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Wir sehen hier zunächst davon ab, daß das Postulat unterschied- unterschied-lich fundiert und interpretiert werden kann, aber auch, daß

Leistungsfähigkeitspostulats

I. Welche Bedeutung hat das Postulat der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit? Steuertheorie und -politik stimmen fast

1) Wir sehen hier zunächst davon ab, daß das Postulat unterschied- unterschied-lich fundiert und interpretiert werden kann, aber auch, daß

vereinzelt seine Funktion gänzlich bestritten wird; hierzu

siehe den 3. Teil dieser Untersuchungen.

(W. Pfähler 1978) - ihr wesentliches Erklärungs- und Konkreti-sierungsanliegen an die Politik zurückgeben muß: Wie im 3. Teil dieser Untersuchung dargelegt wird, führen die bisherigen Ver-suche, das Leistungsfähigkeitspostulat mithilfe von Nutzen- und Opfertheorien zu bestimmten, nicht zum Ziel; daher stehen Bemü-hungen im Vordergrund, es als eine Doktrin zu verstehen, die al-lein im politischen Prozeß konkretisiert werden kann. 2 )

Für die Bedeutung dieses Postulats ist es nicht unwichtig, darauf hinzuweisen, daß es im Zuge politischer Konkretisierung in ein zwei-faches allokativ-distributives Dilemma gerät: Es will als eine distributive Norm die persönliche Steuerlast so verteilen, daß der Leistungsfähigere größere Lastanteile trägt als der weni-ger Leistungsfähige, müßte aber zugleich anerkennen, daß bereits die Maßgröße ihrer Lastzumessung, die persönliche Leistung, nicht korrekt ist: dies nicht allein wegen der zweideutigen Meß-, Zu-rechnungs- und Neutralitätsprobleme, sondern auch wegen der in§ 3 nachgewiesenen Interdependenzen zwischen der Besteuerung und der Primäreinkommensverteilung. Ferner will es als eine distributive Norm die persönliche Steuerlast einerseits so niedrig bemessen, daß der ökonomisch Schwache geschont wird, andererseits so hoch ansetzen, daß der ökonomisch Stärkere jenes Maß an Steuerlast mehr trägt, das auch noch die Finanzierung des Umverteilungsvolumens erlaubt,3) müßte aber zugleich erkennen, daß bei einer übergroßen Steueranspannung die ökonomische Reaktion der höher Besteuerten das Aufkommen und die Dauerergiebigkeit der Steuer und damit das Distributionsziel gefährdet.

Dieser Konflikt bleibt unauflöslich, wird allein im politischen Kompromiß umgangen werden können.

II. Die Anwendung des Leistungsfähigkeitspostulats setzt aber vor-aus, daß definiert werden kann, was "Leistung" ist und welchen ge-sellschaftspolitischen Stellenwert sie im allokativ-distributiven Bezug eingeräumt erhalten soll. Denn einerseits wird unterstellt, Leistung sei korrekt meß- und zurechenbar und stets unbestritte-ner Ausdruck des marktlichen und wettbewerblichen Prozesses,

ande-2) Zu den Konkretisierungen dieser Norm siehe die~§ J4 - 17.

3) Hier soll keineswegs bedenkenlos für die Umverteilung votiert werden, sondern davon ausgegangen werden, sie sei gesellschafts-politisch erwünscht.

rerseits werden bestimmte Leistungsnormen vorgegeben. In beiden Fällen darf man davon ausgehen, daß dem Prinzip Leistung ganz bestimmte gesellschaftliche Funktionen überantwortet werden.

Wenn nun eine Gesellschaft der individuell (bzw. kollektiv) er-zielten Leistung besondere Funktionen zuerkennt, handelt sie nach dem "L e i s t u n g s p r i n z i p" • In diesem läßt sich so-wohl eine "Produktionsregel" als auch eine "Verteilungsregel" se-hen. Die Produktionsregel rUckt die allokativen, die Verteilungs-regel die distributiven Wirkungen der Leistung in den Vordergrund unserer Betrachtungen. Derselbe marktliche Prozeß, der die Produktionsregel mit Inhalt filllt, determiniert uno actu auch die Verteilungsregel. Da ein- und dasselbe Prinzip, nämlich das der Leistung, sowohl die Entstehung als auch die Verteilung des Sozial-produkts regelt, die Leistungsergebnisse aber je nach den persön-lichen Voraussetzungen der Faktorverteilung sowie je nach der persönlichen Art und Intensität des Faktoreinsatzes unterschied-lich sind, bedeutet dies, daß das Sozialprodukt unterschiedunterschied-lich verteilt wird. Dies ist eine wertfreie Feststellung.

a) Dabei darf nicht die Produktions rege 1 als wirtschaftsordnungssignifikant bezeichnet werden, wohl aber die Verteilungsregel. Denn Leistung an sich, ob individuell und "pri-vat" erbracht oder als "gesellschaftlich notwendig" bezeichnet und kollektiv verlangt, kennzeichnet bisher noch jede aller denk-baren gesellschaftlichen Ordnungen. Das gilt auch filr die nicht-kapitalistischen Wirtschaftsordnungen.

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Es ist gerade nicht die gesellschaftsorganisatorische Institution des Privateigentums an den Produktionsmitteln, sondern der Primat der Arbeit, der Leistung also, der in sozialistischen Marktwirtschaften und in zentral-administrativen Systemen die Verteilung in der "Aneignung des Produktes" regelt. So sehr sich also auch die marktlichen und nichtmarktlichen Allokationsmechanismen in den individualistischen 4) "Auch in einer Zentralverwaltungswirtschaft ist die zentrale

Leitung gezwungen, den Leistungslohn als Anreizmittel zu ver-wenden, wobei sie sich sowohl der Uberproportionalen Lohnstei-gerung sowie besonderer Prämien und Strafen bedient ••. " W.

Eucken 1968, S. 316. - K.P. Hensel 1964, S. 335: Betriebliche Planerfüllung, Akkordlohnprinzip, Soll-Leistungen, Prämien ma-terieller und immama-terieller Art, Aufrufe und Propaganda zur PlanUbererfUllung, Aufbau eines Verwaltungsapparates zur system-typischen Leistungskontrolle.

und kollektivistischen Gesellschaftssystemen grundsätzlich von einander unterscheiden, so einheitlich gilt in ihnen die Regel der Anwendung von Gratifikationen (P. Bernholz 1975, S. 179 f.) und Sanktionen bei Beachtung bzw. Nichtachtung des (für die pri-märe Verteilung beanspruchten) Leistungsprinzips. 5 )

b) Demgegenüber erfuhr und erfährt die Ver t e i 1 u n g s -rege 1 in der geschichtlichen Entwicklung vorn liberalen Staat bis hin zum Wohlfahrtsstaat eine ständige Korrektur und wird da-mit wirtschaftsordnungssignifikant: Gilt die Leistungsgerechtig-keit für den Staat des' Liberalismus' noch als die

naturge-gebene Gerechtigkeitsregel schlechthin und damit als nicht weiter veränderungswürdig, so wird sie mit dem Entstehen des Interven-tionsstaats mehr und mehr als korrekturbedürftig angesehen, und zwar einerseits durch die Kritik am Leistungsprinzip selbst, an-dererseits durch die Entwicklung einer korrigierenden Sozial- und Verteilungspolitik mit ih~er Orientierung am Bedürfnisprinzip.

In den Wirtschaftssystemen mit sozialistischer Marktwirtschaft ,vordem Jugoslawien) und mit zentralplanwirtschaftlicher Verwal-tung (siehe alte Sowjetunion und der DDR), gewinnt gerade das Verteilungssystem ordnungspolitische Qualität (H. Willgerodt 1973, s. 94). 6 ) Auch in den sozialistischen Wirtschaftssystemen mit zentraladrninistrativer Planung ist das offizielle Hauptziel der Verteilungspolitik nicht etwa die Entlohnung nach den Bedürfnissen

(die hat nur ergänzende Funktion), sondern nach der Arbeitslei-stung. Die besondere Bedeutung des Leistungsprinzips zeigt sich in der Heraushebung von Ubererfüllung der Sollvorgaben, aber auch in den Sanktionen für ihre Untererfüllung, die ihren Niederschlag findet in der Aufteilung des Effektivlohns in den Tariflohn (der aus der Einstufung jedes Beschäftigten in die verschiedenen Lohn-gruppen folgt) einerseits und den Mehrleistungslohn, die Mehrlohn-prämien und die Jahresendprämie andererseits (H. Leipold 1976, S. 67).

5) H. Willgerodt 1973, S. 90: "Das Leistungsprinzip ist im Sowjet-system schon allein deswegen unentbehrlich, weil das zentralge-leitete Wirtschaftssystem wegen seiner unrationellen Lenkungs-mechanik unter notorischen Funktionsmängeln leidet und den da-durch entstehenden Rückstand an Produktivität da-durch erhöhten Leistungsanreiz, aber auch Leistungsdruck wettmachen muß."

6) Siehe hierzu insbesondere H. Leipold 1976, S. 64.

c) Mithin dürfte in allen Wirtschaftssystemen das Leistungsprin-zip sowohl als Produktionsregel wie auch als Verteilungsregel ver-wendet werden, mit dem Unterschied freilich, daß im zentralen Pla-nungssystem die Bewertung der Leistung zusammen mit der Alloka-tionsentscheidung ausschließlich politisch entschieden wird

(K.P. Hensel 1972, passim), also über behördliche Instanzen er-folgt, die zwar die Maßstäbe betrieblicher Leistung zentral fest-legen, selbst aber nicht in den Austauschprozeß zwischen Produ-zent und Nachfrager eingegliedert sind. Dagegen sind in markt-wirtschaftlichen Ordnungen die Zuständigkeiten zur Definition und Bewertung der Leistung dem jeweiligen Empfänger von Leistungen zugeordnet (H. Willgerodt 1973, S. 102), was bedeutet, daß in ei-nem primären Schritt der private Wettbewerb über die Verteilung entscheidet, in einem sekundären der Staat korrigierend eingreift.

Dadurch haben die Preise eher die Chance, Ausdruck der Nachfrage-wünsche und der Knappheit zu sein, ohne daß sie generell, gleich-zeitig und der politischen Absicht nach die Funktion der sekun-dären Verteilung in sich aufnehmen (den Agrarmarkt müßte man hier wohl ausnehmen, wie überhaupt jeden subventionspolitisch "gestör-ten" Markt) .

Der Vergleich beider Wirtschaftssystemtypen legt offen, daß die Produktionsregel system- in d i ff er e n t von der Funktion des Leistungsprinzips bestimmt wird, effiziente Faktoreinsatzpo-sitionen zu finden und zu maximalem Faktoreinsatzergebnis zu füh-ren; in beiden Systemtypen gilt Leistung als das einzige Stimulanz für ökonomische Aktivitäten; für beide Systemtypen gilt, daß die Erreichung des Allokations-Ziels davon abhängt, inwieweit die Preisbildung auf den Märkten von politischer Einflußnahme - sei es durch markterhaltende oder -anpassende Subventionierung, sei es durch verbindliche staatliche Planung - geprägt ist (wobei wir uns der Tatsache erinnern, daß auch die zentraladministrativen Systeme ohne Preise nicht auskommen).

Als Verteilungsregel allerdings weist das Leistungsprinzip s y -s t e m t y p i -s c h e Unter-schiede auf, zwar nicht hin-sichtlich der Funktion, Leistungsäquivalenzen und -zurechnungen zu ermögli-chen (hier stehen beide Systemtypen vor identisermögli-chen, nicht über-zeugend zu lösenden Problemen), doch bei der Bestimmung der Ein-kommensskalenpositionen. In marktwirtschaftlichen Systemen

deter-miniert die Preisbildung allein die primare Verteilung; weitere verteilungspolitische Aktivitäten sind der politischen Entschei-dung überlassen und von der ökonomischen eindeutiger abgegrenzt als in planwirtschaftlichen Systemen.

In letzteren dagegen ist mit der Produktionsregel im wesentlichen auch die Verteilungsregel verordnet, da die Preise im politischen Planungsverfahren festgelegt werden und zugleich die Verteilung grundlegend vorwegbestimmen sollen.

d) Für den Fortgang der Gedankenführung ist nun - auch angesichts des oben beschriebenen Dilemmas - besonders erheblich, herauszu-stellen, inwieweit sich das Leistungsfähigkeitspostulat auf die ökonomischen Funktionen und Erscheinungsformen von Leistung in marktwirtschaftlichen Ordnungen verlassen kann. Sollten sich Probleme bei der Bemessung und Zurechnung von Leistung im markt-lichen Entlohnungsprozeß ergeben, kann das nicht ohne Auswirkun-gen auf ein Postulat bleiben, das zwar die sekundäre Einkommens-verteilung regeln will, dabei aber auf der im Marktprozeß sich ergebenden primären Verteilung basiert.

III. Wir gehen davon aus, daß in ökonomischer Betrachtung vom Leistungsprinzip, in steuerlicher vom Post u 1 a t der Besteuerung nach der Leistungs fähig -k e i t gesprochen wird. Während ersteres_die grundsätzliche ö-ko- öko-nomische Aktivität des einzelnen allokativ reguliert und das Ent-lohnungsergebnis bereits determiniert, setzt letzteres an diesem Ergebnis an,greift mithin im distributiven Bereich an und erzielt gewollte oder ungewollte allokative Wirkungen über die Reaktionen der Besteuerten.

Das ökonomische Leistungsprinzip geht dem steuerlichen Leistungs-fähigkeitspostulat logisch vor, ist in einem System rationaler Besteuerung demnach die vorgegebene Richtgröße. Die Funktionen des Prinzips und Postulats sind in einer idealen Betrachtung die folgenden:

Das Leistungsprinzip hat zwei allokative Aufgaben zu erfüllen, nämlich erstens, das Entgelt für den Faktoreinsatz zu gewährlei-sten; hier ist das Leistungsentgelt Stimulanz- und zugleich Sank-tionskriterium. Leistung und Entgelt führen als zweite allokative