• Keine Ergebnisse gefunden

Die Vegetationskunde bezeichnet den durch die Entwicklung des Standortes verur-sachten Wechsel der Pflanzengesellschaften als «Sukzession». Eine solche Sukzession erfolgt von der Besiedlung eines Rohbodens durch Waldbäume und -Sträucher bis zum klimatisch oder durch die Bodeneigenschaften bedingten Endglied der Waldentwicklung.

Wir sprechen von Anfangs-, Übergangs- und Schlußwäldern .

Anfangswälder (Pionierwälder) entstehen unter extremen Standortsbedingungen überall dort, wo Waldbäume überhaupt zu gedeihen vermögen. Es kann sich um Roh-böden handeln, die durch Flußanschwemmungen, Rutschungen oder Bodenabtrag ent-standen sind, um trockene, flachgründige Felsstandorte, um Lawinenzüge, Brandflächen, ständig vernäßte Flächen, Frostmulden usw. Hier vermögen nur Baumarten Fuß zu fas-sen, welche je nach den örtlichen Bedingungen geringe Ansprüche an den Nährstoffge-halt des Bodens stellen, Trockenheit oder ständige Nässe ertragen, unter starker Sonnen -strahlung nicht leiden, durch Fröste nicht geschädigt werden oder sonstwie extreme Standortsbedingungen auszuhalten vermögen. Es handelt sich bei diesen Baumarten, wie bei der Bodenvegetation, um eigentliche Spezialisten. Wir sprechen daher auch von

«Spezialisten-Assoziationen». Baumarten solcher Anfangswälder können beispielsweise Birken, Aspen, Weiß- und Schwarzerlen, Weidenarten, Föhren, Lärchen und andere Lichtbaumarten sein. Alle diese Baumarten gedeihen auf weniger extremen, günstigeren Standorten sogar besser, werden dort aber durch zwar anspruchsvollere, aber konkur-renzkräftigere verdrängt.

Wo die extremen Standortsbedingungen dauernd bestehen bleiben und eine normale Weiterentwicklung der Pioniergesellschaften verhindern, bilden Dauergesellschaften das Schlußglied der Vegetationsentwicklung. Im forstlichen Sprachgebrauch empfiehlt sich jedoch eher, die Bezeichnung «dauerhafter Anfangswald» zu verwenden, da unter Dauer-wald etwas durchaus anderes verstanden wird, nämlich ein durchwegs ungleichalteriger, sich in einem dauerhaften Gleichgewichtszustand befindender Wald. In der Regel ist ein solcher Dauerwald ein Schlußwald, also ein aus Baumarten des klimatisch bedingten Endgliedes der Vegetationsentwicklung zusammengesetzter Wald.

Normalerweise stellt der Anfangswald nur das Anfangsglied einer als progressive Sukzession bezeichneten Waldentwicklung dar. Diese Entwicklung äußert sich vorerst darin, daß in den Anfangswald zunehmend anspruchsvollere Bodenpflanzen, Sträucher und Bäume einwandern. Es entstehen Übergangsgesellschaften, welche sowohl noch Arten der Anfangswälder als auch bereits solche des klimatisch bedingten Schlußwaldes enthalten. Schlußglied einer solchen Entwicklung kann eine Dauergesellschaft sein, in der Regel aber das als Klimax bezeichnete Endglied der klimatisch bedingten Sukzession: ein S chlußwald.

Die Kenntnis der natürlichen Sukzessionen spielt nicht allein bei Aufforstungen eine wesentliche Rolle, sondern bietet auch bei der Zielsetzung im Wirtschaftswald ein

Inter-esse. Die Klimax-Waldgesellschaften sind durchaus nicht immer die ertragreichsten, da wertvolle Lichtbaumarten wie Lärche und Föhre sich unter den Schattenbaumarten der Schlußwälder nicht anzusammeln vermögen und ausscheiden. Klimax-Waldgesellschaf-ten mit beigemischKlimax-Waldgesellschaf-ten LichtbaumarKlimax-Waldgesellschaf-ten entstehen nur dort, wo die klimatischen Verhält-nisse wie im Lärchen-Arvenwald der oberen subalpinen Stufe der Zentralalpen die Ent-stehung dicht ge,schlossener Bestände auf großer Fläche nicht erlauben. Der Waldbau wird daher namentlich im Areal der reinen Buchen- oder Fichtenwälder durch geeignete Verjüngungsverfahren und Pflegemaßnahmen dafür besorgt sein, daß wertvolle Licht-baumarten dauernd beigemischt bleiben.

In vielen Fällen hat es der Wirtschafter nicht mehr mit ursprünglichen Waldgesell-schaften zu tun, sondern mit Sekundärgesellschaften, die durch wirtschaftliche Einflüsse und Maßnahmen entstanden sind, wie Anbau standortsfremder Baumarten, Entwässe-rung, Beweidung, Kahlhiebe usw. Auch solche Sekundärwälder lassen sich gewöhnlich vegetations- oder bodenkundlich noch den Standorten der ursprünglichen natürlichen Schlußgesellschaften zuordnen. Wenn die Ursachen der Entstehung der Sekundärwälder während langer Zeit ausbleiben, entwickeln sich diese in einer neuen Entwicklungsfolge allmählich wieder zu den ursprünglichen natürlichen Waldgesellschaften zurück, sofern inzwischen nicht irreversible Änderungen des Standortes, insbesondere des Bodens, erfolgt sind.

22 Der natürliche Waldautbau

Unter bestimmten Standortsbedingungen ergeben sich aus der ungestörten natürli-chen Waldentwicklung sowohl in ihrer Horizontal- und Vertikalgliederung als auch in der inneren Zusammensetzung typische Aufbauformen des Waldes. Diese ((Bestandestypen»

sind einerseits gekennzeichnet durch die Zusammensetzung nach Baumarten (Mischungsart) und deren Häufungsweise (Mischungsform), also die Bestandesart, anderseits durch den Vertikalaufbau, also die Bestandes/arm. Dabei stehen Bestandesart und Bestandesform im Naturwald in engem Zusammenhang. Reine Bestände sind gewöhnlich wenig geschichtet. Ihre häufigste Schlußform ist der Horizontalschluß.

Gemischte Bestände weisen dagegen dauernd oder wenigstens in gewissen Phasen ihres Lebensablaufes eine deutliche Bestandesschichtung auf, seltener in der Form des Verti-kalschlusses (zum Beispiel Eichen-Hagebuchenwald), häufiger im Stufenschluß (zum Beispiel Tannen-Buchenwälder höherer Lage). Der Naturwald zeigt sowohl alle Bestan-desformen als auch alle Mischungsformen, je nach Baumarten, Standorten, Entstehungs-art und Entwicklungsphase.

Reine Bestände beruhen gewöhnlich auf einer der folgenden Ursachen:

1. exklusive, nur einer bestimmten Baumart zusagende Standortsbedingungen 2. Art der Bestandesentstehung

3. hohe Wettbewerbskraft einer bestimmten Baumart

Exklusive Standortsbedingungen führen namentlich in folgenden Fällen zu natürli-chen Reinbeständen:

a) unter extremen klimatischen Verhältnissen (zum Beispiel Standorte der Fichte, Arve, Bergföhre im Gebirge, der Föhre im mittleren W allis, der Bergföhre und Fichte in Frostmulden des Jura usw.)

b) auf extremen Böden (zum Beispiel Schwarzerlenbruch im Mittelland, Moorkiefern-wald im Jura und in den Alpen, Waldföhrenwälder auf Bergsturzgebieten, Molasse-köpfen, Schliff elsen usw.)

c) unter besonderen orographischen Bedingungen (zum Beispiel Legföhren bestände und Grünerlengebüsch in Lawinenzügen)

Die Art der Bestandesentstehung vermag dagegen nur vorübergehend reine Bestände zu verursachen. Nach Kahlhieben oder waldvernichtenden Katastrophen, wie Windwür-fen, Waldbränden, Lawinenschäden, Insektenkalamitäten, ist oft den lichtbedürftigen, frostharten Baumarten ermöglicht, reine Pionierwälder zu bilden (zum Beispiel Birken, Lärchen, Aspen, Föhren usw.). Viel weiter verbreitet sind die durch hohe bestandesbil-dende Kraft einzelner Baumarten verursachten Reinbestände. Namentlich die Buche, die Fichte und in gewissen Lagen auch die Tanne zeichnen sich in ihrem Optimumgebiet durch eine hervorragende soziologische Kraft aus. Die typischen Buchenwälder unserer Voralpen und des Jura und ebenso die Fichtenwälder der subalpinen Stufe sind aus dieser Ursache nahezu ohne jede Beimischung anderer Baumarten.

Hervorzuheben ist, daß auch der natürliche Reinbestand verhältnismäßig stark gefährdet ist, wozu seine Neigung zur Gleichförmigkeit noch wesentlich beiträgt (Insek-tenkalamitäten, Schneedruck- und Windfallschäden, Waldbrände usw.). Dadurch wird im Urwald oft ein periodischer Baumartenwechsel eingeleitet, den folgendes Schema ver-anschaulicht:

Reinbestand aus Schattenbaumarten (Schlußwald) zunehmende Neigung zur Gleichförmigkeit und damit

Gefährdung durch Katastrophen aller Art: Feuer, Sturm, Schnee, Insekten, Pilze, +

Vernichtung des Reinbestandes auf großer Fläche durch Katastrophen, +

Anflug von Lichtbaumarten, +

Entstehung ziemlich gleichaltriger Bestände aus Lichtbaumarten (Anfangswald), +

Anflug von Schattenbaumarten, +

Entstehung vorübergehender Mischbestände mit ausschließlichem Nachwuchs der Schattenbaumarten (Übergangswald),

+

Reinbestand aus Schattenbaumarten (Schlußwald).

Zur Entstehung und dauernden Erhaltung von Mischbeständen müssen folgende Vor-aussetzungen erfüllt sein:

1. Das natürliche Verbreitungsgebiet mehrerer Baumarten überschneidet sich.

2. Die lokalen Standortsbedingungen entsprechen mehreren der spontanen Baumarten.

3. Verschiedene Baumarten vermögen sich in den Lebensraum zu teilen, so daß dauernd oder vorübergehend ein Konkurrenzgleichgewicht entsteht (dauernde oder vorüberge-hende Mischung).

Das gegenseitige Verhalten der einzelnen Baumarten ist von Standort zu Standort verschieden, so daß die Zahl der möglichen Mischungsarten und Mischungsformen prak-tisch unendlich wird. Jeder Mischbestand ist daher etwas Einziges und Einmaliges mit ausgeprägter Individualität und eigener Lebensgeschichte. Der Begriff «Bestandestyp»

umfaßt demnach bloß ähnliche Waldbestände und ist selbst abstrakter Art. Eine Norma-lisierung und Schematisierung der waldbaulichen Maßnahmen läßt sich daher auch auf der Grundlage der Waldsoziologie nicht durchführen.

Entsprechend der Baumartenzusammensetzung und des Verjüngungsganges finden wir die verschiedensten Bestandes/armen des Naturwaldes:

1. Gleichförmige Bestände

a) gleichalterige Bestände infolge Verjüngung auf Großflächen

b) ungleichalterige, jedoch gleichförmige Bestände infolge des Aufbaues aus Baum-arten der gleichen Höhenklasse und natürlicher Alterung (zum Beispiel Misch-bestände aus Lärche und Fichte in den Alpen)

2. Ungleichförmige Bestände

a) mehrschichtige Bestände aus Baumarten verschiedener Höhenklassen und ver-schiedenen Lichtbedürfnisses (zum Beispiel im Eichen-Hagebuchen-Wald)

b) stufige Bestände in der Verjüngungsphase bei horst- und gruppenförmiger Verjün-gung oder bei ununterbrochener VerjünVerjün-gung aufgelöster Bestände

c) dauernd schwachstufige Mischbestände aus Baumarten mit verschiedenem Licht-bedarf (zum Beispiel Mischbestände aus Buche, Fichte und Tanne) und vorwie-gend horst- und gruppenförmiger Verjüngung