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2 Schrifttum

2.3 High Pressure Processing (HPP)

2.3.5 Wirkung auf das Produkt

Eine HPP bei geringer oder moderater Temperatur führt bei Lebensmitteln zu fast keiner Beeinträchtigung von Geschmack und Aroma (CHEFTEL u. CULIOLI 1997;

SAN MARTÍN et al. 2002). Frische Fleischprodukte sehen allerdings nach HPP wie gekocht aus, einige Produkte entwickeln eine gummiartige Konsistenz (HUGAS et al.

2002). Nach dem Prinzip von Le Chatelier-Braun „Flucht vor dem Zwang“, werden unter erhöhtem Druck Reaktionen gefördert, die mit einer Volumenabnahme verbunden sind, wie z. B. Dissoziationsvorgänge, Ringbildung, Bildung von Wasserstoffbrücken oder von hydrophoben Bindungen. Die Lösung von Atombindungen ist hingegen mit einer Volumenzunahme verbunden (PFISTER et al.

2000).

Temperatur

Die adiabatische (= ohne Austausch von thermischer Energie mit der Umgebung) Kompression von Wasser (oder wässrigen Lösungen) führt zu einem Temperaturanstieg von 2 – 3 °C pro 100 MPa. Bei Druckabbau sinkt die Temperatur wieder in der gleichen Größenordnung. Diese Temperaturschwankungen werden

durch den thermalen Austausch zwischen Wasser, Lebensmittel und dem Metall des Druckkessels auf ein Minimum reduziert (CHEFTEL u. CULIOLI 1997). Die adiabatische Erwärmung stellt sich gleichmäßig im gesamten Lebensmittel dar, was ein Vorteil gegenüber konventioneller Hitzesterilisation ist (TING et al. 2002).

Chemische Zusammensetzung

GARCĺA-REGUERIO et al. (2002) konnten bei der Untersuchung von drei verschiedenen Fleischprodukten (Marinierte Kugel vom Rind, gekochter Schinken, trocken gepökelter Schinken) nach einer Druckbehandlung mit 600 MPa für 10 min bei 30 °C nur minimale Unterschiede in der chemischen Zusammensetzung feststellen und vermuteten den Grund hierfür mehr in der Variabilität der Proben und des Rohmaterials als in der eingesetzten Technologie.

Tabelle 3: Temperaturveränderungen bestimmter Substanzen während einer adiabatischen Kompression (TING et al. 2002)

Substanz bei 25 °C Temperaturveränderung pro 100 MPa (°C)

Wasser ~ 3,0

Tomatenpüree ~ 3,0

Orangensaft ~ 3,0

Tomaten-Salsa ~ 3,0

Milch (2 % Fett) ~ 3,0

Lachs ~ 3,2

Hähnchenfett ~ 4,5

Wasser/Glycol (50/50) von 4,8 bis < 6,3*

Rinderfett ~ 6,3

Olivenöl von 8,7 bis < 6,3*

Sojaöl von 9,1 bis < 6,2*

* bei den gekennzeichneten Substanzen sinkt die Temperatur mit Druckerhöhung

Proteine

Abhängig von Proteinsystem, Druckhöhe, Temperatur und Druckhaltezeit kann HPP einerseits eine Proteinanpassung verursachen, andererseits aber auch zu Proteindenaturierung, -aggregation oder Gelbildung führen (MESSENS et al. 1997).

Die Denaturierung von Proteinen unter Druck ist abhängig von der Temperatur, die meisten Proteine denaturieren ab 400 MPa (TAUSCHER 1995; PFISTER et al.

2000). Messungen der Volumina zeigen, dass β-Faltblattstrukturen stabiler sind als α-Helices. β-Strukturen sind nahezu inkompressibel. Oligomere Proteine dissoziieren in Untereinheiten, dabei ergibt sich ein negatives Reaktionsvolumen. Nach der Dissoziation können die Untereinheiten Aggregate bilden oder denaturieren. Bei Drücken über 200 MPa beginnen sich die Ketten zu entfalten und die dissoziierten Untereinheiten verbinden sich wieder (PFISTER et al. 2000). Die hauptsächlich durch hydrophobe Wechselwirkungen bestimmten quarternären Strukturen des Proteins sind sehr empfindlich gegenüber Druck. Ab 100 - 150 MPa kommt es zu einer Auffaltung. Signifikante Änderungen der tertiären Struktur (Entfalten der Peptidketten) können ab 200 MPa beobachtet werden, wohingegen die sekundären Strukturen der Proteine bei Raumtemperatur erst bei Drücken ab 700 MPa verändert werden (BALNY u. MASON 1993).

Ab 200 MPa nimmt Fleisch einen weißlicherer Ton an, der Grund hierfür ist die beginnende Denaturierung der globulären Anteile des Myoglobins; über 400 MPa kommt es zu graubraunen Verfärbungen durch partielle Oxidation von Fe2+ zu Fe3+

mit gleichzeitiger Denaturierung des Globins (CHEAH u. LEDWARD 1996; PFISTER et al. 2000).

Der enzymatische Zustand des Muskelfleisches beeinflusst die Wirkungsweise der Druckbehandlung. Einflussfaktoren für die Proteinveränderungen durch Druck sind pH-Wert, Ionenkonzentration, Temperatur bei der Druckbehandlung, Proteinkonzentration und Lagerungsbedingungen (PFISTER et al. 2000).

Signifikante Veränderungen des Aminosäurengehaltes nach HPP wurden nicht gemessen (GARCÍA-REGUEIRO et al. 2002); diese Beobachtung erklärt sich mit dem Nichtvorhandensein von Proteolyse (HUGAS et al. 2002).

Eine HPP mit Drücken bis 450 MPa führt zu einem dreifachen Anstieg der Oberflächenhydrophobie von Myofibrillenprotein. Derselbe Aufwärtstrend wird bei den reaktiven Sulfhydryl-Gruppen beobachtet, welche von 40 % auf 69 % ansteigen.

Der Viskositätskoeffizient sinkt umgekehrt proportional zum Druck. Veränderungen in myofibrillären Proteinbindungen und den rheologischen Eigenschaften sind vergesellschaftet mit strukturellen Veränderungen der Proteine und können unter Umständen bessere funktionelle Eigenschaften aufweisen (CHAPLEAU u. DE LAMBALLERIE-ANTON 2003).

Fett

Mit steigenden Behandlungsdrücken kann eine verstärkte Autoxidation beobachtet werden – die prooxidativen Effekte von Metall-Ionen (Cu, Fe) überlagern den antioxidativen Effekt des Drucks. Der Grad der Oxidation ist abhängig vom Wassergehalt des Lebensmittels (PFISTER et al. 2000).

Auch BRAGAGNOLO et al. (2006) beobachteten bei steigenden Behandlungsdrücken und Behandlungszeiten eine Zunahme freier Radikale als frühes Merkmal der Lipidoxidation.

Verglichen mit einer Hitzebehandlung von 80 °C für 10 min (= thermische Pasteurisierung) wird erst bei einer Druckbehandlung von 10 min mit 800 MPa dieselbe Lipidoxidation in Hühnerbrustmuskulatur gemessen. Unterhalb von 500 MPa wird keine Fettoxidation registriert (ORLIEN et al. 2000).

Schweinehackfleisch zeigt bei Drücken ab 300 MPa eine deutliche Zunahme der Oxidationsrate. Es wird diskutiert, ob die Lipidoxidation durch die bei Drücken von über 300 - 400 MPa einsetzenden Vorgänge der Denaturierung myofibrillärer Proteine und die Umwandlung von reduziertem Myoglobin bzw. Oxymyoglobin zur denaturierten Eisenform katalysiert wird (CHEAH u. LEDWARD 1996).

Untersuchungen an frischer Mettwurst und Hackfleisch zeigen, dass der Einfluss der HPP auf die Fettveränderung nur gering und gegenüber Effekten von Zusatzstoffen bzw. durch die Lagerung bedingten Veränderungen sehr niedrig ist (KRZIKALLA 2008).

Nichtprotein-Stickstoff (NPN)

In der Nicht-Protein-Stickstoff-Fraktion wurden bei drei verschiedenen Fleischprodukten (Marinierte Kugel vom Rind, gekochter Schinken, trocken gepökelter Schinken) nach HPP keine signifikanten Veränderungen gemessen (GARCÍA-REGUEIRO et al. 2002).

pH-Wert

Durch Druck auf Wasser kommt es in erster Linie zu einem Absinken des Schmelzpunktes und einem Anstieg der Ionisierung, was wiederum zu einem pH-Wert Abfall unter Druck führt (HUGAS et al. 2002). Pro 100 MPa verringert sich der pH-Wert von Wasser oder Phosphatpuffer um 0,2 - 0,3 Einheiten (FUNTENBERGER et al. 1995). Diese Effekte sind reversibel bei leichtem Druck, können aber zu einer Veränderung des Produktes bei hohem Druck beitragen (HUGAS et al. 2002).

Farbe

Der Effekt der HPP auf die Farbe ist Produkt abhängig. Die Bandbreite reicht von vollständigem Erhalt der frischen Farbe bis hin zu Veränderungen, die nicht von durch eine thermische Behandlung verursachten Farbveränderungen zu unterscheiden sind (MATSER et al. 2004). Durch die Denaturierung der myofibrillären Proteine verändert sich auch die Farbe von hochdruckbehandeltem Fleisch.

In Untersuchungen von CARLEZ et al. (1995) mit unterschiedlich verpacktem und dann mit hohen hydrostatischen Drücken behandeltem Schweinehackfleisch steigt der L*-Wert (Helligkeit) ab 200 – 350 MPa an und das Fleisch wird pinkfarben. Der a*-Wert (Rotwert) sinkt bei 400 – 500 MPa und das Schweinehackfleisch wird graubraun. Gleichzeitig sinkt das extrahierbare Myoglobin bei 200 – 500 MPa während der Anteil an Metmyoglobin auf Kosten des Oxymyoglobins bei 400 – 500 MPa zunimmt. Ein Versetzen des gekühlten Hackfleisches mit NaNO2 18 h vor HPP bei 350 – 500 MPa gewährt einen gewissen Schutz vor Verfärbungen.

Bei Versuchen mit Iberischem und Serrano-Schinken wurden L*- und a*-Werte nicht beeinflusst; der b*-Wert (Gelbwert) war nur bei dem Iberischen Schinken erhöht (MORALES et al. 2006).

Ein linearer Zusammenhang zwischen der Druckhaltezeit und der Abnahme der Fleischfarbe ist nicht feststellbar – nach zehn Minuten Behandlungszeit verändert sich die Farbe nicht mehr (PFISTER et al. 2000).