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Wohnkomplexe in industrieller Bauweise

2. HISTORISCHE ENTWICKLUNG

2.1 Stadtentwicklungsetappen

2.1.4 Wohnkomplexe in industrieller Bauweise

Die schrittweise Fertigstellung dieses Großprojektes zwischen 1955 und 1957 fiel in einen Zeitabschnitt, in dem die Erfahrungen mit dem Wohnungsbau in seiner enormen Großzügigkeit und dem gestalterischen Aufwand zu einem Umdenken für den weiteren Aufbau der Stadt führten.

Mit einem solchen repräsentativen Anspruch war der Wohnungsbedarf nicht zu decken, aber auch die städtebauliche Gestaltung fortzusetzen. Die 1. Baukonfe-renz 1955 widmete sich den wirtschaftlichen Grundlagen im Bauwesen und stand unter dem Motto „besser, billiger, schneller bauen“. Das Thema der Vorfertigung und Typisierung im Wohnungsbau rückte immer mehr in den Fokus. Gleichzeitig war das Zentrum der Stadt immer noch ein Trümmermeer und damit eine der gro-ßen, auch politischen, Planungsaufgaben der kommenden Jahre.

In dieser Situation wurden kommunale Projekte der ursprünglichen Planung an der Allee, wie die Errichtung eines bezirklichen Verwaltungsbaus und eines Kulturhau-ses offiziell verschoben. Leider wurden sie auch späterhin nicht wieder themati-siert.

Bereits 1956/57 wurde die Bebauung an der Andreasstraße/ Kleine Markusstraße als Wohnkomplex Friedrichshain mit einer typisierten Bebauung fortgesetzt (s.

Karte 14). Die 5-geschossigen Wohnblöcke in vorgefertigten Großblockelementen sind in Zeilenstruktur errichtet. Das Erscheinungsbild lässt deutlich den konstrukti-ven Aufbau erkennen und ist geprägt durch liegende Fensterformate, häufig asymmetrisch geteilt, Loggien und eine Betonung der Treppenhäuser. Dieser Haustyp wurde in dem Bereich insgesamt siebenmal gebaut.

Fassadenzeichnung Andreasstr. 60 (Bauarchiv Friedrichshain-Kreuzberg)

Mit dem Bau der Stalinallee entstand zwischen Andreasstraße und Koppenstraße für die Bauarbeiter ein provisorisches Versorgungs- und Kulturzentrum. Direkt da-vor wurde 1951 ein Stalin-Denkmal, ein Geschenk der sowjetischen Regierung, aufgestellt. Der Barackenkomplex diente noch nach der Fertigstellung der Allee bis 1964 als Kulturhaus und Bibliothek für den Bezirk Friedrichshain.

Kulturhaus der Bauarbeiter, später des Bezirkes Friedrichshain, Foto Bundesarchiv

Nachdem Ende 1958 ein städtebaulicher Wettbewerb für die Weiterführung der Stalinallee (1961 Umbenennung in Karl-Marx-Allee) vom Strausberger Platz zum Alexanderplatz im Bezirk Mitte durchgeführt worden war, entstand 1959 bis 1965 das Wohngebiet Karl-Marx-Allee II. Bauabschnitt als erster „sozialistischer Wohn-komplex“ in industrieller Bauweise. Der dafür entwickelte Wohnungsbautyp QP 61 mit 8 bis 10 Geschossen fand ab 1963 auch im Schwerpunktbereich Strausberger Platz Süd (Krautstraße – Singerstraße) Anwendung und ab 1965 wurde das Areal der Baracken zwischen Karl-Marx-Allee und Singerstraße in diesem Duktus be-baut. Ähnlich wie an den Bauten entlang der ehemaligen Stalinallee wurde bei der QP-Serie eine keramische Oberfläche verwendet.

Inzwischen waren auch die Gemeinbedarfseinrichtungen wie Schule und Kita typi-siert und kamen an diesen Standorten erstmalig zur Anwendung.

1964 wurden vom Magistrat Richtlinien für den „komplexen Wohnungsbau“ be-schlossen, die einerseits die Ausstattung von neuen Wohngebieten mit allen

erfor-derlichen Einrichtungen zur Grundversorgung regelten und andererseits die Einlei-tung von Aufbaugebietserklärungen neu festlegten. Danach stellten die Bezirke die Anträge an den Magistrat, welche Gebiete zum Aufbaugebiet nach Aufbaugesetz bzw. Entschädigungsgesetz erklärt werden sollten. Die Magistratsabteilung Haupt-auftraggeber (HAG) erwarb die notwendigen Flächen für die Baumaßnahme oder es erfolgte ein Inanspruchnahmeverfahren.

Die 1951 in 148 tägiger Bauzeit errichtete „Deutsche Sporthalle“ (umbenannt in Klub der Jugend und Sportler) musste 1972 abgerissen werden. Das seinerzeit verwendete Baumaterial aus Trümmern und mit Hilfskonstruktionen wies schwere Schädigungen auf und konnte nicht erhalten werden. Auf diesem Areal entstand ein weiteres Wohnquartier mit QP 71 Bauten, analog des südlich der Allee gelege-nen Quartiers..

Die Gestaltung von Magistralen und wichtigen stadträumlichen Kreuzungspunkten durch markante oder turmartige Gebäude wurde mit der Karl-Marx-Allee als eines der wichtigen Elemente städtebaulicher Gliederung eingeführt.

An der Kreuzung des inneren Stadtringes Mollstraße/ Lichtenberger Straße wurde 1968 bis 1970 das Projekt „Leninplatz“ auf der Grundlage eines Wettbewerbes, bei dem das Kollektiv Herrmann Henselmann den 1.Preis gewonnen hatte, realisiert (s. Karte 19).

Am Abschluss der Achse zum Strausberger Platz, unmittelbar vor dem Volkspark Friedrichshain, entstand ein gestaffeltes Hochhaus vor dem ein Lenindenkmal an-geordnet war. Die Kreuzung Landsberger Allee / Lichtenberger Straße wurde durch zwei geschwungene Wohnblöcke des neu entworfenen Wohnhaustyps P2 markiert.

Modell des Leninplatzes (heute: Platz der Vereinten Nationen) – (Archiv IRS)

Ab 1970 rückte das Gebiet entlang der Straße der Pariser Kommune als Woh-nungsbaustandort in den Mittelpunkt. 1971-73 wurde das Gelände nördlich des

Ostbahnhofes, in dem noch immer die Lücken des Krieges präsent waren, völlig neu gestaltet und in industriell vorgefertigter Großtafelbauweise errichtet.

Die städtebauliche Grundauffassung repräsentierte eine durch die Technologie der Vorfertigung und der Haustypen angelegte Raumfolge. Die Großform mit einer überwiegenden 10-Geschossigkeit dominierte. Die Straße der Pariser Kommune erhielt eine neue stadträumliche Bedeutung, markiert durch drei 21-geschossige Hochhäuser im Wechsel mit 11-geschossigen Wohnhaustypen der Serie P2 und einer promenadenartigen Verbindung vom ehemaligen Küstriner Platz (jetzt Franz-Mehring-Platz) zum Ostbahnhof (s. Karte 20).

Das vorgefundene Straßenraster wurde aufgegriffen, nur die Müncheberger Stra-ße (hinter dem ehemaligen Warenhaus am Ostbahnhof) wurde durch Überbauung aufgegeben. In dem Abschnitt der Straße der Pariser Kommune ab Hildegard-Jadamowitz-Straße wurde ein langgestreckter 10-geschossiger Block geschwun-gen bis in die Rüdersdorfer Straße geführt.

Diese räumliche Fassung der großen aus dem 19. Jahrhundert stammenden Blockflächen war bereits in dem Bebauungsplan für Friedrichshain von 1953 an-gezeigt, lediglich die Geschossigkeit hatte sich geändert. Gleichzeitig begrenzte der Block die nördliche Fassung des ehemaligen Küstriner Platzes. Auf dem Standort des Küstriner Bahnhofs wurde das Verlagsgebäude des „Neuen Deutsch-land“ errichtet.

Modellfoto Planung Wohnkomplex Straße der Pariser Kommune (

Mit dem Wohnkomplex Straße der Pariser Kommune wurden die erforderlichen Gemeinbedarfseinrichtungen (Kita, Schule) im Blockinnenraum errichtet. Im Prin-zip war mit diesem Wohngebiet der Stadtraum, in dem der Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg begonnen hatte, abgeschlossen. Lediglich für den Wieder-aufbau bzw. die Neugestaltung des Bersarinplatzes bestand noch kein konkretes Projekt.

Die letzte kriegsbedingte Freifläche im Gebiet war bereits im Bebauungsplan von 1862 als sternförmiger Platz N ausgewiesen und ein wichtiger Bestandteil der im Plan angelegten Ringstraße. Im Entwurf des Wettbewerbsgebietes „Stalinallee“

von 1951 sollte der Platz als straßenbegleitender rechteckiger Platz ausgeführt werden. Eine Konkretisierung erfolgte zu dieser Zeit allerdings nicht. Erst 1985 wurden im Rahmen eines Wettbewerbes konkrete Vorschläge publik. Vorgesehen war eine identische Platzbildung nach der Entstehungszeit mit geradlinigem Ver-lauf der Petersburger Straße.

Seit Beginn der 1980er Jahre wurden die Wohnungsbaukombinate der Bezirke der DDR verpflichtet, sich mit Bauvorhaben an der weiteren Gestaltung Berlins zu be-teiligen. Die Projektanten des Wohnungsbaukombinates Magdeburg erhielten nach einem städtebaulichen Wettbewerb den Zuschlag für die Realisierung des Vorhabens. Die Wohnungsbauserie 70 (WBS 70) wurde durch neue Elemente dem gewünschten Stadtgrundriss angepasst, sodass die sternenförmige Struktur der Straßenführung bzw. des Platzes nachvollzogen werden konnte. Allerdings musste die beabsichtigte Platzform aufgrund unterirdischer Leitungen aufgegeben werden und ein Kreisverkehr für Straße und Straßenbahn gewählt werden (s. Kar-te 21).

Bebauungsplan Bersarinplatz – WBK Magdeburg (Bauarchiv Friedrichshain-Kreuzberg)

Mit diesem Projekt fand der Stadtraum, in dem der Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg begonnen hatte, endgültig seinen Abschluss.

Das Gebiet „Karl-Marx-Allee/ Frankfurter Allee mit den flankierenden Bereichen“

ist ein Teil der Stadt, in dem eine neue Stadtgestalt mit hohen sozialen Ansprü-chen umgesetzt wurde.