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Zusammenfassende Diskussion der Methode

5   Ergebnisse und Diskussion

5.8   C/N-Isotopenanalyse zur Rekonstruktion der Ernährungsweise

5.8.5   Zusammenfassende Diskussion der Methode

Zahlreiche Faktoren können die δ13C- und δ15N-Isotopensignaturen beeinflussen. Die Ursache für die deutlich unterschiedlichen und im Vergleich zu den Werten der anderen hier untersuchten Friedhöfe δ13C-Isotopien der Ettinger Population konnte hier leider nicht eindeutig geklärt werden (siehe 5.9.3 δ13C-Werte).

Auch die δ15N-Isotopie kann von zahlreichen Faktoren beeinflusst werden. Unterschiede in den δ15N-Werten bei Menschen scheinen hauptsächlich durch unterschiedlichen Proteinkonsum, kombiniert mit bisher noch nicht grundlegend erforschten Unterschieden in den Stickstoffwerten bei Pflanzen bedingt zu sein (van Klinken et al. 2002). Inwieweit sich beispielsweise das Düngen mit Mist, der ja angereicherte δ15N-Werte aufweist, auf die Werte auswirkt ist noch nicht ausreichend geklärt (Bogaard 2007). Auch speziesspezifische Fraktionierungen spielen eine Rolle. So ist beispielsweise noch nicht bekannt, inwieweit sich δ15N von Getreide während der Fütterung anreichert (Hedges & Reynard 2007). Milch von Kühen deren Futter das hauptsächlich aus Gras und Heu bestand wies δ15N-Werte zwischen 0,0 ‰ und 3,0 ‰ auf, bei Getreidefutter lagen die δ15N-Werte zwischen 2,5-6,0 ‰ (Kornexel et al. 1997). Der individuelle Stoffwechsel kann sich ebenfalls auf die Isotopenwerte auswirken (z.B. Warinner 2010, Codron 2011). Wachstum des Körpers an sich, oder eine positive Stickstoff Bilanz, verändern die N-Isotopien nicht signifikant (Waters-Rist &

Katzenberg 2010). Aber die Geschwindigkeit des Knochenumbaus und das Ausmaß, in dem die Aminosäuren im Körper während des Wachstums wieder verwendet werden, können sowohl δ15N- (MacAvoy et al. 2005; Parfitt 1979) also auch δ13C-Werte (Warinner 2010) erheblich beeinflussen. Stickstoff-Homöostase und Proteinstress, z.B. bei Schwangerschaft, starker körperlicher Beanspruchung, Krankheit oder Gewichtsverlust, können ein Absinken der δ15N-Werte um 0,3-1,1 ‰ bewirken (Fuller et al. 2004). Bei Hunger können sich die Werte jedoch erhöhen (Mekota et al. 2006; Mekota et al. 2009; Neuberger in prep.).

Generell reichert sich das 15N-Isotop im Verlauf der Nahrungskette schrittweise an (Minagawa & Wada 1984). So zeigt sich ein Trophiestufeneffekt in den δ15N-Werten von 2-3

‰ zwischen Veganern, die sich ausschließlich von pflanzlicher Nahrung ernähren und keinerlei tierisches Protein zu sich nehmen und Menschen, deren Ernährung „omnivor“ ist (Macko et al. 1999). Aber auch ein Ansteigen der δ13C-Werte um ca. 2 ‰ ist erkennbar (Macko et al. 1999)45. Der genaue Wert der Anreicherung pro Trophiestufe bei Menschen ist nicht bekannt. Generell wird angenommen, dass die Anreicherung bei Säugetieren allgemein ähnlich ist. Die angegebenen Werte liegen zwischen 3-5 ‰ pro Trophiestufe (Bocherens &

Drucker 2003; De Niro & Epstein 1981; Howland et al. 2003; Jenkins et al. 2001; Post 2002;

Robbins et al. 2005; Sponheimer et al. 2003a; Vanderklift & Ponsard 2002). Der geringe Unterschied der δ15N-Werte zwischen Vegetariern, die zwar kein Fleisch essen, aber durchaus tierische Proteine in Form von Milchprodukten und Eiern zu sich nehmen und omnivoren Personen zeigt, dass die Art der tierischen Proteinquelle kaum Unterschiede in den δ15N-Werten verursachen (Macko et al. 1999).

Die genauen Vorgänge der Anreicherung von 15N im Menschen sind noch nicht bekannt. Es ist bislang nicht geklärt, ob und wie die Anreicherung von 15N mit der Art der Nahrung zusammenhängt (Hedges & Reynard 2007). Obwohl es gegenteilige Ansätze gibt (Robbins et al. 2005), scheint proteinreiche Nahrung zu einer Anreicherung von 15N zu führen (Pearson et al. 2003; Sponheimer et al. 2003a; Sponheimer et al. 2003b). Einige physiologische Effekte sind bekannt, die sich auf die 15N-Werte auswirken können, wie beispielsweise Wachstum oder Hunger (Fuller et al. 2004; Mekota et al. 2006). Auch die inter-individuelle Anreicherung von 15N kann ebenfalls schwanken. Es konnte gezeigt werden, dass die δ15N-Werte in unterschiedlichen Fleischstücken eines Rindes um bis zu 1,5 ‰ schwanken können (Boner 2005).

Ein genauer Schwellenwert, an dem die δ15N-Werte als Unterschiede in der Ernährung und nicht mehr als physiologische oder genetische Variationen gewertet werden müssen konnte bislang noch nicht bestimmt werden (Hedges & Reynard 2007).

45 Die Mediane der Werte für Veganer liegen bei δ13C: -20,9 ‰; δ15N: 6,9 ‰ für Vegetarier bei δ13C: -21,0 ‰; δ15N: 8,7 ‰ und für Omnivore bei δ13C: -20,2 ‰; δ15N: 8,8 ‰ (Macko et al. 1999).

Rekonstruktion der Ernährung

Vereinfacht zusammengefasst, ist von drei Hauptproteinquellen in der Ernährung auszugehen: (1) Pflanzen (2) Säugetiere (Milch und Fleisch) und Vögel (Fleisch und Eier) sowie (3) Fisch. Um valide Aussagen über die Ernährungsweise und die „Trophiestufe“

anhand der Isotopenzusammensetzung eines Individuums treffen zu können, sollten diese möglichen Proteinquellen und deren „pitfalls“ bei der Auswertung der Daten berücksichtigt werden (siehe Hedges & Reynard 2007):

(1) Bei historischen Fundplätzen sind pflanzliche Überreste selten vorhanden und die Validität der δ15N-Werte von Pflanzenfragmenten aus archäologischem Fundgut ist fraglich (Fogel & Tuross 1999). Da aber in der Regel angenommen wird, dass die δ15N-Werte lokaler Herbivoren die Werte der lokalen Vegetation und somit die δ15N-Werte der Pflanzennahrung (bzw. deren Proteine) des Menschen widerspiegeln, kann ein „bio-sampling“ (Hedges &

Reynard 2007) der Werte mit Hilfe der Daten von Herbivoren das Problem der fehlenden Pflanzen-Daten lösen (siehe auch 5.9.4 Rindereichung und Czermak et al. 2006b).

(2) Anhand des gemessenen δ15N-Wertes kann nicht zwischen Nahrungsmitteln tierischen Ursprungs unterschieden werden, also ob die ursprüngliche Proteinquelle Fleisch oder Milch, bzw. Milchprodukte waren (Macko et al. 1999, O'Connel & Hedges, Hedges & Raynard 2007). Daher werden sie in der Regel zusammengefasst. Im Vergleich mit den Isotopendaten aus Tierknochen kann die Position des Menschen im Nahrungsnetz bestimmt werden (Hedges & Reynard 2007). Bei den δ15N-Werten herbivorer Tiere kann es jedoch große Schwankungen geben. Sowohl die δ15N- als auch die δ13C-Werte zwischen verschiedenen Spezies, besonders zwischen Rind und Schaf und zwischen verschiedenen Gräberfeldern können sich deutlich (<1,5 ‰) unterscheiden (Hedges et al. 2004). In diesen Fällen könnte es sich um die Knochen von Jungtieren handeln (Hedges & Reynard 2007), was aber anhand einer genauen paläoanatomischen Bestimmung der Tierknochen ausgeschlossen werden kann (vgl. 5.9.2 Tierknochen).

(3) Der Anteil von Süßwasserfisch in der Nahrung ist anhand der C- und N-Isotopien nicht immer eindeutig zu bestimmen. Fisch hat im Vergleich zu terrestrischen Tieren erhöhte δ15 N-Werte (Richards & Hedges 1999; Schoeninger & DeNiro 1984). Ein größerer Anteil an Süßwasserfisch in der Nahrung zeigt sich in erhöhten δ15N-Werten bei gleichzeitig erniedrigten δ13C-Werten (z.B. Cook et al. 2001; Doppler et al 2010). Erniedrigten δ13 C-Werte können aber auch andere Ursachen haben (z.B. Doppler et al. 2010, siehe auch Anhang 1.5.2 Rekonstruktion der allgemeinen Nahrungsquellen und 5.9.3 δ13C-Werte).

Anhand von Schwefel-Isotopen könnte ein möglicher Anteil von Süßwasserfisch in der Nahrung eindeutiger nachgewiesen werden (Nehlich et al. 2010; Nehlich & Richards 2009).

Zusammenfassend und stark vereinfacht gesagt, müssten Menschen, die sich ausschließlich von Pflanzenproteinen ernähren ähnliche δ15N-Werte haben wie lokale herbivore Tiere.

Menschen, die sich ausschließlich vom Fleisch herbivorer Tiere ernähren müssten δ15 N-Werte der lokalen Herbivoren plus einer Anreicherung von 3-5 ‰ haben wenn ein Fischkonsum eindeutig ausgeschlossen werden kann (Hedges & Reynard 2007; Richards 2006).

Die genauen Einflussfaktoren und Anteile tierischer oder pflanzlicher Nahrung anhand der δ15N-Werte zu bestimmen ist nicht möglich, da individuelle physiologische Unterschiede sowie die Qualität und Zusammensetzung der Nahrung eine Rolle spielen (Hedges &

Reynard 2007). Eine Mischernährung mit pflanzlichen und tierischen Proteinen verläuft nicht einfach linear, die Anreicherung ist auch von der „Qualität“ der Nahrung abhängig. Daher können Unterschiede zwischen pflanzlichem und tierischem Protein bestehen. Dies konnte bislang für verschiedene Säugetiere (Robbins et al. 2005), aber noch nicht für den Menschen nachgewiesen werden (Hedges & Reynard 2007).

Eine genauere Rekonstruktion der Ernährungsweise ist allein anhand der C/N-Isotopen-Methode nicht möglich. Deshalb sollte sie, wenn die genaue Art der Ernährung im Vordergrund der Auswertung liegt, nach Möglichkeit zusätzlich beispielsweise mit einer C/O-Isotopenanalyse aus dem Karbonat kombiniert werden (Doppler et al. 2010). Anhand von

„mixing models“ können Anteile der Ernährung rekonstruiert werden. Mit Hilfe dieser Modelle wird die Wahrscheinlichkeit berechnet, mit der eine potentielle Nahrung konsumiert wurde (z.B. Phillips et al. 2005; Fry 2008; Doppler et al. 2010; Mays 2012). Dafür werden in der

Regel lineare oder modifizierte Massenbalance Modelle und „Bayesian Models“ verwendet, deren Anwendung und die Interpretation der Ergebnisse aber auch kontrovers diskutiert (z.B.

Caut et al. 2008a, 2008b, 2009, 2010; Perga et al. 2010, Auerswald et al. 2010, Casey et al.

2011). Für eine Verwendung dieser Modelle sind direkte Vergleichsdaten z. B.

Pflanzenreste, Tierknochen aus Grabbeigaben oder Siedlungsabfällen, also die Isotopenwerte der potentiellen Nahrung notwendig. Im Falle der vorliegenden Arbeit waren die vorhandenen Vergleichsdaten für eine valide Interpretation nicht ausreichend, bzw. nicht vorhanden (siehe 5.9.2, Tierknochen).

Unerlässlich ist auch weiterhin Grundlagenforschung zur Klärung noch nicht beantworteter Fragen zum Metabolismus und der Fraktionierung der Stabilen Isotope. Mit kontrollierten Fütterungsexperimenten (z.B. Ambrose 2000; Warinner 2010, Zazzo 2010) könnten beispielsweise mögliche Effekte die durch Veränderungen in der Ernährung entstehen überprüft werden. In einigen Studien konnten bereits mit neuen Methoden Änderungen in der Isotopenzusammensetzung zeitlich genauer rekonstruiert werden. Die Laser-Ablation an Zahnschmelz oder Dentin ermöglicht eine punktgenauere Beprobung. Ortswechsel oder Änderungen in der Ernährungsweise können damit genauer detektiert werden (z.B. Richards et al. 2008; Sponheimer et al. 2009; Moran et al. 2011). So könnte die Ernährung von Kindern und Individuen bis zum jungen Erwachsenenalter möglicherweise zeitlich genauer rekonstruiert werden.

Primäres Ziel der Arbeit war es, Unterschiede in der Ernährungsweise zwischen den einzelnen Individuen und Gruppen zu detektieren, um daraus eventuelle soziale Unterschiede ableiten zu können. Da derartige Unterschiede wohl relativ gering sind, ist es sehr fraglich, ob diese anhand einer Analyse von Knochenproben festgestellt werden können, deren Werte die gesamte Ernährung der letzten Jahre wiederspiegelt.

Nahrung und Gesellschaft

Es ist bekannt, dass in einer Gesellschaft Nahrungsmuster bestehen, die Indikatoren für sozialen Status sind (z.B. Steckel 1999). In einer Gesellschaft, in der eine privilegierte Elite regelmäßigen Zugang zu Fisch, Fleisch und tierischen Sekundärprodukten hat, sollten bei Individuen aus dieser Schicht auch höhere δ15N-Werte erwartet werden als in den niedrigeren sozialen Klassen (Richards et al. 1998). Daher werden in den verschiedenen sozialen Schichten gewöhnlich unterschiedliche Isotopen-Werte erwartet, mit einem deutlichen Unterschied zwischen den Gruppen. Bei Richards et al. (1998)46 konnten Gesellschaftsschichten anhand der Isotopenwerte „nachgewiesen“ werden. Die Auswahl an Nahrungsmitteln, besonders bei Fleisch und Milchprodukten, schien für wohlhabende Personen größer gewesen zu sein. Die Unterschiede zwischen den sozialen Schichten waren aber, wie auch bei den hier untersuchten Separatfriedhöfen relativ gering.

Ein regelmäßiger Konsum von tierischen Proteinen (Fleisch und / oder Sekundärprodukte) war anhand der Isotopenanalysen bei allen hier untersuchten Individuen feststellbar. Daher war dies offensichtlich kein „exklusives“ Privileg von Individuen oder Gruppen, sondern normal für die gesamte Gesellschaft bzw. die Population. In einer vergleichbaren Studie aus Dänemark wurden die „Gesellschaftsschichten“ ebenfalls anhand der Beigaben eingeteilt. Es zeigte sich zwar ein signifikanter Unterschied, mit geringfügig höheren δ15N-Werten der Individuen aus den reicher ausgestatteten Gräbern, aber deutliche Unterschiede in der Ernährung zwischen den verschiedenen sozialen Schichten einer Bevölkerung bestanden ebenfalls keine. Auch hier basierte ein größerer Teil der Nahrung auf tierischen Proteinen, unabhängig von sozialem Stand, Alter, Geschlecht oder geographischer Herkunft (Jørkov et al. 2010). Obwohl ein unterschiedlicher Zugriff auf Nahrungsmittel einen signifikanten Unterschied zwischen der Ernährung der privilegierten Klasse und der restlichen Bevölkerung verursachen kann (besonders in Zeiten von Missernten und ökonomischem Stress), so wird dennoch angenommen, dass die Unterschiede in der Nahrung primär eher in der „Qualität“ und / oder der „Wertigkeit“ als in der Verfügbarkeit ihre Ursache haben. Die Auswertung der Daten in Zusammenhang mit den Grabbeigaben zeigt, dass die Angehörigen der verschiedenen sozialen Gruppen unterschiedliche

46 Bestattungsplatz: Poundbury Camp Cemetery Site, Dorchester, England; 48 Individuen. Bei den Gräbern aus spätrömischer Zeit korrelierten Art und Wertigkeit der Bestattung mit den Isotopenwerten (Richards et al. 1998).

Ernährungsgewohnheiten hatten (Privat et al. 2002). In einer weiteren Studie (7. Jhd. n. Chr., Berinsfield, Südengland) von Privat et al. (2002) wurde der Status eines Individuums ebenfalls anhand von Beigaben festgelegt47. Es bestand ein signifikanter Unterschied zwischen den Kategorien, wobei die Individuen aus der niedrigeren sozialen Schicht die höchsten δ15N-Werte zeigten. Dies wird dort mit einem erhöhten Fischanteil in der Nahrung und / oder einem Mehrverzehr von Fleisch omnivorer Tiere (möglicherweise Schwein) erklärt. Die Individuen aus höheren sozialen Schichten müssten sich demnach von Nahrung mit geringeren δ15N-Werten, vermutlich hauptsächlich von Fleisch herbivorer Tiere und / oder Milchprodukten ernährt haben (Privat et al. 2002). Ähnliches ist auch für die heutige Zeit belegt. Moderne Studien zur Ernährung zeigen, dass Menschen aus unteren sozialen Schichten, einen deutlich höheren Fleischkonsum haben. Dies hängt ebenfalls mit der Verfügbarkeit und den Kosten der jeweiligen Nahrungsmittel zusammen (Darmon &

Drewnowski 2008). Die Ernährung der Menschen aus heutiger Zeit ist selbstverständlich nicht mit dem Ernährungsverhalten im frühen Mittelalter vergleichbar. Im frühen Mittelalter waren einige Nahrungsmittel wie beispielsweise Fleisch von besonders „wertvollen“ Tiere sicherlich für Leute höheren Standes bestimmt und standen exklusiv nur für diesen zur Verfügung (Privat et al. 2002). So war beispielsweise Wildfleisch ausschließlich dem Adel vorbehalten („Hochwild“48), wie das im 8. Jahrhundert entwickelte Jagdrecht belegt (Dasler 2008; Rösener 1985; Rösener 1997). Aber auch Haltung und Pflege der Tiere spielte eine Rolle. So benötigt das Halten von Rindern, Schafen oder Ziegen mehr Zeit und Ressourcen als das Halten von Schweinen (Privat et al. 2002). Wenn zudem die Vermehrungsrate der Tiere mit berücksichtigt wird, so dürften Schafe und Schweine den größten Anteil an tierischem Protein in der Nahrung stellen. Sie vermehren sich häufiger als Rinder und sind deshalb ökonomisch gesehen profitabler. So kann ein jährlicher Wurf Schafe aus bis zu drei Lämmern bestehen, bei Schweinen dreimal im Jahr aus bis zu 15 Ferkeln. Rinder hingegen gebären in der Regel nur ein Kalb pro Wurf und Jahr. Es ist daher unwahrscheinlich, dass Fleisch von Kälbern und Jungrindern (unter einem Jahr) von Menschen aus niedrigen sozialen Schichten verzehrt wurde (Jørkov et al. 2010).

Anhand der gemessenen N-Isotopenwerte eines Individuums kann nicht unterschieden werden, aus welcher Quelle das tierische Protein kommt, also ob das Protein aus Fleisch oder tierischen Sekundärprodukten stammt (z. B. Schoeninger & DeNiro 1983; Hedges &

Reynards 2007). Auch die Qualität der Nahrung oder der „Stellenwert“ des Nahrungsmittels kann nicht durch die Isotopenanalyse bestimmt werden (Privat et al. 2002). Die Originalquellen des tierischen Proteins in der Nahrung der Individuen auf den hier untersuchten Bestattungsplätzen müssen ähnlich gewesen sein. Die Art des Nahrungsmittels ist aber anhand der Isotopenanalysen nicht erfassbar (Privat et al. 2002). Ob nun die Verteilung bestimmter ausgewählter Fleischstücke, die auch unterschiedliche Isotopenwerte haben können (Boner 2005, siehe S. 72) und / oder deren Zubereitung einer entsprechenden sozialen Hierarchie folgte, kann anhand dieser Methode nicht festgestellt werden (Jørkov et al. 2010).

Aussagemöglichkeiten über soziale Strukturen

In zahlreichen Studien werden Unterschiede in der Ernährung zwischen Männern und Frauen (z.B. Larsen 1997; White & Schwarcz 1989; Jørkov 2010), zwischen den verschiedenen Altersklassen (z.B. Clayton et al. 2006; Mays et al. 2002) und verschiedenen sozialen Ständen dokumentiert (z.B. Larsen 1997; Privat et al. 2002; Jørkov 2010). Anhand der Isotopenanalysen kann jedoch nicht bestimmt werden aus welcher Quelle das tierische Protein (Fleisch oder Sekundärprodukte) stammt (z. B. Schoeninger & DeNiro 1983, Privat et al. 2002, Jørkov et al. 2010). Definitive Aussagen über die Ernährungsweise können allein durch C/N-Isotopenanalysen aus Knochenkollagen nicht getroffen werden. Auch können bestenfalls die Proteinquellen erfasst werden, nicht jedoch „Qualität“ oder „Wertigkeit“ der Nahrungsmittel (Privat et al. 2002).

47 Die Mittelwerte der δ15N-Werte der eingeteilten Sozialstufen lagen bei „arm“ (n=7): 10,2 ‰, „mittel“ (n=27): 9,6 ‰ und

„reich“ (n=13): 9,5 ‰.

48 Der Begriff Hochwild bezeichnete Wild, dessen Jagd besonders geschätzt wurde und die deshalb dem hohen Adel („Hohe Jagd“) vorbehalten war. Das Niederwild durfte hingegen auch von anderen Personengruppen bejagt werden („Niedere Jagd“) (Rösener 1997). Zum Hochwild gehören u.a. Rot-, Dam- Schwarz-, Stein-, Gams- und Auerwild S. 175 (Hiller 2003).

Aufgrund der hohen Anzahl der fehlenden Messergebnisse bei den einzelnen Friedhofsteilen auf jedem der hier bearbeiteten Gräberfelder ist eine statistische Auswertung im Bezug auf Verteilung und Unterschiede der δ15N-Isotopien zwischen den einzelnen Friedhofsklassen nicht sinnvoll. Die Ergebnisse sind daher als Tendenzen zu werten. Es stellt sich auch die Frage, ob Unterschiede überhaupt „signifikant“ sein können, da sich die δ15N-Werte der Menschen, selbst wenn sie sich fleischlos ernähren (vgl. Macko et al. 1999), doch alle innerhalb der gleichen Wertespanne befinden (vgl. Abb. 5.62). Innerhalb einer Population bestehen nur geringe Unterschiede in den δ15N-Werten, da die Ernährung normale aus einer Mischdiät besteht. Demnach kann hier nicht zwischen „Trophiestufen“ unterschieden werden (3-5 ‰), sondern die Unterschiede sind wesentlich kleiner (0,5-1 ‰). Möglicherweise wären nur in Krisenzeiten signifikante Unterschiede zwischen den sozialen Schichten feststellbar.

Allerdings könnte eine umfassende, langanhaltende Krise auch die Oberschicht beeinträchtigen.

Ein Problem bei der Datenauswertung stellte hier die Einteilung der Friedhofsklassen dar.

Eine Abstufung innerhalb der Separatfriedhöfe ist teilweise erkennbar. Individuen die mit reichen Beigaben bestattet wurden zeigen auch tendenziell höhere δ15N-Werte. Die angenommene Zweiteilung der Separatfriedhöfe konnte auch teilweise bestätigt werden.

Allerdings scheinen hier „hochwertige Beigaben“ ein stärkerer Indikator für soziale Abstufung zu sein als die Friedhofsstruktur (siehe Kelheim). Im Vergleich der Separatfriedhöfe mit den Reihengräbern zeigten die auf den Separatfriedhöfen Bestatteten deutlich höhere δ15 N-Werte, sie ernährten sich also deutlich proteinreicher und ihre Lebenserwartung war höher.

Die Auswahl an Nahrungsmittel, besonders bei Fleisch und Milchprodukten war für wohlhabende Personen mit Sicherheit größer (Jørkov et al. 2010). Schriftquellen belegen, dass im Mittelalter Sitz- und Tischanordnung nach einer strengen Hierarchie geordnet waren.

Am oberen Ende eines breiten Tisches saß der Hausherr, an besonderen Tischen seine Familie und prominente Gäste. Die übrigen Personen saßen auf einfachen Bänken weiter entfernt. Es war auch festgelegt, dass der Rangniedere dem Ranghöheren die Speisen anzureichen und ihm die besten Stücke vorzulegen hatte (Henisch 1976; Laurioux 1999).

Frauen waren im frühen Mittelalter von Banketten und Festessen ausgeschlossen und aßen unter sich in den Frauengemächern (Schubert 2006). Auch war es üblich, dass Kinder bis zu ihrem siebten Lebensjahr nicht an den gemeinsamen Mahlzeiten und Feierlichkeiten teilnahmen (Schultz 1965). Es ist aber anzunehmen, zumal diese Quellen von „Festen“ und

„Banketten“ sprechen, dass die alltäglichen Mahlzeiten von den Haushalten gemeinsam eingenommen wurden und die gereichten Speisen ähnlich waren. So nahmen in bäuerlichen Gemeinschaften die Mitglieder der Familie an einem Tisch Platz und teilten sich meist Teller und Besteck oder aßen aus einem Topf. Wobei auch hier am Kopf des Tisches das Familienoberhaupt saß (Riebesehl 1999). Ebenso galten „gehobene Tischsitten“ als Zeichen von höherem Stand. Der Mann aus dem Grab Etting Grab 3B wurde mit einem Trinkhorn bestattet. Während der Merowingerzeit stellt die Beigabe von Trinkhörnern mit Metallbeschlägen eine selten nachgewiesene, überwiegend auf Gräber gesellschaftlich herausragender Personen begrenzte Erscheinung dar. Die relativ häufige Kombination mit reichhaltigen Gefäß- und Geschirrsätzen in der älteren Merowingerzeit lassen vermuten, dass die so Bestatteten zu Lebzeiten Anteil an den Ess- und Trinksitten einer privilegierten Bevölkerungsschicht hatten. Die Beigabe eines einzelnen Trinkhorns belegt zwar nicht zwingend eine ähnliche Bedeutung, aber vor dem Hintergrund der Beigabenreduzierung im späten 7. und frühen 8. Jahrhundert kam diesem zweifellos eine exklusive Bedeutung zu (Ledderose 2006).

Weitgehend signifikante Aussagen über eine soziale Abstufung in einer Population anhand einer mit tierischen Proteinen angereicherten Ernährung können zum jetzigen Zeitpunkt nicht getroffen werden. Die angenommenen „höheren“ δ15N-Werte der sozial höheren Schichten können auch nicht als allgemeingültig gesehen werden, da sie stets von einer „Minderheit“

der Gesamtpopulation stammen (Hedges & Reynard 2007). Auch aufgrund der häufig geringen statistischen Auswertbarkeit der Daten können Aussagen für ganze Populationen nur begrenzt getroffen werden (siehe Kap. 6: Archäologische und Anthropologische Synthese). Eine Umsetzbarkeit der Hypothese, dass hohe δ15N-Werte, also proteinreiche Ernährung, mit höherem sozialen Stand gleichzusetzen sind, auf beigabenlose Bestattungen späterer Zeit wäre zum jetzigen Zeitpunkt rein spekulativ.