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Im Dokument Impulse Ausgabe 2015/2 (Seite 33-37)

Begegnung mit einem erwachsenen männlichen Orang-Utan in der Aufzuchtstation im Tanjung-Puting-Nationalpark auf Java, Indonesien: in freier Wildbahn inzwischen ein seltenes Ereignis.

Und Thomas Stodulka, der jahrelang in Indonesi-en mit auf der Straße lebIndonesi-endIndonesi-en Kindern, JugIndonesi-end- Jugend-lichen und Erwachsenen zusammengearbeitet hat, der Freundschaften schloss, der einige dieser Freunde hat sterben sehen und oft wütend war auf Ärzte, die jene in den Krankenhäusern auf-grund ihres Stigmas schlecht behandelten und der sich heute bewusst macht, dass er nie ver-sucht hat, zumindest auch einmal die Perspektive

Wenn wir reden, kommunizieren wir relevante Inhalte auch mit den Händen. Solche Gesten sind ein integrierter Bestandteil von Sprache und unter-liegen, so die überwiegende Meinung, ebenso wie die Lautsprache bestimmten Regeln. Das Interesse der Forscherinnen galt nun der Frage, ob Gesten letztlich Vorläufer der Lautsprache sind oder sich unabhängig davon entwickelt haben. Im Fokus der Analyse standen dabei die redebegleitenden Gesten. Mehr als zwanzig Wissenschaftler unter-suchten in neun Teilprojekten vor allem, wie Gesten aus Handbewegungen geschaffen werden, wenn jemand spricht, und welche Formen und Kombinationen von Gesten wir verwenden.

Gut hundert Stunden Videomaterial sichteten die Forscher – Aufnahmen von Menschen in Ratesendungen und Talkshows, von Gesprächen zwischen Bekannten, in Vorlesungen und bei wis-senschaftlichen Vorträgen oder auch in eher expe-rimentellen Situationen. Jede identifizierte Geste wurde anhand von vier Parametern beschrieben:

Handform, Orientierung der Hand, ausgeführte Bewegung und Bewegungsrichtung sowie räumli-che Position in Relation zum Körper. Das Ergebnis:

Sämtliche Gesten werden nach vier Prinzipien „her-gestellt“: als agierende, modellierende, zeichnende und repräsentierende Gesten. Agierende Gesten ahmen Bewegungen nach und erinnern damit an Verben. So wird das Wort „schreiben“ häufig mit einer schreibenden Bewegung des Zeigefingers begleitet. Modellierende und zeichnende Gesten stellen dagegen Eigenschaften dar, vergleichbar Laut sprechen, Mimik einsetzen, Gestikulieren:

alles integrierte Bestandteile von „Sprache“?

Wo fängt eine Geste an? Wo hört sie auf? Welche Formen gibt es? Wie lassen sich Gesten kombinie-ren, und welche Bedeutungen haben sie? Was sind die neurologischen Grundlagen von Gesten, und welche Vorläufer haben sie in der Evolution? Und:

Wie hängen Gesten und Lautsprache zusammen?

In einem einzigartigen, von der Stiftung mit einer Million Euro geförderten Projekt suchten vier For-scherinnen – die Linguistin Cornelia Müller, die Neurologin Hedda Lausberg, die Semiotik-Expertin Ellen Fricke und die Primatologin Katja Liebal – zwischen 2006 und 2010 nach einer umfassenden Beschreibung, vulgo einer „Grammatik der Gesten“.

In dem Projekt „Towards a grammar of gesture:

evolution, brain, and linguistic structures“ stellten sie das traditionelle Konzept von Sprache infrage.

der Ärzte einzunehmen und zu versuchen, diese zu verstehen; der sagt: „Man wird in der wis-senschaftlichen Arbeit fast dazu gezwungen, all die Emotionalität, die da auch stattfindet, in der Begegnung mit dem sogenannten Forschungsob-jekt auszublenden. Doch das ist nicht nur nicht möglich, sondern sie hat auch ihre Wirkung.“ Im August wird die Forschergruppe bei einem Work-shop eine erste Bilanz ihrer Erkenntnisse ziehen.

Welchen Regeln unterliegen Gesten, um allgemein verstanden zu werden? Und wie hängen Gesten und Lautsprache zusammen?

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Adjektiven. Manchmal steht unsere Hand aber auch direkt für ein Objekt, zum Beispiel für ein Blatt Papier – eine repräsentierende Geste. Aus diesen und anderen Hinweisen schließen die Forsche-rinnen, dass sie es bei Gesten mit Vorformen von sprachlichen Strukturen zu tun haben. Für sie steht fest: „Denken manifestiert sich nicht nur über die Lautsprache, sondern auch im Gestikulieren.“

Die Neurologin Hedda Lausberg untersuchte die kognitiven und emotionalen Prozesse, die bei der Gestenproduktion im menschlichen Gehirn ablau-fen. Mithilfe der funktionellen Magnetresonanz-tomografie und der Nah-Infrarotspektroskopie zeichnete sie die zerebralen Aktivierungsmuster bei der Produktion von Gesten auf. Welche Hirn-areale sind aktiv, wenn Menschen ein Objekt gebrauchen, etwa einen Hammer? Die Ergebnisse verglich sie mit der zerebralen Aktivierung bei der gleichen Bewegung als pantomimische Geste.

Sie stellte fest: Bei denjenigen Personen, die den Hammer verwendeten, wurden beide Hirnhälf-ten aktiviert. Die pantomimische Handlung aktivierte jedoch zusätzlich linkshemisphärische Areale. Bei Patienten mit linkshemisphärischen Hirnschädigungen beobachtete sie zudem, dass diese bei der Ausführung pantomimischer Gesten eingeschränkt waren. Sie folgerte: Pantomimische Gesten erfordern im Vergleich zu Objektgebrauch die zusätzliche Kompetenz, mit der Vorstellung des Objektes zu agieren, das heißt, die Fähigkeit zur Abstraktion. „Diese Fähigkeit ermöglicht es, Dinge

zu kommunizieren, die nicht physisch präsent sind, etwa von einem Hammer zu sprechen, obwohl er nicht da ist“, sagt Lausberg. „In der Evolution könn-te der Erwerb dieser Kompekönn-tenz einen entscheiden-den Schritt dargestellt haben in der Entwicklung gestisch-sprachlicher Kommunikation.“

Eine Fähigkeit, die Affen zu fehlen scheint. Kat-ja Liebal verbrachte mehr als 700 Stunden mit der Kamera vor Zookäfigen und im Freiland und beobachtete, wie sich Schimpansen, Orang-Utans und Gibbons verständigen. Dabei entdeckte sie, dass die Tiere ausschließlich agierende Gesten benutzten, zum Beispiel um Futter zu erbetteln.

Zeichnende, modellierende oder repräsentieren-de Gesten fand sie dagegen nicht. Anrepräsentieren-dererseits deutet einiges darauf hin, dass Affen ihr Kom-munikationssystem flexibel anpassen können. In Gefangenschaft kommunizieren die Tiere eher über Gesten als im Freiland, wo sie sich oft über große Entfernungen verständigen müssen. Auch variieren sie die Form einer Geste je nach Kontext.

Mehrere Grundlagenwerke runden das Projekt ab:

ein Field Guide von Cornelia Müller, der erstmals eine systematische linguistisch-strukturelle Ana- lyse von Gesten ermöglicht, eine linguistische Dokumentation von ihr über Formen redebeglei- tender Gesten – sowie Ellen Frickes Buch „Gram-matik multimodal“, das die theoretischen Grund-lagen für eine Integration von Gesten in die laut-sprachliche Grammatik formuliert.

Christian Jung

Endlich Zeit für das Wichtig-ste: Es ist schon dunkel, als Katja Liebal Muße findet, die Eindrücke der letzten Stunden in ihr Emotions-Tagebuch zu schreiben. Sie sitzt auf einem ihrer Lieblingsplätze, einem Holzsteg im Tanjung Puting National Park. Gerade beginnt erster Dunst aufzuziehen, kurze Zeit später schon wird sie von Nebel eingehüllt sein.

Schwerpunktthema

Neue Sichtachsen und Zugänge

Erinnerung,

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