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Sorgen gäbe es keine mehr, man müsste nicht einmal mehr einkaufen gehen, sondern nur

Im Dokument Impulse Ausgabe 2015/2 (Seite 82-92)

noch in der Sonne liegen. Den Rest besorgt das Blattgrün.“

(aus: Judith Schalansky „Der Hals der Giraffe“)

„Wir sehen eindeutig mehr Verände-rungen beim Sachbuch ...“

Der Praxischeck: Marlis Treder und Walter Treppmacher von der Buchhandlung DECIUS im Interview

Erobert sich die moderne Wissenschaftsliteratur neue, weite-re Räume? Gibt es eine neue Form von Wissenschaftsroma-nen, die dazu beitragen, die Welt und wie sie funktioniert, besser zu verstehen? Und was lässt sich über das Genre popu-lärwissenschaftliches Sachbuch sagen? Es liegt nahe, diese Fragen, die das Forschungsprojekt „Fiction Meets Science“

grundieren, einer Betrachtung vonseiten der Praxis zu unter-ziehen. Christian Jung im Gespräch mit dem Geschäftsführer von Niedersachsens großer inhabergeführter Buchhand-lungskette DECIUS Walter Treppmacher und der Leiterin Belletristik Marlis Treder.

Frau Treder, Herr Treppmacher, Forscher reden von einer Wis-senschaftsliteratur, die sich in der jüngeren Vergangenheit anders ausformt, für die es einen veränderten Markt gibt, die offenbar eine andere – neue? – Leserschaft anspricht. Wie stellt sich das aus Sicht Ihrer Buchhandlung dar? Und: Lesen Sie selbst beispielsweise gern solche Bücher?

Treder: Ich würde jedenfalls nicht von einem Trend sprechen.

Vielleicht hat es sich in den letzten Jahren einfach gefügt, dass da ein paar Wissenschaftsromane eben in erster Linie gute Romane waren, die als solche beim Publikum prima ankommen, weil sie literarisch gut funktionieren … Es hängt letztlich immer davon ab, wie gut das einzelne Buch ist. Ich selbst lese solche Romane durchaus gern – wenn ich den Eindruck habe, Wissen dabei auch wirklich fundiert und korrekt vermittelt zu bekom-men. Für mich sind die Bücher von Bernhard Kegel ein treffen-des Beispiel: „Der Rote“ und „Ein tiefer Fall“ bieten Einblicke in biologische Phänomene (Der Rote) und behandeln ebenfalls (Ein tiefer Fall) Probleme des Wissenschaftsbetriebes.

ihr Buch „Properties of Light: a Novel of Love, Betra-yal, and Quantum Physics“ der Öffentlichkeit vor.

„Rebecca Goldstein did so successfully in her highly praised first novel …“, hatte immerhin die New York Times die Wissenschaftsautorin früh ent-deckt. Sie selbst machte deutlich, dass ihr Hand-werk durchaus hartes Ringen ist; umso mehr, wenn das Ergebnis funkeln und faszinieren soll:

„It's one kind of trick to turn philosophy into fiction,

… it's another, perhaps even headier alchemy, to make fiction out of physics ...“

An diesem Statement knüpfte manch Zuhörer an. So auch Professor Dr. Norbert Schaffeld, der neben Gaines und Schimank ein weiterer Initiator des Forschungsvorhabens ist. „Mich interessiert explizit die Frage, mit welchen literarischen Mit-teln Naturwissenschaft dargestellt wird: Gibt es, wie Hans Magnus Enzensberger behauptet, eine

‚poetics of knowledge‘?“, fragt der Forscher vom Fachbereich Sprach- und Literaturwissenschaften, English-Speaking Cultures, der Universität Bre-men. Und was bedeute es, fährt er fort, „wenn der erzählerische Aufbau eines Wissenschaftsromans, also dessen Form, eine naturwissenschaftliche Entdeckung spiegelt, wie dies etwa im Roman-werk von John Banville der Fall ist“?

Die Forscher und Autoren können inzwischen jeder dieser Fragen und manch anderer Idee, die sich im Laufe des Gesprächs erhebt, zügig nachge-hen – sozusagen zunächst einmal per Knopfdruck, der dann natürlich intensive Lektüre nach sich zieht. Denn in einer im Zuge des Projekts aufge-bauten Online-Datenbank haben die Beteiligten bereits über zweihundert einschlägige Werke englischsprachiger und hiesiger Autoren erfasst – etwa zehn Prozent des insgesamt gespeicherten Materials ist in deutscher Sprache geschrieben.

Die Datenbankinhalte sind notwendige Arbeits-grundlage für das Team um Professor Dr. Anton Kirchhofer vom Institut für Anglistik und Amerika-nistik der Universität Oldenburg, Vierter im Bunde der Projektinitiatoren. Eines seiner Ziele ist es, Rezensionen von Wissenschaftsromanen in einem breiten Spektrum an Medien einer systematischen Erhebung zu unterziehen. „Wir untersuchen zum

Sie segeln in ihrer Branche äußerst hart am Wind: DECIUS-Geschäftsführer Walter Treppmacher und die Leiterin Belletristik der hannoverschen Buchhandlung, Marlis Treder.

„Expansion ist ein Merkmal des Lebens. Überall und zu jeder Zeit versuchen sich Pflanzen und Tiere in neuen Lebensumständen. Sie tasten sich über die Grenzen ihrer bisherigen Existenz hinaus, scheitern und beginnen wieder von Neuem. Die Vielfalt der Anpassungen, die sich die Lebewesen zu diesem Zweck haben einfallen lassen, ist unüberschaubar. Sie laufen, schwimmen, fliegen, segeln, lassen sich treiben oder nutzen die Körper anderer Lebewesen als Taxiservice. Viele haben in ihrem Lebenszyklus spezi-elle Verbreitungsstadien entwickelt, Samen mit Fallschirmen oder Hafteinrichtungen, federleichte Sporen, mobile Larven. Sie gewährleisten, daß die zahlreichen Nachkom-men über ein möglichst großes Gebiet verteilt werden. Verluste sind einkalkuliert. Die Entdeckung und Besiedlung neuer Lebensräume war und ist für Tiere und Pflanzen eine Überlebensfrage. Stillstand kann den Tod bedeuten. Tümpel trocknen aus, Seen ver-landen, Wälder brennen ab, ganze Kontinente vereisen.“

(aus: Bernhard Kegel „Die Ameise als Tramp")

wird: zu beobachten etwa beim Entstehen eines Romans im Labor der Wissenschaft – einer jener kristallinen Augenblicke, in denen sich beide Welten treffen, in denen eine Analyse des Schaf-fensprozesses möglich wird. Als ein Katalysator dient vor allem das eingebettete „Writers in Residence“-Angebot. Unter dem Motto „novel-ists writing science novels“ leben und arbeiten am Hanse-Wissenschaftskolleg in Delmenhorst Autoren gemeinsam mit Forschern aus aller Welt. Susan Gaines – sie selbst webt gerade an den letzten Zeilen ihres Roman „The Last Natu-ralist and the Terrorist’s Daughter“ – sucht und wirbt hierfür Autorinnen und Autoren ein. Als nunmehr dritte „Residierende“ am HWK folgte ihr mit Anne von Canal im Februar 2015 eine deutsche Autorin, die – auch dies ein Experiment – keinen Hintergrund als Wissenschaftlerin und bislang auch kein Buch des betrachteten Genres Wissenschaftsroman geschrieben hat.

einen, in welchem Ausmaß Naturwissenschaften im zeitgenössischen englischsprachigen Roman thematisiert werden, und vermessen zugleich die öffentlichen Diskurse, die in literarischen wie in naturwissenschaftlichen Medien über diese Romane geführt werden“, gibt er ein Beispiel – und präsentiert immerhin ein erstes quantitatives Ergebnis: „Bereits jetzt wird deutlich, dass die tat-sächliche Zahl einschlägiger Romane, die entspre-chend Widerhall gefunden haben, noch deutlich über unseren Erwartungen liegt.“

Das „Writers in Residence“-Angebot: eines der Aushängeschilder des Projekts

Das vielschichtige Vorhaben erlebt zahlreiche und ganz unterschiedliche Momente, in denen der Prozess der Annäherung der beiden Sphären Wissenschaft und Kultur haut- und lebensnah

Treppmacher: Es ist schwer zu sagen, ob ein Markt entstanden ist für eine „junge“, frische, eigene Art von Wissenschaftsroma-nen, die gut ankommen. Noch schwerer, welches Publikum sie finden. Unsere Verkaufszahlen lassen da keine generalisierba-ren Aussagen zu. Nur soweit: Frank Schätzings „Der Schwarm“

war ein Renner, aber auch wiederum alles andere als ein typi-scher Wissenschaftsroman. Wenn ich selbst mal ein solches Buch lese, muss es wie jeder Roman vor allem gut geschrieben sein, sonst halte ich nicht bis zum Ende durch. Da können die Inhalte selbst noch so spannend oder relevant oder wichtig sein. Ein Beispiel für ein Buch, das mir sehr gut gefallen hat, ist Daniel Kehlmanns „Die Vermessung der Welt“. Davon ab würde ich ebenfalls verneinen, dass es sich hier um einen Trend han-delt. Wissenschaftliche Themen haben auf die Art und Weise, wie sie jetzt aufbereitet werden, meines Erachtens auch früher schon vergleichbar Einzug in die Literatur gefunden, ich denke da zum Beispiel an den gerade verstorbenen Carl Djerassi, den Erfinder der Antibabypille, und seine gelungenen Romane

„Cantors Dilemma“ und „Das Bourbaki-Gambit“.

Also kein Trend, da stimmen Sie beide ja deutlich überein! Was hat sich denn dann verändert?

Treppmacher: Die wissenschaftlichen Themen werden leich-ter, lockerer aufbereitet in der Wissenschaftsliteratur – eine Entwicklung, die vermutlich durch die elektronischen Medien getrieben ist, die einen schnellen Zugriff auf Informationen bieten und etwa über Blogs auch die unmittelbare Teilhabe an Wissensverbreitung ermöglichen.

Treder: Um es noch einmal zu betonen: Im Kern hat sich wenig verändert. Ein erfolgreiches Buch besticht durch seine Story, ist spannend, trifft den Nerv der Zeit – eigentlich ist es das nach wie vor. Dazu kommt dann noch das richtige Marketing. Bei Frank Schätzing zum Beispiel schlägt die Natur zurück, ist der Klimawandel spannend und mitreißend Thema, an anderer Stelle geht es um die Müll produzierende Gesellschaft – und immer wieder um die Bedrohung unserer Umwelt, ja: unserer Welt, von der wir eben nur eine haben. Themen, die uns alle beschäftigen. Frank Schätzing entwickelt in einer Mischung aus vielen wissenschaftsgestützten Fakten und Sciencefiction-Elementen ein Szenario, das bedrohlich real erscheint und dann auch plötzlich manifest wird. Was uns heute zunächst noch weit entfernt erscheint, könnte morgen wie selbstverständlich unser Untergang sein. Schätzing ist ein grandioser Performer, das merkt man den Büchern an; es ist die Frage, ob man das schätzt. Mir ist die Art zu schreiben, zu erzählen und damit auch Vorgänger von Susan Gaines als erster Writer in

Residence war Bernhard Kegel. Er fand am HWK reichlich Kristallisationskerne für seine Arbeit – doch nicht nur dort. Er nutzte eine weitere Option, die das „Fiction-Meets-Science“-Projekt für ausge-wählte Schriftsteller aus aller Welt bereithält: die Möglichkeit, als „teilnehmende Beobachter“ an einer wissenschaftlichen Einrichtung Eindrücke aus dem Forschungs- und Forscheralltag zu sam-meln. Für alle Beteiligten dürfte es – auch unter unmittelbar projektbezogenen wissenschaftli-chen Aspekten – spannend sein zu sehen, wie das gewonnene Wissen, wie Eindrücke und Erfahrun-gen in das literarische Werk eingeflossen sind.

Bernhard Kegel nun begleitete im Jahr 2013 als

„embedded writer“ für seinen neuen Roman ein Forscherteam des Bremer Leibniz-Zentrums für Marine Tropenökologie (ZMT) zu Expeditionen ans Rote Meer nach Aqaba in Jordanien und zu den Galapagos-Inseln. Um sein Credo vorwegzu-nehmen: „Die Expedition war essenziell für meine Arbeit“, sagt er, der solche Fahrten generell für notwendig hält. Denn: „Zu häufig wird Forschung in der Literatur oberflächlich behandelt und immer wieder falsch beschrieben.“ Besonders ein-drucksvoll sei die erste Woche auf den Galapagos-Inseln gewesen, lässt sich heute noch in dem Blog nachlesen, den er – auch das mittelbarer Ausfluss des Forschungsvorhabens – parallel zur Reise füt-terte. Mit einem kleinen Forschungsschiff wurden die südlichen Inseln des Archipels abgeklappert.

Die Wissenschaftler nahmen Sedimentproben und untersuchten die Fischpopulation, um mehr über die Versauerung der Ozeane zu erfahren. Und Bernhard Kegel immer mit dabei.

Der promovierte Biologe kann sich richtig in Schwung reden bei dem Thema, wie spannend sich Naturwissenschaft auch für Nicht-Forscher aufbereiten lässt. „Das war meine ursprüngliche Intention, die mich zum Schreiben brachte. Mein Bauch sagte mir, dass Romane das ideale Medium sind, um Wissenschaft unter die Leute zu bringen.

Spannung liegt in der Natur der Forschung!“ Noch dazu seien Wissenschaftler interessante Charak-tere, nicht nur Geistesgrößen, sondern Menschen

für ihr geplantes Buch „atmosphärische Eindrücke und wissenschaftliche Hintergrundinformation”

sammeln sowie „Einblicke in die Arbeitspraxis der Forscher“ gewinnen.

Auch Rebecca Goldstein macht deutlich, wie spürbar die Kluft zwischen der Wissenschaft und dem Literaturbetrieb sein kann und wie schwer oft deren Überwindung selbst für den wissen-schaftlich vorgeprägten Autor: „Die Menschen beider Welten können häufig kaum miteinander sprechen, sich verständigen. Es gibt keine Sprache zwischen ihnen. Weil eine Seite es nur rational versteht. Das, was der Schriftsteller mit seinem Herzen aufnimmt, passt nicht unbedingt in jeden Kopf, der glaubt, jedes Problem habe eine logisch-wissenschaftliche Lösung.“

Vielleicht widmet sich aus eben diesem Grund die „große Literatur“ der Naturwissenschaft viel zu wenig, ist eine zentrale Erkenntnis einschlä-giger Autoren wie Kegel und Goldstein in der Rückschau auf inzwischen gut zwanzig Jahre im Literaturbetrieb. Die Leser von Wissenschaftsro-manen seien zudem oft selbst in der Forschung tätig, entsprechend empfindlich. Stießen sie gleich auf den ersten Seiten eines Buches auf fachliche Fehler, legten sie es meist schnell beiseite, ist mit reichlich Schwächen neben ihren Stärken. Als

gelungenes Beispiel für den populärwissenschaft-lichen Transfer aktueller Forschung nennt er Frank Schätzings Buch „Der Schwarm“, das sich dadurch auszeichne, dass die darin verwobenen wissen-schaftlichen Hintergründe gut recherchiert und aufbereitet seien. Um auf solche Weise ausreichend in die Tiefe gehen zu können – das werde deutlich – bräuchten nicht nur Forscher Zeit für ihr Tun, son-dern ebenso ihre Gegenüber im Literaturbetrieb.

Bernhard Kegel gehört auch zu jenen, die unmiss-verständlich sagen: Wer über Wissenschaft schrei-ben will, sollte zumindest eine Zeit lang selbst handfest wissenschaftlich gearbeitet und wissen-schaftliches Denken verinnerlicht haben. „Für Men-schen, die einen anderen Hintergrund haben, ist es sehr schwer, sich in das Leben und die inhaltlichen Probleme vor allem eines Naturwissenschaftlers hineinzudenken und dies treffend zu schildern.“ Da darf man dann umso gespannter sein auf den Auf-enthalt von Fellowship-Kollegin Anne von Canal, die inzwischen einen Besuch in den Labors des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresfor-schung in Bremerhaven auf der Agenda hat, dem sich eine Reise anschließen soll zu der auf Spitz-bergen gelegenen AWIPEV Arctic Research Base der Forschungseinrichtung. Dort will die Autorin

„Am Ende steht eine idealisierte Welt, in der Millionen Frauen versuchen, wie zehn Supermodels auszusehen, Familien eins Komma zwei Kinder haben und ein Chinese im Schnitt 63 Jahre alt und 1 Meter 70 groß wird. Vor lauter Versessen-heit auf Normen übersehen wir, dass die Normalität im Abnormalen liegt, in der Abweichung ...“

(aus: Frank Schätzing „Der Schwarm“)

wissenschaftliche Inhalte populärwissenschaftlich, literarisch zu transportieren von Bernhard Kegel lieber. Da spüre und höre ich den Wissenschaftler dahinter. Nicht nur in der Vermittlung der Fakten; auch in der Art zu schreiben …

Ihrer Meinung nach helfen also solche Romane, die Welt und wie sie funktioniert, besser zu verstehen – eine wichtige Funktion also, zumal diese Bücher ja eben ein Publikum erreichen, das in der Regel keine wissenschaftliche Originalliteratur liest …

Treder: Unbedingt! Wichtig ist meines Erachtens dabei, dass der Leser immer die Fiktion von den Fakten unterscheiden kann.

Vielleicht sollte man, wie Enzensberger vorschlägt, eine „Poe-tics of Knowledge“ entwickeln, die sich damit auseinandersetzt, wie man mit literarischen Mitteln Naturwissenschaft darstellt.

Denn in der Fiktion geht es darum, wie aus Erfahrung und Erlebtem etwas Drittes entsteht: der Text, die Erzählung.

Treppmacher: Sicherlich stellt sich beim Leser da oft ein Aha-Erlebnis ein. Aber meines Erachtens kauft sich nur eine Min-derheit Wissenschaftsliteratur, weil sie sich konkret Wissen zu einem Thema aneignen will, um es mal so zu formulieren. Eher ist es die spannende Lektüre, die jemand sucht. Frank Schätzings

„Der Schwarm“ und „Limit“ beispielsweise haben sich jedenfalls bei uns – und ich meine generell – weit besser verkauft als sei-ne Krimis und historischen Romasei-ne. Das Gleiche gilt für Daniel Kehlmanns „Die Vermessung der Welt“, dessen literarische Qua-litäten auch Leser anlocken, die sich nicht für Gauß und Hum-boldt interessieren. Es wäre aber mal spannend zu untersuchen, ob beispielsweise ein Schätzing-Leser dessen Bücher kauft, weil er sich „weiterbilden“ will – meines Erachtens allenfalls eine Min-derheit – oder weil er spannende Lektüre sucht.

Fiktionale Literatur und populäre Sachbücher: Zwei Genres;

Letztere sind nicht Gegenstand des stiftungsgeförderten Pro-Kegel sicher. In jedem Fall sollte man bei einem

fiktionalen Buch über einen Wissenschaftler bedenken, wie schwierig es häufig sei, komplexe wissenschaftliche Sachverhalte einfach darzu-stellen. In diesem Zusammenhang ist auch an einen Seufzer des Physikers Richard Feynman zu erinnern, der einmal, als man ihn gebeten hatte, seine Forschungen für das Radio in drei Minuten zusammenzufassen, entgegnete: Er hätte sicher keinen Nobelpreis erhalten, wäre dies möglich.

Fiktionale Literatur und populärwissenschaftliche Sachbücher: zwei Genres auf Erfolgsspur?

Zurück zu Bernhard Kegel und Galapagos. Das Archipel habe er bewusst ausgewählt mit Blick auf sein nächstes Buch, das erneut den Kieler Meeres-biologen Hermann Pauli ins Zentrum der Handlung stellt. Noch während seines Fellowship-Aufenthalts am HWK schrieb er die ersten Kapitel; erscheinen soll der Roman im Herbst 2016. Im Kern dreht sich darin alles um Korallen und die Tatsache, dass ihnen wegen des Klimawandels eine düstere Zukunft prophezeit wird. „Das Buch handelt davon, was es für Meeresforscher und Riffökologen bedeutet, sich einem todgeweihten Ökosystem zu widmen“, spult er vor den Zuhörern der Konferenz eine Preview ab.

Hinter seinem Aufenthalt an Bord als „embedded writer“ habe zunächst bei allen dort wohl ein großes Fragezeichen gestanden, sagt er im Rückblick, und ein Grinsen schwingt in seiner Stimme mit.

„Niemand auf dem Schiff kannte meine Bücher.“

So hätten sie schließlich auch nicht einordnen können, ob er die Expeditionsteilnehmer einzeln porträtieren oder jedes Wort, jeden Konflikt haar-klein in seinem Roman wiedergeben würde. „Was mir durch den Kopf geht und was ich da gerade aufschreibe, konnten sie nicht wissen.“ Man darf also sicher sein, dass alle Expeditionsteilnehmer interessiert nachlesen werden, wie sich die Reise im Buch niedergeschlagen hat! Und während man auch diesen Gedanken weiterverfolgt, wird langsam klar, welche Dimensionen das von der Stiftung als ein „Schlüsselthema“ geförderte Kooperationsvorhaben eigentlich hat.

„Die Autoren von Wissenschaftsromanen dürfen dem Leser durchaus noch mehr Wissenschaft zumuten“, wünscht sich Marlis Treder, die Wissenschaft zu oft zur Fassade degradiert sieht.

Die 19 Schmuckstücke erzählen von Tieren und Pflanzen, Pilzen und Menschen, von Landschaften, Steinen und Himmelskörpern, von belebter und unbelebter, fremder und vertrauter Natur. Der Name der Reihe ist Programm. Hier wird keine bloße Wissenschaft betrieben, sondern die leiden-schaftliche Erforschung der Welt: kundig, sorgsam, liebevoll und anschaulich sowie im Bewusstsein, dass sie dabei vor allem vom Menschen erzählt – und von dessen Blick auf eine Natur, die ihn selbst einschließt. Jedes Buch in dieser Reihe formuliert, ungeachtet seiner Gattung, eine eigene Kunde von der Natur und ist dabei so aufwendig, vielge-staltig und schön gemacht, wie das Wesen seiner Gegenstände es fordert: bebildert, in historischen Formaten gebunden, fadengeheftet, versehen mit Frontispiz und farbigem Kopfschnitt. So feiern die Naturkunden nicht zuletzt die unnachahmlichen und mannigfaltigen Möglichkeiten einer lebendi-gen Buchkultur.

Kegel trifft mit seinen Werken und Themen, die ein recht umfangreiches und disperses Publikum adressieren, mitten in Herz und Verstand. Eher Letzteres wird – Achtung: Genrewechsel – ein Sachbuch über Mikrobiologie ansprechen, zu dem ihn die Expedition ans Rote Meer angeregt hat und das in diesem Frühjahr erschienen ist: „Die Herrscher der Welt“. Und wenn somit das Folgende auch kurz wegführt von der fiktionalen Literatur hin zu populärwissenschaftlich aufbereiteten Werken eher der Kategorie Sachbuch, so muss doch ebenso erwähnt werden, dass es hierzulan-de brandaktuell immerhin eine ganze Buchreihe schafft, Werk für Werk ihr Publikum zu finden und von sich reden zu machen: „Naturkunden“. Inzwi-schen sind 19 Preziosen im Berliner Verlag Matthes

& Seitz erschienen. Dessen Mut zum Risiko, gleich eine ganze Reihe aufzulegen, ist umso mehr zu loben, als der Akteur nun keiner der wirklich gro-ßen seiner Branche ist.

„Abgesehen von dem Besuch der Fischereitagung in Auckland (...) hatte er für die

letzten zwei Wochen seiner langen Forschungsreise keine konkreten Pläne. (...) ‚Glaub

„Abgesehen von dem Besuch der Fischereitagung in Auckland (...) hatte er für die

letzten zwei Wochen seiner langen Forschungsreise keine konkreten Pläne. (...) ‚Glaub

Im Dokument Impulse Ausgabe 2015/2 (Seite 82-92)