• Keine Ergebnisse gefunden

Exkurs: Betriebswirtschaftliche Bedeutung

Im Dokument Freie Universität Berlin (Seite 91-97)

3.4 Die Bedeutung von Leistungstests im Human Resource

3.4.4 Exkurs: Betriebswirtschaftliche Bedeutung

Bedeutung des Produktionsfaktors „Wissen“ und die wissensorientierte Unterneh-mensführung

Ein betriebswirtschaftlicher Blickwinkel, um die Bedeutung von Wissen und Testver-fahren zu erschließen, besteht in der neuzeitlichen Akzentuierung des Produktionsfak-tors Wissen und der Hinwendung zur wissensorientierten Unternehmensführung. Der Hintergrund für die Entwicklung wird in dem Wandel zur Wissensgesellschaft gesehen, der seit den sechziger Jahren erkannt und propagiert wird (z.B. Lane, 1966). Die damit einhergehenden Veränderungen von (globalen) Märkten mit schnellerer Innovationsge-schwindigkeit, kürzeren Produktlebenszyklen, Individualisierung von Kundenbedürfnis-sen, neuen Informationstechnologien, Projektarbeit und Teamarbeit sowie die Entste-hung von neuen Dienstleistungssektoren erfordern ein Umdenken der Unternehmen. Zur Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit kommt dem Produktionsfaktor Wissen, neben den klassischen Produktivkräften eine erhebliche Wichtigkeit zu. Hier stellt sich die Frage, welches Wissen im Unternehmen von Relevanz ist (North, 2005). Im Rahmen dieser wirtschaftswissenschaftlichen Betrachtungsweise definieren Probst, Raub und Romhardt (1998) Wissen als die „Gesamtheit der Kenntnisse und Fähigkeiten, die Per-sonen zur Lösung von Problemen einsetzen. Dies umfasst sowohl theoretische Erkenn-tnisse als auch praktische Alltagsregeln und Handlungsanweisungen. Wissen stützt sich auf Daten und Informationen, ist im Gegensatz zu diesen jedoch immer an Personen gebunden. Es wird von Individuen konstruiert und repräsentiert deren Erwartungen über Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge“ (S. 44). Drei wesentliche Aspekte können an die-ser Stelle im Besonderen hervorgehoben werden. Erstens ist das Wissen immer an eine Person gebunden, das nicht ohne weiteres transferierbar und jedem zugänglich ist.

Zweitens dient eine allgemeine, fundierte Wissensgrundlage zur Lösung neuartiger Probleme und kann als Indikator für zukünftiges Lernverhalten gesehen werden. Drit-tens bezeichnet Wissen nicht nur allgemeine Kenntnisse, sondern auch spezifische Kenntnisse über unternehmensinterne und unternehmensübergreifende Prozesse (best practices), Technologien, Märkte, etc., die in einen bestimmten Kontext eingebettet sind.

Dieses sogenannte Wissenskapital gilt es zu erkennen, zu erhalten und zu entwickeln (North, 2005). Eine sinnvolle Veranschaulichung des Sachverhaltes gibt North (2005) mit seiner Wissenstreppe.

Abbildung 4: Die Wissenstreppe nach North (2005, S.32)

Ausgangspunkt der Treppe ist ein reichhaltiger Fundus an allgemeinem (Vor-) Wissen, das einer Person in Form von Zeichen (Buchstaben, Ziffern, Sonderzeichen) zur Verfü-gung steht. Anhand von Ordnungsregeln (Syntax) werden die Zeichen zu Daten umko-diert (z.B. 70% Eigenkapitalquote). Sobald die Daten in einem bestimmten Bezugsrah-men stehen, verdichten sie sich zu Informationen, die aus betriebswirtschaftlicher Sicht als Grundlage für Entscheidungen gebraucht werden. Durch die Vernetzung der Infor-mationen mit bereits gespeichertem Wissen und die Einbindung in einen Bedeutungs-kontext wird sodann neues Wissen generiert. Die Interpretation des Informationsgehalts ist dabei abhängig von den Erfahrungen, Erwartungen und dem Vorwissen des Indivi-duums. Das angeeignete Wissen (Wissen, dass…) entfaltet seinen Nutzen jedoch erst, wenn es zweckorientiert umgesetzt wird (Wissen, wie…) bzw. zu problembezogenen Handeln eingesetzt wird. Sofern das Wissen erfolgreich angewendet wird, kristallisieren sich Kompetenzen heraus, die die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens langfristig sichern können.

Nachhaltige Wettbewerbsvorteile ergeben sich demzufolge dann, wenn das gebündelte Wissen des Unternehmens nicht oder nur begrenzt imitierbar, transferierbar, einzigartig und synergetisch mit anderen Kompetenzen verknüpft ist. Man spricht in diesem Zu-sammenhang von Kernkompetenzen, die „einen Verbund von Fähigkeiten und Techno-logien [darstellen], der auf expliziten und verborgenem Wissen beruht und sich durch zeitliche Stabilität und produktübergreifenden Einfluss kennzeichnet“ (North, 2005, S.34). Wissensorientierte Unternehmensführung bedeutet demzufolge, dass die Stufen der Wissenstreppe in der Organisation implementiert werden (zur Vertiefung: z.B.

North, 2005). Daraus ergeben sich für das Wissensmanagement die nachstehenden Ziele (a.a.O, S. 3):

Wissensaneignung: Sicherstellen, dass die Organisation und jeder ihrer Mitarbei-ter lernfähig sind. Dazu gehört auch die Auswahl von kompetentem Personal (mittels geeigneter eignungsdiagnostischer Testverfahren), die sinnvolle Perso-nalplatzierung und eine zukunftsorientierte Personalentwicklung.

Wissensbeschaffung: Sicherstellen, dass für Geschäftsentwicklung und -prozesse benötigtes Wissen zur Verfügung steht.

Wissensentwicklung: Sicherstellen, dass Wissen an der bestgeeigneten Stelle in oder außerhalb des Unternehmens entwickelt wird.

Wissenstransfer: Sicherstellen, dass Wissen optimal nutzbar gemacht wird.

Wissensweiterentwicklung: Sicherstellen, dass Wissen anwendungsbezogen ak-tualisiert, fortentwickelt wird.

Es ist ersichtlich, dass dem strategischem Management und im Besonderen dem Human Resource Management somit eine außerordentlich wichtige Aufgabe zukommt.

Übergeordnete Bedeutung eignungsdiagnostischer Testverfahren im Rahmen des Human Resource Managements

Sobald der personalpolitische Bereich der Eignungsdiagnostik in das Human Resource Management (HRM) einer Organisation eingebettet wird, entfaltet sich ein weiteres Bedeutungsspektrum für berufsbezogene Testverfahren.

Aus theoretischer Sicht wurden in den letzten Jahren verschiedene Ansätze entwickelt, um die Relevanz und den Stellenwert des HRM herauszustellen. Denn vor dem Hinter-grund starker Umweltveränderungen und mangelnder Produktivität hat man erkannt,

dass vor allem das HRM im Zusammenspiel mit der Struktur und der Strategie einer Organisation effektiviert werden muss. Zwei klassische Konzepte sind der Michigan und der Harvard-Ansatz. Beim ersten Ansatz steht die integrative Verknüpfung von Organisationsstrategie, -struktur und HRM im besonderen Fokus. Hier wird also ein best fit zwischen den Komponenten angestrebt (Tichy, Fombrun & Devanna, 1982, 1984). Der Schwerpunkt des Harvard-Ansatzes beschäftigt sich mit der Nutzung und Identifizierung vorhandener Leistungspotentiale aller Organisationsmitglieder durch ein System aufeinander abgestimmter personalwirtschaftlicher Maßnahmen unter Berück-sichtigung der Bedürfnisse der Beschäftigten, der Stakeholder, der gesellschaftlichen Wohlfahrt und anderer externer Umwelteinflüssen (Beer, Spector, Lawrence, Mills &

Walton, 1985 , S. 16f). Im Gegensatz zum Michigan-Ansatz kommen hier insbesondere verhaltenswissenschaftliche Aspekte zum Tragen und die Human Ressourcen werden noch stärker in die Entwicklung und Realisierung von strategischen Zielen mit einge-bunden (Price, 2004). Letztendlich zeigt sich die Innovativität der Anätze insoweit, als dass bislang getrennt betrachtete personalwirtschaftliche Teilfunktionen, wie Personal-planung, -beschaffung, -auswahl und -entwicklung in ihrem Zusammenhang erkannt und als integrative Problemlösungskonzepte behandelt werden. Deren Einbindung in zuvor übergeordnete Struktur- und Strategieentscheidungen werden hier vorgenommen.

Die menschliche Ressource wird hier stärker aus einer „General Management-Perspektive“ und weniger aus einer speziellen Funktionsperspektive betrachtet. Das Management wird also in die Verantwortung über die menschlichen Ressourcen mit eingebunden. Angemerkt sei hier, dass das HRM die Unternehmensstrategie lediglich unterstützt. Die Organisationsstruktur und die Personalstrategie werden demnach aus der Unternehmensstrategie abgeleitet (Staehle, 1989, S. 391).

Dieser Argumentationsstruktur folgend wird im Weiteren der ressourcenbasierte Ansatz (RBV) hinzugezogen, der auf einer Stärken- und Schwächen-Analyse des Personals und des Personalmanagements beruht. Diese Sichtweise stellt die internen, vor allem die menschlichen Ressourcen einer Organisation in den Mittelpunkt der Betrachtung. So-bald die Ressourcen die folgenden Eigenschaften, wie selten, wertvoll, nicht imitierbar und nicht substituierbar aufweisen, können diese Ressourcen aufgrund von sozialer Komplexität, kausaler Ambiguität und historisch gewachsenen und daher schwer identi-fizierbaren Zusammenhängen, einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil generieren.

Als Quelle für wirtschaftlichen Erfolg wird also die Ressourcenstärke einer Organisati-on gesehen, die mit einer entsprechenden geeigneten Strategie und Struktur

Wettbewerbsvorteile sichern kann. Wright, Dunford & Snell (2001) stellen im Weiteren heraus, dass die Generierung von Wettbewerbsvorteilen allerdings nicht nur eine Funk-tion von isolierten und einzelnen Faktoren ist, sondern eher eine KombinaFunk-tion aus dem Human Capital Pool (Stock of Skills, die es ständig zu erhalten und zu entwickeln gilt), dem Employee Relationships and Behaviours (z.B. informale Strukturen) und dem People Management Systems (Bewertungssysteme, Kommunikationsregeln, Partizipati-onsmöglichkeiten, etc.).

Zusammenfassend lässt sich folgendes Charakteristikum für die Darstellung der HRM – Ansätze heranziehen: Menschen werden als Erfolgsfaktoren betrachtet, die zusammen mit den übrigen Ressourcen der Organisation so geführt, motiviert und entwickelt wer-den müssen, dass diese zum Erreichen von Organisationszielen beitragen (Handy, Burham, Panter & Winhard, A., 1989).

Aus praktischer Sicht wird demnach die wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung des Human Resource Managements (HRM) für die einzelnen Wirtschaftsunternehmen hervorgehoben. Hierzu gehören vor allem auch die personalpolitischen Teildisziplinen wie Personalauswahl, Personalplatzierung und Personalentwicklung. Es wird erkannt, dass die Menschen über den zukünftigen Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens entscheiden.

Das Personal wird heute weniger als unliebsamer Kostenfaktor, sondern vielmehr als Leis-tungspotential des Unternehmens gesehen, das einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil generieren kann. Dem Personalbereich kommt auf strategischer Ebene somit eine funda-mentale Bedeutung zu, und zwar nicht nur in Bezug auf Neueinstellungen, sondern auch in der Ausschöpfung und Erweiterung der Potentiale des vorhandenen Mitarbeiterstammes.

Dementsprechend gilt es im HRM vier grundsätzliche Herausforderungen zu meistern:

Potentiale rekrutieren, Potentiale erkennen, Potentiale ausschöpfen und Potentiale erwei-tern. Wenn dieser Ansatz nicht berücksichtigt und hervorgehoben wird, werden Talente, Fähigkeiten und Engagement von Akteuren im betrieblichen Alltag womöglich übersehen und gehen danach für das Unternehmen verloren. Resignation und Fluktuation sind die Folge. Entweder bleiben für die Organisation daher Wertschöpfungspotentiale gänzlich ungenutzt oder es werden für anstehende Projekte erforderliche Talente und Fähigkeiten unnötig teuer eingekauft, obwohl sie im Unternehmen unerkannt vorhanden oder wenigs-tens leicht auszubilden sind. Einer solchen Entwicklung entgegenzusteuern ist vielleicht die größte und schwierigste Aufgabe des HRM.

In diesem Zusammenhang rückt eine geeignete Kompetenzfeststellung der Menschen in den Vordergrund der Betrachtung. Hierzu werden im Weiteren gute eignungsdiagnostische Instrumente verlangt, die grundlegende Begabungen und Talente aufdecken können. Die sogenannten Schlüsselqualifikationen sollen dazu dienen, neue Wissensgebiete rasch zu erschließen, um flexibel und selbständig auf die zukünftigen Veränderungen reagieren zu können. Dementsprechend gilt es, eignungsdiagnostische Instrumente zu entwickeln, die der Entwicklung und den Forderungen gerecht werden. Ein Schritt in diese Richtung ist die Entwicklung der umfangreichen START-Testbatterie (Liepmann et al., in Vorbe-reitung), die einerseits die erwähnten Kompetenzen erfassen kann, andererseits den anerkannten wissenschaftlichen Gütekriterien genügt sowie den obigen Forderungen nachkommt.

Es ist ersichtlich, dass eine gute Eignungsdiagnostik entscheidende Vorteile für den Menschen und das Unternehmen mit sich bringen kann. Aufbauend auf den oben ge-nannten Herausforderungen gewährleisten elaborierte Testinstrumente, wie die START Testbatterie, dass die Fähigkeiten des Personals aufgedeckt werden können. Auf Basis des diagnostizierten Fähigkeitsprofils, kann das Personal entsprechend seiner Kompe-tenzen optimal ausgewählt, eingesetzt und weiterentwickelt werden.

Der positive Effekt kann darin gesehen werden, dass eine mögliche Unzufriedenheit des Menschen aufgrund von Fehlplatzierungen gemindert und die Motivation des Einzelnen zur Erreichung der Organisationsziele erhöht werden kann. Gleichzeitig profitiert auch das Unternehmen von dieser Entwicklung. Das Personal wird leistungsfähiger, die Fluk-tuation kann gesenkt werden, etc.. Dieser Argumentation folgend werden auch eindeutig ökonomische Aspekte angesprochen, die dem Unternehmen Wettbewerbsvorteile si-chern können. Die Voraussetzung für den, an dieser Stelle, stark vereinfachten Sachver-halt ist natürlich, dass das gesamte HRM effektiver und effizienter gestaltet wird und in übergeordnete Struktur- und Strategieentscheidungen mit eingebunden wird. Aufgrund der Ausführungen lässt sich jedoch eindeutig festhalten, dass eine gute Eignungsdiag-nostik einen wichtigen Grundstein für das Entwicklungspotential des Unternehmens darstellt und einen wesentlichen Beitrag zur gesamtwirtschaftlichen und gesellschafts-politischen Wohlfahrt leisten kann.

4 Intelligenz- Theorien, Befunde und Bedeutung

Ausgehend von der Entwicklungsgeschichte der Intelligenzmessung wird in diesem Kapitel zunächst eine Begriffsbestimmung der Intelligenz avisiert. Damit einhergehend wird das Konstrukt-Verständnis näher erläutert und in einen sinnvollen Zusammenhang mit der Intelligenzmessung gebracht. Darauf aufbauend werden die Bedeutungsbereiche der Intelligenz beleuchtet, wobei die akademische Intelligenz im Vordergrund der Be-trachtung steht. Danach werden die einschlägigen Strukturtheorien vorgestellt, die maß-geblich und konstituierend für das Verständnis der Intelligenz sind.

Im Dokument Freie Universität Berlin (Seite 91-97)