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Grundzüge der Weiterbildungspolitik in Bremen

1. Vorbemerkung

Der vorliegende Beitrag beansprucht nicht, eine Gesamtschau der Weiterbildung im Lande Bremen vorzustellen. Dafür wäre der Platz zu knapp. Zudem ist die Gesamt-analyse der Weiterbildung im Lande Bremen im Juni ‘94 zu erwarten – dann nämlich, wenn die vom Senat der Freien Hansestadt Bremen eingesetzte „Strukturkommission Weiterbildung“ ihre Arbeit beendet und ihre Empfehlungen formiert hat.

Hier soll es – schlaglichtartig – um die Darstellung einiger Aspekte der Weiterbil-dungsförderung durch den Senator für Arbeit und Frauen, um die gesetzlichen Grundlagen der Weiterbildung in Bremen und um die Probleme der nach dem „Gesetz über die Weiterbildung im Lande Bremen“ (WBG) anerkannten Weiterbildungsein-richtungen gehen.

2. Der haushaltspolitische Hintergrund

Weiterbildungsförderung kostet Geld. Da die Förderung von Weiterbildung eines der politischen Ziele des Landes Bremen ist, hat es im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel bisher auch einige Mittel aufgebracht – im Jahre 1992 waren dies ca.

DM 10,5 Mio. Das Land Bremen befindet sich allerdings seit einigen Jahren in einer außergewöhnlich schwierigen Haushaltslage: Aufgrund der Neuordnung der Ein-kommenssteuerverteilung Ende der 60er Jahre und der großen Strukturkrisen der bremischen Wirtschaft in den 70er und 80er Jahren (Werftenkrise, Krise der Fische-reiwirtschaft, Stahlkrise) hat das Land Bremen die höchste Pro-Kopf-Verschuldung aller Bundesländer. Um diese schwierige Haushaltslage zumindest ansatzweise zu beheben, hat der Senat bereits Ende der 80er Jahre Initiativen zur Änderung des Bund-Länder-Finanzausgleichs ergriffen, und zwar erfolgreich: Im Sommer 1993 erklärten sich Bund und Länder zu besonderen Entschuldungshilfen in Höhe von DM 1,8 Mrd. für die Dauer von fünf Jahren bereit.

Im Gegenzug mußte sich das Land Bremen zu einer doppelten Eigenleistung verpflichten:

– einmal zu einer restriktiven Haushaltspolitik mit Einhaltung der vom Finanzpla-nungsrat vorgegebenen Steigerungsraten des Haushalts von z.Zt. 3 % und – zweitens zur Nutzung der besonderen Hilfen zur Entschuldung sowie zur Stärkung

der Wirtschafts- und Finanzkraft.

Aktuell tritt den dadurch induzierten Sparnotwendigkeiten insbesondere im Bereich der konsumtiven Ausgaben eine neue Notlage hinzu: Aufgrund der allgemeinen ökonomischen Krise sind Steuermindereinnahmen einerseits und Mehrausgaben im

Bereich der Sozialhilfeleistungen andererseits in 1994 in Höhe von bisher kalkulier-baren DM 175 Mio. zu erwarten, die weitgehend „aus Minderausgaben zu erwirtschaf-ten“ sind.

Dies bedeutet z.B. für die Weiterbildungsförderung, daß sie für die Jahre 1994 und 1995 mit ca. DM 2 Mio. weniger pro Jahr auszukommen hat – und das bei steigenden Weiterbildungsnotwendigkeiten.

In welchen Bereichen der Förderung welche Streichungen vorgenommen werden müssen, ist aktuell noch nicht entschieden. Vermutlich wird es die Bereiche am empfindlichsten treffen, deren Finanzvolumen nicht ausweisbar zugleich der Akqui-sition von Drittmitteln dienen – wenn nicht andere politische Entscheidungen getrof-fen werden.

Um diese Problemlage zu verdeutlichen, soll im folgenden auf die Förderstruktur eingegangen werden.

3. Zur Struktur der Weiterbildungsförderung

Die Förderstruktur der WBG-Mittel läßt sich grob noch drei Kategorien ordnen:

– Förderung von Rahmenbedingungen,

– Förderung von Weiterbildungsmaßnahmen und – Förderung von Zielgruppen.

Im folgenden werden diese drei Förderungsgebiete – bezogen auf die Haushaltsan-sätze 1992 – knapp dargestellt. Es handelt sich hier um die originären Weiterbildungs-mittel – Mittel also, die der Senator für Arbeit und Frauen zur Verfügung stellt und die vom Landesamt für Weiterbildung an Einrichtungen der anerkannten Weiterbildung nach den Auflagen der Landeshaushaltsordnung und den Empfehlungen des Lan-desbeirats für Weiterbildung vergeben werden.

3.1 Förderung von Rahmenbedingungen

Damit sind – kurz gefaßt – folgende Förderarten gemeint:

– der Aufbau und die Förderung einer personellen Grundausstattung bei anerkann-ten WB-Einrichtungen, um Kontinuität, Professionalität und die Voraussetzung für maßnahmeunabhängige Planungen zu schaffen;

– die Förderung der technischen Rahmenbedingungen für die berufliche Weiterbil-dung, um durch Gewährleistung von Industriestandards die Arbeitsmarktchancen von Absolventen der bremischen Weiterbildung zu erhöhen;

– die Förderung des „Weiterbildungsinformationssystems Bremen“ (WIB), um Trans-parenz in die Vielfalt des WB-Angebotes zu bringen;

– die Förderung regionaler/branchenspezifischer Analysen des Qualifikationsbe-darfes, um ein bedarfsgerechtes Angebot zur beruflichen Qualifizierung zu ent-wickeln, und

– die Förderung von Kooperationsbezügen zwischen Weiterbildungseinrichtungen und dem Bereich beruflicher Schulen, um Doppelinvestitionen zu vermeiden und vorhandene Ressourcen optimal zu nutzen.

Das Fördervolumen für dieses Förderungsgebiet umfaßt ca. DM 3,1 Mio.

3.2 Förderung von Weiterbildungsmaßnahmen

– Förderung von Maßnahmen des Bildungsurlaubs, wobei ca. DM 2,2 Mio. für die politische Weiterbildung und ca. DM 190.000 für berufliche und allgemeine Weiterbildung aufgebracht werden: Damit werden jährlich ca. 21.000 Teilnehmer in ca. 1.300 Bildungsurlaubsveranstaltungen erreicht;

– Förderung einer bedarfsgerechten Versorgung von sozial belasteten Stadtteilen;

– Förderung von Maßnahmen zur Vermittlung von Elementarkenntnissen und zur Vermittlung beruflicher Grundkenntnisse und

– Förderung von Stütz- und Ergänzungsmaßnahmen für Arbeitslose in beruflicher Qualifizierung.

Das Fördervolumen für dieses Förderungsgebiet umfaßt ca. DM 2,9 Mio.

3.3 Förderung von Zielgruppen

– Heranführung sozial benachteiligter Bevölkerungsgruppen an den Arbeitsmarkt.

Mit dieser beruflich orientierten Vorqualifizierung werden jährlich ca. 450 Arbeits-lose bzw. SozialhilfeempfängerInnen auf die berufliche Umschulung bzw. den Arbeitsmarkt vorbereitet;

– Förderung beruflicher Umschulung von langfristig arbeitslosen gerInnen. Mit diesem Senatsprogramm werden jährlich ca. 90 Sozialhilfeempfän-gerInnen durch Umwidmung von Sozialhilfemitteln in tariffähiges Arbeitsentgelt in anerkannten Ausbildungsberufen umgeschult und

– die Ermöglichung der Teilnahme von Arbeitslosen an Weiterbildung durch Zu-schüsse an anerkannte WB-Einrichtungen, die damit ihre Ermäßigungsregelun-gen finanzieren können.

Das Fördervolumen für dieses Förderungsgebiet umfaßt ca. DM 4,55 Mio.

3.4 Zusammenfassung

Die oben dargestellten Förderungsgebiete werden aus originär bremischen Landes-mitteln ausgestattet. Hier wurde nicht berücksichtigt, welche mittelbaren Effekte auf die Akquisition von Drittmitteln (z.B. die des ESF oder des BMA oder des BMBW) durch das Aufbringen von Landesmitteln entstehen. Wenn man jedoch bedenkt, daß beispielsweise mit Hilfe eines Landeszuschusses in Höhe von ca. DM 950.000 ein Unterprogramm des Landes Bremen im Rahmen der Gemeinschaftsinitiative

EURO-FORM aufgelegt werden konnte, welches aktuell 18 Projekte mit einem Gesamtvo-lumen von ca. DM 13,5 Mio. umfaßt, dann liegt auf der Hand, welchen „Surplus“

Landesmittel auch für andere Bereiche öffentlich geförderter Weiterbildung erbringt.

4. Die gesetzlichen Grundlagen

Die Weiterbildungsförderung des Landes Bremen beruht auf der gesetzlichen Grund-lage des Weiterbildungsgesetzes vom 26. März 1974. Das WBG regelt die Stellung und die Aufgaben der Weiterbildung mit den drei Lernbereichen der politischen, beruflichen und allgemeinen Weiterbildung. Es regelt die Voraussetzungen, das Verfahren und die Form der Anerkennung von Weiterbildungseinrichtungen sowie die Förderung dieser Träger mit öffentlichen Mitteln.

Und es gibt deutlich gesellschaftspolitische Leitziele vor: so u.a. die ausgeprägte Arbeitnehmerorientierung, die Aufgabe, zum Abbau von Chancenungleichheiten beizutragen und gesellschaftliche und politische Realitäten kritisch zu verarbeiten.

Auf Grundlage des WBG und seiner Richtlinien sind bis dato insgesamt 17 Weiterbil-dungseinrichtungen anerkannt worden. Neben den Volkshochschulen in Bremen und Bremerhaven gehören dazu die Bildungseinrichtungen der Arbeitnehmerkammern, der Gewerkschaften, der Arbeitgeber, der Kirchen, des Handwerks, des Landes-sportbundes, des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes und die Evangelische Familie-nakademie.

Die zweite Säule des bremischen Weiterbildungssystems bildet das Bremische Bildungsurlaubsgesetz (BUG) vom 18. Dezember 1974. Nach diesem Gesetz haben alle im Lande Bremen beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Anspruch auf bezahlte Freistellung an 10 Arbeitstagen im Zeitraum von zwei Jahren, die für Weiterbildung im Sinne des WBG in den drei Lernbereichen verwendet werden kann.

Der Bildungsurlaub spielt als Veranstaltungsform zur Erreichung der weiterbildungs-politischen Leitziele des WBG eine große Rolle: Im Jahre 1992 wurden 25,2 % der Veranstaltungen der anerkannten Weiterbildungseinrichtungen in Form des Bil-dungsurlaubes durchgeführt, 43,8 % dienten der politischen, 27,1 % der beruflichen und 28,3 % der allgemeinen Weiterbildung.

Problematisch ist z.Zt. die Debatte um den Fortbestand der allgemeinen Weiterbil-dung: So wird von Juristen und Teilen der Öffentlichkeit die Verfassungsmäßigkeit von Bildungsurlaubsgesetzen angezweifelt, nach denen Arbeitgeber mit Freistellun-gen für die Teilnahme an Bildungsurlauben mit allgemeinbildenden Inhalten belastet werden. Der Senat hat auf diese Debatte aktuell mit dem Beschluß reagiert, die Mißbrauchsmöglichkeiten von Bildungsmaßnahmen, die einen überwiegend freizeit-gestalterischen Charakter aufweisen, als Bildungsurlaubsveranstaltungen in einer Änderung der Verordnung zum Bildungsurlaubsgesetz einzuschränken. Es ist damit kurzfristig gelungen, dem durchaus verbreiteten Anliegen, die allgemeine Bildung als Bestandteil des Weiterbildungsangebotes komplett zu streichen, die Spitze zu nehmen. Dennoch bleibt es auch weiterhin ständige Aufgabe des Landesamtes für

Weiterbildung und der anerkannten Einrichtungen, offen und aufgabenkritisch die Bildungsurlaubspraxis zu durchleuchten.

5. Leistungen und Perspektiven der anerkannten Weiterbildung

Mit Hilfe der originären Weiterbildungsförderung des Landes Bremen haben die anerkannten Einrichtungen im Jahre 1992

– 7.378 Veranstaltungen

– mit 116.677 Teilnahmefällen und – 594.979 Unterichtsstunden realisiert.

Die Anteile von Teilnahmefällen und Weiterbildungsvolumen nach Lernbereichen stellen sich wie folgt dar:

0,00 10,00 20,00 30,00 40,00 50,00 60,00 70,00

%

Teilnehmerfälle in % Teilnehmerfälle

in %

Teilnehmerfälle in % WB-Volumen in Unterrichtsstd.

WB-Volumen in Unterrichtsstd.

WB-Volumen in Unterrichtsstd.

26,80%

22,40%

65,21%

49,00%

27,63%

politisch integrierte WB

berufliche WB

allgemeine WB

7,15

Anteile von Teilnahmefällen und Weiterbildungsvolumen nach Lernbereichen

Auch die Entwicklung der Veranstaltungszahlen seit 1975 spricht eine deutliche Sprachen:

Öffentlich verantwortete Weiterbildung ist aktuell jedoch in eine schwere Krise geraten: Aufgrund der restriktiven Haushaltspolitik des Bundes mit den Kürzungen im AFG-Bereich sind aktuell Leistungseinbrüche der Weiterbildungseinrichtungen bis hin zur Schließung ganzer Abteilungen oder gar Konkurse zu verzeichnen. Hierin zeigt sich, daß Weiterbildung trotz aller politischen Bekundungen über sie als

„öffentliche Aufgabe“, als eigenständige „Vierte Säule des Bildungssystems“ usw.

usf. von finanziellen Zuwendungen abhängig ist, die als „konsumtive Ausgaben“ – also als kürzungsfähig gelten. Weder das Land Bremen noch andere Bundesländer verfügen über die Mittel, die national induzierten Kürzungen auch nur ansatzweise aufzufangen.

Was ein Land jedoch tun kann – und Bremen bemüht sich mit allen Kräften darum – , ist, durch Mittelkonzentration, durch Kooperation, also verstärkte Auslastung vor-handener Ressourcen, durch Rationalisierung und durch Bindung europäischer Mittel mit Hilfe von Landesmitteln zumindest kurzfristig eine regionale Weiterbil-dungsgrundversorgung aufrechtzuerhalten, die auf Grundlage reduzierter personel-ler und sachlicher Ressourcen nach Maßgabe der Ermittlung von Qualifikationsbedarfen und von politischen Zielvorgaben in Ansätzen dem Entwurf einer „Dritten Empfehlung der Kultusministerkonferenz zur Weiterbildung“ nach-kommt.

Das Aufzeigen positiver Perspektiven ist dem Verfasser zur Zeit leider nicht möglich.

0 1000 2000 3000 4000 5000 6000 7000 8000

2400

138 6663

1265 6786

1527 7378

1694 Entwicklung der Veranstaltungszahlen

WB insgesamt

WB insgesamt

WB insgesamt

WB insgesamt

BU BU

BU BU

Detlef Kuhlenkamp

Zur weiterbildungspolitischen Situation im Lande