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Initiativen und Perspektiven

Weiterbildung in Rheinland-Pfalz

6. Initiativen und Perspektiven

Bildungspolitik ist heute vielfach nur noch eine Art von Verteidigungspolitik. Mehr denn je muß der Gefahr begegnet werden, daß die Errungenschaften der einstmali-gen Reform zurückgedrängt und auf dem Altar fiskalischer Zwänge geopfert werden.

Dies zeigt sich beispielsweise an Haltungen, wie sie auf dem Bonner Bildungsgipfel zu beobachten waren. Der Bund, so hat es den offensichtlichen Anschein, entledigt sich schrittweise seiner bildungspolitischen Gesamtverantwortung mit Argumenten, die sich aus der Haushaltslage speisen. Demgegenüber bedarf die in den 70er Jahren ins Werk gesetzte Bildungsreform, die ins Stocken und Wanken geraten ist, dringend einer Fortschreibung, um den künftigen Anforderungen an das Aus- und Weiterbil-dungssystem gerecht zu werden. Im Interesse an einer konsequenten Stärkung, vorbehaltlosen Anerkennung und Durchsetzung der „vierten Säule des Bildungssy-stems“ hat Rheinland-Pfalz eine breit angelegte Weiterbildungsinitiative gestartet.

Dazu gehört die bereits erwähnte Einrichtung des ersten „Ministeriums für Wissen-schaft und Weiterbildung“ mit einer eigenständigen Abteilung für Weiterbildung.

Damit wurde ein weit über die Landesgrenzen hinauswirkendes Signal gesetzt, das in programmatischer Absicht die bildungspolitische Gleichstellung von Weiterbildung mit Kultur- und Schulpolitik anzeigt. Zur Initiativpolitik des Landes gehört aber auch die Bereitstellung von Geldern für Modellprojekte und Schwerpunktmaßnahmen in Höhe von 6 Mio. DM. Gefördert wurden 50 verschiedene Maßnahmen unterschied-licher Veranstalter und Träger der Weiterbildung. Das Spektrum reicht dabei von Maßnahmen zur „Integration ausländischer Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen“

bis zur „Steigerung der Attraktivität der dualen Berufsausbildung im Handwerk“ oder dem „Lernort Bauernhof“.

Modelle sind dazu da, Neues auszuprobieren und Bewegung in eingefahrene und zum Teil erstarrte Strukturen zu bringen. Diese Ziele haben die eingeleiteten und durchgeführten Maßnahmen fraglos erreicht. Die grundsätzliche Gefahr besteht allerdings darin, daß mit ihnen ein Aktionismus verbreitet bzw. ein Strohfeuer entfacht wird, das mit dem Auslaufen der Modellförderung erlischt. Dies insbesondere deshalb, weil sich die Modellmittel stets nur als Anschubfinanzierung verstehen. Um aus einem Modell, das sich als tragfähig erwiesen hat, eine auf Dauer gestellte

Institution zu machen, müssen die Verantwortlichen viel Phantasie und Kreativität aufbringen und nach alternativen Finanzierungsformen Ausschau halten. Selbsttra-gend sind die meisten Projekte nicht. Die erhobenen Teilnehmergebühren reichen in der Regel nicht aus, die vielfältigen Kosten einer Bildungsmaßnahme zu tragen.

Manches Modell wird daher auf der Strecke bleiben, dessen Fortführung sich durchaus als lohnend erwiesen hätte.

Zu den Leitlinien und Grundsätzen, die sich die Landesweiterbildungspolitik vorge-nommen hat, gehört u.a. die Qualitätssicherung der Weiterbildung (vgl. Arnold 1994).

Dieses Ziel muß insbesondere vor dem Hintergrund eines expandierenden Weiterbil-dungsmarktes gesehen werden, der zu einer unüberschaubaren Flut von immer mehr Anbietern und Trägern der Weiterbildung geführt hat. Seriöse und unseriöse Anbieter wetteifern um die Gunst bildungsinteressierter und bildungsaufgeschlossener Bür-ger. Gerade auf dem privaten Sektor müssen für die Teilnahme an einzelnen Maßnahmen zum Teil hohe Gebühren entrichtet werden, ohne daß erkennbar ist, ob die annoncierte Maßnahme auch hält, was sie verspricht. Bislang fehlt es an Standards, die festlegen, welche Mindestvoraussetzungen eine Bildungsmaßnahme erfüllen muß. Ein möglicher Lösungsansatz dazu ist die Vergabe eines Gütesiegels durch eine entsprechende Prüfeinrichtung. Wer eine solche Einrichtung stellt, wie sie zusammengesetzt werden muß und welche Kriterien zur Anwendung gelangen sollen, sind dabei offene Fragen. Es ist im Vorfeld bereits absehbar, daß beispielswei-se die Hochschulen Gütekriterien für sich reklamieren werden, die sie nicht zur Disposition stellen. Ähnliches kann man auch von den Volkshochschulen als etablier-ten Weiterbildungsinstitutionen erwaretablier-ten. Zu befürchetablier-ten ist, daß vor allem gerade diejenigen Anbieter, deren Qualitätsstandards fraglich sind, sich engagiert in die Diskussion um Qualitätsmerkmale einschalten werden, um ihre existentiellen und geschäftlichen Interessen zu wahren.

Einen Beitrag zur Qualitätssicherung in der Weiterbildung kann allerdings auch schon die Bereitstellung von mehr Information und Transparenz leisten. Ein Vergleich der Angebote, Preise und Leistungen in Verbindung mit einer unabhängigen Bildungsbe-ratung ermöglicht es, diejenigen Maßnahmen herauszufinden, die dem eigenen Bildungsbedarf angemessen sind. Im Zeitalter moderner Informations- und Kommu-nikationsmedien erfüllen diese Funktion Datenbanken, von denen es bereits einige gut funktionierende Beispiele gibt. Die Weiterbildung der Zukunft braucht schließlich Profis. Es ist zu begrüßen, daß auch hier das Land im Rahmen seiner geförderten Modellprojekte die Initiative zur Qualifizierung des haupt- und nebenberuflichen Personals unterstützt und als ein wichtiges Zukunftsthema erkannt hat. Rheinland-Pfalz, das läßt sich nach dieser Kurzbetrachtung der Weiterbildung im Lande feststellen, hat nicht nur den Abstand zu Leistungen anderer Bundesländer entschei-dend verkürzt. Mit seiner Weiterbildungsinitiative ist es ganz ohne Zweifel auf dem Weg, eine beispielhafte Rolle zu übernehmen.

Anmerkung

(1) Die nachfolgenden Zahlenangaben sind dem „Bericht Weiterbildung“ der Landesregie-rung von Rheinland-Pfalz entnommen. Der Bericht beruht auf einer landesweiten Er-hebung des Jahres 1991.

Literatur

Apel, H., u.a.: Orientierungen zur Umweltbildung. Bad Heilbrunn 1993

Arnold, R.: Erwachsenenbildung. Eine Einführung in Grundlagen, Probleme und Perspektiven.

2. Auflage. Baltmannsweiler 1991

Arnold, R.: Qualitätssicherung in der Weiterbildung. In: Grundlagen der Weiterbildung 51994, H.

1, S. 6-10

Beck, U.: Risikogesellschaft. Frankfurt/M. 1986

Beck, U.: Die Erfindung des Politischen. Frankfurt/M.1993

Friedenthal-Haase, M. (Hrsg.): Erwachsenenbildung interkulturell. Frankfurt/M. 1992 Kade, J.: Erwachsenenbildung und Identität. Eine empirische Studie zur Aneignung von

Bildungsprozessen. Weinheim 1989

Ministerium für Wissenschaft und Weiterbildung in Rheinland Pfalz: Bericht Weiterbildung.

Mainz 1992a

Ministerium für Wissenschaft und Weiterbildung in Rheinland-Pfalz: Eckpunkte und Einzelele-mente der Weiterbildung. Mainz 1992b

Schulze, G.: Erlebnisgesellschaft. Frankfurt/M., New York 1992

Siebert, H.: Erwachsenenbildung seit 1945. Schriften zur Beruflichen Bildung. Bd. 3. Hrsg. vom Bildungswerk der Niedersächsischen Volkshochschulen e.V. Hannover 1993

Siebert, H.: Grundangebot Weiterbildung. Diskussionsstand und Entwicklungsmöglichkeiten.

Schriftenreihe Bildungsplanung des BMBW. Heft 34. Bonn 1981

Tietgens, H.: Erwachsenenbildung als Suchbewegung. Annäherungen an eine Wissenschaft von der Erwachsenenbildung. Bad Heilbrunn 1986

Klaus Bernarding