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Entstehungsgeschichte des Ortsteiles Friedrichshain

2. HISTORISCHE ENTWICKLUNG

2.1 Stadtentwicklungsetappen

2.1.1. Entstehungsgeschichte des Ortsteiles Friedrichshain

Das Untersuchungsgebiet befindet sich auf dem Stadtgrundriss des 19. Jahrhun-derts, im Ortsteil Friedrichshain, beginnend am Strausberger Platz bis zur Mainzer Straße in nördlicher und südlicher Ausdehnung (s. Karte 1).

Das Stadtgebiet Berlins wurde mit der Errichtung der Akzisemauer 1734 neu defi-niert und fasste die seit Ende des 17. Jahrhunderts entstandenen Vorstädte zu-sammen. In östlicher Richtung gehörte auch die Stralauer Vorstadt dazu, die ne-ben einigen Straßenzügen nur geringe Bebauung aufwies.

Ausschnitt Kupferstich 1857

Der bedeutendste Verkehrsweg in diesem Raum war die Frankfurter Allee, einer der ältesten überregionalen Verkehrswege von Berlin. Im Jahr 1708 wurde sie vom Markgrafen Albrecht Friedrich von Brandenburg-Schwedt als Heerweg angelegt und diente neben der Handelsverbindung späteren preußischen Königen als Weg zum Schloss Friedrichsfelde. Aufgrund seiner Funktion entstanden entlang der Straße vereinzelt Gasthöfe und Gehöfte. Von 1824 bis 1872 hieß die Straße Frankfurter Chaussee und anschließend Frankfurter Allee.

An der Grenze zu Berlin befand sich das Frankfurter Tor, eines von 18 Stadttoren in der Zollmauer, an denen die Handelszölle entrichtet wurden. Das Tor entstand an der heutigen Kreuzung der Friedenstraße mit der Karl-Marx-Allee ab 1716 und war anfangs noch aus Holz, ab 1802 dann komplett aus Stein. Beim Abriss der Akzisemauer 1867 wurde das Tor ebenfalls entfernt.

Darstellung des Berliner Stadtgebietes und der Zollmauer mit seinen Toren

Das heutige Gebiet des Ortsteiles Friedrichshain lag zu großen Teilen außerhalb der Zollmauer. Mehrere kleine Siedlungskerne wie Boxhagen, Friedrichsberg oder Klein Frankfurt entstanden im 16. bzw. 18. Jahrhundert. Die Separation des Berli-ner Umlandes verschaffte den Ländereien eine neue Wertigkeit, die das wirtschaft-liche und soziale Wachstum beförderte.

Einen wesentlichen Entwicklungsschub erhielt das aus Gärten und Ackerflächen bestehende Gebiet zwischen Spree und Volkspark Friedrichshain (1846) durch den Bau der verschiedenen Bahnlinien und Bahnhöfe: Frankfurter Bahnlinie mit Frankfurter Bahnhof 1842 (von 1881-1950 Schlesischer Bahnhof, später Ostbahn-hof), Ostbahnhof (als Küstriner Bahnhof bezeichnet: Lage am Küstriner Platz) 1867; Ringbahn 1871/72 mit den Bahnhöfen Frankfurter Allee und Ostkreuz (vor-mals Stralau-Rummelsburg).

Der Bau von Verkehrsanlagen stellte grundsätzlich einen enormen Vorzug für die Errichtung von Fabriken und Wohnhäusern dar. Die Industrialisierung hatte Ende des 19. Jahrhunderts diesen Teil der Stadt erreicht. Dazu gehörte die Errichtung

des Zentralviehhofes (1888) an der Eldenaer Straße und mehrerer Fabriken in der Nähe der Warschauer und Petersburger Straße.

Seit 1827 verfolgte die Stadt Berlin, insbesondere der König und das Innenministe-rium, Planungen zur Erweiterung des Stadtgebietes und damit die Bereitstellung von Bauland. Der Berliner Oberbaurat Schmid (1830) und später der Landschafts-architekt Lenné (1843) legten ihre Vorstellungen von der Gestaltung der Erweite-rung der Stadt vor. Insbesondere das Schrifttum von Lenné belegt die Idee, der wachsenden Stadt eine begrenzte, nicht ausufernde Gestalt zu geben.

Die industrielle Entwicklung des Zeitalters und die umfassende Aufteilung des Bo-dens in Privateigentum verhinderten die Umsetzung solcher Planungen. Dem enormen Bevölkerungswachstum und der Verwertung des Bodens wurde erst der 1858 beauftragte und 1862 vom Polizeipräsidenten genehmigte „Bebauungsplan für die Umgebungen Berlins“ unter Leitung von James Hobrecht gerecht (s. Karte 1). Er führte eine neue strukturelle Gliederung der Stadt ein und sollte die Bauflä-chen für die kommenden 50 Jahre regeln.

Der Plan beinhaltete ein Straßenraster mit Fluchtlinien, eine daraus abgeleitete Geometrie von Baublöcken und Plätzen, die ringartig um die Altstadt gelegt wurde und in die bereits bestehende Bebauungen und Wegeführungen integriert wurden;

d.h. die Etablierung eines städtebaulichen Ordnungssystems, das eine flexible Stadterweiterung durch orthogonale, wiederholbare Raster ermöglichte.

Das Gebiet nördlich der Frankfurter Allee gehörte zu der Abteilung XIII des Be-bauungsplanes, die sich bis an die Dorflage Lichtenberg erstreckte. Das Gebiet südlich der Frankfurter Allee bis zur Spree war der Abteilung XIV des Bebauungs-planes zugeordnet und reichte im Osten bis zur heutigen Gürtelstraße (s. Karte 1).

Technische und hygienische Maßnahmen, d.h. die Errichtung von Kanalisations- und Wasserversorgungssystemen in Verbindung mit einer Verkehrserschließung waren die Voraussetzung für die Umsetzung der Bebauung.

Mit diesem Plan wurden die Flächen 1861 in das Berliner Stadtgebiet eingemein-det, sodass die östliche Stadtgrenze im Bereich der heutigen Ringbahn verlief.

Der Verlauf der Akzisemauer fand sich in dem Bebauungsplan als Straßenzug (Communication 1735, Memeler Straße 1876, Marchlewskistraße 1950) ebenso wieder wie die Andreasstraße (1863) mit dem Andreasplatz, die Singerstraße (ab den 18.Jh. als grüner Weg benannt und 1926 umbenannt), die Koppenstraße (ab 1723 Koppens Gasse), die Strausberger Straße (1863), die Friedenstraße (ab 1872 vordem Kommunikation), die Palisadenstraße (ab 1833) und die Petersbur-ger Straße (1822 als Weg markiert und 1874 benannt).

Zur Gliederung des Gebietes waren in der Abteilung XIII die Plätze M (1897 als Petersburger Platz ausgeführt), N (1895 als Baltenplatz realisiert und 1947 in Bersarinplatz umbenannt) und R (1895 als Forckenbeckplatz angelegt) eingefügt;

in der Abteilung XIV die Plätze A (1867 als Küstriner Platz benannt und 1972 nach Neufassung in Franz-Mehring-Platz umbenannt), B (1904 in Comeniusplatz be-nannt), C (nicht ausgeführt) und D (1900 als Boxhagener Platz angelegt).

Die historische Weberwiese, die seit Anfang des 18. Jahrhunderts den Webern zum Bleichen ihrer Stoffe diente, war im Hobrecht-Plan als Baublock dargestellt, aber nie bebaut. In der Nachbarschaft wurde der Komthurei-Platz angelegt, der aber nach der Zerstörung aufgegeben wurde.

Die bauliche Umsetzung des Fluchtlinienplanes mit überwiegend 5-geschossigen Vorderhäusern, Seitenflügeln und Hinterhäusern sowie mehreren kirchlichen und kommunalen Bauten erfolgte von Westen nach Osten. Die älteste Bausubstanz aus dieser Zeit (um 1865) ist heute noch an der Marchlewskistraße zu finden, da der Straßenausbau in diesem Verlauf durch die Zollmauer bereits vorbereitet und die Parzellen erschlossen waren. Die Bebauung an der Frankfurter Allee erfolgte in den folgenden Jahren. Aufgrund ihrer stadträumlichen Bedeutung siedelten sich Kaufhäuser, Kultur- und Vergnügungsstätten ebenso wie repräsentative Wohnbau-ten an diesem Straßenzug an.

Die Geometrie und Ausdehnung der Parzellen bzw. Grundstücke orientierte sich an dem Zuschnitt der Blöcke, die nach dem Hobrecht-Plan relativ groß dimensio-niert waren. Langestreckte Parzellen mit einer Bebauung von 4 Hinterhöfen waren in der Zeit zwischen 1865 und 1880 an der Fruchtstraße (heute Straße der Pariser Kommune) der Königsberger Straße (heute Fredersdorfer Straße) und an der Frankfurter Allee anzutreffen. Nach 1890 erfolgten einige Änderungen im Planent-wurf von Hobrecht: große Baublöcke wurden in mehrere Blöcke unterteilt, wie an der Auerstraße, an der Gubener Straße oder an der Petersburger Straße, sodass kleinere Parzellen entstanden (s. Karte 2).

Ausschnitt Straube-Plan von 1910 (Landesarchiv)

In die Baublöcke integriert wurden öffentliche Schulen und Kirchen. Bis 1914 wur-den elf Gemeindeschulen, drei Kirchen, zwei Städtische Hospitale und eine Feu-erwache im Gebiet errichtet.

Die neu entstandenen Quartiere waren bei wachsenden Mobilitätsanforderungen nicht ausreichend mit Nahverkehrsmitteln erschlossen. Seit 1881 entstanden in Berlin die ersten elektrischen Straßenbahnen, häufig auf den Schienensträngen der bestehenden Pferdeeisenbahnen. Ab 1899 fuhren auch in Friedrichshain Stra-ßenbahnen. Eine der wichtigsten Verbindungslinien führte vom Alexanderplatz die Frankfurter Allee entlang sowie vom Molkenmarkt kommend über den Küstriner Platz zur Frankfurter Allee. In Nord-Süd-Richtung fuhren Straßenbahnen durch die Andreasstraße, Strausberger Straße und Warschauer/ Petersburger Straße (s.

Karte 2).

Bis zum Ersten Weltkrieg war das Areal fast bis an die Grenze des Stadtgebietes vollständig bebaut. Die bauliche Entwicklung machte aber vor dieser Verwaltungs-grenze nicht halt. Flächenbedarf, industrielle Entwicklung und enormer Zustrom an Bevölkerung ließen die angrenzenden Vorstädte wachsen. Bereits mit dem

Zweckverband Groß-Berlin von 1910 wurden vor allem verkehrliche Entwicklungen eingeleitet. 1920 erfolgte die Bildung der neuen Stadtgemeinde Berlin (Groß-Berlin-Gesetz), in die die gewachsenen Vorstädte und viele Landgemeinden ein-bezogen wurden. Die Metropole beherbergte nun fast 3,9 Millionen Menschen.

Gleichzeitig wurde das Stadtgebiet einer Verwaltungsreform unterzogen und Be-zirke gebildet. Es entstand der Verwaltungsbezirk Nr. 5 (Friedrichshain) mit 325.000 Einwohnern, in dem heute das Untersuchungsgebiet liegt.

In den 1920er und 30er Jahren veränderte sich das Erscheinungsbild in diesem Stadtteil nicht. Lediglich 38 Wohnungen wurden neu errichtet. Von 1927 bis 1930 wurde die U-Bahnlinie 5 in der Frankfurter Allee vom Alexanderplatz nach Fried-richsfelde (Ortskern) gebaut. Im Untersuchungsgebiet entstanden die U-Bahnhöfe Strausberger Platz, Weberwiese, Frankfurter Tor und Samariterstraße.

Der Zweite Weltkrieg begann am 1. September 1939 durch den Überfall des fa-schistischen Deutschlands auf Polen und erreichte im April 1945 Berlin. Am 3. und 26. Februar 1945 wurde die Berliner Innenstadt bombardiert und Ende April wur-den in Straßenkämpfen weite Teile Friedrichshains (über 50% der Gebäude) voll-ständig zerstört.

Aufnahme Frankfurter Allee Ecke Warschauer Straße 1947

Am stärksten waren die Quartiere entlang der Frankfurter Allee betroffen (s. Karte 3). Der Magistratsbaudirektor Heinrich Starck aus Friedrichshain erinnerte sich:

„Viele unserer Straßen, durch die der Kampf ging, lagen voll Schutt. Am Straus-berger Platz lag der Schutt fast einen halben Meter hoch über die Breite der Stra-ße. Die östliche Einmarschstraße der Stadt, die Frankfurter Allee, war nicht pas-sierbar.“.4

Die Einwohnerzahl hatte sich von 346.264 Einwohner (1939) auf etwa 156.000 Bewohner reduziert.