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Zur weiterbildungspolitischen Situation im Lande Bremen

1. Die gesetzliche Ausgangslage

Zu den Bundesländern, die in der ersten Hälfte der 70er Jahre den Weiterbildungsbe-reich gesetzlich geordnet haben, gehört auch die freie Hansestadt Bremen. Dies geschah durch das „Gesetz über Weiterbildung im Lande Bremen“ (WBG) vom 26.

März 1974, das ergänzt wurde durch das „Gesetz zur Förderung der außerschuli-schen Jugendbildung“ vom 1. Oktober 1974, das Bildungsveranstaltungen für junge Menschen bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres betrifft, sowie durch das „Bremi-sche Bildungsurlaubsgesetz“ vom 18. Dezember 1974, das allen bremi„Bremi-schen Arbeit-nehmerinnen und Arbeitnehmern den Anspruch auf einen bezahlten Bildungsurlaub von 10 Arbeitstagen innerhalb eines Zeitraums von zwei aufeinander folgenden Kalenderjahren eröffnet.

Ähnlich wie die anderen Landesgesetze zur Weiterbildung enthält das Bremische Weiterbildungsgesetz strukturpolitische Aussagen zu Stellung und Aufgabe der Weiterbildung im Bildungssystem, formuliert Bedingungen für die staatliche Anerken-nung der Weiterbildungsinstitutionen, welche die Voraussetzung für die regelmäßige Zuschußgewährung aus Landesmitteln ist, benennt Grundsätze der Zuschußgewäh-rung und regelt Einwirkungsmöglichkeiten auf den Weiterbildungsbereich durch den Landesbeirat für Weiterbildung als pluralistisch zusammengesetztes Beratungs- und Kooperationsorgan sowie das Landesamt für Weiterbildung als Teil der staatlichen Administration, das im Gesetz als pädagogische Arbeitsstelle, Geschäftsstelle für den Landesbeirat, Zuschußbehörde nach dem Weiterbildungsgesetz und Anerken-nungsbehörde nach dem Bildungsurlaubsgesetz definiert wird.

2. Die institutionelle Struktur

Das Bremische Weiterbildungsgesetz zählt zu den sogenannten pluralistischen Weiterbildungsgesetzen, d.h., Einrichtungen in kommunaler und nicht-kommunaler Trägerschaft werden bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen gleichberechtigt staatlich anerkannt und finanziell gefördert. Der institutionelle Pluralismus von gleichberechtigt förderungsfähigen Weiterbildungseinrichtungen in unterschiedlicher Trägerschaft war im Lande Bremen politisch nie umstritten, obwohl die bremische Landesverfassung fordert: „Allen Erwachsenen ist durch öffentliche Einrichtungen die Möglichkeit zur Weiterbildung zu geben“ (Art. 35).

Das Bremische Weiterbildungsgesetz macht die abgegrenzte Institutionalisierung von Weiterbildungseinrichtungen zu einer wichtigen Voraussetzung ihrer Förde-rungsfähigkeit. Neben der Errichtung einer eigenen Weiterbildungseinrichtung for-dert das Gesetz außerdem vor allem die Gemeinnützigkeit, den Ausschluß anderer

Ziele neben dem der Weiterbildung, die Ausrichtung an den Zielen des Weiterbil-dungsgesetzes, die Bereitschaft zu Kooperation und Entwicklung eines Gesamtan-gebots, den Nachweis von zweijährigen Leistungen, die Rechtfertigung einer Förde-rung nach Inhalt und Umfang sowie den Nachweis von planmäßiger und dauerhafter Arbeit.

Die Operationalisierung der hier nur unvollständig skizzierten, im Gesetz definierten Anerkennungsforderungen hat wirksame Hürden gegenüber Anerkennungsanträgen von Organisationen geschaffen, die Weiterbildung nur als Teil anderer Organisations-zwecke betreiben. Sie hat aber auch die staatliche Anerkennung von kleinen und neugegründeten Einrichtungen erschwert. Unter den in zwei Jahrzehnten ausgespro-chenen 17 staatlichen Anerkennungen gab es vier umstrittene Fälle, die mit der vorrangigen Begründung erfolgten, die Weiterbildungsaktivitäten in Verantwortung eines einflußreichen Trägers sollten mit in ein staatlich koordiniertes Gesamtangebot hineingenommen werden, ohne daß dies bei kleinen Einrichtungen ohne Rückhalt einer großen Trägerorganisation als ähnlich opportun erschien.

Die vergleichsweise hohe Pluralität von 17 anerkannten Weiterbildungseinrichtungen in unterschiedlicher Trägerschaft im kleinen Zwei-Städte-Staat Bremen hat dazu beigetragen, der Weiterbildung bisher eine breite und kontinuierliche gesellschafts-politische Akzeptanz zu sichern. Tiefgehende gesellschafts-politische Kontroversen um die Weiter-bildung hat es in Bremen nicht gegeben, wenn man von der Forderung der Fraktion der GRÜNEN, den Kreis der anerkannten Einrichtungen zu erweitern, und der der F.D.P.-Fraktion absieht, aus Gründen der Haushaltsknappheit die Zuschüsse zur Durchführung des Gesetzes drastisch zu beschneiden. Diese Forderungen bewirk-ten aber vor allem 1993 die Berufung einer Strukturkommission Weiterbildung, die für den Senat Empfehlungen für eine eventuelle Strukturveränderung des Weiterbil-dungsbereichs erarbeiten soll.

3. Die finanzielle Struktur

Das Bremische Weiterbildungsgesetz sieht die finanzielle Förderung von Trägern anerkannter Weiterbildungseinrichtungen nach den Richtlinien zur Durchführung des Weiterbildungsgesetzes im Rahmen des Landeshaushalts vor. Die Gesamthöhe der Landeszuschüsse nach dem Weiterbildungsgesetz stieg von DM 3 Mio. im Jahr 1975 auf 5,50 Mio. im Jahre 1979, um dann auf 4,06 Mio. im Jahre 1982 abzusinken, langsam wieder anzusteigen und mit dem Haushaltsansatz für 1994 erstmalig den realen Höchststand von 1979 geringfügig zu überschreiten. Faktisch wurde die Höhe der Landeszuschüsse nach dem Weiterbildungsgesetz 1980 gesenkt bzw. eingefro-ren. Der Stellenschlüssel nach den Richtlinien zum Weiterbildungsgesetz wurde nicht mehr bedient, Zuschußquoten und Zuschußarten wurden vermindert, und den Einrichtungen wurde jährlich ein für sie geltender „Zuschußhöchstbetrag“ mitgeteilt.

Gegenwärtig werden Personalkosten in Form von Pauschalbeträgen und Maßnah-menkosten in Form unterschiedlicher Quoten bezuschußt, sofern diese im Rahmen des Bildungsurlaubs, der „Regionalversorgung“, der politischen Weiterbildung oder

von Lehrgängen zum nachträglichen Erwerb des Hauptschulabschlusses und in Grundbildungskursen anfallen.

Neben den stagnierenden Zuschüssen nach dem Weiterbildungsgesetz sind der bremischen Weiterbildung noch andere Haushaltsmittel des Landes zugute gekom-men, die allerdings eher arbeitsmarkt-, wirtschafts-, sozial- und fiskalpolitischen als bildungspolitischen Zielen verpflichtet waren. Zu nennen sind hier insbesondere die Mitfinanzierung von durch den Europäischen Sozialfonds geförderten Qualifizie-rungsprogrammen zur Wirtschaftsstrukturverbesserung und Eingliederung von Lang-zeitarbeitslosen, die berufsorientierte Vorqualifizierung von sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppen zur Vorbereitung auf eine berufliche Umschulung und die Verbindung von Qualifizierung mit Beschäftigung (Arbeit statt Sozialhilfe) für langfri-stig arbeitslose Sozialhilfeempfängerinnen und -empfänger zur Entlastung der kom-munal finanzierten Sozialhilfe. Nach Angaben des zuständigen Ressorts für Arbeit und Frauen erreichten diese Landeszuschüsse 1993 ungefähr die Höhe der nach dem Bremischen Weiterbildungsgesetz geleisteten Zuschüsse, d.h., sie lagen eben-falls bei ca. DM 5 Mio.

Die strukturierende Funktion der nach dem bremischen Weiterbildungsgesetz ge-zahlten Zuschüsse wird jedoch nicht nur durch diese Landeszuschüsse mit eher arbeitsmarkt-, wirtschafts-, sozial- und fiskalpolitischen Zielen verändert, sondern vor allem durch die damit gebundenen, deutlich höheren finanziellen Aufwendungen nach dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG) des Bundes und des Europäischen Sozial-fonds der Europäischen Union. Nach Angaben des Senators für Arbeit und Frauen konnten die anerkannten Weiterbildungseinrichtungen bei DM 5,23 Mio. Landeszu-schüssen nach dem Bremischen Weiterbildungsgesetz im Jahre 1992 Drittmittel (AFG, ESF, BMBW, BMA , BIBB, sonstige Mittel) in Höhe von ca. DM 67 Mio.

einwerben. Diese Relation zeigt, wie weitgehend die staatliche Förderung nach dem Bremischen Weiterbildungsgesetz in den vergangenen zwei Jahrzehnten ihre finan-zielle Bedeutsamkeit eingebüßt und wie sich ihre Möglichkeiten, die Programme der bremischen Weiterbildung zu strukturieren, verringert haben. Die folgende Gegen-überstellung von finanzieller Förderung nach dem Weiterbildungsgesetz und durch-geführten Unterrichtsstunden bei den anerkannten Weiterbildungseinrichtungen bekräftigt diesen Sachverhalt.

Während sich die Höhe der Landeszuschüsse nach dem Weiterbildungsgesetz in den Jahren von 1975 bis 1992 nicht einmal verdoppelt hat, wuchs die Zahl der von den staatlich anerkannten und geförderten Einrichtungen durchgeführten Unterrichts-stunden um mehr als das Fünffache. Dieser vom Wachstum der Landeszuschüsse nach dem Weiterbildungsgesetz weitgehend abgelöste Zuwachs des Volumens an durchgeführten Unterrichtsstunden bei den anerkannten Weiterbildungseinrichtungen erklärt sich vor allem aus dem überproportional hohen Zuwachs bei der beruflichen Weiterbildung, der nicht mit Landeszuschüssen, sondern mit AFG-Aufwendungen der Bundesanstalt für Arbeit finanziert wurde. Das Wachstum bei der politischen Weiterbildung wurde hingegen von den Zuschüssen nach dem Weiterbildungsgesetz finanziell getragen. Die Angebote der allgemeinen Weiterbildung verdanken ihre Zuwächse jedoch vor allem der Steigerung der Teilnehmerentgelte; diese Zuwächse

sind weitgehend von ihren Nutzern selbst finanziert worden. Die beträchtlichen Steigerungen der Angebotsvolumina bei den anerkannten Einrichtungen bei über lange Zeit hinweg stagnierenden Landeszuschüssen wären allerdings nicht möglich gewesen ohne die Finanzierung eines gewissen „Sockels“ an hauptberuflichem Weiterbildungspersonal aus eben diesen Landeszuschüssen.

4. Die Programmstruktur

Das Bremische Weiterbildungsgesetz enthält dezidiertere inhaltliche Zielsetzungen für die Weiterbildung als andere Weiterbildungsgesetze. Sie zielen auf die Erkenntnis der politischen Wirklichkeit, die Steigerung der beruflichen Qualifikation, die Mitarbeit im öffentlichen Leben, die Überwindung gesellschaftlicher Konflikte, den Abbau sozial verursachter Ungleichheiten und die Integration von politischer, beruflicher und allgemeiner Bildung.

Die bremische Weiterbildungspolitik versuchte vor allem in den ersten Jahren nach der Verabschiedung des Weiterbildungsgesetzes, diese Ziele mit gezielten Zuschuß-impulsen zu befördern. So wurde versucht, mit unterschiedlich hohen Zuschußquo-ten insbesondere solche Weiterbildungsangebote zu fördern, die nicht von vornher-ein mit starken manifesten Adressateninteressen rechnen können und die vornher-einen erhöhten Planungsaufwand erfordern. Zur Realisierung der vom Gesetz geforderten Integration von politischer, beruflicher und allgemeiner Weiterbildung wurde ein Grafik

(Eigene Berechnungen nach Daten aus dem Landesamt für Weiterbildung; 1975= 100)

Schwerpunktprogramm mit besonders günstigen Zuschußregelungen eingerichtet.

Insbesondere die Veranstaltungsform des Bildungsurlaubs wurde mit weitgehenden Zuschußimpulsen gefördert; über mehrere Jahre hinweg konnten die anerkannten Einrichtungen Bildungsurlaubsveranstaltungen der politischen Weiterbildung in In-ternatsform mit kostenloser Unterkunft und Verpflegung anbieten.

Mit der Verminderung bzw. dem Einfrieren der Landeszuschüsse nach dem Weiterbil-dungsgesetz von 1980 schwächten sich auch die strukturierenden landespolitischen Impulse gegenüber der Programmstruktur ab. Schwerpunktprogramme wurden zugunsten der Regelförderung von Veranstaltungen eingestellt. Strukturierend auf die Programmstruktur wirkte seit 1984 vor allem das AFG des Bundes, dessen Finanzströme teilweise auch benutzt wurden, um die Gemeinkosten der Weiterbil-dungseinrichtungen zu refinanzieren. Die AFG-Anerkennungen und die Auftrags-maßnahmen der Arbeitsverwaltung mit den damit verbundenen Finanzströmen sowie die Förderprogramme des Europäischen Sozialfonds haben inzwischen zu einem beträchtlichen Teil früher wirksame Strukturierungen nach dem Weiterbildungs-gesetz abgelöst.

Zwar erreichte eine mit großem Aufwand durchgeführte weiterbildungspolitische Initiative die Erhöhung der Landeszuschüsse zugunsten der politischen Weiterbil-dung im Jahre 1990 um DM 280.000, die auch zu einer Programmausweitung führte;

jedoch änderte diese nichts an der Verschiebung der weiterbildungspolitischen Prioritäten zugunsten von Maßnahmen nach dem AFG und von Förderprogrammen nach dem ESF. Einzig die vor allem von den beiden Volkshochschulen im Lande Bremen betriebene Strategie, mit erhöhten Teilnehmerbeiträgen das realisierte Programmangebot in der allgemeinen Weiterbildung auszuweiten, milderte die Bedeutsamkeit dieser Entwicklung.

5. Die Teilnehmerstruktur

Das Bremische Weiterbildungsgesetz zielt auch auf die Beeinflussung der Struktur von Teilnehmerinnen und Teilnehmern an Veranstaltungen der Weiterbildung. Die Formulierung des Gesetzes, es solle zur verstärkten politischen, beruflichen und allgemeinen Bildung, „insbesondere der Arbeitnehmer“ führen, ist sicherlich nicht sehr präzise vor dem Hintergrund, daß der Anteil der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an den Erwerbstätigen über 90 % liegt. Sie ist jedoch zumeist mit der Forderung des Gesetzes verknüpft worden, Weiterbildung solle „die durch soziale Herkunft, durch gesellschaftliche Entwicklungen und durch Bildungsprozesse ent-standenen und neu entstehenden Ungleichheiten“ abbauen (§ 1(2) Nr. 5 WBG). So gehörte es zum durchgängigen Bestandteil zumindest staatlicher Weiterbildungspolitik im Lande Bremen, darauf zu dringen, daß für alle Bevölkerungsgruppen gleiche Zugangs-, Lern- und Verwertungschancen in der Weiterbildung geschaffen werden.

Bei gegebenen sozialen Chancenungleichheiten – so wurde immer wieder betont – müsse Weiterbildung darauf abzielen, die Bildungs- und Lernchancen sozial be-nachteiligter Bevölkerungsgruppen zu verbessern.

Insbesondere in den ersten Jahren nach Verabschiedung des Weiterbildungsgesetzes wurde versucht, mit besonderen Zuschüssen für Modell- und Schwerpunktmaßnah-men Bevölkerungsgruppen mit verminderten Bildungs- und Sozialchancen zusätzli-che Lernchancen mit eigens für sie geplanten Lernangeboten zu eröffnen. Zielgrup-pen solcher Modell- und Schwerpunktmaßnahmen waren beispielsweise: angelernte Stahlarbeiter, Schichtarbeiter aus der Produktion, Werftarbeiter, türkische Arbeiter, ältere Arbeiter der unteren Lohn- und Gehaltsgruppen, Frauen der unteren Lohn- und Gehaltsgruppen und Verkäuferinnen und Kassiererinnen aus Supermärkten und Kaufhäusern sowie alleinerziehende Mütter. Besondere Zuschüsse wurden durch-gängig für die Beteiligung von Arbeitslosen an der Weiterbildung und die „Regional-versorgung“ aufgewandt, d.h. für Weiterbildungsveranstaltungen, die direkt in Stadt-teilen von Bremen und Bremerhaven mit einem überdurchschnittlich hohen Anteil von sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppen stattfinden.

Für die den programmatischen Intentionen des Weiterbildungsgesetzes folgenden, auf die Teilnehmerstruktur bezogenen Impulse gilt ähnliches wie für die auf die Programmstruktur bezogenen: Mit zunehmender Verknappung der Landeszuschüs-se wurde die Bezuschussung von Modell- und Schwerpunktmaßnahmen zugunsten der Regelförderung eingeschränkt und schwächten sich die landespolitischen Strukturierungen gegenüber dem Weiterbildungsbereich ab. Beibehalten wurde bis heute die Bezuschussung der „Regionalversorgung“, der Weiterbildungsteilnahme von Arbeitslosen sowie von Kursen der Elementarbildung, die sich zumeist an Erwachsene ohne Schulabschluß richten. Ergänzt wurden diese Impulse zur Beein-flussung der Teilnehmerstruktur in den vergangenen Jahren durch vorrangig sozial-und fiskalpolitisch gelenkte Zuschüsse zugunsten der Vorqualifizierung von Arbeits-losen und Sozialhilfeempfängern für die Teilnahme an Maßnahmen der beruflichen Umschulung und zugunsten der Umschulung von langfristig arbeitslosen Sozialhil-feempfängerinnen und -empfängern.

6. Die Externalisierung der bremischen Weiterbildungspolitik

Die Wirkungsgeschichte des Bremischen Weiterbildungsgesetzes läßt sich beschrei-ben als eine Geschichte von Stagnation und Abschwächung der den Intentionen des Bremischen Weiterbildungsgesetzes folgenden Strukturimpulse. Das faktische Ein-frieren der Landeszuschüsse nach dem Weiterbildungsgesetz seit 1980 hat mit dem Bedeutungsverlust der Landesfinanzierung auch den Bedeutungsverlust landespo-litischer Strukturierungen nach sich gezogen. Dies zeigt sich nicht im Haushalt jeder anerkannten Weiterbildungseinrichtung so kraß wie bei der Volkshochschule Bre-merhaven. Deren Finanzierung wurde nach einer internen Aufstellung 1992 getragen von der Kommune zu 36 %, der Bundesanstalt für Arbeit zu 39 %, von Teilnehmer-beiträgen zu 15 %, vom Land zu 6 %, der EG zu 2 % und anderen zu ebenfalls 2 %.

Doch auch bei den Einrichtungen, bei denen der Landesanteil nicht so gering ist, übt er kaum noch eine strukturierende Wirkung aus, denn aufgrund der langen „Decke-lung“ des Zuschußbedarfs der Weiterbildungseinrichtungen können diese ihre so

definierten Zuschußobergrenzen aufgrund ihrer eigenen Angebotsplanung ohne weiteres ausschöpfen, ohne den in unterschiedlichen Zuschußhöhen sich aus-drückenden weiterbildungpolitischen Intentionen des Landes entsprechen zu müs-sen.

Die weiterbildungspolitische Entwicklung im Lande Bremen läßt sich jedoch nicht nur als Abschwächung landespolitischer Impulse beschreiben, sondern auch als Para-digmenwechsel in der Weiterbildungspolitik des Landes. Dieser Wechsel hatte sich bereits abgezeichnet, als 1985 die Ressortzuständigkeit für den Weiterbildungsbe-reich vom Senator für Bildung, Wissenschaft und Kunst auf den Senator für Arbeit überging. In der Folgezeit wechselte das den Weiterbildungsbereich strukturierende landespolitische Muster zunehmend von einer vorrangig bildungspolitisch geprägten Modellierung zu einer eher arbeitsmarkt-, wirtschafts-, sozial- und fiskalpolitischen.

Nicht mehr Bildung, Lernen und individuell verfügbare Kompetenzen bestimmten weiterbildungspolitische Debatten, sondern Fragen von möglichst arbeitsmarkt- und arbeitsplatznaher Qualifizierung, von deren sozialpolitischer und -pädagogischer Unterstützung sowie von der „Einwerbung“ von „Drittmitteln“ und deren möglichst positiver fiskalpolitischer Folgewirkungen für den bremischen Landeshaushalt. Die Dekrete der Bundesanstalt für Arbeit, die Regelungen des AFG, deren Veränderung durch Bundesregierung und Parlament, die „Ziel“-Programme des Europäischen Sozialfonds und deren Auslegung durch die Europäische Kommission in Brüssel prägten vorrangig Aufmerksamkeit, Planungstätigkeit und Entscheidungsprozesse von Administration, Beratungs- und Entscheidungsorganen der bremischen Weiter-bildung.

Nach zwei Jahrzehnten Wirksamkeit des Bremischen Weiterbildungsgesetzes hat sich bremische Weiterbildungspolitik externalisiert: Nürnberg als Sitz der Bundesan-stalt für Arbeit, Bonn als Sitz von bundespolitischer Exekutive und Legislative – und deshalb auch eigentlicher Steuerungsinstanz des AFG –, Brüssel als Zentrale europäischer regional-, sozial-, arbeitsmarkt- und wirtschaftspolitischer Interventio-nen sowie – in jüngster Zeit – Karlsruhe als Sitz des Bundesverfassungsgerichts, das dem Bundesland Bremen zwar zu Entschuldungshilfen von insgesamt DM 9 Mrd.

verholfen hat – jedoch mit dem Zwang der Beachtung bundesweiter Durchschnitts-werte von öffentlichen Leistungen und Staatstätigkeit, deren Einhaltung von Bundes-regierung und Bundesrat aufmerksam verfolgt wird –, sind nicht nur zu den tatsäch-lichen Fixpunkten bremischer Weiterbildungspolitik, sondern zu solchen bremischer Landespolitik insgesamt geworden. „Weiterbildung im Sinne dieses Gesetzes muß integrierter Teil des Bildungssystems sein“, definiert das Bremische Weiterbildungs-gesetz in § 1. Statt als Teil des Bildungssystems fungiert der bremische Weiterbil-dungsbereich gegenwärtig viel stärker als Instrument unterschiedlicher landespoliti-scher Felder und Interessen mit starker externer Ausrichtung und Definition.

Christoph Ehmann