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Protestbereitschaft bei negativer Beeinträchtigung von Windanlagen besonders hoch

Überhaupt nicht n = 1.859 Eher nicht n = 987

Ein wenig n = 342 Sehr n = 123

35,4 26,3

7,0 29,3 1,9

78,9

16,4 44,2 27,6 9,1 2,0

84,5

38,3

1,5 1,1

60,6

65,9

13,0 0,8

9,7 13,0 33,3

0,1

46,2

8

ANZAHL DER ANLAGENEINSTELLUNGEN ZUM WINDAUSBAUCHTIGUNG

DURCH WIND- ANLA

GEN IM WOHNUMFELD

3,2 6,5 0,8 0,7

8.6. Zusammenfassung und Fazit

Der Großteil der Bevölkerung in Deutschland unter-stützt den weiteren Windausbau an Land, allerdings ist bei einem Fünftel eine ablehnende Haltung vorhanden.

Damit ist der Windausbau an Land neben der Biomas-se die unbeliebteste Ausbauoption unter den erneuer-baren Energien, und zwar unabhängig von der eigenen Betroffenheit der Menschen. Dies deutet im Vergleich zu anderen erneuerbaren Energieträgern auf ein höhe-res Konfliktpotenzial hin.

Gleichzeitig wünscht sich eine Mehrheit der Bevöl-kerung bei den Entscheidungen zum Bau von Wind-anlagen eine substanzielle politische Mitsprache der betroffenen Anwohnerinnen und Anwohner. Eine di-rektdemokratische Entscheidung ist knapp der Hälf-te der Bevölkerung sogar wichtiger als ein möglichst schneller Windausbau. Insofern dürfte es in Deutsch-land keine Mehrheit dafür geben, den Bau von Wind-anlagen gegen starke Widerstände der vor Ort betrof-fenen Bevölkerung durchzusetzen, aller vorhandenen Relevanz des Windausbaus für die Erreichung der Kli-maziele zum Trotz. Bei den Gruppen, die den Windaus-bau an Land ablehnen und sich durch die Windanla-gen in ihrer Wohnortnähe beeinträchtigt fühlen, ist der Wunsch nach direkter Demokratie besonders stark ausgeprägt.

Das Barometer erlaubt es, die Betroffenheit der Be-völkerung vom Windausbau differenziert zu betrach-ten. Die Ergebnisse zeigen sehr deutlich, dass sich die große Mehrheit der Menschen, die in der Nähe von Windenergieanlagen wohnt, auch trotz einer teils star-ken Betroffenheit (viele Windanlagen in der Nähe des Wohnhauses) nicht davon beeinträchtigt fühlt. Aller-dings steigt die subjektiv empfundene Belastung stark an und betrifft mehr als die Hälfte der Anwohnerinnen und Anwohner, wenn sich sehr viele Anlagen (über zwanzig) in Sichtweite (unter einem Kilometer) vom Wohnhaus befinden.

Das Gefühl der negativen Betroffenheit geht mit ei-ner verstärkten negativen Einstellung zum Windaus-bau an Land einher. Auch wächst damit die Wahr-nehmung von ungerechten Folgen der Energiewende und – ebenfalls nicht verwunderlich – die Protestbe-reitschaft. Pauschale Aussagen darüber, dass eine Vor-erfahrung mit Windanlagen einen positiven Einfluss auf die Akzeptanz ausübt (AEE 2018, FA Wind 2019c), können vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse nicht bestätigt werden. Vielmehr muss auch der Grad der Betroffenheit berücksichtigt werden, der die Akzep-tanz beeinflusst.

Unsere Daten machen deutlich, dass es nicht in erster Linie der Abstand der Windanlagen vom Wohnhaus ist, der für das Empfinden einer negativen Betroffen-heit vom Windausbau ausschlaggebend ist. Vielmehr ist die Anzahl der Anlagen entscheidender als allein der Abstand. Anders als Hübner und Pohl (2015) fest-gestellt haben, konnte in dieser Untersuchung durch-aus ein empirischer Beleg für den Zusammenhang zwi-schen dem Abstand der Anlagen vom Wohnhaus und dem Erleben einer negativen Betroffenheit durch die Windanlagen in der unmittelbaren Wohnumgebung gefunden werden. Allerdings hat die Anzahl der An-lagen in der Wohnumgebung einen stärkeren Einfluss.

In der politischen Diskussion über die Steigerung der Akzeptanz steht jedoch einseitig die Entfernung der Anlagen von Wohngebäuden im Vordergrund. Es ist sinnvoll, stärker die Anzahl der Anlagen vor Ort bei der Windplanung zu berücksichtigen, wenn es um die Min-derung der Belastung für Bürgerinnen und Bürger vor Ort geht. Dies wirft allerdings auch grundlegendere planungsrechtliche Fragen auf.

Angesichts der steigenden klimapolitischen Notwen-digkeit, den Anteil sauberer Energien stärker auszu-bauen, und der ohnehin schon geringen Anzahl der verfügbaren Flächen ist zunächst nicht davon auszu-gehen, dass es in Deutschland zu einer Entschärfung der lokalen Konflikte kommt. Die grundsätzliche Be-reitschaft, gegen geplante Projekte zu protestieren, ist in Deutschland unabhängig von der Betroffenheit bei jedem bzw. jeder Zweiten vorhanden und bei den-jenigen erhöht, die den Windausbau ablehnen oder sich vor Ort bereits stark negativ belastet fühlen. Der Windausbau an Land wird insofern vorerst ein zent-rales Handlungsfeld für die Energiewende bleiben, bei dem um Lösungen gerungen und bei dem ähnlich wie beim Kohleausstieg ein tragfähiger Interessenaus-gleich zwischen zentralen Akteurinnen und Akteuren gelingen muss. Dies kann in demokratischen Systemen nur über politische Prozesse organisiert werden, in de-nen möglichst alle für die Konfliktdynamik relevanten Interessen und Akteurinnen sowie Akteure einbezogen werden. Wichtig sind dafür Prozesse, die zu einer ge-meinsam getragenen Lösung führen können. Insofern liegt einer der zentralen Ansatzpunkte, um zu einer konfliktentschärfenden Lösung beizutragen, auch da-rin, die politischen Prozesse zu verbessern, mit denen Entscheidungen zum Bau von Windanlagen erfolgen.

Es geht dabei um die Schaffung von Vertrauen und um die angemessene Berücksichtigung von Interessen.

Ansatzpunkte sind dabei sowohl die lokale sowie die bundesweite Ebene.

Aus der Forschung zu lokalen Windkonflikten ist be-kannt, dass wahrgenommene Verfahrensungerech-tigkeit ein zentrales Element der Ablehnung von ge-planten Windanlagen vor Ort ist (Zoellner et al. 2005;

Eichenauer 2018). Auch wird eine positive Gestaltung des Planungs- und Bauprozesses empfohlen, denn je stärker die in dieser Phase empfundene Belastung ausfällt, desto höher fällt auch die spätere Belästigung durch die Windanlagen aus, wenn diese in Betrieb sind (Pohl et al. 2014). Bei lokalen Konflikten um den Bau von Windanlagen geht es nicht allein um den vorder-gründigen Streitgrund, sondern es werden auch ganz andere Themen relevant, wie z. B. das tief sitzende Misstrauen gegenüber den politisch Verantwortlichen oder den Planerinnen und Planern, so dass es auch um die Frage der Vertretung des Allgemeinwohls geht (Messinger-Zimmer und Zilles 2016). Es ist insofern wichtig, auch den Prozesscharakter von Akzeptanz zu berücksichtigen (Bentele et al. 2015; Renn et al. 2017).

Ergebnisse nationaler und internationaler Forschung betonen die Wichtigkeit der öffentlichen Partizipati-on beim Windausbau und weisen darauf hin, dass ein Mangel von umfassender und frühzeitiger Möglichkeit zur Einflussnahme auf politische Entscheidungspro-zesse zu einer steigenden Skepsis, zu Misstrauen und Gegnerschaft führen kann (Devine-Wright 2011, xxiii).

Für eine bessere Akzeptanz führt kein Weg an einer breiten, frühzeitigen und gut strukturierten Bürgerbe-teiligung vorbei. BeBürgerbe-teiligungsverfahren sind zwar kei-nesfalls ein Garant für mehr Akzeptanz, diese ist von vielen Rahmenparametern abhängig. Allerdings bieten

„ergebnisoffene und faire Formen der Beteiligung der Öffentlichkeit (…) wichtige Voraussetzungen dafür, dass gemeinsam getragene Lösungen entwickelt wer-den“ (Renn et al. 2017, 552).

Es reicht allerdings nicht, nur Ansatzpunkte für die lokale Ebene in den Blick zu nehmen. Es geht auch um die Einbindung bei der Regelsetzung auf Bundes-ebene, die ja den entscheidenden Rahmen für den Windausbau vor Ort setzt. Denn für mehr Beteiligung vor Ort müssen auch Gestaltungsspielräume vorhan-den sein, die aufgrund der derzeitigen bundesweiten Rahmenbedingungen nur bedingt bestehen. Um vor Ort mehr Gestaltungsmöglichkeiten zu schaffen, ist auch das EEG-Ausschreibungsregime mit seiner star-ken Ausrichtung auf die Kosteneffizienz kritisch zu prüfen. Versuche, eine stärkere finanzielle Beteiligung für die Kommunen oder Bürgerinnen und Bürger vor Ort zu ermöglichen, sind wichtige Schritte in die richti-ge Richtung. Die finanzielle Beteiligung ist jedoch kei-neswegs ein Garant für mehr Akzeptanz (Hildebrand et al. 2018, 195 f.).

Zielführend könnte auch eine von der Bundesregie-rung einberufene Kommission sein, die ähnlich wie die sogenannte Kohle-Kommission (Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung) die Funktion übernehmen könnte, den Interessenausgleich durch das konstruktive Einbinden aller relevanten Ak-teurinnen und Akteure in einem geeigneten Rahmen zu ermöglichen. Dort könnten über die verschiedenen politischen Ebenen hinweg mögliche Kompromisslini-en ausgelotet werdKompromisslini-en, die nach Möglichkeit beides zu leisten imstande sind: den für den Klimaschutz nötigen Windausbau auf den Weg zu bringen und zugleich die Anliegen der protestierenden Bevölkerung stärker zu berücksichtigen.

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