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Bei positivem Gerechtigkeitsempfinden höhere Akzeptanz von CO 2 -Preisen

BEWERTUNG DER GESAMTBILANZ

Gut 3 n = 433

2 n= 693

1 n = 826

0 n= 1.244

(−1) n = 1.033

(−2) n = 1.050

Schlecht (−3) n = 987

8,6 Datenquelle: IASS/dynamis 2018

20 18

[%

]

50,4 36,0 7,4 5,1 1,1

43,0 44,3 6,1 5,9 0,7

35,6 47,8 9,6 6,1 0,9

26,0 49,8 13,8 8,4 2,0

23,7 49,7 14,4 11,0 1,2

21,9 46,7 15,6 15,3 0,5

16,7 38,9 16,0 27,0 1,4

Gerecht 3 n = 767

2 n= 2.622

1 n = 1.989

0 n= 2.622

(−1) n = 1.989

(−2) n = 1.989

BEWERTUNG DER GERECHTIGKEIT

8,6 Datenquelle: IASS/dynamis 2018

18

[%

]

Das finde ich gerechtfertigt. Das finde ich eher gerechtfertigt.

Das finde ich eher nicht gerechtfertigt. Das finde ich nicht gerechtfertigt. Weiß nicht.

Unentschieden.

60,4

77,7 5,5

17,3 16,3 1,5 4,00,5

44,2

77,6 6,5

33,4 14,9 4,3 2,20,5

34,0

72,8 10,1

38,8 17,9 6,8 2,30,2

25,6

58,9 15,3

33,3 25,1 8,6 6,7 0,8

21,1

55,4 17,7

34,3 26,5 11,8 5,9 0,4

18,4

46,7 28,2

28,3 24,1 16,1 12,1 1,0

30,2 47,8

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7.7 ZUSAMMENFASSUNG UND FAZIT

Die in diesem Kapitel dargestellten empirischen Er-gebnisse hinsichtlich des Gerechtigkeitsempfindens der Bevölkerung zeichnen ein klares Bild: die Umset-zung der Energiewende wird von der Mehrheit als un-gerecht eingestuft, insbesondere im Hinblick auf die Kostenverteilung. Es sind nicht allein die klassischen sozioökonomischen Merkmale, wie Bildung und Ein-kommen, die das Ungerechtigkeitsempfinden im Hin-blick auf die Energiewende beeinflussen. Relevant sind auch das Alter und vor allem die wahrgenomme-ne Betroffenheit im Alltag. Wer sich bereits durch die Energiepreise belastet fühlt und damit verbundene Einschränkungen im Alltag erlebt, verbindet mit der Energiewende nicht nur ein höheres Maß an Unge-rechtigkeit als diejenigen, für die die heutigen Energie-preise keine Belastung darstellen, sie sind wesentlich seltener bereit, weitere Preissteigerungen auf fossile Energieträger zur Verbesserung des Klimaschutzes zu akzeptieren.

Auch zeigen sich zwischen den Parteianhängerinnen und -anhängern interessante Unterschiede. Das Un-gerechtigkeitsgefühl ist insbesondere bei AfD- sowie Linken-Anhängerinnen und -Anhängern ausgeprägt.

Bei diesen parteipolitischen Lagern besteht ein grö-ßeres Unbehagen bei der Energiewende.

Bei einem Viertel der Bevölkerung liegt im Alltag eine Belastungssituation durch Energiepreise vor. Auch wenn die Belastung größtenteils gelegentlich auf-tritt, zeigt sich, dass diese Bevölkerungsgruppe sich in ihrem Antwortverhalten gerade bei den Gerech-tigkeitsfragen stark von demjenigen der Befragten ohne Belastungssituation unterscheidet. Hier wird der Handlungsbedarf deutlich.

Einkommensschwächere Haushalte sind zwar deutlich häufiger von energiekostenbedingten Belastungen betroffen, dennoch liegt bei über der Hälfte dieser Be-völkerungsgruppe keine Belastungssituation vor. Von einer pauschalen Belastungssituation von Haushalten mit geringerem Einkommen durch Energiepreise kann also nicht gesprochen werden. Insofern ist es wichtig, die einkommensschwächeren Haushalte differenziert zu betrachten.

Quer durch alle Bevölkerungsgruppen zeigt sich bei den gewünschten Kostenverteilungsregeln eine klare Präferenz für Verursachergerechtigkeit, dabei steht jeweils die Klimaverschmutzung oder die Höhe des Energieverbrauchs im Vordergrund. Wer viel ver-braucht oder hohe CO2-Emissionen verursacht, soll mehr, nicht weniger für die Energiewende zahlen.

Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass eine breite Mehrheit der Bevölkerung die EEG-Ausnahmeregeln für die stromkostenintensive Indust-rie ablehnt, da sie den am stärksten geteilten Gerech-tigkeitsvorstellungen widersprechen. Eine Mehrheit findet entsprechend gezielte Ausnahmen zur Entlas-tung einkommensschwacher Haushalte fair.

Insgesamt ist der soziale Ausgleich im Rahmen der Energiewende für die große Mehrheit der Menschen wichtig, sie sieht es als Aufgabe des Staates an, für einen sozialen Ausgleich zu sorgen, damit alle Men-schen ausreichend mit Energie versorgt werden. Hier-bei steht für die große Mehrheit insofern ganz klar das Prinzip der Bedarfsgerechtigkeit im Vordergrund.

Es ist folglich zentral, bei der Energiepreisgestaltung ausgleichende Gerechtigkeitsüberlegungen mit zu berücksichtigen.

Zugleich unterstützt die Mehrheit der Bevölkerung aus Gründen des Klimaschutzes eine stärkere Bepreisung klimaschädlicher Emissionen. Die eigene Zahlungsbe-reitschaft hängt aber bei vielen davon ab, dass es eine Entlastung an anderer Stelle gibt.

Da der Wunsch nach Entlastung in der Bevölkerung stark verbreitet ist, dürfte die Einführung von CO2 -Preisen nur mit einem für die Mehrheit überzeugenden Kompensationsmechanismus ausreichend Akzeptanz finden. Dies muss aber nicht unbedingt eine Pro-Kopf-Rückzahlung bedeuten. , so wie es derzeit hauptsäch-lich als Vorschlag diskutiert wird, um die Akzeptanz und Sozialverträglichkeit bei einer CO2-Bepreisung sicherzustellen. „Entlastungen“ können auch bedeu-ten, den den öffentlichen Nahverkehr im Gegenzug entsprechend spürbar günstiger zu machen oder den Strompreis für die privaten Endverbraucherinnen und Endverbraucher zu reduzieren. Zentral ist, dass es im Gegenzug zu einer Verschlechterung im Bereich der Preisgestaltung für fossile Energien deutlich wahr-nehmbare Verbesserungen in anderen Bereichen gibt.

Die Entlastung muss spürbar und für alle sichtbar sein, damit sie auch von der breiten Mehrheit als Folge der Gesetzgebung wahrgenommen und in ein überzeu-gendes Gesamtkonzept der Maßnahme eingebettet wird. Dazu haben auch die Bürgerforen (s. Kapitel 10) Vorschläge unterbreitet.

Der verbreitete Wunsch nach Entlastung bedeutet je-doch auch, dass ein Großteil der Bevölkerung davon ausgeht, dass die Mehrkosten für den Klimaschutz durch Einsparmöglichkeiten oder Verhaltensänderun-gen kaum vermieden werden können, z. B. durch eine Veränderung des Mobilitätsverhaltens. Offenkundig sehen große Teile der Bevölkerung für sich im Alltag

kaum Alternativen zum Verbrauch fossiler Energien.

Sie gehen vielmehr davon aus, dass der Energieko-nsum insgesamt für sie teurer ausfallen wird. Dies verweist auf die dringende politische Aufgabe, kli-mafreundliche, praktikable und kostengünstige Alter-nativen im Alltag für die Mehrheit der Bevölkerung zu schaffen.

Die hier dargestellten Ergebnisse zeigen, dass die Haushalte mit niedrigerem Einkommen und mit einer energiekostenbedingten Belastung im Alltag deutlich skeptischer gegenüber einer CO2-Bepreisung einge-stellt sind als einkommensstärkere Gruppen, und eine geringere Zahlungsbereitschaft aufweisen. Bei zuneh-mendem Einkommen steigt die Akzeptanz für klima-schutzmotivierte Energiepreissteigerungen. Die Zah-lungsbereitschaft für Klimaschutz ist nicht allein eine Frage des Wollens, sondern auch des Könnens.

Ebenso verhält es sich im Fall einer negativen Bewer-tung der konkreten Umsetzung der Energiewende in Deutschland insgesamt und im Hinblick auf bestimmte Aspekte wie Bürgernähe, Gerechtigkeit oder Kosten.

Je ungerechter, elitärer oder teurer die Energiewende gesehen wird, desto geringer die Bereitschaft, im All-tag mehr für Klimaschutz zu zahlen. Umgekehrt gilt: je mehr die Menschen mit der Energiewende zufrieden sind, desto stärker wird auch die CO2-Bepreisung ak-zeptiert und je höher ist die Zahlungsbereitschaft. Hier zeigt sich, wie wichtig die Bewertung der Energiewen-de in zentralen Aspekten Energiewen-der sozialen Nachhaltigkeit für die Akzeptanz von konkreten Maßnahmen zur För-derung konkreter Energiewendemaßnahmen ist.

Bei der Erhebung der Gerechtigkeitsaspekte im Rah-men der Energiewende werden Widersprüche deut-lich. So sind bei der Bevölkerung jeweils mehrheitlich ausgeprägte, teils einander entgegengesetzte Präfe-renzen oder Ziele feststellbar: während der Wunsch nach sozialem Ausgleich auf möglichst niedrige Energiepreise zielt, geht es bei dem Ziel nach einem möglichst schnellen und effektiven Klimaschutz über höhere CO2-Preise genau in die andere Richtung: er-höhte Preise! Während bei den allgemeinen Gerech-tigkeitsprinzipien zur Kostenverteilung hoher CO2 -Ausstoß und hoher Verbrauch den Menschen wichtig sind, ist es aber keinesfalls so, dass diese Prinzipien auch dann automatisch zum Tragen kommen, wenn es um die eigene Zahlungsbereitschaft geht. Diese Wi-dersprüche müssen aber keine unüberwindbaren Pro-bleme für die Politik sein, sondern können direkt ad-ressiert werden, beispielsweise durch die Anhebung des Lohnniveaus der unteren Einkommensgruppen z. B. über den Mindestlohn und entsprechender An-passungen bei der Sozialgesetzgebung.

Es empfiehlt sich insgesamt, die gezielte Unterstüt-zung für einkommensschwache Haushalte oder Haus-halte mit besonderer Betroffenheit begleitend zur Energiewende vorzunehmen. Im Sinne der sozialen Nachhaltigkeit sollte jede untragbare energiepreisbe-dingte Belastung der Menschen vermieden werden.

Da es in besonderem Maße die ohnehin schon belaste-ten Haushalte sind, die besonders unter den heutigen Energiepreisen leiden, ist die gezielte Unterstützung einkommensschwacher oder von Energiepreisen be-lasteter Bevölkerungsgruppen nötig. Untersuchungen haben gezeigt, dass die im Regelbedarf vorgesehenen Anteile für Strom nicht ausreichen, um den Strombe-darf bei allen Haushaltstypen mit einem besonderen Strombedarf (z. B. elektrische Warmwasseraufberei-tung oder Alleinerziehende mit Kind[ern] unter fünf Jahren) zu decken (Aigeltinger et al. 2015). In der Sozialgesetzgebung sind energiewendebezogene Prinzipien zudem nicht ausreichend berücksichtigt (Schneller und Kahlenborn 2018). Hier besteht drin-gender Handlungsbedarf, um die soziale Gerechtig-keit bei der Energiewende zu stärken.

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