• Keine Ergebnisse gefunden

Im Hinblick auf Semantik, Syntax und Morphologie bilden die deutschen Modalverben ein interessantes linguistisches Phänomen. Das Interesse, sich damit auseinanderzusetzen, ist jedoch nicht nur in diesen innersprachlichen Eigenschaften begründet, sondern auch darin, dass die Modalverben im Gegensatz beispielsweise zu den Modalpartikeln auch einen außersprachlichen Bezug haben: Die grundlegende Aussage, also der außersprachliche Sachverhalt, ändert sich, wenn das Modalverb weggelassen oder durch ein anderes ersetzt wird.

Im Zentrum der Arbeit standen sprachliche Probleme russisch sprechender Au-pair-Mädchen bei der Verwendung der deutschen Modalverben können, müssen, dürfen, wollen, sollen und mögen.

Dazu wurden im ersten Teil der Arbeit zunächst die theoretischen Grundlagen für eine differenzierte Analyse des deutsch-russischen Modalverbbereichs geschaffen. Im Einzelnen waren folgende Schritte nötig:

– eine Vergleichsanalyse innerhalb der deutschen Modalverben, – die Wiedergabe der deutschen Modalverben im Russischen sowie

– die Relation der Modalverben zu ihren paraphrasierten Konkurrenzformen.

Der Theorieteil stützte sich auf vorhandene relevante Fachliteratur, wobei die Auswahl nicht nur auf russische und deutsche Autoren beschränkt war. In diesem Rahmen konnten verschiedene Ansätze zur Erforschung und Strukturierung des Modalitätsfeldes vorgestellt werden. Darüber hinaus entstand auch ein erster Eindruck zur Vermittlung der deutschen Modalverben im Fremdsprachenunterricht.

Die zentralen Erkenntnisse des theoretischen Teils wurden dazu verwendet, Arbeitshypothesen für die Ursachen der Probleme russisch sprechender Au-pairs beim Umgang mit Modalverben zu formulieren:

1. Die Schwierigkeit, die semantischen Unterschiede der deutschen Modalverben deutlich zu erkennen, ihre denotative und konnotative Vielschichtigkeit richtig einzuschätzen, liegt daran, dass eine sinngemäße Übertragung ihrer semantischen Nuancen allein durch russische Modalverben nicht möglich ist.

2. Die syntaktisch und morphologisch besonderen Eigenschaften der deutschen Modalverben erschweren deren korrekte Verwendung zusätzlich. Das Russische bietet keine Hilfe durch vergleichbare Strukturen.

148

3. Ein sicherer Umgang mit den deutschen Modalverben wird nur durch Vermittlung auf Basis von Kontexten und regelmäßige kommunikative Übung erzielt.

Diese Arbeitshypothesen sollten anhand der Ergebnisse empirischer Untersuchungen verifiziert werden.

Der zweite Teil der Arbeit analysierte mündliche und schriftliche Daten, die in empirischen Untersuchungen zur Verwendung der deutschen Modalverben mit russisch sprechenden Au-pair-Mädchen erhoben worden waren. Diese Gruppe von Probandinnen ist bedingt durch ihre Au-pair-Beschäftigung täglich mit den Modalverben konfrontiert.

Dadurch war es möglich, das Dissertationsvorhaben mit zahlreichen konkreten Fallbeispielen zu konsolidieren und ein reales Bild der Praxis im Modalverbbereich zu zeichnen.

Anhand kontrastiver Analysen konnten die Gründe geklärt werden, warum die russisch sprechenden Probandinnen bei der Verwendung der deutschen Modalverben auf Schwierigkeiten gestoßen sind.

Einige epistemische und nicht-epistemische Lesarten der deutschen Modalverben können durch russische Modalverben мочь / уметь und хотеть nicht sinntreu wiedergegeben werden, ebenso wenig wie die feineren Bedeutungsschattierungen in nicht-epistemischer Verwendungsweise. Ferner wurde festgestellt, dass die Muttersprache einen gravierenden Einfluss auf die Fremdsprache ausübt und damit Schwierigkeiten etwa im Satzbau oder Konjunktivgebrauch verursacht. Diese Erkenntnisse bestätigten die ersten beiden Arbeitshypothesen.

Zur Überprüfung der dritten Arbeitshypothese wurden die Sprachkenntnisse der Probandinnen während und kurz nach der Au-pair-Zeit beobachtet. Einerseits hat die Datenauswertung der empirischen Untersuchungen gezeigt, dass sowohl Au-pairs als auch ehemalige Au-pairs Schwierigkeiten bei der Verwendung der deutschen Modalverben haben. Andererseits haben die Probandinnen ihre allgemeinen Sprachkompetenzen während des Aufenthalts in Deutschland verbessert. Dies ist nicht nur eine subjektive Einschätzung der Probandinnen (aus eigener Sicht und aus Sicht der Verfasserin), sondern beispielsweise auch durch die Tatsache belegt, dass elf von insgesamt fünfzehn ehemaligen Au-pairs als Studentinnen an deutschen Hochschulen immatrikuliert sind. Sie haben also ausreichende Sprachkenntnisse nachgewiesen, um dort studieren zu dürfen.

Die vorliegende Arbeit wollte sich nicht auf eine Systematisierung und Ursachenforschung der typischen Sprachprobleme im Modalverbbereich beschränken,

149

sondern auch Wege aufzeigen, diesen Schwierigkeiten aus didaktischer Sicht zu begegnen. Auf der Basis von Theorie und Praxis bietet der dritte Teil dieser Arbeit einige Lösungsvorschläge zur Vermeidung der beobachteten Lernschwierigkeiten im semantischen, syntaktischen und morphologischen Bereich an.

So wurde auf die Notwendigkeit klar umrissener Formulierungs- und Interpretationsmöglichkeiten durch paraphrasierte Mittel im Deutschen und durch gleichwertige Formen der Übertragung im Russischen aufmerksam gemacht. Außerdem wurde großer Wert auf die Vermittlung der Modalverben in Kontexten gelegt, in denen ihre semantischen Inhalte deutlicher eingeschätzt und verstanden werden können. Der geradezu unerschöpfliche Reichtum an geeigneten Lehrmaterialien zur kontextbezogenen Vermittlung der Modalverben wurde auszugsweise dargestellt.

Weiterhin konnte die Empfehlung erarbeitet werden, die Konjunktiv- und Passivformen, die für russische Deutschlernende besonders schwierig sind, in der Anfangsphase möglichst tiefgehend zu erlernen, damit diesbezüglich keine zusätzlichen Probleme beim Gebrauch der Modalverben auftauchen.

Im Zuge der Betrachtung der Modalverben wurden auch andere modale Ausdrucksmittel untersucht. Die Relation dieser Mittel demonstriert die Mannigfaltigkeit des Modalitätsfeldes und präsentiert gleichzeitig unterschiedliche Aspekte der Modalität.

Möglichkeiten zur Optimierung dieser Untersuchung liegen zum einen in einer verbesserten Operationalisierung der Analyse-Variablen, hier vor allem des schwer messbaren Systems der potentiellen sprachlichen Möglichkeiten der Probandinnen, zum anderen auch bei der Dokumentierung der Fortschritte der Probandinnen in der Fremdsprache, da der Beobachtungszeitraum bedingt durch die Rückkehr der Au-pairs in ihre Heimatländer eingeschränkt war. Darüber hinaus könnte – in den Augen der Verfasserin jedoch mit geringer Wahrscheinlichkeit – die hier dargestellte Methode andere Ergebnisse bei männlichen Testpersonen liefern; die untersuchte Gruppe bestand ausschließlich aus Mädchen. Des Weiteren müssen auch Überlegungen zur Repräsentativität der Untersuchung angestellt werden, um signifikante Ergebnisse zu gewährleisten.

Die angebotene didaktische Konzeption hofft, eine positive Wirkung für die Vermittlung der deutschen Modalverben im Fremdsprachenunterricht zu erzielen. Durch theoretisch fundierte und praktisch anwendbare Überlegungen kann diese kontrastive Analyse besonders interessant für das russischsprachige Publikum, für Sprachlehrer im

150

Unterricht „Deutsch als Fremdsprache“ sowie für Wissenschaftler im Bereich der kontrastiven Linguistik sein.

151