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3   Stand der Forschung

3.1   Allgemeiner Stand der Forschung

3.1.4   Weitere hilfreiche Untersuchungen

Untersuchung mehrerer Überzeugungsdimensionen

Für die vorliegende Arbeit besonders interessant sind Studien, die sich mit mehreren der für Freilandarbeit als bedeutsam identifizierten Überzeugungskonstrukten beschäftigen, bei-spielsweise, weil die Zusammenhänge zwischen ihnen untersucht wurden. Eine dieser Studien wurde von Möller et al. (1996) durchgeführt. Hier wurden Sachunterrichtslehrpersonen zu Technikunterricht befragt. Die Ausgangslage ist analog zur Problematik bezüglich Freiland-arbeit im Biologie- und Sachunterricht: Angesichts einer zunehmend technisierten Welt ist

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nach Auffassung der Autorinnen ein grundlegender Technikunterricht in der Grundschule wichtig, um Schülerinnen kompetent im Umgang mit technischen Geräten und Problemstel-lungen zu machen. Festzustellen ist allerdings, dass dieser, wenn überhaupt, dann häufig un-zureichend tiefgreifend realisiert wird. Hierfür wurde nach Gründen gesucht, wobei der Gen-der-Aspekt eine große Rolle spielt.

Die Erhebung fand mittels einer schriftlichen Befragung statt. Der Fragebogen enthielt vor-wiegend standardisierte Items, aber auch offene Fragen, um mehr Informationen über den realisierten Technikunterricht zu erhalten. Gefragt wurde

 nach der Realisierung von technischem Sachunterricht: seiner Häufigkeit, der genauen Thematik und den eingesetzten Werkzeugen;

 nach der Ausstattung der Schule mit geeigneten Räumen, Werkzeugen und Maschi-nen;

 nach dem privaten Interesse der Lehrpersonen an technischen Zusammenhängen und der Berührung mit technischen Inhalten in der Aus- bzw. Fortbildung;

 nach der Einstellung gegenüber technischen Themen im Sachunterricht;

 nach Gründen für die mangelnde Realisation von Technikunterricht, wozu auch eine Einschätzung der eigenen Kompetenzen gehört.

Somit finden sich in der Arbeit von Möller et al. (1996) die folgenden Überzeugungskon-strukte wieder, die auch für die vorliegende Arbeit zu Freilandarbeit im Forschungsinteresse liegen:

 Bezug zum Lerngegenstand (Technik): Technikbezug

 Überzeugungen zur Wirksamkeit (und damit Wichtigkeit) von Technikunterricht:

Wirksamkeitserwartung

 Überzeugungen zum eigenen Wissen und Können: Selbstwirksamkeit

 Überzeugung gegenüber förderlichen und hemmenden Bedingungen durch das Sys-tem, in dem sich die Lehrperson bewegt

Die Ergebnisse lassen sich folgendermaßen zusammenfassen (Möller et al. 1996):

Das Interesse und somit der Bezug zu technischen Themen ist insgesamt relativ niedrig, wo-bei er wo-bei Frauen durchschnittlich erheblich niedriger ist als wo-bei Männern. Über die Hälfte der Probandinnen haben daher im vergangenen oder laufenden Jahr keine Unterrichtsreihen mit technischen Inhalten durchgeführt. Im Rahmen der eigenen Schulzeit sowie ihrer Ausbildung sind insbesondere die Frauen höchstens wenig mit technischen Inhalten in Berührung ge-kommen und schätzen sich tendenziell als unterdurchschnittlich kompetent hierzu ein, haben aber auch wenig Neigung, diesen Mangel durch Fortbildungen zu beheben. Stattdessen sind fast 80 % der Lehrpersonen stark oder sehr stark an einer Fortbildung im Bereich Umwelter-ziehung interessiert. Gleichzeitig halten ca. 68 % der Befragten technische Inhalte im Sachun-terricht für wichtig oder sehr wichtig. Interessant ist, dass die Ausstattung der Schulen für Technikunterricht generell für mangelhaft erachtet wird, aber auch hier ein Geschlechterun-terschied besteht: Frauen sind diesbezüglich durchschnittlich pessimistischer als ihre männli-chen Kollegen. Dies weist daraufhin, dass die Durchführbarkeit – in diesem Fall von Tech-nikunterricht – durchaus subjektiv beurteilt wird und als Kontrollüberzeugung im Sinne

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Ajzens (2006) von anderen Überzeugungen beeinflusst wird (vgl. hierzu Abb. 4). Aber auch die anderen hier untersuchten Überzeugungen könnten in engem Zusammenhang miteinander stehen: Mangelndes Interesse führt zu geringen Kompetenzüberzeugungen und zur Vermei-dung der Umsetzung von Technikunterricht, eine Art Teufelskreislauf scheint hier zu wirken.

Interessanterweise ist die Wirksamkeitsüberzeugung hiervon ausgenommen – die Wichtigkeit der Thematisierung technischer Sachverhalte wird durchweg als hoch eingeschätzt, wenn auch nicht höher als die Wichtigkeit anderer Themen wie soziales Lernen oder Verkehrser-ziehung.

Die Problemlage der hier vorgestellten Studie ist der der vorliegenden Arbeit überaus ähnlich, so dass die Ergebnisse eine interessante Vergleichsquelle bieten. Die verschiedenen Überzeu-gungskonstrukte bezüglich Freilandarbeit könnten auf sehr ähnliche Weise wie beim Tech-nikunterricht in Beziehung stehen.

Evaluation von Freilandunterricht

Ein Instrument zur Evaluation von naturwissenschaftlichem Freilandunterricht durch die teil-nehmenden Schülerinnen – genannt SOLEI (Science Outdoor Learning Environment Invento-ry) – wurde von Orion et al. (1997) vorgestellt. Es wurde an 643 Schülerinnen aus 28 Klassen von 18 Schulen getestet, die an drei unterschiedlichen Freiland-Kursen mit biologischem, chemischem und erdkundlichem Inhalt teilnahmen. Im Unterschied zur vorangegangenen Studie enthält dieser Fragebogen 55 Items, die Faktorenanalyse ergab sieben Dimensionen:

1.) Grad des aktiven Naturkontakts; 2.) Einbindung in den Klassenunterricht; 3.) soziale ge-genseitige Unterstützung; 4.) Unterstützung durch die Lehrperson; 5.) Möglichkeit einer offe-nen, individuellen Herangehensweise; 6.) Organisation und Vorbereitung der Schülerinnen und 7.) materielle Ausstattung im Freiland. Das Instrument hat sich als empfindlich gegen-über der Evaluation unterschiedlicher Typen von Freilandunterricht in verschiedenen natur-wissenschaftlichen Fächern erwiesen und kann als wertvolle Hilfe für die vorliegende Arbeit dienen, da auch hier Studierende um ein Feedback zu den von ihnen besuchten Lehrveranstal-tungen gebeten werden.

Überzeugungen zu Umweltbildung

Bei Grund- und Hauptschulreferendarinnen (N = 397) aus Niedersachsen untersuchten Godemann et al. (2004) deren Naturbezug, sowie die Überzeugungen zu Umweltthemen im Unterricht. Ziel der Untersuchung war eine Bestandsaufnahme zum Stellenwert von Umwelt-bildung individuell bei den Probandinnen sowie auf der institutionellen Ebene der Hochschu-len und der Studienseminare. Erhoben wurden die eigenen Erfahrungen in Schul- und Ausbil-dungszeit, die Kompetenzeinschätzungen (Selbstwirksamkeit) und das Verständnis von Um-weltbildung. Dafür wurde 1.) eine schriftliche Befragung mit teilweise standardisierten Fra-gen, 2.) eine Gruppendiskussion sowie 3.) eine Dokumentenanalyse der Vorlesungsverzeich-nisse und Prüfungsunterlagen durchgeführt.

Die Ergebnisse der Dokumentenanalyse zeigen, dass Umweltbildung im Rahmen des Studi-ums zwar thematisiert wird, aber nur in sehr begrenztem Rahmen. Noch weniger kommt sie im Vorbereitungsdienst vor. Bezüglich der Erhebung an den Referendarinnen wurden folgen-de Ergebnisse erzielt:

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 52 % der Befragten haben Erinnerungen an Umweltthemen in der eigenen Schulzeit, jedoch bei 68 % dieser Gruppe nur in Form von Indoor-Unterricht.

 Diese Erfahrungen spiegelt sich im Verständnis von Umweltbildung und damit ver-bundenen Themen und Methoden wider: Der selbst erfahrene Unterricht korreliert mit eigenen pädagogischen Entscheidungen.

 Während des Studiums haben sich weit über die Hälfte der Befragten nicht mit Um-weltfragen auseinandergesetzt und kein Interesse daran entwickelt.

 Etwa 70 % der Probandinnen gaben an, während des Referendariats keine Umwelt-themen in Seminaren behandelt zu haben. Etwa dieser Anteil wünscht sich auch keine verstärkten Möglichkeiten dazu, etwa in Form eines „Umweltscheins“.

 Dennoch schätzen sich 85 % der angehenden Lehrpersonen als kompetent ein, moti-vierenden Umweltunterricht zu erteilen. Verstanden wird darunter, die „Liebe zur Na-tur“ zu fördern, die auch die Befragten für sich hoch einschätzen. Hierfür bedarf es nach Ansicht der Befragten keiner spezifischen Fähigkeiten.

Die Ergebnisse dieser Studie bilden gut die vorhandenen Konzepte von Umweltbildung ab und können eine wertvolle Interpretationsgrundlage der eigenen Daten darstellen. Zugleich werden von Godemann et al. (2004) Konsequenzen für die Lehrerbildung im Hinblick auf die Umweltthematik gezogen, die insbesondere die Reflexion eigener biografischer Erfahrungen in den Mittelpunkt stellen, was im Rahmen der vorliegenden Studie aufgegriffen wird.

Zusätzlich zu den in diesem Kapitel benannten Untersuchungen sind eigene Vorstudien durchgeführt worden, die in den folgenden Kapiteln vorgestellt werden. Kap. 3.2.1 untersucht den Naturbezug von Studierenden des Biologie- und Sachunterrichtslehramts in Verbindung mit deren naturbezogenen Vorerfahrungen und ihrer Einschätzung von Wirksamkeit und Machbarkeit von Freilandarbeit im späteren Unterricht. Kap. 3.2.2 stellt eine Bestandsauf-nahme von biologiedidaktischer Freilandarbeit an deutschen Hochschulen dar. Beide Vorstu-dien sind bereits publiziert unter Weusmann (2012) und Weusmann & Pütz (2012).