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Gerechtigkeitsdimensionen der Energiewende Thema

Gerechtigkeitsbezogene Aspekte der Betroffenheit Gerechtigkeitsempfinden

Gerechtigkeitsvorstellungen

Indikatoren (Erhebungsjahr)

Wer ist von Belastungen im Rahmen der Energiewende besonders betroffen? (subjektives Empfinden)

Wie gerecht oder ungerecht bewertet die Bevölkerung

(oder verschiedene Bevölkerungsgruppen) die faktische Verteilung von Nutzen und Kosten im Rahmen der Energiewende?

Welche Präferenzen haben verschiedene Bevölkerungsgruppen, wenn es um die gerechte Verteilung von Kosten, Belastungen und Nutzen geht?

Erhebung der gerechtigkeitsbezogenen Betroffenheit

Als zentraler Aspekt der Bewertung der Gerechtig-keit der Kostenverteilung werden in der politischen Diskussion die Auswirkungen von klima- oder ener-giewendebezogenen Preissteigerungen auf Haushalte mit geringem Einkommen oder besonderer Betroffen-heit benannt. Um die Tragfähigkeit von Energieprei-sen für diese Gruppen zu mesEnergieprei-sen, werden in der Lite-ratur in der Regel objektive Indikatoren als Maßstab herangezogen, wie der Anteil der Stromkosten am Haushaltsnettoeinkommen. Auch für die Messung von Energiearmut werden unterschiedliche, meist

objek-tive Indikatoren verwendet. Dabei besteht kein Kon-sens über eine einheitliche Definition oder Messung von Energiearmut, wobei häufig von einem Dreiklang aus niedrigem Einkommen, schlechter Energieeffi-zienz des Gebäudes und steigenden Energiepreisen ausgegangen wird (Großmann 2017). Die Erfassung ist jedoch komplex und erfordert ein anspruchsvol-les Indikatorset, da Energiearmut durch eine „multi-ple Problemlage“ (Heindl et al. 2017) bedingt ist, bei der auch kognitive und psychologische Faktoren, also die vielschichtigen Zusammenhänge von Deprivation und Energieverbrauch, relevant sind (Großmann 2017;

Gawel et al. 2017; Heindl und Liessem 2017).

7 Bei der Erhebung der Gerechtigkeitsaspekte im

Ba-rometer stehen demgegenüber die Erfahrungen der Bevölkerung im Vordergrund. Für die soziale Nach-haltigkeit der Energiewende ist relevant, wie die Menschen selbst ihre Lebenssituation empfinden, es wird der Grad der subjektiven Belastung erfasst: Wie viele Haushalte fühlen sich durch die Energiepreise2 tatsächlich belastet? Wie hoch ist der Anteil der Be-völkerung, für den die Energiepreise eine Belastung darstellen, und welche Haushalte sind besonders be-einträchtigt? Eine rein vergleichende Behandlung der im Hinblick auf das Einkommen gemessenen relativen Stromkostenbelastung kann diese Fragen nicht be-antworten. Zudem ist es wichtig, sowohl Strom- als auch Wärme- und Benzinkosten einzubeziehen.

Um herauszufinden, wie viele Haushalte die von ihnen zu zahlenden Energiekosten tatsächlich in welcher In-tensität als Belastung im Alltag empfinden, fragen wir nach subjektiv empfundenen Einschränkungen in Din-gen des Alltags aufgrund von zu hohen oder steiDin-gen- steigen-den Energiepreisen. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass zumindest von einer deutlich wahrgenommenen Beeinträchtigung des alltäglichen Lebens aufgrund von Energiepreisen ausgegangen werden kann, wenn die Befragten angeben, dass sie sich deswegen bei anderen Aktivitäten einschränken müssen. Durch die Möglichkeit, die Häufigkeit dieser empfundenen Be-einträchtigung anzugeben (regelmäßig/gelegentlich), wird zusätzlich die Intensität der Belastung erhoben.

Darüber hinaus können die Befragten mitteilen, welche Kostenarten für sie besonders belastend sind (Strom-, Heiz- oder Spritkosten). Es ist wichtig zu erfahren, ob die Anzahl derjenigen ab- oder zunimmt, die sich ge-legentlich oder regelmäßig einschränken müssen, und ob diese Bevölkerungsgruppe gegenüber den ande-ren Gruppen besondere Merkmale bei Variablen wie Einstellungen zur Energiewende aufweisen.

Erhebung der empfundenen Gerechtigkeit und der Gerechtigkeitspräferenzen

Ein zentraler Aspekt zur Messung der sozialen Nach-haltigkeit ist die Frage, wie gerecht oder fair die Men-schen die Umsetzung der Energiewende einstufen.

Deshalb wird einmal das allgemeine Gerechtigkeits-empfinden im Hinblick auf die Energiewende insge-samt und darüber hinaus spezifischer in Bezug auf die Kostenverteilung erfasst. Als wie gerecht wird die Energiewende insgesamt und die Kostenverteilung im Besonderen angesehen?

Den von verschiedenen Akteuren vorgebrachten Vor-schlägen zur Reform der Energiepreisgestaltung lie-gen bestimmte Vorstellunlie-gen davon zugrunde, wie eine gerechte Verteilung der Kosten aussieht. Die Vor-schläge für eine CO2-Bepreisung basieren beispiels-weise auf der Vorstellung, dass für die Verursachung klimaschädlicher Emissionen entsprechend gezahlt werden muss. In dieser Studie wird erhoben, welche spezifischen, auf eine gerechte Kostenverteilung der Energiewende bezogenen Gerechtigkeitsvorstellun-gen bei der Bevölkerung besonders großen Anklang finden. Dabei stehen ordnungsbezogene Gerechtig-keitsvorstellungen (Liebig und Sauer 2013) im Fokus, also Regeln oder Prinzipien zur Verteilung der Kosten der Energiewende. Als Ausgangspunkt für das Erfas-sen der Gerechtigkeitsvorstellungen diente die Frage, wie die Menschen konkret zu bestimmten Reformvor-schlägen oder energiewendebezogenen Verteilungs-prinzipien stehen.

Die entwickelten Indikatoren beziehen sich insofern auf unterschiedliche Aspekte des derzeitigen Diskur-ses zur Reform des Umlage- und Abgabensystems (s. Kapitel 7.1). Es geht dabei einerseits um die Be-wertung der derzeit bestehenden Kostenverteilung, nämlich anfallende Kosten für die Energiewende über Abgaben und Umlagen auf den Endverbraucher-Strompreis zu finanzieren oder stromkostenintensive Unternehmen bei der Zahlung der EEG-Umlage auf Kosten der übrigen Letztverbraucher zu entlasten3.

2 Es werden dabei nicht nur die gefühlten Belastungen durch die Energiewendekosten erhoben, sondern durch Energiepreise insgesamt. Denn die Kosten der Energiewende lassen sich nicht eindeutig von den Kosten separieren, die auch ohne die Energiewende angefallen wären, da dazu immer ein kontrafaktisches Szenario nötig ist, was von bestimmten hypothetischen Annahmen abhängt (BMWi 2016a). Auch die EEG- Umlage ist kein geeigneter Indikator zur Messung der Kosten der Energiewende, da sie nicht die absoluten Förderkosten, sondern einen Differenzbetrag zwischen Förderkosten und Marktpreisen widerspiegelt (Gährs et al. 2016).

3 Im Rahmen der „Besonderen Ausgleichsregelung“ im EEG sind stromkostenintensive Unternehmen von einem Großteil der EEG-Umlage befreit. Sie zahlen eine deutlich reduzierte Umlage, wenn sie besonders hohe Stromkosten im Verhältnis zu ihrer Bruttowertschöpfung haben und im internationalen Wettbewerb

Andererseits werden die Präferenzen zu den Ge-rechtigkeitsvorstellungen erfasst, die den im Diskurs geäußerten zentralen Reformvorschlägen zugrunde liegen. Welche Gruppen sollten in den Augen der Be-völkerung besonders für die Kosten der Energiewen-de aufkommen? Die privaten Endverbraucherinnen und Endverbraucher, der Staat oder Unternehmen und Haushalte mit besonders hohen CO2-Emissionen?

Welches Kostenverteilungsprinzip wird am gerech-testen empfunden? Auch hier wurden Aspekte aus dem Diskurs genommen: Gleichverteilung, Leistungs-prinzip oder Höhe des Verbrauchs. Gefragt wird des Weiteren, welche Privilegierungen bei der Kostenver-teilung als ungerecht oder gerecht empfunden wer-den. Ist die Bevorzugung großer Energieverbraucher gerechtfertigt?

Ein weiterer Fokus liegt darauf, wie mit betroffenen Gruppen im Rahmen der Energiewende umgegangen werden soll. Wie wichtig ist der Bevölkerung der so-ziale Ausgleich, zum Beispiel bei der Versorgung aller Menschen mit Energie oder dem Schutz der Mieterin-nen und Mieter im Rahmen der energetischen Gebäu-desanierung?

Erhebung der generellen Akzeptanz einer CO2-Bepreisung

Die Akzeptanz von CO2-bezogenen Energiepreisre-formen, wie immer sie im Einzelnen ausgestaltet sein mögen, wird entscheidend davon abhängen, ob die Bevölkerung die damit einhergehenden Mehrbelas-tungen für gerechtfertigt hält. Deshalb ist es wichtig, zunächst einmal die grundlegenden Einstellungen der Bevölkerung zu einer stärker am CO2-Ausstoß orien-tierten Energiepreisgestaltung zu erfassen. Darüber hinaus wurde der Bezug zur Lebenswirklichkeit der Menschen hergestellt und die konkrete Bereitschaft abgefragt, im Alltag mehr für Klimaschutz bei der Mobilität und beim Heizen zu zahlen. Eine zentrale Dimension ist dabei die Frage, inwiefern die Bevölke-rung eine Entlastung für klimabedingt steigende Ener-giepreise wünscht. Untersucht wird außerdem, welche Bevölkerungsgruppen klimabedingten Preiserhöhun-gen gePreiserhöhun-genüber besonders skeptisch eingestellt sind.

Diese Ergebnisse können wichtige Hinweise für die Gestaltung politischer Instrumente zur Einführung von CO2-Preisen ergeben.

Tabelle 9: Indikatoren zum Themenbereich gerechte Kostenverteilung