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Zur Thermodynamik von Schwammeisansätzen an langsam rotierenden Zylindern

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E. Besondere Beitrage

I. Zur Thermodynamik von Schwammeisansätzen an langsam rotierenden Zylindern

von Roland List

Schwammeisansätze entstehen in der Natur als Vereisungsprodukte in unterkühlten Wolken oder Nebeln, wenn der totale Wärmeaustauch des bereiften Objektes mit der Umgebung nicht genügt, um die Gefrierwärme aller eingefangenen Wassertropfen abzuführen. In diesem Falle bleibt ein Teil des angelagerten Wassers flüssig es resultiert eine schwammartige Eisstruktur, wobei die Zwischenräume des Eisgerüstes mit (flüssigem) Wasser ausgefüllt sind. Ein solches Gebilde weist aus thermodynamischen Gründen eine Temperatur von 0° C auf.

Nachdem in zwei Publikationen die Existenz [1] und die Wachstumsbedingungen [2] von Schwammeisansätzen an kugelige Hagelkörner beschrieben und diskutiert worden waren, sollen an dieser Stelle analoge Verhältnisse berechnet werden, wie sie für Eis-Ansätze an langsam rotierende Zylinder gelten.

Der zylindrische Ansatz kann von praktischer Bedeutung sein im Zusammenhang mit Ver-eisungen von Kabeln. Die Bedingung der Rotation wird lediglich gestellt im Sinne einer Erhal-tung der zylindrischen Form während des Prozesses, da ohne Rotation asymmetrische Quer-schnitte entstehen, die theoretisch viel schwieriger zu behandeln sind.

Die pro Längen- und Zeiteinheit in Form unterkühlter Nebeltropfen an einen Zylinder angelagerte Wassermenge m* [kg/m h] sei gegeben durch den Ausdruck:

Dabei bedeuten:

m*

=

D · v · E · Wf D Zylinderdurchmesser [m]

v Luftgeschwindigkeit [m/h]

E Einfangswahrscheinlichkeit

Wf freier Wassergehalt der Luft [kg/m3]

(1)

Die eingefangenen Tropfen transportieren zufolge ihrer Unterkühlung gegenüber dem 0° -C·

warmen Schwammeisansatz eine Energiemenge Q* CP [kcal/h m], die berechnet werden kann gemäß:

wobei:

C w

Q''"cp

=

om.

Cw. tA = D. V. E. Wf. Cw. tA (2)

spezifische Wärme von Wasser, gemittelt über den Temperaturbereich 0° - t A [kcal/kg 0C]

Lufttemperatur [0C]

Zusätzlich wird der betrachtete Zylinder infolge Wärmeleitung durch Konvektion und Leitung abgekühlt um den Betrag

Q*

CC [kcal/h m]:

Q*cc =

0,24 ;r · Re0,6 ·). · tA (3)

105

mit:

Re Reynoldszahl [-]

2 Wärmeleitzahl [kcal/m h 0C]

Diese Formel wurde aus der von Grigull [3] gegebenen Formel für die Nusselzahl Nu [-] von Zylindern berechnet:

Nu

=

0,24 , Re0,6

(4)

wobei zu berücksichtigen ist, daß der Zusammenhang zwischen der gesuchten Wärmeübergangs-zahl a [kcal/m2 h 0C] und der Nusseltzahl Nu wie folgt lautet:

Nu et· D (5)

Da der Dampfdruck über dem Schwammeis mit einer Temperatur von 0°C stets höher ist, als der Dampfdruck der Wassertröpfchen in der Neb2lwolke, in der der betrachtete Zylinder vereist, so wird eine Verdampfungswärme Q'\-E erzeugt im Betrage von:

Es bedeuten:

Q*E

=

0,24 :t · Re0,6 · k · L · !:,. c

k Diffusionskonstante von Wasserdampf in Luft [m2/h]

L Verdampfungswärme [kcal/kg]

(6)

.6

c Differenz der Wasserdampfkonzentration zwischen Luft und Zylinderoberfläche [kg/m3] (negativ für die hier betrachteten Fälle)

Hierbei wurde eine aus Aehnlichkeitsüberlegungen entwickelte Formel für die Sherwoodz=ihl Sh [-], die den Massenübergang über die Dampfphase charakterisiert, verwendet:

Sh= 0,24 · Re0,6 (7)

(Diese Formel stimmt auch innerhalb einiger Prozente mit einer ebenfalls von Grigull [3]

gegebenen Formel überein.)

Die Sherwoodzahl Sh ist gegeben durch den Ausdruck:

Sh

mit:

ß

Stoffübergangszahl [kg/m2 h _6 c - m/h]

et· D k

(8)

Damit sind wir in der Lage, die durch Verdampfen pro Längen- und Zeiteinheit einem Zy-linder zugeführte Masse zu berechnen, um daraus durch Multiplikation mit der Verdampfungs-wärme L die entsprechende Energiezufuhr gemäß Gleichung (6) zu gewinnen. Die gesamte Wärmebilanzgleichung ist nun gegeben durch den Ausdruck:

Q*cp

+

Q*cc

+

Q*E

+

Q"'F 0 (9)

Hierbei bedeutet Q'"F die Energie, die es braucht den I-ten Teil des angelagerten Wassers zu gefrieren, wie es gemäß dem thermodynamischen Gleichgewicht (Gleichung 9) gestattet ist. Es wird

Q''F m* · S · I

=

D · v · E · Wf · S · I (10) Die gesuchte Größe I ist dabei stets O

<

I L l. (S Schmelzwärme [kcal/kg])

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V=l2ms1 -·-D=0.6cm -D=I.Scm ---D=l.2cml

0.21----+----~,---=-""==:±cc---=::;,-+"==--:::i

0.92

Fig. Eisanteil des Schwammeisansatzes bezw.

Schwammeisdichte p in Funktion des Produktes: freier Wassergehalt Wf mal Einfangswahrscheinlichkeit E; Pa-rameter: Zylinderdurchmesser D.

V= 12.0ms1 V= 6.0mS1 V= 2.5ms1 -30

0 2 4 6 8 grii3 E Wf

Fig. 3 Zusammenhang zwischen Lufttemperatur tA und freiem Wassergehalt Wf mal Einfangswahrscheinlich-keit E, für verschiedene Werte des Eisanteils I des an-gelagerten Schwammeises; Parameter: Zylinderdurch-messer D.

D

cm \

\ \

Schwammeis l l

1 1 1

3;----1---;r-1->-t---\-+---+-\----,---+-v-=-l2-.0-m_s_1

1

~

\ ----· v=6.0ms1

2

\ -·-·- v=25m~

Eis

0 2

V= 12.0ms1

V= 6.0ms'

p gcni3

Fig. 2. Eisanteil I des Schwammeisansatzes bezw.

Schwammeisdichte p in Funktion des Produktes: freiet Wassergehalt Wf mal Einfangswahrscheinlichkeit E; Pa-rameter: Luftgeschwindigkeit v.

oc

D=0.6cm D= 1.8cm

Fig. 4 Zusammenhang zwischen Lufttemperatur tA und freiem Wassergehalt w f mal Einfangswahrscheinlich-keit E, für verschiedene Werte des Eisanteils I des an-gelagerten Schwammeises; Parameter: Luftgeschwindig-keit V.

Fig. 5 Trennungslinien zwischen Eisansätzen mit einer Temperatur unter 0°C und Schwammeisbildungen an Zylindern in Funktion des Zylinderdurchmessers D und des Produktes aus Einfangswahrscheinlichkeit E und dem freien Wassergehalt der Luft Wf ; Parameter: Luft-temperatur tA, Luftgeschwindigkeit v.

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Gleichung (9), substituiert durch die Gleichungen (2), (3) und (6) und aufgelöst nach I liefert den Anteil I des angelagerten Wassers, der zufolge der Kältezufuhr von außen gefriert:

Re0,6 D. V. E. Wf In der Form.

0,757 (L · k · f::::.c

+

i. · tA

s s

(11)

E · Wf · v (S · I

+

cw · tA) 0,24 · Re0,6

- - - - (L· k · 6c

+

i. · tA) (12)

,.

D

entspricht Gleichung (11) bei der Bedingung I

=

1 der Gleichung, die von Ludlam [4] für den Wär-meaustausch vereister Zylinder angegeben wird.

Figuren 1 und 2 stellen den Anteil des angelagerten Wassers dar, der je nach Temperatur in Funktion des freien Wassergehaltes gefriert. In der einen Darstellung wurde die Luft-geschwindigkeit v konstant angenommen, währenddem verschiedene Werte für den Durch-messer D eingesetzt wurden - in der andern wurde bei gegebenem Durchmesser die Luft-geschwindigkeit variiert. Niedrige Eisanteile I werden begünstigt durch hohe Luftgeschwindig-keiten, große Durchmesser und große freie Wassergehalte der Luft.

In beiden Darstellungen wurde die schlechte Kenntnis der Einfangswahrscheinlichkeit E übergangen durch die Darstellung des Produktes E.wf, analog Macklin [5].

Aus Figur 1 sind zudem die Grenzwerte ersichtlich, die der Eisanteil bei verschiedenen Werten der Lufttemperatur im Extremfall annehmen kann. Der Limes ist:

Limes Iwf-+-

= =

(13)

s

Er ist nur abhängig von der Temperatur t A der den Zylinder anströmenden Luft.

Tragen wir Lufttemperatur t A und freien Wassergehalt Wf als Variable auf mit verschie-denen Werten des gefrierenden Wasseranteils I als Parameter, so ergeben sich für drei Werte der Luftgeschwindigkeit v und des Zylinderdurchmessers D Kurven gemäß den Figuren 3 und 4.

Diese zeigen, wie die Kurven konstanten Eisanteils praktisch lineare Beziehungen zwischen Lufttemperatur und freiem Wassergehalt schaffen. Die Neigung der «Geraden» nimmt mit stei-gendem Werte des Durchmessers und der Luftgeschwindigkeit zu.

Gleichung 11 liefert uns zusätzlich auch die Grenzbedingungen zwischen trockenen Eis-anlagerungen und Schwammeisansätzen. Sie sind gegeben durch die Verhältnisse, bei denen alles angelagerte Wasser gefriert, die Temperatur des Ansatzes jedoch gerade noch 0° C beträgt.

Für diesen Fall ist I

=

1. Entsprechende Kurven sind, ebenfalls für Normaldruck, in der Figur 5 dargestellt. Bei gegebenen Werten von Lufttemperatur, Luftgeschwindigkeit und Zylin-derdurchmesser z.B. können wir den freien Wassergehalt der Luft (multipliziert mit der Ein-fangswahrscheinlichkeit) angeben, der das Gebiet der Wachstumsbedingungen für Schwammeis trennt vom Gebiet, wo sich trockene Eisansätze bilden.

Strukturuntersuchungen anläßlich von Experimenten über Schwammeinsätze an Kugeln zeig-ten, daß die Dichte durch Umrechnung direkt aus dem Anteil des gefrierenden Wassers I gewon-nen werden kann. Eine Verfälschung durch im angelagerten Wasser gelöste Luft, die beim Ge-frieren frei wird, dürfte nicht allzu bedeutsam sein, da offenbar diese Luftblasen aus dem Was-ser wegdiffundieren. Der Zusammenhang zwischen I und der Dichte ist damit gemäß Formel (14) gegeben:

I pw-p PE

(14)

PW-PE P

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mit: p Dichte des Schwammeisansatzes [kg/m3]

PW Dichte von Wasser [kg/m3]

PE

Dichte von Eis [kg/m3]

Diese Beziehung ist mit Abweichungen zwischen O und 0,023 von I praktisch linear. Ent-sprechende Dichteskalen sind in den Figuren 1 und 2 angebracht; die Eisdichte wurde dabei mit 0,915 glcm3 eingesetzt.

Vergleichen wir die Abhängigkeit des Eisanteils I eines Schwammeisansatzes an einem Zylin-der mit dem Schwammeisansatz an einer Kugel gemäß List [2], so können wir feststellen, daß Zylin-der freie Wassergehalt in beiden Fällen den gleichen Einfluß hat, Durchmesser D und Luftgeschwin-digkeit v jedoch für Zylinder Do,4 resp. vo,4 gegenüber den Quadratwurzeln dieser Para-meter bei der Betrachtung von Kugeln eingehen. Diese Verschiedenheit ist jedoch im betrach-teten Bereiche praktisch nicht bemerkbar, ebenso die gegenseitige absolute Verschiebung der entsprechenden Kurven, die kleiner als 10 % ist.

Abschließend sei vermerkt, daß die hier hergeleiteten Kurven auch noch durch Messungen verifiziert werden müssen. Die Untersuchungen über analoge Vereisungen bei Kugeln zeigten die Notwendigkeit eines Korrekturfaktors, der mit der Einfangswahrscheinlichkeit E kombiniert werden kann. Die Meßpunkte entsprachen jedoch innerhalb der Meßgenauigkeit den errech-neten Kurven. Damit dürfte klar sein, daß die Dichte von Eisansätzen zufolge der Existenz von Schwammeis die Dichte von Eis übersteigen kann und je nach Vereisungsverhältnissen über-steigen muß. Auch ist zu fordern, daß für beliebige Werte der Lufttemperatur (<0°C), des Zylinderdurchmessers, der Luftgeschwindigkeit und der Tropfengrößen (> Iµ) stets ein freier Wassergehalt E.Wf existiert, bei dem das Wachstum eines «trockenen» Eisansatzes (Eistempe-ratur unter 0° C) übergeht in das Wachstum von Schwammeis. Damit können auch die Mes-sungen von Macklin [5] über die Dichten von Reifansätzen (Temperatur des Eises (<0°C) ,auf alle Fälle für Werte über 0,7 g/cm3, zumindest als sehr ungenau bezeichnet werden. Eine spe-zielle Auseinandersetzung mit dieser Arbeit erfolgt an anderer Stelle.

Diese Arbeit wurde ausgeführt im Rahmen des Forschungsprogrammes der Eidg. Kommission zum Studium der Hagelbildung und der Hagelabwehr, das auch vom Schweiz. Nationalfonds unterstützt wird.

Literatur

[1] R. List, Wachstum von Eis-Wassergemischen im Hagelversuchskanal, Helvetica Physica Acta 32, 1959, 293-296 [2] R. List, Zur Thermodynamik teilweise wäßriger Hagelkörner, Z. angew. Math. Phys. 11, 1960, 273-306

[3] U. Grigull (Gröber/Erk), Die Grundgesetze der Wärmeübertragung, Springer-Verlag, Berlin, 1955, p. 428 [4] F. H. Ludlam, The heat economy of a rimed cylinder, Quart. J. R. Met. Soc. 77, 1951, 663-666

[5] W. C. Macklin, The density and structure of ice formed by accretion, Quart. J. R. Met. Soc. 88, 1962, 30-50

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