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6 Diskussion der Ergebnisse und Ausblick

6.1 Zusammenfassende Ergebnisdiskussion im Kontext der schulischen Innovationsforschung

6.1.2 Bindegliedposition und Rollenkonflikte

Das empirische Material offenbart, dass die Rolle der Teamleiter als Zwischenposition beschrieben wird: Sie sind einerseits Mitglied des Schulleitungsteams, andererseits vertreten sie auch die Interessen des Kollegiums. Diese Bindegliedposition kann Vorteile im Rahmen der schulischen Personalführung entfalten (z. B. durch verdichtete Kommunikation und optimierte Vernetzung, vgl. Kapitel 3.3.4), die auch von knapp der Hälfte der befragten Lehrkräfte an Schulen mit mittlerer Führungsebene beschrieben werden. Allerdings berichtet auch über die Hälfte der befragten Lehrkräfte von problematischen Konsequenzen und Konflikten, die sich daraus ergeben (vgl.

VIII, 2; VIII, 3). Diese Erkenntnis lässt sich anschließen an Überlegungen zu dem Spannungsverhältnis von Lehrkräften, die eine Position zwischen der Führungsebene und dem Kollegium inne haben, wie beispielsweise Steuergruppenmitglieder oder Teamleiter (vgl. Schröck, 2009, S. 20ff.; Lortie, 1972, S. 49). Die Nähe dieser Lehrkräfte zur Schulleitung und deren gleichzeitige „Verpflichtung auf die Anliegen des Kollegiums“ (Schröck, 2009, S. 20) kann Rollenkonflikte der Teamleiter und mikropolitische Reaktionen im Kollegium zur Folge haben (vgl. Berkemeyer, Brüsemeister & Feldhoff, 2007, S. 61ff.; Holtappels, 2007, S. 31; Lortie, 1972, S. 49ff).

Auch die befragten Teamleiter berichten von Rollenunsicherheiten und -konflikten (vgl. VIII, 2), welche durch die unklaren Rahmenbedingungen insbesondere hinsichtlich der Beurteilungsmitwirkung verschärft wurden (vgl.

VI, 2; VIII, 2). Dies findet Anschluss an eine Aussage von Holtappels (2007), die im Kontext der Steuergruppenarbeit erwähnt wurde: „Nur wenn die Funktion einer Steuergruppe mit einem entsprechenden Set an Aufgaben schulintern eindeutig geklärt ist und sie durch die Schulleitung oder das zuständige Schulgremium (Schulkonferenz, Lehrerkonferenz) mit einem entsprechendem Mandat ausgestattet ist, kann in der Schulöffentlichkeit von

einem klaren Auftrag und einer eindeutigen Rollenzuweisung ausgegangen werden“ (S. 31; vgl. ähnlich Altrichter, Messner & Posch, 2004, S. 105).

Die zu Beginn des Modellversuches Modus F unklaren Regelungen hinsichtlich der Beurteilungsmitwirkung durch die Teamleiter hat in den Kollegien Diskussionen oder gar Abwehrreaktionen hervorgerufen (vgl. VI, 2;

VIII, 3; vgl. ähnlich Wilbers, 2008, S. 7ff.). Die Entscheidung darüber wurde auch zum – bewussten oder unbewussten – Maßstab dafür, ob die Teamleiter eher in der Nähe der Leitung oder des Kollegiums stehen (vgl. VI, 2; VIII, 3).

Ein kultusministerielles Schreiben (KMS) vom 25.09.2009 klärte den zuvor bereits an vielen Schulen schulintern getroffenen Entschluss, dass die Teamleiter ihre Beobachtungen nicht für die dienstliche Beurteilung ihrer Teammitglieder verwenden dürfen, auch offiziell: „Da das Beamtenrecht keine Modellversuche vorsieht, ist die dienstliche Beurteilung grundsätzlich nach den geltenden beamtenrechtlichen Vorgaben vorzunehmen“ (Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus, 2009). Auch der Hauptpersonalrat hat einer Abweichung von den Regelungen des KMS vom 25.09.2009 nicht zugestimmt, sodass der Bereich der dienstlichen Beurteilung und der eigenständigen Unterrichtsbesuche durch die Teamleiter nicht im Modellversuch Modus F erprobt werden konnte (vgl. Stiftung Bildungspakt Bayern, 2011, S. 188).

Doch trotz bzw. auch nach der Klärung der Beurteilungsmitwirkung lässt sich aus dem empirischen Material rekonstruieren: Bereits die kollegiale Diskussion über die Mitwirkung und die Erkenntnis, dass einige Lehrkräfte hierzu bereit wären, hat zu Misstrauen im Lehrerzimmer geführt (Angst vor Kontrolle) und der Gesprächsoffenheit geschadet (vgl. V, 6; VIII, 3). Knapp die Hälfte der Lehrkräfte an Schulen mit mittlerer Führungsebene beschreibt die Sorge, dass durch die mittlere Führungsebene kollegiale Strukturen bedroht werden (vgl.

ähnlich Wilbers, 2008, S. 8). Vereinzelt wird auch mehr Distanz zu den Kollegen der mittleren Führungsebene (z. B. durch ein anderes Zimmer, einen Ausschluss von Personalversammlungen) gefordert (vgl. V, 6). Es ist unter diesen Umständen davon auszugehen, dass der Umgang und das Vertrauen im Kollegium, auch wenn die Beurteilungsmitwirkung als Aufgabe der Teamleiter eindeutig offiziell ausgeschlossen wird, durch die Einführung der mittleren Führungsebene Schaden nehmen kann. Berkemeyer, Brüsemeister & Feldhoff (2007) erklären in einem anderen Kontext, dass eine Position nahe der

Schulleitung, vergleichbar mit der Teamleiterposition, eine latente, potenzielle Bedrohung für einzelne Mitglieder des Kollegiums darstellt, die in der „inneren Kommunikation konkrete Wurzeln“ (S. 77) schlägt. Ein gefestigtes kollegiales Vertrauen und Verlässlichkeit ist damit eine gute Basis, aber kein Garant für eine erfolgreiche Einführung neuer Führungsstrukturen. Das Risiko bleibt bestehen, durch die empfundene Bedrohung kollegiale Strukturen zu zerstören.

Die Ergebnisse der vorliegenden Studie offenbaren, dass einzelne Teamleiter die Mitwirkung an der dienstlichen Beurteilung abgelehnt haben, andere sie jedoch begrüßt hätten (vgl. VIII, 3). Einige Teamleiter beschreiben ihre Situation zwischen den schwer harmonisierbaren unterschiedlichen Erwartungen der Schulleitung und der Kollegen (vgl. VIII, 2). Diese Einschätzungen finden Anschluss an die als dilemmatisch beschriebene Situation von Steuergruppenmitgliedern oder Teamleitern in der Schule sowie auch mittlerer Manager in Unternehmen: Stimmen sie einer Mitwirkung und der damit einhergehenden Nähe zur Schulleitung zu, erhalten sie Macht und eine tiefere Verankerung in der Schulleitung, verlieren jedoch die Zugehörigkeit zum Kollegium. Lehnen sie eine Mitwirkung ab, werden sie im Kollegium weiterhin akzeptiert, verlieren jedoch Einfluss (vgl. Schröck, 2009, S. 164; Lortie, 1972, S. 49ff.; Freimuth et al., 2012, S. 132f.).

Auf der Suche nach praktikablen Lösungen, die Mitwirkung bei der Mitarbeiterbeurteilung zu ermöglichen und gleichzeitig Rollenkonflikte zu vermeiden (vgl. Reichwein, 2007, S. 242), zeichnet sich aufgrund der vorliegenden Studie zum gegenwärtigen Zeitpunkt ab, dass die differenten Erwartungen nur schwer miteinander vereinbar sind. Wie dieses Dilemma zukünftig an Realschulen gelöst wird, bleibt auch in der Handreichung zum Modellversuch Modus F offen: „Nicht ausführlich angesprochen werden in dieser Darstellung die für die Mitglieder des erweiterten Schulleitungsteams aus der Funktion sowie der Vorgesetzteneigenschaft künftig resultierenden Verpflichtungen, wie z. B. das Führen des Mitarbeitergesprächs, die Einbindung in die Erstellung der dienstlichen Beurteilung, die Hilfestellungen gegenüber der Lehrkraft als Folge der Fürsorgepflichten einer bzw. eines Vorgesetzten“ (Stiftung Bildungspakt Bayern, 2011, S. 197). Ergänzende Hinweise zu dieser Thematik werden erst mit der vollständigen Auswertung der Erfahrungsberichte der Modus F Schulen gegeben (vgl. ebd., S. 198).

Die Rolle, in der die Teamleiter im Kollegium akzeptiert werden, muss sich an vielen Schulen erst noch entwickeln, da in den traditionellen Strukturen und dem bisherigen Rollenverständnis von Lehrkräften eine solche Ebene nicht vorgesehen ist und deren Einführung historisch entwickelte Strukturen an der Realschule reformiert (vgl. Lortie, 1972, S. 48ff.; Stiftung Bildungspakt Bayern, 2011, S. 12). Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigen jedoch, dass vereinzelt geäußerte Vorwürfe der Kollegen, die Teamleiter würden sich auf Kosten der Kollegen profilieren oder als verlängerter Arm der Schulleitung nur Auftragshandlungen der Schulleitung durchführen, die Rollenfindung der Teamleiter behindern (vgl. VI, 2; VI, 3; III, 2; VIII, 5). Die durch die mittlere Führungsebene initiierten Prozesse, z. B. die Delegation von Verantwortung, Autonomie, Mitwirkung und Zusammenarbeit, stellen systemische Orientierungen des Bürokratieansatzes (vgl. Kapitel 2.1.2) auf die Probe. Die Teamleiter müssen – ähnlich wie die Mitglieder der Steuergruppe – ihre Position innerhalb dieser strukturellen Spannungsfelder noch finden (vgl.

Rahm & Schröck, 2008, S. 50).