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Diskussion der Aktivitätsmuster und degenerativen Veränderungen

5   Ergebnisse und Diskussion

5.6   Aktivitätsmuster und degenerative Veränderungen (DJD)

5.6.3   Diskussion der Aktivitätsmuster und degenerativen Veränderungen

5.6.3 Diskussion der Aktivitätsmuster und degenerativen Veränderungen

Auch Reiten kann durch die mechanische Belastung des unteren Rückens und der Hüfte ursächlich für degenerative Veränderungen der Wirbel und des Hüftgelenks sein. Dies kann sich auch ausprägen durch eine Verlängerung des superioren Acetabulums, eine Vergrößerung der artikulierenden Gelenkfläche des Femurkopfes und eine hypertrophe Ausprägung der Muskelansatzstellen der Adduktoren und der Glutei (Larsen 1997). Bei den mit Reiterattributen bestatteten Männern (Etting Grab 3) weist nur einer (Grab 3A) eine stärker belastete Lendenwirbelsäule auf. Die Hüftgelenke waren leider in keinem der Fälle erhalten.

Hofmann et al. (2008) konnten bei mittelalterlichen Skeletten eine Prävalenz für Spondylosis deformans Individuen mit „geringer Körperhöhe“ feststellen, besonders bei Männern (Hofmann et al. 2008). In den hier untersuchten Populationen besteht keine Korrelation zwischen Körperhöhe und degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule (BravPears). Auch Männer waren nicht signifikant stärker betroffen (KW).

Arthrosen der Wirbelsäule erscheinen häufig bilateral asymmetrisch. Während in der Hals- und unteren Brustwirbelregion die Ausprägung links dominanter ist, so erscheinen die Veränderungen im oberen und mittleren Thorakalwirbelabschnitt und im oberen Lendenwirbelbereich auf der rechten Seite dominanter (Bridges 1994; Sofaer Derevenski 2000). Die größere Prävalenz an der rechten Seite der oberen Brustwirbelregion wird auf die Anwesenheit der Aorta zurückgeführt, die in dieser Region an der linken Seite der Wirbelsäule nach unten verläuft und die Bildung von Osteophyten dort verhindert (Nathan 1962). Dies ist aber nicht ursächlich für die Entstehung der Veränderungen (Bridges 1994;

Sofaer Derevenski 2000). In der oberen Wirbelsäule, besonders an den Brustwirbeln ist die Asymmetrie am stärksten. Eine Ursache hierfür könnte die Belastung auf die Wirbelsäule sein, die durch mit der Armbewegung assoziierte Muskeln ausgeübt wird. Einige dieser Muskeln (M. trapezius, M. rhomboideus) setzen zu einem großen Teil an der oberen Brustwirbelsäule an. Da die meisten Menschen Rechtshänder sind (Stirland 1993), dürfte die rechte Seite daher stärker belastet werden (Nathan 1962). Aufgrund der auftretenden Asymmetrie in Gruppen mit komplett unterschiedlicher Lebensweise ist es daher unwahrscheinlich, dass diese mit einer bestimmten Tätigkeit zusammenhängen (z. B Speerwurf, Schwertkampf, Hacken etc.), sondern es ist das Ergebnis der verschiedenen Varianten an Tätigkeiten die den Gebrauch der rechten Hand erfordern (Bridges 1994). Die stärkere Ausprägung an der linken Seite in den anderen Regionen könnte eine Art Kompensation sein (Bridges 1994).

Ein Vergleich der Arthrosebelastung der Wirbelsäulenabschnitte C7-Th2 und Th2-Th5 mit den jeweiligen Werten der Humerus-Längen-Dicken Indices, die ein Indikator für Händigkeit sind (vgl. Kapitel 5.6.2 Indices), ergibt eine noch signifikante Korrelation zwischen dem Abschnitt Th2-Th5 rechts und dem Index rechts (r=0,314*; 0,05; Pears). Je höher der Index, also je höher die physische Gesamtbelastung des Armes, desto stärker die Tendenz zu arthrotischen Veränderungen an der rechten Seite des oberen Brustwirbelabschnittes. Dies bestätigt auch hier die Theorie, dass die Entstehung der Asymmetrie durch die stärkere Belastung des rechten Armes entsteht.

Gelenke

Ein wichtiger Aspekt der morphologischen Untersuchung waren Aktivitätsmuster.

Aktivitätsmuster sind alle Spuren am Skelett, die durch häufig ausgeführte Bewegungsabläufe entstehen, also Veränderungen am Knochen, als Folge extremer und/oder ständig wiederkehrender Belastung („wear-and-tear“). Diese manifestieren sich einerseits im Knochen-Dickenwachstum (vgl. Kap. 5.6.2 Indices), andererseits anhand degenerativer Veränderungen der Wirbelsäule oder der Gelenke. Degenerative Veränderungen sind einerseits natürliche Alterserscheinungen oder die Folge unphysiologischer oder übermäßiger körperlicher Belastung, die in ihrer Ausprägung durch unterschiedliche Faktoren beeinflusst werden. Aber auch Tätigkeiten, die keine „schwere Arbeit“ sind, aber dennoch regelmäßig ausgeführt werden, können zu einem Verschleiß der Gelenke führen. Zum Beispiel kann häufiges Reiten Arthrose am Knie begünstigen (Molleson 2003) und auch die Hüftgelenke werden beansprucht. Auch durch Sitzen können

degenerativen Veränderungen entstehen, durch diese unphysiologische Belastung ist vor allem der Lendenwirbelbereich betroffen (Witt et al. 1987).

Es besteht hier eine signifikante positive Korrelation zwischen δ15N-Werten und Arthrosestärke in allen untersuchten Gelenken (Schulter: r=0,224**, Elle: r=0,293**, Hüfte:

r=0,356**, Knie: 0,280** p=0,01, Fuß: 0,205* p=0,05; BravPears). Je höher also die δ15 N-Werte, desto stärker die Ausprägung der Gelenksarthrose.

Ein hoher Anteil tierischen Proteins, besonders Fleisch, stellt ein Risiko für Gicht dar (Choi et al. 2004). Gicht könnte eine mögliche Ursache bei der Entstehung degenerativer Veränderungen sein. Als Folge von Entzündungsreaktionen werden dabei die Gelenke abgenutzt und zerstört (Gröbner & Walter-Sack 2002). Die Ausprägungen am Knochen sind charakteristisch, mit scharfen Kanten neben den Artikulationsflächen (Hacking et al. 1994) und Stanzdefekten in der Spongiosa (Gröbner & Walter-Sack 2002). Die Veränderungen treten in der Regel asymmetrisch auf (Hacking et al. 1994). Gicht geht häufig mit einer Nierenfunktionsstörung einher (Becker & Seegmiller 1974). Dabei müssten gleichzeitig auch Krisenringe im Zahnzement entstehen (Kagerer & Grupe 2001a). Bei Verdacht auf Gicht könnte eine Überprüfung der Zahndünnschnittbilder auf breite, helle Linien im Zahnzement die Hypothese unterstützen (siehe 5.3.4 Entstehung der Zahnzementringe). Gicht tritt bei Männern häufiger auf, in der Regel mit fortgeschrittenem Alter und bei Frauen meist erst nach der Menopause (Wortmann 2002). Jüngere Individuen können also ausgeschlossen werden. Die Zahnzementbilder von Individuen, auf die genannte Kriterien zutreffen (Brm 42, Ett 5, GrmB3 57, GrmB1 71, GrmB2 117/II), zeigten keine auffälligen Krisenringe im Zahnzement. Die Individualbefunde zeigen auch, dass die Individuen mit stärker ausgeprägter Arthrose nicht unbedingt höhere δ15N-Werte aufweisen als arthrosefreie. Ein derartiger „Nachweis“ von Gicht ist so also nicht möglich.

Es stellt sich die Frage, warum hier einige jüngere Menschen teilweise stärker belastet sind als ältere. Belastungsspuren werden in der Regel mit zunehmendem Alter stärker, besonders an den Gelenken der oberen Extremitäten (Ortner 1968). Dies ist, unabhängig von der vorangegangenen physischen Belastung als normale Alterserscheinung anzusehen (Larsen 1997). Es gibt eine große Variationsbreite degenerativer Veränderungen und die Ausprägung ist stets in Relation zum Individualalter zu sehen. So können in einigen Populationen bereits Jugendliche und junge Erwachsene stark ausgeprägte Arthrosen aufweisen (Chapman 1972; Larsen 1997), in anderen Populationen können degenerative Veränderungen aber auch erst jenseits des dreißigsten Lebensjahres auftreten (Dekker et al.

1992). Eine hohe Variationsbreite muss deshalb stets mit den lokalen Umständen verglichen werden (Larsen 1997). Die Ausprägung der Veränderungen kann sowohl bei Männern als auch bei Frauen stark variieren (Bridges 1992), wobei Männer eine größere Prävalenz haben als Frauen. Dies kann meist auf unterschiedliche Arbeitsbelastungen zurückgeführt werden (Larsen 1997). Männer zeigen aber generell einen weiteren Variationsbereich in der Ausbreitung von Arthrosen, unabhängig von Wirtschaftsform oder gesellschaftlichen Zusammenhängen (Bridges 1992; Larsen 1997).

Die oberen Extremitäten und der Schultergürtel erscheinen am besten geeignet um aktivitätsbedingte Unterschiede einzuschätzen (Bridges 1994; Jurmain 1977; Ortner 1968).

Da der Ellenbogen beim Tragen von schweren Dingen in der Regel nicht durch Zugbelastung beansprucht wird, muss eine andere mechanische Beanspruchung aus Druck und Bewegung der wichtigste Faktor für die Entstehung degenerativer Veränderungen sein (Ortner 1968). Historische Quellen belegen eine geschlechtsspezifische Arbeitsteilung seit dem achten Jahrhundert. Dort wird den Frauen vor allem die Tätigkeit „im Haus“ zugeordnet, dem Mann „Feld, Wald und Wildnis“, sowie „Stall und Scheune“ (Kuchenbuch 1986). Nach dem Pflügen mussten die Erdschollen mit der Hand zerteilt werden, Unkräuter gejätet und das Feld von Zeit zu Zeit umgegraben werden und auch der Stall musste gepflegt werden.

Die zu diesem Zwecke verwendeten Werkzeuge (Forken, Sicheln, Jäthacken, Spaten etc.) wurden in zahlreichen mittelalterlichen Abbildungen dargestellt (Borst 1983). Durch alle diese Gerätschaften werden hauptsächlich Arm und Schulterbereich beansprucht (Abb. 5.43 A-E).

Aber auch die Wirbelsäule wird durch das Tragen schwerer Lasten oder Graben, bzw.

Pflügen stark beansprucht (Gracovetsky & Farfan 1986; Lovell 1994; Tyrrell et al. 1985). In

mittelalterlichen ländlichen Gemeinschaften waren hauptsächlich die Männer für das Tragen von schweren Dingen verantwortlich. Auch andere schwere Arbeit wie beispielsweise Pflügen waren Aufgabe der Männer (Sofaer Derevenski 2000).

Die hier untersuchten Männer tendieren zwar zu einer allgemein stärkeren Belastung der Gelenke, es bestehen aber keine signifikanten Unterschiede zwischen Männern und Frauen, außer an den Schultergelenken. Dies lässt sich mit einer sicherlich in gewissem Maße vorhandenen Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern erklären (Larsen 1997). Männer dürften aufgrund ihrer physischen Konstitution die anfallenden schweren Arbeiten erledigt haben. Vermutlich hauptsächlich solche, bei denen Arme und Schultern stark belastet werden. Obwohl eine Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen bestand, gab es eine große Bandbreite an Tätigkeiten die von beiden Geschlechtern ausgeübt wurden (Sofaer Derevenski 2000). Ebenso darf für die Zeit der Ernte nicht von einer Arbeitsteilung ausgegangen werden. Hier wurden auch Frauen zur Feldarbeit herangezogen (Kuchenbuch 1986).

Auch durch das Tragen von Waffen kann bei Männern der Schulter- und Armbereich verstärkt belastet werden (Larsen 1997). In dieser Untersuchung zeigten Männer, die mit Waffen bestattet wurden, jedoch kein höheres Arthrosevorkommen. Waffen als Beigaben sind vermutlich eher ein Hinweis auf sozialen Status als auf das Kriegshandwerk (vgl. 5.8.2 Hiebverletzungen).

In dieser Arbeit wurde die Hypothese untersucht, ob soziale Unterschiede und eine daraus folgende entsprechende Arbeitsbelastung mit Sicherheit eine große Rolle bei degenerativ-produktiven Veränderungen am Skelett spielen. Sozial niedriger gestellte Personen sollten eine stärkere Arbeitsbelastung gehabt haben, die auch am Skelett sichtbar ist, aber auch an Skeletten höher gestellter Personen sind teilweise die gleichen Abnutzungserscheinungen zu erkennen (Zoege v. Manteufel 1983). Allerdings können anhand der Häufigkeit von Verschleißerscheinungen an den Gelenken und der Wirbelsäule, keine direkten Rückschlüsse auf den sozialen Status eines Kollektivs gezogen werden. Ein Individuum ohne degenerative Veränderungen muss nicht unbedingt einer höher gestellten Schicht angehören oder Angehörige der niederen Schichten müssen auch nicht zwingend degenerierte Gelenke haben (Bergner 1995; Stloukal 1970; Stloukal & Vyhnánek 1975;

Zoege v. Manteufel 1983). Es ist auch in verschiedenen Zeiträumen eine unterschiedliche Häufigkeit von Wirbelsäulenerkrankungen zu erkennen (Zoege v. Manteufel 1983), die vermutlich davon abhängen kann, wie gut es der Bevölkerung zu bestimmten Zeiten geht.

Es ist anzunehmen, dass in den relativ kleinen, dörflichen Gemeinschaften des frühen Mittelalters jedes Mitglied, auch die höher gestellten Personen, Arbeiten zu verrichten und ihren Beitrag zum Gemeinwohl zu leisten hatten, zum Beispiel während der Erntezeit. Aber auch täglich zu verrichtende Arbeiten wie Holzbeschaffung, Kochen oder Herstellung von Kleidung führten mit Sicherheit nicht nur Bedienstete aus. „Nichtstun“ konnte sich in diesen weitgehend autarken Gemeinschaften wohl so gut wie niemand leisten.

Abb. 5.431: Darstellung von Bäuerlichen Arbeiten im Mittelalter (A-E). Die Abbildungen stammen aus dem Früh- (E), Hoch- (A) und Spätmittelalter (B, C, D). Die verrichteten Arbeiten und deren Technik dürften sich aber im Verlauf des Mittelalters nicht wesentlich verändert haben.

(A) Darstellung von Saat- und Erntearbeiten. Aus einem Speculum virginum, mittelrheinisch, um 1190 n. Chr.

Ursprüngliche Bedeutung der Darstellung ist die symbolische Wertung der Frau vor Stationen der Feldarbeit (aus Borst 1983).

(B) Lastentragende. Die Holzbündel wurden auf Kopf und Schultern transportiert. Szene aus dem „Buch der Weisheit der alten meister“ Druck von Leonhard Holl in Ulm, 1483 (aus Borst 1983).

(C) Arbeit von Frau und Mann nach altchristlich-mittelalterlichem Verständnis. Aus dem „Spiegel menschlicher Behaltnis“, gedruckt von Anton Sorg, Augsburg 1476 (aus Borst 1983).

(D) Lastentragende mit Kiepe (links) und Korb (rechts). Die Lasten wurden an Stangen auf der Schulter oder in Körben auf dem Rücken getragen.

Szene aus dem „Ulmer Aesop“ des Johannes Zainer, um 1476 (aus Borst 1983).

(E) Bauern bei der Feldarbeit.

Stuttgarter Psalter (Saint-Germain-des-Prés, um 820 n. Chr.) (Quelle: www.uni-saarland.de/verwalt/presse/campus/200 4/2/bilder/39-landarbeit.jpg, Stand 03.08.2010).

Zusammenfassung

Auf allen Bestattungsplätzen nehmen die degenerativen Veränderungen der Individuen mit höherem Alter zu. Die Individuen aus Kelheim sind in den adulten und maturen Altersklassen signifikant stärker belastet als die Separatfriedhöfe Bruckmühl, Etting, und Großmehring B3, aber vor allem sind sie stärker betroffen als das Reihengräberfeld Großmehring B1B2B4.

Genetische und umweltbedingte Unterschiede können tatsächliche Unterschiede in der Ausprägung von arthrotischen Veränderungen generieren (van Saase et al. 1989). Da es Hinweise auf Eisengewinnung im Umfeld des Kelheimer Friedhofs gibt (Hoops 2003; Meier 2004), könnte die stärkere physische Belastung der dort Bestatteten durch Tätigkeiten in der Eisenverhüttung erklärt werden. Die fehlenden Beigaben könnten auch auf eine weniger wohlhabende Gesellschaft hinweisen. Dieser Aspekt ist jedoch nicht unbedingt zutreffend, da die Sitte, Verstorbene mit Beigaben zu bestatten generell mit dem Beginn des 8.

Jahrhunderts verschwindet (Czermak et al. 2006b, Ledderose 2008).

Durch die Untersuchung der degenerativen Veränderungen sollten bestimmte Muster von spezialisierter, Status bedingter Arbeit direkt nachgewiesen werden können (Larsen 1997;

Tainter 1980). Vergleichende Studien bei sozial abgestuften prähistorischen Populationen weisen darauf hin, dass Individuen höheren sozialen Standes weniger belastenden Aktivitäten ausgesetzt waren als Individuen niederen Standes (Larsen 1997; Tainter 1980).

In dieser Untersuchung war im direkten Vergleich kein Unterschied in der Belastung der Gelenke zwischen dem Großmehringer Separatfriedhof und dem Reihengräberfeld erkennbar. Im Bereich der Wirbelsäule sind sogar die separat Bestatteten (Grm B3) stärker betroffen als die Individuen des Reihengräberfeldes (Grm B1B2B4). Auch im Vergleich mit den anderen Separatfriedhöfen sind die in Reihengräbern Bestatteten nicht stärker belastet.

Die Individuen aus dem Separatfriedhof Kelheim zeigen sogar signifikant höhere Werte als die Reihengräber, besonders in der Hüfte und der Schulter. Unterschiede in der Stärke der Arthroseausprägung zwischen verschiedenen Populationen könnten mit der Subjektivität der Untersuchenden („interobserver variation“) begründet werden (van Saase et al. 1989). Die Kelheimer Population unterscheidet sich jedoch in den Ergebnissen der Isotopenanalyse ebenfalls deutlich von den anderen untersuchten Gräberfeldern (siehe 5.9 Isotopenanalyse).

Die Kelheimer Population fügt sich auch generell nicht in das postulierte Schema der Separatgrablegen ein (Czermak et al. 2006b; Strott 2006).

Robb et al. (2001)32 konnten ebenfalls keine Übereinstimmung zwischen Bestattungsart und biologischem Status festgestellt. Individuen die qualitativ unterschiedlich bestattet wurden waren bezüglich ihrer am Skelett erkennbaren Gesundheit nicht zu unterscheiden. (Robb et al. 2001). Die gängigen paläopathologischen Anzeichen für physische Belastung waren auch dort gegensätzlich zur Bestattungsart. Die archäologischen Beweise (Beigaben, Grabeinbauten, Friedhofstruktur) können vermutlich auch nicht in dem angenommenen Maß den ökonomischen Status oder die Lebensweise reflektieren. Wobei sich in der Gesamtheit der Befunde herausgestellt hat, dass die Beigabenausstattung ein besserer Indikator für sozialen Stand ist als die Friedhofsstruktur.

Für Aussagen Populationen oder soziale Schichten betreffend hat sich die Untersuchung von degenerativen Veränderungen am Skelett nicht als Mittel der ersten Wahl herausgestellt.

Vermutlich sind die am Skelett sichtbaren biologischen Indikatoren nicht dafür geeignet feinere Unterschiede in den Lebensbedingungen deutlich zu machen. Welche Skelettbefunde als „sozial signifikant“ gewertet werden können hängt von den lokalen spezifischen Arten physischer Belastung ab und deren sozialer Einteilung (Robb et al. 2001).

Ein weiteres Problem bei der statistischen Aufarbeitung der Daten waren hier die geringen Individuenzahlen (<20) in den einzelnen Altersklassen. Bei der Interpretation der Daten mussten extreme Einzelbefunde vernachlässigt werden (vgl. Wirbelsäulenbefund Bruckmühl). Anhand der degenerativen und pathologischen Veränderungen am Skelett können jedoch Aussagen über Individualbefunde getroffen und Fallstudien durchgeführt werden (Wood et al. 1992).

32 Eisenzeitliche Bestattungen, Pontecagnano (Salerno, Italien).

Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule sind ebenfalls kein ideales Mittel um die Auswirkung von normalen Aktivitätsmustern und Arbeitsbelastungen zu beschreiben.

Untersuchungen des Verhältnisses von Biomechanik, funktionsbedingter Beanspruchung und degenerativen Veränderungen zeigten, dass die angenommene klare Verbindung zwischen degenerativen Veränderungen und Aktivitätsmustern weder biologisch noch medizinisch nachgewiesen werden konnte (Knüsel et al. 1997). Um einen höheren Schweregrad zu generieren müssten die einwirkenden Kräfte wahrscheinlich deutlich stärker sein als dies durch Bewegung oder häufige Beanspruchung möglich wäre (Lovell 1994).

Zwischen physischer Aktivität und Arthrose besteht allerdings kein zwingender Zusammenhang. Schwere und/oder kontinuierliche Tätigkeiten müssen nicht zwangsläufig zu degenerativen Veränderungen führen. Ebenso ist es nicht möglich, spezifische Aktivitäten oder Tätigkeiten anhand des Skelettes nachzuweisen (Larsen 1997; Waldron 1994).

Untersuchungen konnten keinen direkten Zusammenhang zwischen spezifischen Tätigkeiten und den daraus folgenden spezifischen degenerativen Veränderungen herstellen (Jurmain 1990).

Arthrosen kommen in allen Populationen vor und liefern ein Bild von kumulativen Effekten, verursacht durch mechanischem Stress und Alterserscheinungen die auf den Körper einwirken (Larsen 1997), aber auch durch Geschlecht, Hormonspiegel und genetische Prädisposition (Stirland 1998; Wilczak 1998). Es ist nicht möglich pauschale Aussagen über die Art der Arbeitsbelastung oder Lebensumstände zu machen (Kelly 1992; Larsen 1995).