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Kapitel 3 Nanostrukturierung von Siliziumnitrid-Membranen. Grundlagen ….….…

3.2. Siliziumnitrid-Membranen: Herstellung und Eigenschaften

3.2.2 Eigenspannung und E-Modul der Membranen

In diesem Abschnitt werden einige Membraneigenschaften betrachtet, die für die Herstellung von Cantilever-Sensoren relevant sind. Neben der Eigenspannung σ0, dem Elastizitätsmodul E und der Membrandicke D spielen auch die Herstellungsmethode und die chemische Zu-sammensetzung der Membranen eine Rolle, da sie die Eigenspannung beeinflussen.

Eigenspannungen (engl.: residual stress) sind mechanische Spannungen (nicht Schubspan-nung), die in einem Körper vorhanden sind, ohne dass äußere Kräfte einwirken, also der Be-trag der Kraft F pro Flächeninhalt A:

ε σ = =E

A F |

| . (3.3)

Dabei ist ε = ∆L/L die relative Dehnung eines Körpers der Länge L.

Der Elastizitätsmodul E ist die Proportionalitätskonstante zwischen Spannung und relativer Dehnung bei einachsiger Belastung. Innerhalb des linearen Elastizitätsbereichs, in dem das Hookesche Gesetz gilt, ist:

. konst

=

= ε

E σ (3.4)

Der Elastizitätsmodul ist eine Materialkonstante mit der Einheit einer mechanischen Span-nung ([E] = N/m2 = Pa) und hängt von z.B. Temperatur und Feuchte ab.

Eigenspannungen wirken sich auf das mechanische Verhalten und die Haltbarkeit betroffener Bauteile und Konstruktionen aus [Matt12]. Eigenspannung entsteht z.B. bei epitaktisch auf einem Substrat wachsenden Schichten, wenn die für den spezifischen Kristallgitterabstand des Substrats notwendige Zusammensetzung nicht eingehalten wird. Dünne Schichten anderer Zusammensetzung können dann mit der Gitterkonstanten des Substrats wachsen, indem sie die Unterschiede durch eine elastische Verformung ausgleichen [Saut93]. Da die Gitterab-stände von Silizium und Siliziumnitrid voneinander abweichen, sowie bedingt durch Unre-gelmäßigkeiten im Schichtaufbau, insbesondere durch den Einbau von Fremdatomen oder durch Fehlstellen, kommt es auch bei Siliziumnitridschichten, welche auf einem Siliziumsub-strat abgeschiedenen werden, zu Eigenspannungen σ ≠ 0. Die Eigenspannung des abgeschie-denen Films kann durch nachfolgende Prozesse wie Tempern oder Ionenimplantation vergrö-ßert bzw. reduziert werden [Stof96]. Die Eigenspannung bleibt auch nach Entfernung des Substrats erhalten. Sichtbar wird die Eigenspannung der im Rahmen gehaltenen Membran nur im Falle einer Eigen-Druckspannung (σ < 0) als Wölbung der Membran. Im häufigeren Falle einer Eigen-Zugspannung (σ > 0) zieht die Membran am Siliziumrahmen und wird durch die Gegenspannung des Rahmens im Wortsinne plan „gespannt“. Die Eigenspannung kann mas-sive Auswirkungen auf die Strukturierung der Membran mittels Ionenstrahl haben: Ist eine Membran stark gespannt, so kann sie bei der Strukturierung reißen. Reißt die gespannte Membran bei der Strukturierung nicht, und entfernt man mittels FIB Teile der Membran, so kann sich die verbleibende Struktur an den Schnittkanten „entspannen“: Die Membran zieht sich folglich soweit möglich zusammen, bis die Zugspannung verschwunden ist. Jedoch bleibt an Stellen, an welchen die Membran noch mit dem Rahmen verbunden ist, die Eigenspannung parallel zu den Verbindungslinien bestehen. Außerdem gilt: Falls die Eigenspannung an Ober- und Unterseite der Membran verschieden ist, so zieht sich die Membran zwar entsprechend der mittleren Eigenspannung zusammen, es verbleibt aber ein Rest Zug- bzw. Druckspannung an Ober- bzw. Unterseite. Als Beispiel wird ein Cantilever betrachtet, der an seinem linken

Abbildung 3.4: Verbiegung ei-nes einseitig links befestigten Cantilevers infolge unterschied-licher Rest-Eigenspannungen auf Ober- und Unterseite.

Zugspannung

Druckspannung

Auslenkung

Ende mit dem Membran-Rahmen verbunden bleibt, und der eine Rest-Zugspannung auf der Oberseite und eine Rest-Druckspannung auf der Membranunterseite besitzt. Die Struktur wird sich entsprechend verbiegen, wie in Abbildung 3.4 dargestellt ist. Ein verbogener Cantilever reagiert auf eine Kraft, welche auf ihn ausgeübt wird, anders als Cantilever ohne Verbiegung.

Zusammenfassend ist es erstrebenswert:

• Membranen mit möglichst geringer Eigenspannung zu verwenden, um Reißen oder Ver-biegen der Membran bei der Strukturierung zu vermeiden;

• Membranen ohne Inhomogenitäten der Eigenspannung zu verwenden und sie so zu verar-beiten und zu strukturieren, dass möglichst wenig inhomogene Eigenspannung entsteht;

• Membranen derart zu strukturieren, dass der jeweils erzeugte Sensor selbst dann funkti-onstüchtig ist, wenn die Membran doch merkliche Eigenspannung aufweist.

Wie sich herausstellte, ist Punkt 1) bei den verwendeten Membranen von SPI und/oder Silson Glückssache bzw. oft nicht gegeben. Auf Punkt 2) wird in Abschnitt 4.5 eingegangen. Zu Punkt 3) kann angemerkt werden, dass Membranen Unebenheiten, Cluster, Dickeschwankun-gen und entsprechende lokale Variationen der EiDickeschwankun-genspannung aufweisen können, welche über die Membran-Fläche isotrop verteilt sind. Daher können speziell bei der Strukturierung von kleinen, unsymmetrischen Formen unerwünschte Verformungen auftreten. Bei ausgedehnten, symmetrischen Strukturen können sich die verformenden Kräfte ausgleichen.

Es gibt viele Untersuchungen von Elastizitätsdmodul und Eigenspannung von SiN-Filmen bzw. -Membranen. Eine verbreitete, anschauliche und (nur im Falle von Zugspannung) ein-fach anzuwendende Methode zur Bestimmung dieser Größen ist die Aufwölbungs–Methode (engl.: bulge test) [Zhan06] - Abbildung 3.5 zeigt eine schematische Darstellung. Dabei wird zwischen den beiden Seiten der Membran ein Druckunterschied erzeugt. Die Membran wölbt sich je nach Druckunterschied, Membrandicke d, Elastizitätsmodul E, Eigenspannung σ und Poissonzahl2 ν. Die Wölbung wird z.B. interferometrisch ausgemessen und erlaubt die Be-stimmung zweier dieser Größen. Vermisst man zwei rechteckige Membranen mit unterschied-lichem Seitenverhältnis, können sogar drei der vier Größen (d, E, σ und ν) bestimmt werden [Edwa04].

In der Tabelle 3.2 sind einige Veröffentlichungen und die darin enthaltenen Ergebnisse bezüg-lich Eigenspannung und E-Modul aufgelistet. Für den Elastizitätsmodul wurden Werte im Bereich 100 GPa ≤ E ≤ 311 GPa ermittelt. Die Eigenspannung liegt im Intervall -1,6 GPa ≤σ≤ 6,9 GPa. Für eine SiN-Membran der Länge L = 250 µm, mit der Eigenspan-nung σ = 1 GPa und dem mittleren Elastizitätsmodul E = 250 GPa ergibt sich für den eindi-mensionalen Fall nach Gl. (3.3) die Dehnung ∆L = 1 µm – d.h. wenn so eine Membran in der Mitte geschnitten wird, entsteht ein 1 µm breiter Spalt. Für den ungünstigen Fall σ = 6,9 GPa wird der Spalt 6,9 µm breit, etc.

2 Die Poissonzahl ν ist eine elastische Materialkonstante und definiert als negatives Verhältnis der relativen Dickenänderung d/d zur relativen Längenänderung l/l bei Einwirkung einer äußeren Kraft oder Spannung.

Abbildung 3.5: Aufbau für die Aufwölbungsmethode zur Vermessung der Membraneigenschaften. In Anlehnung an [Zhan06].

Autor Methode Herstellun

g Eigenspannu

ng (GPa) E-Modul (GPa)

Noskov et al. [Nosk88] Röntgentopographie CVD 1,2 120

Tabata et al. [Taba89] Aufwölbung LPCVD 1 290

Taylor [Tayl91] Nanoindentierung3 PECVD -1,57 ... 1,11 178 ... 271 101 ... 251 Vlassak & Nix [Vlas92] Aufwölbung LPCVD 0,12 ... 0,15 222 ± 3 Gardeniers et al. [Gard96]

Oberflächenkrüm-mungsabtastung LPCVD -0,16 … 1,37 -

Levy et al. [Levy96] Nanoindentierung LPCVD - 130 ... 185

Buchaillot et al. [Buch97] Resonanzfrequenz kommerziell - 192 Zhang et al. [Zhan00] Mikrobrückenverbiegung LPCVD 0,291± 0,056 203 ± 16 Lehmann et al. [Lehm01] IR Spektroskopie, XPS IBS - 237 ± 54

Kuhn et al. [Kuhn00] Verbiegen 290

Vila et al. [Vila03] Nanoindentierung Sputtern - 100 ... 210 Chuang et al. [Chua04] Resonanzfrequenz LPCVD 6,9 ± 0,6 253 ... 269 Ewards et al. [Edwa04] Aufwölbung LPCVD 0,114 ... 0,130 258 ± 1

Ewards et al. [Edwa04] Zugversuch LPCVD - 257 ± 5

Khan et al. [Khan04] AFM LPCVD - 280 ... 290

Zhang [Zhan06] Aufwölbung SPI/ LPCVD 0,012 ... 0,372 256 ± 16 Zhang [Zhan06] Aufwölbung SPI/ LPCVD 0,013 ... 0,484 311 ± 4 Tabelle 3.2: Veröffentlichungen & Ergebnisse zu Eigenspannung σ und Elastizitätsmodul E von dün-nen SiN-Filmen.

3 Bei der Nanoindentierung wird mit einem Rasterkraftmikroskop die Eindringtiefe einer Spitze in die Probe als Funktion der Andruckkraft vermessen [Fisc04].

P

Lichtquelle

Interferometer

CCD-Kamera Monitor

Membran

Da die SiN-Schichten bei hohen Temperaturen abgeschieden werden, gibt es nach Abkühlung auf Raumtemperatur auch thermisch bedingte Spannungen, die auf verschiedenen Wärmeaus-dehnungskoeffizienten der Membran und des Substrats beruhen. Allerdings erwartet man dadurch nur Zugspannungen von 10 bis 15 MPa [Gard96], man beobachtet aber viel größere Eigenspannungen (siehe Tabelle 3.2). Die Eigenspannung der Siliziumnitridschicht hat folg-lich vor allem innere Ursachen.

Mechanische Spannungen in Membranstrukturen, die zu Rissen oder zu Wölbungen von Membranen führen, stellen eine wesentliche Herausforderung für die Prozessführung bei der Herstellung der Membranschicht dar. Oft verwendet man Sandwich-Strukturen aus z.B.

LPCVD-Si3N4- und TEOS-SiO2-Schichten4, in denen sich Zug- und Druckspannungen bei geeigneter Wahl der Schichtdicken kompensieren [Völk06]. Nach Noskov et al. [Nosk88] und bestätigt durch Gardeniers et al. [Gard96] entstehen innere Verspannungen von SiN-Schichten durch Verformungen infolge des Schrumpfens bzw. Verdichtens der Schicht im Laufe des LPCVD-Schichtwachstums sowie danach, wenn Si-H-Bindungen sowie N-H-Bindungen auf-brechen und sich stattdessen stabile Si-N-Bindungen bilden. Ein Indiz für die Richtigkeit die-ser Vermutung ist die Zunahme der inneren Verspannungen durch Tempern der Schichten bei 700 °C . Zudem nimmt die Verspannung nur vor aber nicht nach dem Tempern mit der Dicke der SiN-Schicht zu.

Im Falle der LPCVD-Verfahren hängt die Eigenspannung in erster Linie vom Verhältnis von Dichlorsilan zu NH3 ab. Außerdem spielen Temperatur, Druck und Rauhigkeit der Substrat-oberfläche eine Rolle. Durch Erhöhung der Dichlorsilananteils kommt es zu Bildung von sili-ziumreichem Siliziumnitrid. Wählt man ein Gasflussverhältnis Dichlorsilan zu NH3 größer als 3,9, so lässt sich siliziumreiches Siliziumnitrid mit geringer Eigenspannung herstellen [Gard96]. Beim PECVD-Verfahren kommt es ebenfalls leicht zu Einbau von Wasserstoff-Atomen; es entstehen Schichten geringer Dichte, die unter Zugspannung stehen. Bei Erhö-hung des Silananteils und Verstärkung des Ionenbeschusses wird ein siliziumreiches Si3+xN4-y

gebildet, das dichter und spannungsärmer ist, ggf. sogar Druckspannung aufweist. Die Schichtspannung ist mit Hilfe einer Triodenkonfiguration des Plasmareaktors (Doppelfre-quenz-PECVD) gezielt einstellbar – sogar Mehrfachschichten die abwechselnd Zug- und Druckspannung aufweisen sind möglich [Crys12].Außerdem beobachteten Besland et al. eine eindeutige Korrelation zwischen der Größe der Eigenspannung und der granularen Morpholo-gie der Schicht: In dem Maße, in dem sich die Korngröße verringert, nimmt die Druckspan-nung zu [Besl04].

Die mit PECVD hergestellten Membranen könnten als alternative Materialien für die Herstel-lung von Cantilevern (siehe Abschnitt 4.5) ausprobiert und mit LPCVD-SiN-Membranen ver-glichen werden. Eine weitere Möglichkeit bieten Mehrschicht-Strukturen (z.B. LPCVD-Si3N4/TEOS-SiO2), in denen sich die Eigenspannungen in den Schichten für die Herstellung von Cantilevern kompensieren lassen. Andererseits erlaubt die gezielte Wahl deutlich unter-schiedlicher Schicht-Eigenspannungen die Erzeugung gerollter Strukturen.

4 Tetraethylorthosilicat, auch Tetraethoxysilan, Kieselsäuretetraethylester oder Ethylsilicat – Si(OC2H5)4, kurz TEOS genannt, ist ein Ethylester der Orthokieselsäure (Si(OH)).