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Zusammenfassendes Fazit: Personalführung im Kontext der vorliegenden Analyse

3 Personalführung an Schulen

3.6 Zusammenfassendes Fazit: Personalführung im Kontext der vorliegenden Analyse

Die Ausführungen des Kapitels zur schulischen Personalführung basieren auf dem in Kapitel 2 beschriebenen kooperativen Führungsverständnis an Schulen, deren Führungspersonen und Lehrkräfte zunehmend mehr Verantwortung für die Schulentwicklung übernehmen und gleichzeitig mit neuen Anforderungen konfrontiert sind. Dieses Führungsverständnis stützt sich auf der Idee, den Lehrkräften möglichst viele Gestaltungs- und Entfaltungsmöglichkeiten zu geben. Gleichzeitig nehmen Lehrpersonen durch die individuellere Personalführung auch Einschränkungen in ihrer Autonomie, Handlungszwänge und Formen der Kontrolle im schulischen Berufsalltag war (z. B. verbindliche

Kooperationsstrukturen, Offenlegung von Arbeitsprozessen im Team, zielorientierte Führung durch Mitarbeitergespräche und Zielvereinbarungen).

Im vorliegenden Kapitel 3 werden neben den Chancen der neuen Führungsaufgaben auch damit einhergehende Schwierigkeiten und Belastungen angeführt, sodass als Fazit festgehalten werden kann: Anders als in vielen Führungskonzepten dargestellt, gehen mehr Handlungsautonomie sowie Verantwortung im Rahmen einer kooperativ-situativer Führung nicht zwingend mit besseren Leistungen sowie Motivation bzw. größere Zufriedenheit im Kollegium (vgl. u. a. Dubs, 2005, S. 130) einher. Sowohl die handelnden Führungspersonen (hier: die Schulleitung und die Lehrkräfte der mittleren Führungsebene) als auch die beteiligten Lehrkräfte müssen in der Lage sein, die Spielräume und Chancen der Autonomie selbstverantwortlicher Schulen, des kooperativen Führungsverständnisses und der neuen Führungsaufgaben auszuschöpfen. Im vorliegenden Kapitel weist die diskutierte und zitierte Literatur jedoch konkret auf verschiedene Ursachen hin, die dazu führen können, dass die Potenziale nicht genutzt werden (vgl. zusammengefasst S. 96f. in dieser Arbeit). Bleiben die Chancen ungenutzt, besteht auch in diesem Modellversuch die Gefahr, dass die handelnden Akteure nicht die entsprechenden Handlungsmöglichkeiten haben, um die Erwartungen erfüllen zu können. Als Konsequenz ist dann zu erwarten, dass in der Umsetzung von Personalführung in der schulischen Praxis die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit groß ist (vgl. Kapitel 2.3).

Das Kapitel 3 nimmt mögliche Führungsaufgaben sowie Vorteile einer individuelleren Mitarbeiterführung für die Lehrkräfte (z. B. bessere Förderung, Beratung und Unterstützung) in den Blick und will deutlich machen, welche für das Kollegium entlastenden Aspekte die zusätzlichen Führungsressourcen einer mittleren Führungsebene bei der Übernahme der beschriebenen operativen Führungsaufgaben bieten. Gleichzeitig wird auf potenzielle Schwierigkeiten hingewiesen. Die dargestellten Handlungsfelder und Wirkungsbereiche sind zum einen Konsens in der Literatur zur Personalführung in Schulen (vgl. u. a.

Dubs, 2005, S. 130ff.; Capaul & Seitz, 2011, S. 291ff.; Buhren & Rolff, 2006, S. 519ff.; Reichwein, 2007, S. 19ff.; Lohmann & Minderop, 2008, S. 53ff.).

Zum anderen ermöglichte die Teilnahme der Autorin an einer Vollversammlung der Schulleiter von Modus F Schulen im Januar 2009 einen Einblick in die an den Realschulen entwickelten Führungskonzepte. So orientierte sich die Theoriearbeit zur operativen Mitarbeiterführung auch an

den in den Schulen tatsächlich geplanten Handlungsfeldern und Aufgabenstrukturen der mittleren Führungsebene. Die erwarteten positiven Auswirkungen der weiterentwickelten Führungsstrukturen auf die schulische Personalführung werden im Folgenden zusammenfassend dargestellt.

- Delegationspraxis und außerunterrichtlicher Einsatz im Kollegium. Durch die Nähe im Team eröffnen sich Möglichkeiten der kollegialen Beratung für die Teamleiter. Sie können besser erkennen, ob die Arbeit der Lehrpersonen in ihren unterrichtlichen und außerunterrichtlichen Aufgaben deren Potenziale fördert, die Belastungen möglichst transparent verteilt sind und auch individuelle Kompetenzen und Bedürfnisse ausreichend berücksichtigt werden. (vgl. Kapitel 3.1)

- Personalförderung und -unterstützung im Team. Die enge Zusammenarbeit und der regelmäßige Austausch im Team hilft den Teamleitern dann auch, Förderung und Unterstützung bedarfsorientiert zu koordinieren, aufeinander abzustimmen und dabei sowohl die Nachhaltigkeit z. B. von Fortbildungsveranstaltungen, die Zielorientierung der Schule und den Fortbildungs- und Unterstützungsbedarf der Teamkollegen zu berücksichtigen. Nicht zuletzt können im Team auch Formen der kollegialen Unterstützung initiiert werden. (vgl. Kapitel 3.2)

- Schulentwicklung, Partizipation und Informationsorganisation. Teamleiter nehmen eine Bindegliedposition zwischen der Schulleitung und dem Gesamtkollegium ein. Dies eröffnet ihnen die Möglichkeit, schulinterne Entscheidungsprozesse und damit die Mitwirkungsmöglichkeiten in zweierlei Hinsicht besser zu vernetzen. Bei Kenntnis über führungsrelevante Themen können diese zum einen im Team vorbesprochen werden und der Führung wichtige Informationen zur Umsetzung von Schulleitungsentscheidungen liefern. Zum anderen gibt es in den Teamsitzungen regelmäßig Anlässe, Ideen für das Schulleben zu entwickeln und daraus Konzepte zu formulieren, die vom Teamleiter dann bei der Schulleitung vorgetragen werden können. Diese Verzahnung bietet die Chance, das Kollegium mehr in die Schulentwicklung zu involvieren und das Potenzial jedes einzelnen besser einzubringen. Die schulische Kommunikation wird so im Sinne einer integrativen Kommunikation durch die mittlere Führungsebene vernetzt, der schulische Informationsfluss effektiviert und Informationswege verkürzt. Dies stellt vor allem dann eine

Erleichterung für das Kollegium dar, wenn den Teamleitern Entscheidungskompetenzen übertragen werden und bestimmte Anliegen direkt beim Teamleiter geklärt werden können. (vgl. Kapitel 3.3)

- Gemeinsame Orientierung an überfachlichen Zielen, Rückmeldekultur, Mitarbeitergespräche und Zielvereinbarungen. Ein Schwerpunkt des Modellversuches Modus F ist das „Erproben von Mitarbeitergesprächen und Zielvereinbarungen“ (Stiftung Bildungspakt Bayern, 2011, S. 14) durch die Teamleiter. Der Einsatz dieser Führungsinstrumente intensiviert zum einen den Dialog zwischen der Führung und dem Kollegium und setzt zum anderen Ziele für die berufliche Weiterentwicklung der Lehrkräfte.

Wenn die Zielvereinbarungen inhaltlich mit dem Schulentwicklungs-prozess verzahnt sind, können sie die kollegiale Zielorientierung sowie den Konsens im Kollegium stärken, Missverständnisse reduzieren sowie motivierend und handlungssteuernd wirken. Neben den formalen Gesprächen erlaubt der enge Kontakt von Teamleitern und Teammitgliedern zudem, die Rückmeldekultur und wertschätzende Kommunikation im Schullalltag zu pflegen sowie den Erfahrungsaustausch zu fördern. (vgl. Kapitel 3.4)

- Kommunikationsmanagement und Kooperation: Die Lehrkräfte der mittleren Führungsebene haben zudem die Möglichkeit, die schulische Teamarbeit weiterzuentwickeln. Teamsitzungen können genutzt werden, um den Austausch und die Zusammenarbeit im Team anzuregen, Kommunikation und Kooperation zu institutionalisieren und die Teamentwicklung zu unterstützen. Je nach Teamstruktur sind Absprachen in verschiedenen Bereichen denkbar, wie z. B. zu erzieherischen Vorgehensweisen, Abstimmungen über gemeinsame Standards für den Unterricht oder für Leistungsnachweise sowie die Entwicklung methodischer Konzepte in bestimmten Jahrgangsstufen. (vgl. Kapitel 3.5)

Die Ausführungen im Kapitel 3 weisen auch auf die Hindernisse hin, die den beschriebenen Nutzen der Personalführung und der neuen Führungsansätze in der schulischen Praxis einschränken können. Diese sind vielseitig, u. a.

- fehlt im Arbeitsalltag die Zeit für zusätzliche Aufgaben und Absprachen (vgl. u. a. Delegation Kapitel 3.1.1, Kommunikation und Kooperation Kapitel 3.5.4)

- die wahrgenommene eingeschränkte Autonomie ist ein Hindernis (vgl.

u. a. Zielvereinbarungen und Mitarbeitergespräche Kapitel 3.4.2 und 3.4.3, Teamarbeit Kapitel 3.5.2)

- die hohen Anforderungen an die Führungskompetenzen können von den Führungspersonen nicht erfüllt werden (vgl. u. a. zur Wirksamkeit von Mitarbeitergesprächen Kapitel 3.4.4, Umgang der Teamleiter mit ihrer Rolle und möglichen Rollenkonflikten 3.5.3)

- die Führungsaufgaben bzw. -positionen widersprechen oder bedrohen gar traditionelle, berufsbezogene Orientierungen, Einstellungen und Werte beispielsweise im kollegialen Umgang (vgl. u. a.

Problempotenziale von Teamarbeit und informellen Strukturen Kapitel 3.5.1 und 3.5.2, Schwierigkeiten der lateralen Kooperation Kapitel 3.5.3)

Die am Modellversuch Modus F teilnehmenden Schulen haben die Möglichkeit, ihre Konzepte auf die situativen Bedingungen vor Ort abzustimmen und schulspezifisch zu entwickeln. Begleitend zum Modellversuch wurden Fortbildungen für die Beteiligten angeboten, in regelmäßigen Abständen fanden Vollversammlungen zum gegenseitigen Austausch und „fachlichen Input durch hochrangige Experten“ (Stiftung Bildungspakt Bayern, 2011, S. 17) statt, die teilnehmenden Schulen erhielten Unterstützung finanzieller Art, in Form von Anrechnungsstunden sowie durch wissenschaftliche Beratung (vgl. Stiftung Bildungspakt Bayern, 2011, S. 17).

Somit sind die Voraussetzungen gegeben, dass die – auch in Kapitel 3 beschriebenen – wissenschaftlichen Erkenntnisse vor der Implementation reflektiert, in den Implementationsprozess integriert und angesichts ihrer Bedeutung in der schulischen Praxis überprüft werden können (vgl. Euler &

Sloane, 1998, S. 315). Entsprechende Arbeitsbedingungen (z. B. Stunden-ermäßigungen, Förderung von Mitarbeitern mit Führungskompetenzen, direkter kollegialer Kontakt, spezifische Fortbildungen, Beförderungen, reduzierte Führungsspannen) können an den Schulen unter Berücksichtigung der möglichen Schwierigkeiten bewusst, vorausschauend und quasi präventiv so gestaltet werden, dass sich die Vorteile operativer Mitarbeiterführung gut entfalten können. Ob dies gelingt, kann erst mit einem erfolgreichen Zusammenspiel verschiedener situativer Bedingungen in der Praxis beurteilt werden. Wie im Kapitel 2.3 bereits betont, zeigen sich die Chancen der

Personalführung – und damit die Chancen der mittleren Führungsebene bzw.

der Innovation – erst im Gebrauch.

Anliegen der vorliegenden Studie ist es nun, aus der Perspektive der Lehrkräfte sowohl an Schulen mit als auch an Schulen ohne mittlere Führungsebene zu erfassen, wie ausgewählte Aspekte der Personalführung in der Praxis wahrgenommen werden und welche Unterschiede sich in der Wahrnehmung zwischen den Schulen mit und ohne mittlere Führungsebene zeigen.

Forschungsinteresse, Forschungsfrage und Forschungsgegenstand werden einleitend im folgenden Kapitel zum methodischen Vorgehen dargestellt.