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3 Personalführung an Schulen

3.3 Schulentwicklung, Partizipation und Informationsorganisation

3.3.2 Geteilte Entscheidungsfindung

Die Praxis der Entscheidungsfindung ist ein zentraler Aspekt von Führungsarbeit an Schulen. Sie nimmt Einfluss auf das Auftreten von ablehnenden oder akzeptierenden Reaktionen der Betroffenen und damit auf die erfolgreiche Umsetzung von Vorhaben sowie auf die Zufriedenheit im Kollegium (vgl. Bonsen et al., 2002, S. 142ff.; Neubauer, 1999, S. 36).

Erkenntnisse der Lehrerbelastungsforschung weisen auf die positiven Folgen hin, wenn Lehrkräfte in ihrem Berufsalltag Gestaltungsspielräume erhalten, in zentrale schulische Entscheidungen adäquat einbezogen werden und Entscheidungskompetenzen delegiert bekommen (vgl. Bradley, 2007, S. 61ff.;

Jacobsson et al., 2001, S. 49ff.; van der Doef & Maes, 2002, S. 336ff.; Nido et al., 2008, S. 60; Kaempf & Krause, 2004, S. 317f.). Schwierigkeiten werden entsprechend mitunter durch Anweisungen der Schulleitung ausgelöst, wenn Entscheidungen durchgesetzt werden ohne die Expertise im Kollegium zu nutzen (vgl. Abbey & Esposito, 1985, S. 331). Veränderungsprozesse an Schulen nehmen häufig wegen mangelnder Konsensbildung sowie Partizipation der Betroffenen einen problematischen und wenig Erfolg versprechenden Verlauf (vgl. Wenzel, 2010, S. 265; Reh, 2010, S. 292).

Doch auch wenn die Beteiligung der betroffenen Lehrkräfte auf eine gelungene Umsetzung von Neuerungen einen bedeutenden Einfluss nimmt (vgl. Reh, 2010, S. 292ff.), sind den basisdemokratischen Entscheidungsfindungs-prozessen aufgrund der steigenden beruflichen Belastungen Grenzen gesetzt (vgl. Dubs, 2005, S. 160ff.). Erkenntnisse der Lehrerbelastungsforschung offenbaren, dass die hohe Anzahl und das hohe Tempo der Reformen mitunter wenig Anerkennung im Kollegium finden oder gar als Belastung wahrgenommen werden (vgl. Klippert, 2007, S. 38; Kyriacou, 2001, S. 29ff.).

Kollegen, die beispielsweise den vielen Neuerungen eher skeptisch gegenüber stehen und am Erfolg von Reforminitiativen zweifeln, zeigen Widerstand mitunter aber auch kein Interesse, an Entscheidungen beteiligt zu werden. Eine empirische Untersuchung zum Schulleiterverhalten von Bonsen, v. d. Gathen, Iglhaut & Pfeiffer (2002, S. 143) hat u. a. offenbart, dass Lehrkräfte nicht erwarten, an allen Entscheidungen beteiligt zu sein. Zudem ist die Qualität der Entscheidung durch das Einbeziehen der Lehrkräfte nicht immer besser, sodass umfangreiche Mitbestimmungs- und Entscheidungsmöglichkeiten des

Lehrerkollegiums nicht grundsätzlich auch zu positiven Entwicklungen führen (vgl. Neubauer, 1999, S. 38ff.; Bartz, 2006, S. 404; Miller, 1995, S. 1ff.; Taylor

& Bogotch, 1994, S. 302ff.; Weiss & Cambone, 1994, S. 287ff.). Zu starke Mitbestimmung der Lehrkräfte kann sich mitunter auch kontraproduktiv auswirken, wenn dem Kollegium damit Raum für den Einsatz verschiedener mirkopolitischer Strategien und Taktiken gegeben wird (vgl. Bonsen, 2006, S. 207f.; Altrichter & Salzberger, 1996, S. 105ff.). Mit zunehmender Mitarbeiteranzahl besteht das Risiko, dass sich rivalisierende Lager im Kollegium bilden und Diskussionen über pädagogische Konzepte sowie Schulentwicklungsmaßnahmen die Arbeit lähmen (vgl. Warwas, 2011, S. 33).

Für die Führung ist es eine Herausforderung entsprechend der situativen Umstände zu entscheiden, wann welche Lehrkräfte einzubeziehen sind, oder wann eine Mitbestimmung ineffektiv ist. Hierauf wird im Folgenden eingegangen.

3.3.3 Die Situationsgebundenheit der Entscheidungsfindung

Eine Entscheidung kann sowohl nach ihrer Qualität als auch nach dem Grad ihrer Akzeptanz im Kollegium bzw. im Team beurteilt werden (vgl. Maier, 1963, S. 3ff.; Bonsen et al., 2002, S. 144). Die Akzeptanz spielt eine große Rolle, denn auch inhaltlich einwandfreie Führungsentscheidungen können nur mit Abstrichen oder gar nicht umgesetzt werden, wenn sie im Kollegium nicht akzeptiert sind (vgl. Müller, 2011, S. 116; Rosenbusch, 2005, S. 133f.).

Werden den Lehrkräften angemessene Gelegenheiten zur Mitwirkung gegeben, kann dies sowohl die Qualität als auch die Akzeptanz der Entscheidungen verbessern, die Selbstverantwortung der Lehrkräfte stärken und zu einer größeren Arbeitszufriedenheit sowie besseren Arbeitsleistung führen (vgl.

Altrichter & Rauscher, 2008, S. 32ff.; Hoy & Miskel, 2007, S. 356; Dubs, 2005, S. 134). Genauso kann es Situationen geben, in denen eine Mitwirkung ineffizient wäre und von der Schulleitung erwartet wird, selbst zu entscheiden (vgl. Capaul & Seitz, 2011, S. 301). Führungspersonen müssen demnach immer wieder abwägen, welche Entscheidungsstrategie angesichts des Problems sinnvoll ist. Welche Gestaltungs- und Handlungsfreiräume sollen den Kollegen bei Fragen zum Schulleben eingeräumt werden und welche Rolle nimmt die Schulleitung sowie auch die Teamleitung ein (vgl. Bonsen et al., 2002, S. 143; Capaul & Seitz, 2011, S. 301ff.)?

Wie bereits bei den Ausführungen zum Führungsstil erläutert (vgl. Kapitel 2.2.2), wird auch im Rahmen der Entscheidungsfindung in der vorliegenden Arbeit die Meinung vertreten, dass es nicht ein situationsübergreifend richtiges Entscheidungsvorgehen gibt, sondern dieses aufgrund unterschiedlicher situativer Bedingungen variieren kann (vgl. Capaul & Seitz, 2011, S. 259f.;

Hoy & Miskel, 2007, S. 341). Stehen ausreichend Informationen zur Verfügung? Wie viel Zeit kann für die Entscheidung investiert werden? Wie wichtig ist die Entscheidung? (vgl. Hoy & Miskel, 2007, S. 351f.) Nach Abwägung dieser Aspekte können Leitungspersonen dann zwischen unterschiedlichen Entscheidungsstrategien wählen2. Eine gute Hilfe, die situativen Bedingungen richtig einzuschätzen, ist das Konzept der Zonen der Betroffenheit. Aufbauend auf den Arbeiten von Barnard (1938), Simon (1957) und Chase (1951) haben Hoy & Miskel (2007, S. 342) diesen Ansatz weiterentwickelt. Er ist nicht nur gut erforscht, sondern auch schulspezifisch und praxisbezogen, indem er konkrete Handlungshinweise für die schulische Führungsarbeit liefert (vgl. Dubs, 2005, S. 133; Hoy & Miskel, 2007, S. 356ff.). Nach dem Konzept der Zonen der Betroffenheit gibt es Entscheidungen, die vom Kollegium ohne Weiteres akzeptiert werden, weil sie in ihre “Zone der Akzeptanz” fallen. Barnard (1938) erklärt, “there is a ‚zone of indifference’ in each individual within which orders are acceptable without conscious questioning of their authority“ (vgl. S. 167; Hervorh. i. O.). Je nach dem, ob eine Entscheidung in die „Zone der Akzeptanz“ einer Lehrkraft fällt (oder nicht), ist eine Mitwirkung weniger (oder mehr) sinnvoll sowie eine Entscheidung ohne Partizipationsmöglichkeiten mehr (oder weniger) effektiv (vgl. Hoy & Miskel, 2007, S. 365).

„Die Kunst der Führung liegt nun darin, zu lösende Schulprobleme der richtigen Zone zuzuweisen“ (Dubs, 2005, S. 134). Hierfür sollte abgewägt werden, ob bzw. welche Lehrkräfte von der Entscheidung persönlich betroffen sind (Relevanz) und ob sie das Sachverständnis besitzen, um zur Lösung etwas beitragen zu können (Kompetenz). Abbildung 6 stellt die Zusammenhänge und die entsprechende Zonenzuordnung dar.

2 Beispiele hierfür sind das „Satisficing“-Modell (vgl. Simon, 1957), das „Muddling Through“-Modell (vgl. Lindblom, 1959) sowie das „Mixed Scanning“-Modell (vgl. Etzioni, 1967), zusammenfassend nachzulesen in Hoy & Miskel (2007, S. 325ff.).

Relevanz gegeben Relevanz nicht gegeben

Kompetenz gegeben

Zone der Sensibilität

=> Es besteht ein großes Bedürfnis, in die Entscheidungs-findung involviert zu werden.

Mitwirkung ist sinnvoll.

Grauzone

=> je nach Situation mehr oder weniger Mitwirkung

Kompetenz nicht gegeben

Grauzone

=> je nach Situation mehr oder weniger Mitwirkung

Zone der Akzeptanz

=> Es besteht kein Bedürfnis, in die Entscheidungsfindung involviert zu werden.

Mitwirkung ist wenig sinnvoll.

Abbildung 6: Zonenzuordnung und Zonenbeschreibung. Quelle: Dubs, 2005, S. 135; Hoy &

Miskel, 2007, S. 365

Die Entscheidungsfindung und damit einhergehende Aufgaben der Leitungsperson variieren ebenfalls situativ und werden in der folgenden Abbildung 7 dargestellt (vgl. Dubs, 2005, S. 135).

Abbildung 7: Zonenzuordnung und Führungsstil. Quelle: eigene Darstellung auf der Basis von Dubs, 2005, S. 135; Hoy & Miskel, 2007, S. 365

Gelingt es der Schulleitung, Aspekte der Relevanz und der Kompetenz der Lehrkräfte für die jeweilige Entscheidungssituation richtig einzuschätzen, gibt das Modell eine gute Orientierung, wie notwendig eine Miteinbeziehung des Kollegiums im Entscheidungsprozess erscheint. Allerdings nehmen auch weitere Faktoren, wie beispielsweise die Schulatmosphäre sowie -größe, das Vertrauen und die Stimmung innerhalb des Kollegiums, Allianzen in der Lehrerschaft oder Alter und Erfahrung im Kollegium auf die Gestaltung der Mitwirkungsmöglichkeiten Einfluss (vgl. Dubs, 2005, S. 134). Diese Überlegungen führen letztendlich zu einer Entscheidung der Schulleitung oder

des Teamleiters, welcher der Führungsstile unter Berücksichtigung der situativen Rahmenbedingungen zu wählen ist.