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2 Theoretische Analyse der Modalverben

2.2 Modalverben als lexikalisches Ausdrucksmittel der Modalität

2.2.1 Grammatische Besonderheiten

Mit Hilfe der Entwicklung unterschiedlicher morphologischer und syntaktischer Analysemethoden wird klar, dass können, wollen, dürfen, sollen, müssen und mögen keine homogene Klasse bilden und ihre Eigenschaften sowohl für Voll- als auch Hilfsverben kennzeichnend sein können (vgl. Eisenberg et al. 1998, Öhlschläger 1989, Weidner 1986, Weinrich 1993). Dieses Phänomen erschwert eine Abgrenzung der Modalverben von den anderen Verbklassen. Die Besonderheit der Modalverben besteht allerdings noch darin, dass sie ausschließlich auf sie zutreffende charakteristische Eigenschaften besitzen.

Als grammatische Besonderheiten der deutschen Modalverben sind folgende grundlegende Kriterien zu nennen:

1. Können, dürfen, sollen, müssen und mögen bilden die Gruppe der so genannten Präteritopräsentia. Die Besonderheit dieser Verben besteht in regelmäßigen und unregelmäßigen Konjugationsformen. Das Präsens Sg. Ind. wird durch das ursprünglich unregelmäßig gebildete Präteritum ohne die für die Personalpronomen charakteristische Endungen -e für 1. Pers. und -t für 3. Pers. ersetzt. Im Präteritum treten die von dem Präsens Pl. Ind. ohne Umlaut gebildeten Stammformen mit den für die Personalpronomen charakteristischen Endungen auf. Bei Perfekt, Plusquamperfekt oder Futur II wird statt des 2. Partizips der Infinitiv gebraucht:

(1) Peter hat ins Kino gehen dürfen.

(2) Peter hatte ins Kino gehen dürfen.

(3) Er wird nicht haben kommen können.

2. In einem Nebensatz wird das finite Verb vor die anderen Verben gezogen:

(4) Er hat eine Bank überfallen, weil er die Rechnung nicht hatte bezahlen können.

3. Der Perfektklammer steht die Modalklammer gegenüber. Dabei ändert sich nicht nur die Stellung des Modalverbs, sondern auch der Sinn der Aussage:

(5) Er will den Termin geändert haben.

4. In Verbindung mit einem Infinitiv werden die Modalverben ohne zu gebraucht (vgl. Bsp. 1-5).

5. Die Modalverben können alleine im Prädikat stehen und nicht als Vollverb, sondern elliptisch verstanden werden:

(6) Ich muss morgen zur Uni.

Sie können auch als homonyme Hauptverben (vgl. Engel 2002: 93) gebraucht werden:

(7) Er hat das nicht gewollt.

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6. In der Regel können Modalverben keinen Imperativ bilden. Der Imperativ in der indirekten Rede kann aber als Alternative durch Modalverben wiedergegeben werden.

Beispielsweise gebraucht man mögen bei einer höflichen Bitte:

(8) Reg dich doch bitte nicht so auf!

Er bat mich, ich möge mich nicht so aufregen.

Bei einer Aufforderung oder einem Befehl gebraucht man sollen:

(9) Hört jetzt endlich auf, über das Wahlergebnis zu diskutieren!

Er sagte uns, wir sollten aufhören, über das Wahlergebnis zu diskutieren.

Warum die Imperativformen für die Modalverben unüblich sind, lässt sich folgenderweise erklären: Der Sprecher wählt die Imperativformen zur Bezeichnung einer Handlung und richtet eine Aufforderung direkt an eine oder mehrere Personen. Da die Modalverben keine Handlung bzw. überhaupt keinen Sachverhalt bezeichnen, sondern unterschiedliche Aspekte zum im Satz beschriebenen Sachverhalt signalisieren, kann von Modalverben kein Imperativ gebildet werden.

Der Ausdruck der Modalität stimmt mit der Handlung nicht überein, ist jedoch mit der Einstellung des Sprechers identisch, wobei als Subjekt der Handlung eine zweite Person vorgesehen ist, die auch Adressat der Kommunikation ist. Zum Vergleich:

(10) Du sollst mir das erklären!

(11) Keine Widerrede, du musst das tun!

Die Sätze (10-11) drücken zwar eine Aufforderung aus, sind aber keine Imperativsätze, sondern konkurrieren mit den Imperativformen.

Eine Aufforderungsbedeutung in Form einer Bitte kann durch das Modalverb können gebracht werden:

(12) Kannst du uns eine Geschichte erzählen?

Im weiteren Sinne der Aufforderungsbedeutung als Verbot oder Warnung kann auch das negierte Modalverb nicht dürfen verwendet werden:

(13) Du darfst das auf keinen Fall weiter erzählen!

Wenn also Modalverben in der Lage sind, eine der Aufforderungsschattierungen (Bitte, Wunsch, Befehl usw.) auszudrücken, spricht man – auch wenn die imperativische Intonation beibehalten wird – eher von so genannten Konkurrenzformen des Imperativs als von Imperativformen selbst.

7. Im Allgemeinen kann kein Passiv von den Modalverben gebildet werden.

Ausnahmsweise sind Passivkonstruktionen anzutreffen, wenn die Modalverben als Hauptverben gebraucht werden:

(14) Das wird/ist so gewollt.

(15) Das wird/ist gekonnt.

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Alle Modalverben können jedoch mit einer Passivform eines Verbs verbunden werden.

Zum Vergleich (das Passiv hier im Partizip Perfekt im Haupt- bzw. Nebensatz):

(16) Der Verletzte hat sofort operiert werden müssen.

Es versteht sich, dass der Verletzte sofort hat operiert werden müssen.

In der Standardsprache kann wollen nur in Aktivsätzen stehen und wird im Passivsatz sinngemäß durch sollen wiedergegeben:

(17) Man will am Stadtrand eine neue Siedlung errichten.

Am Stadtrand soll eine neue Siedlung errichtet werden.

Das Reflexivverb sich lassen im Aktivsatz findet eine synonyme Ersatzform mit können im Passiversatz:

(18) Die Schuld des Angeklagten kann nicht bestritten werden.

Die Schuld des Anklagten lässt sich nicht bestreiten.

8. Dürfen, können, sollen und müssen können im Gegensatz zu wollen und mögen keine dass- bzw. wenn-Sätze bilden:

(19) Ich will, dass du dich sofort entschuldigst.

(20) Ich mag nicht, wenn du so redest.

9. Einige Klassen von Verben sind fest mit einem Reflexivpronomen verbunden, andere können reflexiv gebraucht werden. Die Modalverben sind nicht imstande, sich mit einem Reflexivpronomen zu verbinden, wenn sie nicht im Sinne eines Vollverbs gebraucht werden:

(21) Sie mögen sich.

10. In der Standardsprache werden die Modalverben im Konjunktiv im Unterschied zu der Umgangsprache nie mit würde benutzt. In der Alltagssprache, vor allem im Dialekt, findet man derartige Formulierungen hingegen durchaus:

(22) Wollen würden wir schon, nur können tun wir nicht.

11. In der gesprochenen Sprache kommen die Modalverben im Gegensatz zur geschriebenen häufig im Futur vor:

(23) Man wird sich etwas überlegen müssen.

Unter Beachtung obiger Regeln sollte einer grammatisch korrekten Verwendung der Modalverben nichts mehr im Wege stehen. Anders verhält es sich mit ihren semantischen Inhalten, die stark von der Kommunikationssituation abhängen.

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