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DIE WICHTIGSTEN ERGEBNISSE IN KÜRZE

Der Windausbau an Land wird von einem Großteil der Bevölkerung befürwortet, erhält aber im Vergleich zum Ausbau aller anderen Erneuerbare-Energien-Technologien die niedrigste Zustim-mung und die höchste Ablehnung.

Eine ablehnende Haltung zum Windausbau an Land ist nur zum geringen Teil auf eine empfun-dene Beeinträchtigung durch Windanlagen in der Wohnumgebung zurückzuführen.

Eine große Mehrheit der Windskeptikerinnen und -skeptiker befürwortet den Ausbau erneu-erbarer Energien und sieht die Energiewende als Gemeinschaftsaufgabe an, bei der jeder und jede mitwirken sollte.

Die große Mehrheit der Befragten mit Windanlagen in der direkten Wohnumgebung oder Re-gion fühlt sich von diesen nicht oder eher nicht negativ beeinträchtigt, auch nicht, wenn sich wenige Anlagen in einer nahen Entfernung vom Wohnhaus befinden.

Nur bei einer sehr starken Betroffenheit vom Windausbau (mehr als zwanzig Anlagen, in ein bis zwei Kilometer Entfernung vom Wohnhaus und Sichtbarkeit der Anlagen) zeigt sich, dass der Anteil derjenigen, die sich vom Windausbau negativ beeinträchtigt fühlen, auf mehr als 50 % ansteigt.

Bei der lokalen Akzeptanz von Windanlagen in der Wohnumgebung ist die Anzahl der Anlagen ein zentraler Faktor. Der Abstand allein ist nicht das entscheidende Kriterium.

Knapp die Hälfte der Bevölkerung wünscht sich bei den Entscheidungen über den Bau von Windanlagen eine substanzielle politische Mitbestimmung durch die vor Ort betroffenen Bür-gerinnen und Bürger.

Fast die Hälfte der Bevölkerung kann sich grundsätzlich vorstellen, an Protestaktivitäten gegen geplante Windanlagen in der eigenen Wohnumgebung teilzunehmen, die Mehrheit davon nur unter der Bedingung einer direkten Betroffenheit, z. B. durch Lärm.

Bei Personen mit negativen Einstellungen zum Windausbau und mit dem Empfinden einer Be-einträchtigung im Alltag durch die Windanlagen in der Wohnumgebung ist die Protestbereit-schaft stark erhöht.

Der weitere Ausbau von Windenergieanlagen an Land hat sich zu einem der zentralen Konfliktthemen der Energiewende entwickelt. Während der klimapoliti-sche Druck hoch ist, mit einem möglichst schnellen Ausbau der Windenergie zur Erreichung der Klima-schutzziele beizutragen (Agora Energiewende 2018), scheint die Akzeptanz bei den betroffenen Anwoh-nerinnen und Anwohnern vor Ort zunehmend gerin-ger zu werden. Im ganzen Bundesgebiet protestieren Bürgerinitiativen und andere lokale Akteure gegen geplante Windprojekte (Eichenauer et al. 2018; Marg et al. 2017). Die Initiative „Windwahn“ verzeichnet auf ihrer Website bereits mehr als 1.000 Bürgerinitiativen oder lokale Akteure, die sich deutschlandweit gegen den Bau von Windrädern engagieren1 und zunehmend landes- und bundesweit vernetzen2 (Eichenauer 2018).

Gleichzeitig hakt es beim Ausbau vor Ort. Nach der hohen Ausbaudynamik in den Jahren 2014 bis 2017 brach die Zahl der Inbetriebnahmen im ersten Halb-jahr 2019 massiv ein, im Vergleich zum VorHalb-jahreszeit- Vorjahreszeit-raum um satte 82 % (Deutsche WindGuard 2019, 3).

Auch im ersten Halbjahr 2020 bleibt der Ausbau auf einem niedrigen Niveau, mit 178 Windanlagen bzw.

591 Megawatt ist er etwa doppelt so hoch wie im Vergleichszeitraum 2019 (ohne Berücksichtigung des Rückbaus) (Deutsche WindGuard 2020, 3). Dass der Ausbau damit so niedrig ist wie seit der Einführung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) im Jahr 2000 nicht mehr, liegt allerdings nicht in erster Linie an den Bürgerprotesten. Nach Angaben der Fach-agentur Windenergie an Land (FA Wind 2019b) ist die Genehmigung zahlreicher Windprojekte aufgrund von Belangen der zivilen und militärischen Flugsiche-rung blockiert.3 Auch gibt es eine steigende Anzahl von Klagen gegen bereits genehmigte Vorhaben, die den Bau verzögern oder gar verunmöglichen. Die FA Wind nennt mindestens 700 Megawatt genehmigte, noch nicht realisierte Windenergieleistung, die be-klagt werden (Stand Juli 2019). Die meisten Klagen

werden dabei von Umwelt- und Naturschutzverbän-den insbesondere aus GrünNaturschutzverbän-den des Artenschutzes geführt, aber auch Anwohnerinnen und Anwohner oder Bürgerinitiativen nutzen das Instrument der Kla-ge, um gegen Windprojekte vorzugehen (FA Wind 2019a). Darüber hinaus wird auch das 2017 beschlos-sene Ausschreibungsdesign von der FA Wind für die niedrige Anzahl der Inbetriebnahmen mit verant-wortlich gemacht, da über 90 % der Förderzusagen an immissionsschutzrechtlich noch nicht genehmigte Windprojekte gingen (FA Wind 2019a).

Die Windbranche beschwert sich über zu langsame Genehmigungsprozesse und eine mangelnde Flächen-verfügbarkeit und fordert gemeinsam mit Umweltver-bänden eine Beschleunigung des Ausbaus (BWE et al.

2019). Dabei gerät auch die Frage der fehlenden Ak-zeptanz durch die protestierenden Bürgerinnen und Bürger vor Ort zunehmend als „Ausbauhemmnis“ in den Blick (Galvin 2018); die Schaffung von Akzeptanz wird insofern auch als „Hemmnisabbau“ (bdew 2019b) verstanden. Befürchtet wird, dass Proteste der Bevöl-kerung in zunehmendem Maße zu einem Hemmschuh für den Windausbau werden.

Bundesregierung, Bundesländer und die Windbranche wollen die Akzeptanz vor Ort stärken (Bundesregie-rung 2019, 17; BWE et al. 2019). Wie dies zu erreichen ist und welche Maßnahmen dafür sinnvoll sind, ist je-doch unter den verschiedenen Akteuren umstritten.

Das Bundeswirtschaftsministerium hat Vorschläge vorgelegt, um die Akzeptanz zu stärken (BMWi 2019b;

BMWi 2020), darunter die finanzielle Beteiligung von Standortkommunen an den Erträgen von Windanla-gen. Mit dem umstrittenen Vorschlag der Einführung bundesweiter Mindestabstände von 1000 Metern zwi-schen Wohnhäusern und Windanlagen konnte sich das Ministerium gegenüber den Bundesländern nicht durchsetzen.

1 Siehe https://www.windwahn.com/karte-der-buergerinitiativen/, letzter Zugriff 20.09.2020

2 Siehe https://www.vernunftkraft.de/bundesinitiative/, letzter Zugriff 20.09.2020

3 Die Branchenumfrage der FA Wind ergab, dass fast 2.000 Windenergieanlagen aufgrund von zivilen und militärischen Belangen der Luftraumnutzung blockiert sind. Über 1.000 Windenergieanlagen (4.800 Mega- watt) können dabei nicht gebaut werden, weil sie einen Einfluss auf Drehfunkfeuer haben sollen. Im Bereich der militärischen Luftraumnutzung ergaben die Rückmeldungen, dass 900 Anlagen bzw. 3.600 Megawatt Windenergieleistung nicht genehmigt werden, wofür insbesondere Tiefflugkorridore für Hubschrauber sowie

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8.1. KONZEPT UND INDIKATOREN

Für die Perspektive der sozialen Nachhaltigkeit der Energiewende ist relevant, wie die Bevölkerung zum weiteren Windausbau steht, wie sie diesen erlebt und welche Präferenzen sie zum Umgang mit zentralen Zielkonflikten hat, die bei den Auseinandersetzungen eine zentrale Rolle spielen. In diesem Kapitel stehen vor diesem Hintergrund folgende Fragestellungen im Vordergrund:

Wie steht die Bevölkerung zum weiteren Windausbau an Land? Erstens werden die Einstellungen der Bevöl-kerung in Deutschland zum Ausbau von Windanlagen erhoben, und es wird erfasst, wie sich Zustimmung und Ablehnung im Zeitverlauf entwickeln. Damit wird eine von mehreren zentralen Dimensionen von Akzep-tanz in den Blick genommen.4 Da Konflikte und Protes-te gegen den Bau neuer Windanlagen insbesondere auf regionaler Ebene auftreten, können bundes- und auch landesweit erhobene Durchschnittswerte aller-dings bedeutende regionale oder lokale Unterschiede überdecken. Deshalb werden auch spezifisch die Ein-stellungen der vom Windausbau betroffenen Bevölke-rung untersucht.

Welche Erfahrungen hat die Bevölkerung bereits mit dem Ausbau von Windanlagen in Deutschland ge-macht? Zweitens wird erfasst, wie hoch der Anteil der Bevölkerung ist, der bereits in der Nähe von Windrädern in Deutschland lebt, und wie hoch der Anteil derjenigen ist, die sich dadurch im Alltag negativ beeinträchtigt fühlen. Um die Betroffenheit zu messen, wurde ein Kon-zept entwickelt, dass es ermöglicht, unterschiedliche Betroffenheitsgrade differenziert zu messen (s. Kapi-tel 8.3). Neben objektiven Faktoren wie der Anzahl der Anlagen in der Wohnumgebung oder der Entfernung der Anlagen vom Wohnhaus werden auch subjektive Aspekte erhoben, die sich auf das individuelle Empfin-den der Betroffenheit beziehen. Auf dieser Grundlage wird es möglich, die Zusammenhänge zwischen der Betroffenheit und den Einstellungen sowie der Protest-bereitschaft zu erfassen (s. Kapitel 8.5).

Wie steht die Bevölkerung zur politischen Beteiligung der vor Ort betroffenen Bevölkerung bei den Entschei-dungen zum Bau von Windanlagen? Der politischen Auseinandersetzung um den Ausbau der Windener-gie liegt im Kern der Zielkonflikt zwischen der Be-rücksichtigung der Interessen der betroffenen Bevöl-kerung und einem möglichst schnellen Ausbau der

Windenergie als zentralem Beitrag zur Erreichung der Klimaschutzziele zugrunde. Damit geht es auch da- rum, wer darüber entscheiden oder zumindest mitent-scheiden kann, wo in Deutschland und unter welchen Bedingungen wie viele Windanlagen gebaut werden.

Um zu verstehen, wie die Bevölkerung zu diesem zen-tralen Zielkonflikt steht, wird drittens genauer erfasst, wo die Präferenzen der Bevölkerung zur Mitwirkung und Mitsprache bei diesem wichtigen Handlungsfeld der Energiewende liegen. Wie wichtig ist den Men-schen die politische Beteiligung der betroffenen Be-völkerung beim Windausbau? Und ist aus Sicht der Bevölkerung die Bürgerbeteiligung wichtiger als ein möglichst schneller Windausbau? Antworten auf die-se Fragen liefern einen wichtigen Beitrag, um politi-sche Dynamiken in diesem zentralen Handlungsfeld der Energiewende zu verstehen.

Wie verbreitet ist die Bereitschaft, gegen geplante Windanlagen in der Wohnumgebung zu protestieren?

Viertens geht es darum, vor dem Hintergrund wach-sender und zunehmend gut vernetzter Bürgerproteste zu erheben, wie sich das Ausmaß der Protestaktivität sowie die generelle Disposition zur Teilnahme an Pro-testen gegen Windanlagen darstellen und entwickeln.

Im Fokus des Interesses steht hierbei weniger die Frage, an welchen Protestaktivitäten die Betroffenen genau teilgenommen haben oder teilnehmen würden (Demonstration, Unterschriftenaktion etc.), sondern ob und in welchem Ausmaß eine „grundsätzliche Akti-vitätsdisposition“ (Uehlinger 1988, 3) besteht, also in-wiefern die prinzipielle Bereitschaft von Protest beim Ausbau der Windenergie in der Bevölkerung verbrei-tet ist. Unterschieden wird hier zwischen zwei Intensi-täten der Ausprägung: einmal der uneingeschränkten Protestbereitschaft („bin in jedem Fall bereit zu pro-testieren“) und einer an Bedingungen geknüpfte (be-dingten) Protestbereitschaft bei möglicher persön-licher Betroffenheit (z. B. bei Lärmbelästigung). Die Annahme ist: Je uneingeschränkter die grundsätzliche Bereitschaft ist, sich gegen geplante Windanlagen zu engagieren, desto stärker ist auch die Wahrschein-lichkeit, dass Menschen diese Verhaltensintention tatsächlich real umsetzen, also im hier relevanten Fall gegen den Bau geplanter Windanlagen in ihrer Wohn-umgebung protestieren oder zumindest mit Protesten sympathisieren. Inwieweit sich Intentionen generell in aktives Verhalten übertragen, ist allerdings von vielen anderen Faktoren abhängig, vor allem von der jeweili-gen Situation vor Ort (Uehlinger 1988).

4 Zustimmung ist nicht mit Akzeptanz gleichzusetzen, denn Akzeptanz hat verschiedene Dimensionen, neben der positiven Einstellung auch Toleranz und aktive Unterstützung (Renn 2015). Siehe zu Faktoren für lokale Akzeptanz beim Windausbau auch Hübner et al. (2019).