilevern durch Ionen-Beschuss nach dem Strukturieren sind in den Abbildungen 4.20 und 4.21 zu sehen. Während die Probe mittels FIB betrachtet wird, verändern die Schaufel sowie die umgebenden, freigeschnittenen Quad-rate ihre Krümmung. Dies ähnelt dem Aufrollen der Membranhalbrollen (siehe Abschnitt 4.4) und hat dieselbe Ursache, d.h. durch die Ionenbestrahlung entstehen tiefenabhängig Eigen-spannungen und Biegemomente. Der Cantilever in Abbildung 4.21 a) ist stabiler gegen Auf-rollen quer zur Auslenkungsrichtung als Cantilever in Schaufelform, rollt sich aber letztend-lich (vergleichsweise langsam) vom Ionenstrahl weg.

Es wurde außerdem ein Versuch durchgeführt zur Prüfung, ob die Verbiegung einer Schaufel durch Aufladung verursacht sein könnte. Dazu wurde die Aufladung beim Schneiden gleich-mäßig über die Membranfläche verteilt. Anders als beim Schneiden mit Linien oder schmalen Flächen, wobei der Strahl länger auf einer Seite der Struktur verbleibt, wurden zum Durch-

a) b)

Abbildung. 4.21: a) „Zweibeinige“ Schaufel. Links: FIB-Aufnahme mit 45 pA-Ionenstrahl sofort nach dem Ausschneiden. Rechts: weitere FIB-Aufnahme nach 12 Minuten Bestrahlung mit 200pA Ionen-strahl. b) Beispiel wie das Aufrollen einer Schaufel aus SiN-Membran durch ca. 2 Minuten fortlaufen-den Ionenbeschuss zunimmt.

+ Ga+

20 µm FIB

20 µm

+ Ga+

FIB 20 µm

DSiN=100nm

20 µm 20 µm

DSiN=50nm

a) b)

trennen der Membran punktförmige Bohrungen entlang der Schaufelkante immer in 50 µm Abstand von der letzter Bohrung gemacht – siehe Abbildung 4.22. Trotzdem verbiegt sich die Membran unsymmetrisch. Das bestätigt, dass die Ursache des Rollens und Biegens nicht Auf-ladungen sondern innere Spannungen im SiN und in den Metallschichten und die sich daraus ergebenden Biegemomente sind.

Alle nicht verbogenen Schaufeln wurden auf Chipcarriern, bzw. Glasträgern befestigt und entsprechend kontaktiert. Die Auslenkung des Cantilevers bei Anlegen von Gleichspannung wurde mit einem Tolansky-Interferometer beobachtet. Die durch die Gleichspannung indu-zierte Änderung der Kapazität wurde mit einer Kapazitätsmessbrücke vermessen. Daraus wurde iterativ der SiN-Elastizitätsmodul bestimmt, ESiN =264GPa, der sehr nahe beim Lite-raturwert ESiN = 260 GPa liegt (siehe Tabelle 3.2). Die Messung ist im Abschnitt 4.6.1 be-schrieben. Die entsprechende Rechnung befindet sich in Anhang A.4.

Es wurde also experimentell eine Vorgehensweise zur Herstellung von Schaufelcantilevern mit geringer Biegung gefunden: 100 nm-SiN-Membranen werden mit demselben Metall von beiden Seiten, mit Schichtdicken von 10 nm ≤ D ≤ 30 nm pro Seite beschichtet, und sie wer-den möglichst „blind“, d.h. ohne Ionenbeschuss der eigentlichen Schaufeloberfläche, struktu-riert. Für diese Präparation wäre die Verwendung einer Dual-Beam-Anlage sehr hilfreich. Die Vorgehensweise ändert allerdings nichts daran, dass bei der Membranherstellung von Charge zur Charge Unterschiede auftreten, und folglich sich die Ergebnisse der FIB-Strukturierung unterscheiden. Beispiele dafür sind in Abbildung 4.23 dargestellt – trotz identischer Struktu-rierung verhalten sich alle dargestellten Schaufeln verschieden.

Abbildung 4.23: Alle drei Schaufeln sind aus Membranen mit DSiN = 100 nm, allerdings aus verschie-denen Lieferungen hergestellt. Alle wurden gleich beschichtet und mit gleichen FIB-Strahl Parametern strukturiert.

20 µm 20 µm

20 µm

20 µm

Abbildung 4.22: a) Um das Aufrollen der Membran zu reduzieren, wurden Punkte abwechselnd unten-links-oben-rechts usw. durchgebohrt (die gelben Punkte zeigen beispielhaft den Anfang der Punktfolge). b) Als Ergebnis sieht man eine verbogene Schaufel.

20 µm 2 4

1 5

6

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