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Diskussion der Paläodemographie und Berechnung der Siedlungsgröße

5   Ergebnisse und Diskussion

5.4   Demographische Berechnungen

5.4.2   Diskussion der Paläodemographie und Berechnung der Siedlungsgröße

5.4.2 Diskussion der Paläodemographie und Berechnung der Siedlungsgröße

produktivsten und vor allem reproduktivsten Lebensphase ihren Beitrag zur Weiterentwicklung der Gesellschaft liefern.

Auffallend ist der geringe Anteil an Männern und Frauen zwischen 20 und 30 Jahren. Für präindustriellen Bevölkerungen wird in der frühadulten Altersklasse eine erhöhte Sterblichkeit angegeben (Herrmann et al. 1990). Diese Aussage trifft auf den Friedhof Bruckmühl zu. Bei den anderen hier ausgewerteten Bestattungsplätzen, sowohl bei den Separatgrablegen als auch bei dem Reihengräberfeld, erscheint der Sterbegipfel um ein bis zwei Altersklassen nach hinten verschoben.

Die Sterbealtersbestimmung, sowohl morphologisch als auch mit Hilfe der TCA ist in den Altersklassen der Jugendlichen und jungen Erwachsenen sehr genau und valide. Eine Falschbestimmung, zumindest in diesen Altersklassen, kann daher weitgehend ausgeschlossen werden. Eine These für „fehlende“ Männer auf einem Gräberfeld wäre, dass ein Teil der Männer im Zuge von Kriegshandlungen zu Tode gekommen ist und deshalb nicht auf dem „heimischen“ Gräberfeld bestattet wurde (Müller 1976). Da sich die Friedhöfe Etting, Großmehring und Kelheim, im Gegensatz zu Bruckmühl in geographischer Nähe befinden, könnte eine kriegerische Auseinandersetzung in diesem Gebiet eine mögliche Erklärung für die „fehlenden“ jungen Männer sein. Dies stimmt auch in etwa mit historischen Quellen überein (vgl. Kap. 2.1.1 Historische Hintergründe). Dafür müssten aber alle Friedhöfe genau zeitgleich sein, was jedoch archäologisch nicht eindeutig belegt werden kann (Ledderose 2006; Meier 2004; Suhr & Fehr 2007). Generell lässt sich die These von Müller (1976) nicht verallgemeinern. Demnach müssten, im Falle einer größeren kriegerischen Auseinandersetzung generell alle Männer im waffenfähigen Alter, also sicherlich bis in die maturen Altersklassen, in der Rekonstruktion der Bevölkerung unterrepräsentiert sein. Außerdem wurden einige Individuen, die nachweislich aufgrund von Kampfhandlungen verstarben auch auf den untersuchten Friedhöfen bestattet (vgl. Kap.

5.8.2 Hiebverletzungen). Gegen diese Theorie spricht ebenso, dass auch Frauen in dieser Altersklasse unterrepräsentiert sind.

Das Fehlen junger Erwachsener beiden Geschlechts könnte auch mit dem aufkeimenden Christentum in Zusammenhang gebracht werden, das sich im 7. Jahrhundert langsam in Bayern ausbreitete (Mayr 1988). Da angenommen wird, dass die „Christianisierung“ von der adeligen Oberschicht ausging (Gillich 2008), wäre es möglich, dass sich die junge Oberschicht im Sinne des „neuen Glaubens“ bereits auf anderen Bestattungsplätzen, auf

„christliche Friedhöfen“ bestatten ließen, während die „Alten“ noch nach der „alten Sitte“ mit Beigaben beigesetzt wurden (vgl. Kap. 2.1.1 Historische Hintergründe). Dies könnte auch die geringe Anzahl an kleinen Kindern erklären, die eventuell auch bereits auf christlichen Friedhöfen bestattet wurden. Inwieweit es sich jedoch der neue Glaube im Großteil der Bevölkerung durchgesetzt hat ist nach wie vor unklar, da Zeichen eindeutigen Bekenntnisses in den Gräber kaum vorkommen (Gillich 2008). Die Rolle der Separatfriedhöfe in diesem Kontext ist auch nicht eindeutig geklärt (Gillich 2008; Ledderose 2006; Theune-Großkopf 2001). Außerdem sind nicht nur auf den Separatfriedhöfen, den postulierten Oberschichtengräbern, sondern auch auf den Reihengräberfeldern die jungen Erwachsenen unterrepräsentiert.

Berechnung der „Lebendpopulation“ und der Siedlungsgröße

Kritische Größe bei der Berechnung der Lebendbevölkerung und der Siedlungsgröße ist die Belegungsdauer (t) des Friedhofes, die eine gute Datierbarkeit der Bestattungen voraussetzt (Herrmann et al. 1990). Die genaue archäologische Datierung und somit die genaue Belegungsdauer der Bestattungsplätze stellte hier das größte Problem bei den paläodemographischen Berechnungen, besonders bei der Berechnung der Siedlungsgröße dar. Aufgrund der hohen Anzahl an beigabenlosen Gräbern, begründet durch die vermutlich christlich indizierte schwindende Beigabensitte im frühen Mittelalter war es nicht möglich genauere Aussagen über Datierung, Chronologie und Belegungsdauer zu treffen (Ledderose 2006). Um dennoch eine Berechnung der Lebendpopulation durchführen zu können, wurde anhand der ungefähren archäologischen Daten eine Belegungsdauer von ein bis zwei Generationen (20 bis maximal 40 Jahre) ausgegangen.

Lange Zeit galt ein merowingerzeitlicher Friedhof als Spiegelbild der Bevölkerung eines Dorfes (Donat & Ullrich 1971). Steuer (1988) postuliert jedoch, dass zunächst die gesamte Gemarkung inklusive Siedlung erforscht werden sollte bevor Berechnungen zur Bevölkerungsgröße gestattet werden, da Gräberfelder ohne zugehörige Siedlungen unter bevölkerungsstatistischen Überlegungen allein nicht auswertbar sind. Die Größe der Gräberfelder stehe zwar für verschiedene Gemeinschaften wie „Hofbesatzung" oder

„Dorfbewohnerschaft“, der direkte Bezug eines Gräberfeldes zu einer Siedlung wäre jedoch so ohne weiteres nicht nachvollziehbar. Da im Laufe des 7. und frühen 8. Jahrhunderts die Reihengräberfriedhöfe aufgegeben wurden und sich Separat-, Hof- und Kirchengrablegen bilden, ergibt sich die Schwierigkeit, aus der Größe und der Zahl der Bestattungsplätze die einstmalige Einwohnerzahl zu errechnen. Solange die assoziierten Siedlungen nicht vollständig ergraben wurden, wird es schwer möglich sein, einigermaßen verlässliche Zahlen über Bevölkerungsgrößen einer Siedlung zu bekommen (Steuer 1988).

Die Berechnung der Lebendbevölkerung und der Siedlungsgröße kann in jedem Fall nur eingeschränkt sinnvoll sein, da zu viele Ungenauigkeitsfaktoren den berechneten Wert beeinflussen können. Die Bestimmung des Sterbealters der einzelnen Individuen erfolgt nur ungefähr, demnach kann auch die daraus berechnete Lebenserwartung zum Zeitpunkt der Geburt (e00) nur ein angenäherter Wert sein. Auch das für die Berechnung verwendete statische Bevölkerungsmodell bedingt eine gewisse Fehlbestimmung des Bevölkerungsumfanges, die nur annähernd durch den verwendeten Korrekturfaktor ausgeglichen werden kann. Auch eine auf etwa zehn Jahre genaue Datierung der Gräberfelder ist, auch wenn ausreichend Beigaben vorhanden sind eher selten möglich. Des Weiteren beruhen die Angaben zur Anzahl der Personen aus einem Gehöft lediglich auf Annahmen (Abel 1962; Jankuhn 1976). Die berechneten Werte können daher nur eine Annäherung an den tatsächlichen Bevölkerungsumfang sein und einen ungefähren Überblick über die untersuchte Population geben.

Siedlungen im frühen Mittelalter

In der Merowingerzeit ist, ausgehend von den besiedelten Kernlandschaften an der Donau, ab dem siebten Jahrhundert ein deutlich erkennbarer Landausbau und ein erhebliches Bevölkerungswachstum sichtbar (Jankuhn 1976; Menke 1988). Aus kleineren Höfegruppen des 6. Jahrhunderts sind im 7. Jahrhundert zum Teil große Dörfer entstanden (Jankuhn 1976). Im 7. Jahrhundert gab es zusätzlich zahlreiche Ortsneugründungen. Ortsnamen mit den Endungen -ing und -heim zeugen von einer Ortsgründung im frühen Mittelalter, ab dem 7. und 8. Jahrhundert endeten die Namen der neugegründeten Siedlungen auf dorf, -hausen und -hofen (Diepolder 1988).

Als Modell ländlichen Lebens ist die römischen „villa rustica“ zu sehen. Das Produktionszentrum eines römischen Landherren, auf dem eine Vielzahl von Menschen verschiedenster sozialer Stellungen arbeitete und die alle zur „familia“ gehörten, der Gemeinschaft aller Personen des Haushaltes. Aus dem Wort „villa“ wurde in den romanischen Sprachen das Wort für „Dorf“ oder „kleine Siedlung“. Als „familia“ wurde im Mittelalter der soziale Verband um eine geistliche oder weltliche Herrschaft, wie Kloster oder Herrenhof genannt. Der germanische Herrenhof beherbergte wie die villa rustica Menschen in differenzierter Sozialstruktur: die Familie des Herren, seine kriegerischen Gefolgsleute, Handwerker, qualifizierte und unqualifizierte Knechte und Mägde (Brunner 1988). In etwa dieser Art dürften auch die frühmittelalterlichen Siedlungsgemeinschaften strukturiert gewesen sein. Aus archäologischen Siedlungsgrabungen können Häuser und Siedlungen teilweise rekonstruiert werden (Diepolder 1988; Geisler 1988). Eine Siedlung bestand aus einzelnen Hofstellen. Zu einem Gehöft gehörten in der Regel mindestens ein größerer Pfostenbau, einige Grubenhäuser und ein Brunnen. Die Pfostenbauten dienten als Wohnhäuser, Stall und Vorratslager (Abb. 5.28). Dabei handelte es sich ausschließlich um stroh- oder schilfgedeckte Holz und Lehmbauten (Geisler 1988).

Da die Wirtschaft des frühen Mittelalters kleinräumig war, erzeugten die Menschen in ihrem engeren Lebensraum die benötigten Dinge und waren somit alle direkt oder indirekt von der Landwirtschaft abhängig. Dort wurden kaum Überschüsse erzeugt, so dass es in guten Jahren für alle reichte, schlechte Jahre aber Hunger bedeuteten (Brunner 1988).

Lebensbedingungen können jährlich wechseln, einen Einfluss auf die Ernährung, die Arbeitsbelastung haben und Anfälligkeit gegen Krankheiten nach sich ziehen. Aufgrund der Kleinräumigkeit können sich auch Ereignisse wie Ernteausfällen aufgrund von eventuell nur lokal vorkommender Naturkatastrophen wie Hagel, Überschwemmung oder vereiste Flüsse (Brunner 1988) auf einzelne Siedlungen auswirken, die sich auch in mehreren darauf folgenden Jahren bemerkbar machen können (Zoege v. Manteufel 1983). Daher ist es möglich, dass sich anthropologisch erhobene Daten wie Rekonstruktion der Ernährungsweise und Arbeitsbelastung von Individuen und Populationen aus Orten, die geographisch nicht weit voneinander entfernt sind deutlich voneinander unterscheiden (Zoege v. Manteufel 1983).

Abb. 5.28: Idealisierte Darstellung eines bajuwarischen Dorfes mit Herrenhof und bäuerlichen Hofstellen (Diepolder 1988).

Soziale Aspekte von Lebenserwartung und Geschlechterverteilung

Anhand demographischer Parameter wie Lebenserwartung, Sterberisiko in den einzelnen Altersklassen und vor allem anhand der Kindersterblichkeit können Rückschlüsse auf den Zustand der untersuchten Population gezogen werden.

Die berechnete Lebenserwartung zum Zeitpunkt der Geburt (e00) liegt bei allen untersuchten Bestattungsplätzen zwischen 25 und 32 Jahren, wobei die Lebenserwartung der Individuen auf dem Reihengräberfeld Großmehring B1B2B4 etwa vier bis fünf Jahre niedriger war als die der Separatfriedhöfe. Nur Bruckmühl wies mit ca. 25 Jahren die niedrigste Lebenserwartung auf. Dieser „berechnete“ Wert könnte aber möglicherweise durch

„fehlende“ ältere Individuen erklärt werden. Einerseits war dieser Bestattungsplatz nicht vollständig ergraben (siehe Kap. 4.3), andererseits könnten die älteren Personen noch traditionell auf einem Reihengräberfeld bestattet worden sein, während sich die Jungen bereits „separierten“.

Generell war die Lebenserwartung der hier untersuchten Populationen für das frühe Mittelalter relativ hoch (Langenscheidt 1985). In einer vergleichbaren Studie in der

„Oberschicht“ und „Unterschicht“ auf einem Gräberfeld untersucht wurden liegt die mittlere Lebenserwartung der Gesamtpopulation ebenfalls bei etwa 30 Jahren, wobei die Lebenserwartung der postulierten „Oberschicht“ um etwa fünf Jahre höher war als die der

„Unterschicht“ (Kokkotidis 1999). Dies deckt sich mit den hier erhobenen Daten, wonach die Lebenserwartung auf dem Reihengräberfeld Großmehring B1B2B4 ebenfalls um dieselbe Spanne niedriger ist als die auf dem separaten Teil Großmehring B3.

Geschlechterverteilung

Die Frauen haben hier generell eine etwas höhere Lebenserwartung als die Männer, auf dem Separatfriedhof Großmehring B3 ist sie annähernd gleich. Kelheim stellt auch hier wieder eine Ausnahme dar, da die dort berechnete Lebenserwartung der Männer um etwa fünf Jahre höher ist als die der Frauen (Strott 2006). Bei Kokkotidis (1999) lag, ähnlich wie in Kelheim, die allgemeine Lebenserwartung der Männer um etwa vier Jahre höher als die der Frauen. Für die niedrigere Lebenserwartung der Frauen werden häufig erhöhte Risiken während der fertilen Lebensphase aufgrund von Schwangerschaften, Geburten und Krankenpflege angeführt. Dies müsste zwar alle Bevölkerungsschichten gleich betreffen, aber aufgrund der möglicherweise schlechteren Lebensbedingungen besonders die Unterschicht (Kokkotidis 1999).

Auf den Separatgrablegen Etting, Großmehring B3 und Kelheim herrschte ein tendenzieller Männerüberschuss, auf den Reihengräbern Großmehring B1B2B4 ein signifikanter Frauenüberschuss. Die Ausnahme stellt hier der Friedhof Bruckmühl, der im Gegensatz zu den anderen Separatfriedhöfen einen deutlichen Frauenüberschuss aufweist.

In der Studie von Kokkotidis (1999) war das Geschlechterverhältnis zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Schichten ebenfalls unausgeglichen. Hier zeigte aber die

„Unterschicht“ einen Männerüberschuss (MI 113,9), während in den Gräbern der

„Oberschicht“ mehr Frauen (MI 85,7) bestattet wurden (Kokkotidis 1999). Auch hier könnten kriegerische Auseinandersetzungen für das „Fehlen“ der Männer verantwortlich gemacht werden (siehe oben). Vor einer genaueren Interpretation sollte jedoch die genaue Verteilung der Geschlechter in den jeweiligen Altersklassen berücksichtigt werden.

Bei Betrachtung der einzelnen Altersklassen befindet sich bei allen Geschlechtern und auf allen hier untersuchten Bestattungsplätzen die meisten Individuen zwischen der mitteladulten und frühmaturen Altersklasse. Lediglich in Bruckmühl finden sich deutlich mehr junge Frauen. Die Sterbewahrscheinlichkeit (qx) ist jedoch dort in der Altersklasse nicht erhöht (vgl.

Abb. 5.26). Ebenfalls anders als bei Kokkotidis (1999), zeigte sich hier in keiner Altersklasse ein signifikanter Überschuss eines Geschlechtes. Auch ein Männerüberschuss ab dem 20.

Lebensjahr, der einem „sekundären Frauendefizit“, bedingt durch ein höheres Sterblichkeitsrisiko der Frauen während der fertilen Phase entspricht (Wahl 2001) konnte in dieser Untersuchung nicht festgestellt werden.

Erhöhte Sterblichkeit (qx) findet sich bei Männern in Etting um die dreißig und in GrmB1B2B4 in sA im Vergleich zu den anderen hier untersuchten Bestattungsplätzen, in den höheren Altersklassen nimmt sie bei allen Friedhöfen gleichermaßen zu. Bei Frauen tritt allgemein eine erhöhte Sterblichkeitswahrscheinlichkeit in der spätadulten Altersklasse, als in etwa Mitte dreißig auf. Ähnlich wurde auch bei Kokkotidis (1999) festgestellt, aber eine höhere Sterblichkeit explizit von Männern aus der Oberschicht im Alter zwischen 20 und 40, die auf eine kriegerische Lebensweise zurückzuführen wäre (Kokkotidis 1999), wäre zwar denkbar (vgl. Kap. 2.1.1 Historische Hintergründe), konnte hier nicht eindeutig nachgewiesen werden (vgl. Kap. 5.8.2 Hiebverletzungen), zumal auch hier die Frauen in den selben Altersklassen betroffen sind.

Die Lebenserwartung von Frauen aus allen Schichten ist in allen Altersklassen ähnlich und unterscheidet sich nicht signifikant (KW). Auch eine Umkehrung der Lebenserwartung ab dem 20. Lebensjahr zu einer höheren Lebenserwartung in der Unterschicht (Kokkotidis 1999) konnte hier weder bei Männern noch bei Frauen festgestellt werden.

In den höheren Altersklassen überwiegt auf allen untersuchten Bestattungsplätzen die Anzahl der Frauen leicht. Dies kann aufgrund ihrer höheren Vitalität der Fall sein, wobei die Unterschiede auch aufgrund der kleinen Individuenzahlen minimal sind (Wahl 2001). Ein höherer Anteil älterer Individuen bei den sozial höher gestellten Personen konnte nicht bestätigt werden (Kokkotidis 1999).

Kindersterblichkeit

Eine weitere Auffälligkeit ist die geringe Kindersterblichkeit auf den Separatfriedhöfen. Von einem Kleinkinddefizit wird hier nicht ausgegangen (siehe oben). Eine geringe Kinderanzahl (vgl. Kap. 5.4.3, Maskulinitätsindex) ist einerseits abhängig von Anzahl der reproduktionsfähigen Frauen, andererseits von Lebensbedingungen. Da relativ wenige Frauen zwischen 15 und 25 bestattet wurden und demnach ihre reproduktive Phase überlebten, kann ein Frauendefizit als Ursache für die geringe Kinderanzahl auf den Separatfriedhöfen ausgeschlossen werden.

Auf dem Reihengräberfeld Großmehring B1B2B4 zeigt sich eine signifikant höhere Kleinkindersterblichkeit als auf den Separatfriedhöfen. Auch Kokkotidis (1999) konnte in den Gräbern der „Unterschicht“ eine höhere Säuglingssterblichkeit feststellen. Ebenso steigt dort auch die Lebenserwartung in den ersten fünf Jahren gegenüber der Lebenserwartung zum Zeitpunkt der Geburt (Kokkotidis 1999).

Die Sterbewahrscheinlichkeit (qx) erreicht in allen Bevölkerungsschichten ihr Minimum im Kinder und Jugendalter zwischen 7 und 15 Jahren, was auch in den Vergleichspopulationen bestätigt werden konnte (Kokkotidis 1999), auf den hier untersuchten Friedhöfen, außer Bruckmühl, reicht das Minimum bis zur frühadulten Altersgruppe.

Zusammenfassung

Es hat sich gezeigt, dass signifikante demographische Unterschiede zwischen den Gräbern der unterschiedlichen Bevölkerungsschichten nur in der Kleinkindersterblichkeit und in der allgemeinen Lebenserwartung zum Zeitpunkt der Geburt (e00) bestehen. Dies scheinen Indikatoren für Lebensbedingungen und möglicherweise auch von sozialem Stand zu sein, wenn sich dieser in der Art der Lebensbedingungen unterscheidet.

Hier fand jedoch eine Präselektion der Daten statt, also die Einteilung in „Ober-“ und

„Unterschicht“. Es muss erneut darauf hingewiesen werden, dass die Zuweisung von „Ober-„

und „Unterschicht“ oft nicht eindeutig vorgenommen werden kann. Im Gegensatz zu reich ausgestatteten Gräbern in denen sich anhand der Beigaben der soziale Rang des Bestatteten archäologisch leichter festlegen lässt, ist der Schluss auf eine niedrige soziale Stellung aufgrund fehlender Beigabenausstattung nicht unbedingt zwingend. So scheinen die nach Christlein definierten Qualitätsgruppen (Christlein 1973) als Kriterien für eine demographische Untersuchung nur bedingt geeignet, da sie nicht nur unterschiedliche Abstufungen im materiellen Reichtum einer Population erfassen sondern auch eine Abhängigkeit vom Alter des Bestatteten besteht (Kokkotidis 1999). Auch ist die Beigabensituation im frühen Mittelalter unter anderem aufgrund der beginnenden Christianisierung nicht unbedingt mit den postulierten Qualitätsabstufungen vergleichbar (Ledderose 2006) (siehe auch Kap. 6, Archäologische und anthropologische Synthese).

Demographische Berechnungen können lediglich Hinweise auf die Lebensbedingungen und den möglichen sozialen Stand bestimmter Bevölkerungsgruppen liefern, es muss aber stets die Frage nach der Validität der Einteilung der Datengruppen gestellt werden, die vor einer Auswertung zwangsläufig vorgenommen werden muss.