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Wissenserwerb als Lernprozess

Im Dokument Freie Universität Berlin (Seite 140-144)

Das Problemlösen bezeichnet darauf aufbauend einen Suchprozess nach Lösungsstrate-gien, um die Barriere zu überwinden. Die eingangs dargestellten Wissensarten können diesbezüglich helfen, den Zielzustand zu erreichen bzw. das Problem zu lösen: Das dek-larative Wissen dient einerseits dazu, Kategorien für den Problemzustand zu bilden, um den Anfangs- und Zielzustand erstmal erfassen zu können (Putz- Osterloh, 1988). Ande-rerseits kann ein umfassendes deklaratives Wissen das Auftreten von Problemsituatio-nen schon im Vorfeld unterbinden (Kluwe, 1990). Eine adäquate faktische Wissensbasis zur Behebung einer vermeintlichen Problemsituation steht nämlich bereits zur Verfü-gung. Das prozedurale Wissen im Sinne von geeigneten Heuristiken kann der Person eine ergänzende Hilfestellung geben, um ein aufgetretenes Problem zu beseitigen bzw.

den Anfangszustand in den Zielzustand zu transformieren. Das entsprechende Lösungs-verfahren kann demnach als gespeicherter Algorithmus aus dem Gedächtnis abgerufen werden (Putz-Osterloh, 1988). Letztendlich beruht die Lösung eines Problems auf zwei grundlegenden Faktoren: (a) umfangreiches und gut organisiertes Wissen; (b) Verfüg-barkeit von Problemlösestrategien, die mit dem Faktenwissen verknüpft sind (Chi, Gla-ser & Rees, 1982, zitiert nach Kluwe, 1990). Die Lösung eines Problems bedeutet auch gleichzeitig, dass eine Wissenslücke geschlossen wird. Die kognitive Speicherung des Ergebnisses führt sodann zu einer Veränderung und Erweiterung des deklarativen und prozeduralen Wissens. Es sei angemerkt, dass die Wissensanwendung genauso wie der Wissenserwerb von emotionalen und motivationalen Faktoren abhängt (Putz-Osterloh, 1988).

sowie mit neuen Kontexten verbinden“ (Reinmann-Rothmeier & Mandl, 1998, S. 466).

Der Erwerb von Wissen und damit auch das Lernen sind darüber hinaus an bestimmte Bedingungen gebunden. Diese äußern sich in den folgenden fünf Charakteristika (Reinmann-Rothmeier & Mandl, 1998):

1. Extrinsische oder intrinsische Motivation und Interesse: Der Wissenserwerb setzt immer die aktive Beteiligung des Lernenden voraus.

2. Selbststeuerung: Der Wissenserwerb wird dabei selbstständig überwacht und ge-steuert. Kognitive, emotionale und motivationale Komponenten der Selbststeue-rung spielen hier ebenfalls eine entscheidende Rolle.

3. Konstruktivistischer Wissenserwerb: Der Erwerb von Wissen wird bei dieser Annahme nicht einfach rezipiert, sondern in bereits vorhandene Wissensstruktu-ren eingebunden und anhand der individuellen Erfahrungen interpretiert.

4. Situativer Wissenserwerb: Das Lernen findet immer in einem spezifischen Kon-text statt, in dem der Lernende Wissen erwirbt und dessen Anwendungsmög-lichkeit erfährt.

5. Wissenserwerb als sozialer Prozess: Jede Form des Wissenserwerbs findet vor dem Hintergrund sozialer Prozesse statt. Die soziale Interaktion beim Wissens-erwerb und die sozio-kulturellen Einflussfaktoren auf die Prozesse und die In-halte des Wissens sind in diesem Kontext von großer Wichtigkeit und Bewand-tnis.

Als theoretischer Hintergrund für das Themenfeld der Lernpsychologie werden hier zwei Erklärungsvarianten herangezogen:

1. Behavioristische Erklärungsperspektive 2. Kognitivistische Erklärungsperspektive

Zu 1) Der zentrale Untersuchungsgegenstand der Behavioristen ist das beobachtbare Verhalten und die daran anknüpfende intendierte Modifikation des Verhaltens. Das ent-scheidende Grundprinzip der klassischen Konditionierung sind bestimmte Reiz- Reakti-ons- Verbindungen. Die angestrebte Verhaltensänderung als Lernleistung ist dabei das Ergebnis von konkreten Stimulusbedingungen aus der Umwelt (Schüppel, 1996). In diesem Zusammenhang stehen die berühmt gewordenen Studien von Pawlow (1953). Aufgrund ihrer weiten Verbreitung werden die Studien an dieser Stelle nicht weiter vertieft. Eine weitere Erklärungsperspektive der Behavioristen besteht in der operanten Konditionierung. Die gewollte Verhaltensänderung bzw. Lernleistung

ergibt sich hierbei aus den antizipierten Konsequenzen einer Handlung. Die ebenfalls bedeutenden Studien von Skinner (1974) zeigen auf, dass eine gewünschte Verhaltens-änderung durch die selektive Gabe von Futter anerzogen werden konnte. Die Basis der Behavioristen lässt sich prinzipiell auf den Empirismus zurückführen, wobei der Schlüssel für das Lernen die Erfahrung ist.

Zu 2) Während für die Behavioristen der Empirismus von entscheidender Bedeutung ist, wird von den Kognitivisten der Rationalismus bzw. die Introspektion in den Vorder-grund gerückt. Auf dieser Grundlage wird das „Bewusstsein“ bzw. das Denken als Quelle des Lernens oder Wissens angesehen. Die aus der Umwelt gewonnenen erfah-rungsbezogenen Informationen werden lediglich als „Rohmaterial“ in die kognitive Er-klärungsperspektive mit einbezogen. Der theoretische Hintergrund dieses Ansatzes wird jedoch vielmehr durch die kognitiven Prozesse, wie Wahrnehmen, Denken, Urteilen, logisches Schlussfolgern, Problemlösen, etc. gebildet (Schüppel, 1996). Die folgenden fünf Grundannahmen sind in diesem Rahmen konstitutiv für die kognitivistische Erklä-rungsperspektive (Schönpflug & Schönpflug, 1989):

1. Prinzip der Erkenntnis: Die Quelle des psychischen Bewusstseins ist hierbei die Erkenntnis bzw. die Kognition, die sich auf die Welt und die eigene Person be-zieht.

2. Prinzip der Bewusstheit

3. Prinzip der kognitiven Ordnung: Die Erkenntnis setzt sich hierbei aus den gene-rierten Zusammenhängen unterschiedlicher wahrgenommener Daten zusammen.

Der Vorgang umfasst auf der strukturellen Ebene die Generierung von begriffli-chen Gruppen, und auf funktionaler Ebene die Generierung von Ursache- Wir-kung- Verbindungen.

4. Prinzip des einsichtigen Handelns: Auf der Basis der kognitiven Ordnung wird es der Person möglich, Erwartungen über die Zukunft zu bilden und ihr Handeln dahingehend zu planen. Die Handlungswahl bestimmt sich darüber hinaus durch den Nutzen und die Erfolgserwartung.

5. Prinzip der Selbstverantwortung und Selbstregulation: Der Mensch ist in diesem Sinne frei und einsichtig und trägt damit die Verantwortung für sein Handeln.

Innerhalb der kognitivistischen Erklärungsperspektive ist das Lewin`sche Modell (1963) von besonderer Bedeutung.

In diesem Modell wird ein zirkulärer Verlauf des Lernens postuliert, der durch vier Pha-sen charakterisiert wird: (a) erfahrene Realität, (b) Reflexion und Analyse des Erfahre-nen, (c) Entwicklung von Abstraktionen und Generalisierungen und (d) Überprüfung der gezogenen Schlussfolgerungen in neuen Handlungssituationen. Eine ausführliche Beschreibung würde hier zu weit führen, daher wird an dieser Stelle lediglich auf das Modell verwiesen.

Die Analyse und Interpretation der erhobenen Daten im empirischen Teil der Arbeit bezieht sich vor allem auf die Personengruppe von Auszubildenden, deren Wis-senserwerb vor allem an schulische Bildungsangebote gebunden ist. Aufgrund dessen wird die behavioristische und kognitivistische Erklärungsperspektive des Lernens in den Kontext der Instructional Design Modelle integriert, um eine mögliche, kurze und an-wendungsbezogene Verbindung des Wissenserwerbs zur Bildungseinrichtung Schule zu gewährleisten.

Die Instructional Design Modelle zeigen in diesem Bezugsrahmen einen gangbaren Weg zur Darstellung systemorientierter Lernumgebungen auf und stellen eine Möglich-keit zur Förderung des Lernens dar. Die ursprüngliche Idee des Ansatzes ist, dass der Wissenserwerb systematisch geplant und gesteuert werden kann. Der Lehrer präsentiert dabei bereits vorgefertigte Informationen, die der Schüler in einer eher passiven Rolle (rezeptiv) aufnimmt (Reinmann-Rothmeier & Mandl, 1998). Aus dem behavioristischen Blickwinkel kann Lernen in diesem Modell „nur durch äußere Manipulation, durch Zer-legung und dosierte Sequenzierung der Lerninhalte und Aufgaben gefördert werden“

(Reinmann-Rothmeier & Mandl, 1998, S.477). Die operationale Definition der einzel-nen Lehrinhalte und die Vermittlung von primär reproduktiven Wissen oder automati-sierten Fähigkeiten stehen dabei im Vordergrund. Aus der kognitivistischen Perspektive wird weniger eine Instruktion zur Steuerung des Lernens initiiert, sondern vielmehr eine Instruktion zur Erleichterung des Lernens gegeben. Die Lernziele untergliedern sich im Gegensatz zur behavioristischen Sichtweise in Wissen, Fertigkeiten und Einstellungen, wobei neben der reinen Informationsdarbietung auch kognitive Strategien beachtet wer-den.

Die typische Vorgehensweise der Instructional-Design-Modelle gliedert sich in vier Teilschritte (Reinmann-Rothmeier & Mandl, 1998):

1. Analyse der Anfangszustände der Schüler bezüglich ihres Vorwissensstandes und ihrem Fähigkeitspotential. Die behavioristischen Instructional-Design-Modelle untersuchen dabei vor allem die Quantität des Vorwissens und die kog-nitivistischen Instructional-Design-Modelle vorwiegend die Qualität des Vor-wissens, die auch kognitive Strategien und motivationale Aspekte berücksichti-gen.

2. Analyse der gewünschten Endzustände bzw. Lernziele

3. Analyse der Übergänge zwischen Anfangs- und Endzustand, um den Wissens-bedarf zu ermitteln. Aufgrund der Analyse werden sodann Instruktionen zur Darbietung von systematischen Informationen abgeleitet.

4. Evaluation der Lernergebnisse, die auch eine Rückkopplung auf die ausgewähl-ten Instruktionsstrategien- und -methoden zulassen.

Einige Aussagen innerhalb des Modells zeigen einen starken Bezug zu dem gegenwär-tigen und kontrovers diskutierten Frontalunterricht auf. Insbesondere die passive Rolle des Schülers, die vorgefertigte Informationsdarbietung des Lehrers als auch der fehlen-de Anwendungsbezug fehlen-des vermittelten Wissens wird in diesem Zusammenhang kriti-siert. Daran anknüpfend kann vermutet werden, dass das volle Leistungspotential der Schüler möglicherweise nicht ausgeschöpft wird.

Es wird angemerkt, dass neben den systemtheoretischen Lernumgebungen noch weitere mögliche Ansätze zur Förderung des Lernens bestehen. Hierzu zählen bspw. die prob-lemorientierte Lernumgebung und die adaptive Lernumgebung (Reinmann-Rothmeier,

& Mandl, 1998).

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