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Die akademische Intelligenz als theorieübergreifender

Im Dokument Freie Universität Berlin (Seite 114-118)

4.3 Bedeutungsbereiche der Intelligenz

4.3.2 Die akademische Intelligenz als theorieübergreifender

(s.o.) können die Konstrukte, Modelle, Tests insoweit systematisiert werden, als dass sie eher theorieübergreifend oder theoriespezifisch sind.

Die Forschung bezüglich der akademischen Intelligenz ist sehr umfassend und erfolg-reich gewesen. Dieser Sachverhalt impliziert aber auch, dass diesbezüglich verschiede-ne Modelle bzw. Theorien entwickelt worden sind und wirft sogleich die Frage auf, inwieweit diese Konzepte in Verbindung stehen(Brocke & Beauducel, 2001). Es zeigt sich insbesondere bei dem Konstrukt der akademischen Intelligenz, dass sie Bestandteil mehrerer Intelligenzmodelle ist und somit als theorieübergreifend bezeichnet werden kann. In Abgrenzung zu diesem theorieübergreifenden Konstrukt stehen z.B. die Bedeu-tungsaspekte der fluiden und kristallisierten Intelligenz, die nur speziellen Modellen zugeordnet werden können (Brocke, 2000).

Vorab sei angemerkt, dass die in Kapitel 4.4 dargestellten Strukturtheorien das theoreti-sche Fundament für die akademitheoreti-sche Intelligenz bilden. Die akademitheoreti-sche Intelligenz äußert sich verstärkt in Fertigkeiten und Fähigkeiten, die in der Schule und in anderen akademischen Bildungseinrichtungen gebraucht werden. Nach Neisser (1976) wird die Bedeutung der akademischen Intelligenz über Merkmale abgeleitet, die den Aufgaben zur Erfassung dieses Teilkonstrukts gemeinsam sind.

Die Aufgaben sind dadurch charakterisiert, dass sie…

... von anderen Personen (nicht vom Probanden) formuliert werden, ... meist nur von geringerem oder gar keinem intrinsischen Interesse sind, ... alle benötigten Informationen von Beginn an zur Verfügung stehen, ... von den allgemeinen Erfahrungen mehr oder weniger abgehoben sind, ... gut strukturiert sind,

... meist nur eine richtige Antwort haben,

... meist nur über einen angemessenen Lösungsweg verfügen.

(Brocke & Beauducel, 2001, S.27)

Die aufgeführten Merkmale bestimmen jedoch nicht die Bedeutung des Konstrukts der akademischen Intelligenz, sie liefern lediglich Hinweise. Die Bedeutung wird haupt-sächlich anhand der Strukturtheorien entwickelt. Obgleich die akademische Intelligenz als eigenständiger Bedeutungsbereich innerhalb der Intelligenz aufgefasst werden kann, ist sie wie oben angedeutet durch eine Vielfalt von Faktoren, Modellen und Theorien gekennzeichnet. Aufgrund der Fülle von verschiedenen Integrationsmöglichkeiten zur Systematisierung der zahlreichen Modelle und Theorien werden daher im Folgenden lediglich zwei ausgewählte empirisch orientierte Arten und zwei formal theoretische Arten der akademischen Intelligenz vorgestellt (Brocke & Beauducel, 2001).

1. Der Faktoren-Elektizismus bezeichnet eine Sammlung von Intelligenzfaktoren in Form einer Aufgabenbatterie zum Zeitpunkt des aktuellen Forschungsstandes (French, Ekstrom & Price, 1963). Diese Form hat den Vorteil, dass sie ein hohes Maß an Trans-parenz bieten kann, so dass subjektive Urteile eingeschränkt werden können und die Bewertung der Befunde objektiver ist. Außerdem harmonisiert diese Form gut mit dem Verständnis des offenen Konstrukts. Der Nachteil liegt darin begründet, dass die Ge-wichtung der Teilaspekte der Intelligenz von der bis dato zusammengetragenen und dokumentierten Forschung abhängt. Außerdem ist die Abgrenzung zwischen modell-spezifischen und modellübergreifenden Faktoren nicht eindeutig, so dass inhaltsgleiche Faktoren womöglich doppelt mit einbezogen werden. (Brocke & Beauducel, 2001).

2. Die Aufgaben-Integration bezeichnet die Gewinnung eines Aufgabenpools, der für sämtliche in der Intelligenzforschung eingesetzten Aufgaben repräsentativ ist. In diesem Zusammenhang hat Jäger (1982; 1984) sich mit ca. 2000 verschiedenen Aufgaben aus-einandergesetzt und die Mannigfaltigkeit dieses Aufgabenpools unter Berücksichtigung der Vielfalt des Materials und der Markiervariablen für konkurrierende Strukturmodelle auf 191 Aufgabenblöcke und 98 Aufgabentypen reduziert. Durch den Einsatz von Strukturanalysen kristallisieren sich vier operative Fähigkeiten heraus (Bearbeitungsge-schwindigkeit, Merkfähigkeit, Einfallsreichtum und Verarbeitungskapazität). Aufgrund einer Kreuzklassifikation und einer weiteren Reduzierung der Aufgabenbereiche konnte die Existenz der inhaltsgebundenen verbalen, numerischen und figural- anschauungsge-bundenen Fähigkeiten nachgewiesen werden. Die herausgefilterten operativen Fähigkei-ten in Verbindung mit den inhaltsgebundenen FähigkeiFähigkei-ten bildeFähigkei-ten sodann die Basis des Berliner Intelligenzstrukturmodells.

Im Gegensatz zum Faktoren-Elektizismus kann hier das Verhältnis von modellspezifi-schen und modellübergreifenden Faktoren analysiert werden, wie es unter anderem in der Arbeit von Cattell (1971a, 1987) praktiziert worden ist (v. Gilardi, Holling &

Schmidt, 1983). Im Weiteren können subjektive Urteile und fehlende theoretische Be-gründungen bei der Variablenselektion und der Gewichtung der verschiedenen Fähig-keiten jedoch nicht ausgeschlossen werden. Im Zuge der Aufgabenselektion aus einem gegebenen Aufgabenpool sind darüber hinaus facettentheoretische Modellkonzepte mit eingeflossen, so dass das Ergebnis im Sinne einer möglichst umfassenden Strukturana-lyse zahlreicher Aufgabentypen nicht induktiv erschlossen wurde. Das Berliner Intelli-genzstrukturmodell ist somit vielmehr das Ergebnis von pragmatischen und inhaltlichen Entscheidungen. Die zwei aufgeführten Integrationsmöglichkeiten von Befunden in der Intelligenzstrukturforschung sind mit verschiedenen Vor- und Nachteilen behaftet. Eine ergänzende Betrachtung der verschiedenen Integrationsmöglichkeiten erscheint hier sinnvoll zu sein (Brocke & Beauducel, 2001).

Im Rahmen der theoretischen Strukturierung der Befunde und Modelle in der Intelli-genzstrukturforschung ist zunächst das Evolutionsmodell der Strukturforschung zu nen-nen.

1. In dem von Sternberg und Powell (1982) entwickelten Evolutionsmodell wurden ver-schiedene Modelle zusammengeführt. Auf der ersten Stufe der Modellentwicklung wird eine monistische Sichtweise der Intelligenz einer pluralistischen Sichtweise gegenüber-gestellt. Die monistische Sichtweise geht von der Annahme aus, dass es einen einheitli-chen, allgemeinen Intelligenzfaktor gibt. Die pluralistische Sichtweise hingegen begreift die Intelligenz als ein Bündel unabhängiger Bonds (Gewohnheiten, gelernte Assoziatio-nen, etc.). Es wird jedoch nicht ausgeschlossen, dass verschiedenartige Verknüpfungen der Bonds einen gemeinsamen Intelligenzfaktor erklären können. Auf der zweiten Ebe-ne wird zwischen eiEbe-ner hierarchischen Sicht und eiEbe-ner Überlappungssicht unterschieden.

Die hierarchische Sicht wird hier eher der monistischen Sichtweise zugeordnet. Mit anderen Worten werden die vielfältigen Fähigkeiten der pluralistischen Sichtweise ge-bündelt und in übergeordnete Fähigkeiten eingebunden. In Cattels (1971a, 1987) Struk-turtheorie (siehe Kapitel 4.4.4) findet man diese Sichtweise wieder. Die Überlappungs-sicht negiert einen generellen übergeordneten Intelligenzfaktor. Sie erklärt die Korrela-tionen zwischen den verschiedenen Fähigkeiten durch direkte Beziehungen, im Sinne von funktionalen, strukturellen und kausalen Überlappungen. Auf der dritten Ebene

wird die hierarchische Sichtweise mit der Überlappungssichtweise verkoppelt. Anders ausgedrückt können die Fähigkeiten miteinander korrelieren bzw. sich gegenseitig über-lappen und gleichzeitig können sie hierarchisch aufgebaut sein(Brocke & Beauducel, 2001). In diesem Zusammenhang wird die überlappende Materialfacette (numerisch, verbal, figural) mit der hierarchisch aufgebauten Aufgabenfacette kombiniert (Beispiel:

Radex Modell) (Guttmann & Levy, 1991).

2. Die zweite mögliche theoretische Strukturierung ist das hierarchische Protomodell (HPI). Dieses Modell ist von besonderer Bedeutung, da es sich unter Berücksichtigung kleiner Variationen in den Arbeiten von Cattell (1971a, 1987) und dem Intelligenz- Struktur- Test 2000 R wiederfinden lässt, der im empirischen Teil der Dissertation die Grundlage für die Untersuchung darstellt (Amthauer et al., 2001; Liep-mann et al., 2007).

Zwei grundsätzliche Fragen bezüglich der Konvergenzen zwischen den Strukturmodel-len lassen sich hier unterscheiden (Brocke & Beauducel, 2001, S.34):

1. Die Frage nach dem Bedeutungsbereich bzw. dem Kontent-Bereich von Intelligenz (Kontent-Frage) und

2. Die Frage nach der Beziehung (Relation) der Teilkomponenten von Intel-ligenz, also nach der Struktur umfassender Intelligenzaspekte (Struktur-frage).

Hinsichtlich der Kontent- und Strukturfrage lassen sich in der Intelligenzstrukturfor-schung vielfältige Konvergenzen finden. Innerhalb der Kontent-Frage manifestieren sich fünf bis sieben modellübergreifende Intelligenzkomponenten, die mit Einschrän-kungen in den Modellen von Thurstone (1938), Cattell (1971a, 1987) und Jäger (1982, 1984) vorkommen. Die Intelligenzdimensionen umfassen dabei das schlussfolgernde Denken, verbale, numerische und räumlich-figurale Fähigkeiten, Ideenflüssigkeit bzw. Kreativität und mit Einschränkungen, Merkfähigkeit und wahr-nehmungsbezogene Fähigkeiten. Die einzelnen Modelle werden im Weiteren durch zu-sätzliche Faktoren spezifiziert und ergänzt. Die Bezugnahme auf die genannten Primär-faktoren hat den Vorteil, dass ausschließlich modellübergreifende Faktoren einbezogen bzw. fokussiert werden, die in den bedeutendsten Intelligenzstrukturmodellen bereits etabliert und nachgewiesen sind. Hinsichtlich der Strukturfrage wird davon ausgegan-gen, dass jegliches intelligentes Verhalten- im Sinne des Konstrukt-Verständnisses- von mehreren Fähigkeiten gleichzeitig beeinflusst wird.

Das fundamentale Prinzip der Multi- Trait- Determination von intelligentem Verhalten bildet die Basis für die Annahme von Hierarchiestufen. Mit anderen Worten wird eine Fähigkeit, die mit anderen Fähigkeiten zusammenhängt, auf einer höheren Generalitäts- bzw. Hierarchieebene angeordnet, sodass die Intelligenz auf Basis von hierarchischen Modellen erschlossen werden kann (Brocke & Beauducel, 2001; Amthauer et al., 2001).

Das oben angedeutete Radex- Modell findet sich lediglich in drei Strukturmodellen wieder, wobei das Berliner Intelligenzstrukturmodell eine herausragende Rolle ein-nimmt (Jäger, 1982, 1984). Das Zentrum der hierarchischen Modelle bilden somit die genannten inhaltlichen und formalen Konvergenzelemente bzw. die Primärfaktoren. Des Weiteren werden grundsätzlich zwei Hierarchie- bzw. Generalitätsebenen angenommen, die in ihrer Ausgestaltung jedoch offen konzipiert sind. Eine derartige Spezifikation auf der Ebene über den Primärfaktoren stellt beispielsweise die von Cattell (1971a, 1987) postulierte fluide und kristallisierte Intelligenz dar, die auch im I-S-T 2000 R berück-sichtigt wird. Diese Unterscheidung ist in der Arbeit von großer Bedeutung und wird daher im Rahmen des theoretischen Modells von Cattell hervorgehoben und in Kapitel 6 vertieft.

Im Dokument Freie Universität Berlin (Seite 114-118)