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Die Wahlverfahren in den Ländern Europas – mit einem Exkurs über Parteiensysteme

Im Folgenden geben wir eine kurze Darstellung der unterschiedlichen Wahlver-fahren in den Ländern Europas. Nur die Kenntnis dieser sehr unterschiedlichen Wahlverfahren ermöglicht es einzuschätzen, warum im einen Land die linksradi-kalen Parteien versuchen müssen, Parteienkoalitionen für die Wahlen zu formen, im nächsten Land der Zwang zur Einigung auf Kompromisskandidaten im zwei-ten Wahlgang besteht, und es wiederum im nächszwei-ten Land keine Sperrklausel für die Erringung von Mandaten gibt. Wir kennen in Europa das Mehrheitswahlrecht und das Verhältniswahlrecht, sehr viele Mischformen zwischen beiden sowie hi-storisch bedingte spezielle Prägungen. Nur für die Europawahlen konnten sich die 27 Mitgliedsländer bis jetzt auf ein gemeinsames Verhältniswahlrecht (mit Ab-weichungen in einzelnen Ländern) einigen.

Belgien:

In Belgien wird das Parlament für vier Jahre nach Verhältniswahlrecht gewählt.

Für die Wähler besteht hierbei Wahlpflicht. Belgien ist durch einen Föderalismus geprägt, der den zwei großen Regionen des Landes, dem flämisch sprechenden Norden und dem französisch sprechenden Süden, ausgeprägte Selbstverwaltungs-möglichkeiten gibt. Aus diesem Grund gibt es von jeder Partei je zwei von einan-der unabhängige Parteien im französischen und flämischen Teil. Jede Regierung Belgiens muss jeweils Parteien aus dem Norden und dem Süden umfassen, damit die Flamen, die 60 Prozent der Bevölkerung ausmachen, keine dauerhafte Hege-monie erlangen können. Der Sturz der Regierung kann nur mit konstruktivem Misstrauensvotum herbeigeführt werden.

Bulgarien:

Bulgarien ist ein Zentralstaat, in dem Wahlpflicht herrscht. Das Parlament besteht aus einem Einkammernparlament, das heißt, dass es keinen »Bundesrat« gibt, in dem die Opposition eine mögliche Gegenmacht aufbauen kann. Gewählt wird nach Verhältniswahlrecht für vier Jahre, wobei es eine Fünf-Prozent-Sperrklausel gibt. Der Staatspräsident hat nur repräsentative Funktion, wird jedoch vom Volk direkt gewählt.

Dänemark:

In Dänemark wird das Einkammern-Parlament nach dem Verhältniswahlrecht ge-wählt. Es gibt 175 Abgeordnete, von denen 135 in Mehrpersonenwahlkreisen mit Direktmandaten gewählt werden. Die restlichen 40 Mandate werden für Kompen-sationen benutzt, um die gesamtstaatliche Repräsentation zwischen den einzelnen Parteien auszugleichen. Die Mandatszuteilung geschieht allerdings nur für Par-teien, die mindestens zwei Prozent der im ganzen Lang gültigen Stimmen erhalten haben, oder mindestens ein Direktmandat. Die meisten Regierungen nach dem Zweiten Weltkrieg waren Minderheitsregierungen.

Deutschland:

Die mindestens 598 Sitze für Abgeordnete des deutschen Bundestages, also der zweiten Kammer, werden in 299 Einerwahlkreisen (in denen es nur ein Mandat zu gewinnen gibt) nach relativer Mehrheitswahl vergeben. Die restlichen werden über die Länderlisten der Parteien verteilt. Jeder Bürger hat deswegen zwei Stim-men, die erste für seinen Direktkandidaten, die zweite für die Liste einer Partei.

Eine Partei erhält im Verrechnungsverfahren nur dann ein Mandat, wenn sie fünf Prozent der Zweitstimmen (über die Parteilisten) erhalten oder mindestens drei Direktmandate erobert hat (Grundmandatsklausel). Dänen, Sorben und Friesen sind hiervon ausgenommen.

Estland:

Das Einkammerparlament wird für vier Jahre durch Verhältniswahl gewählt. Je-der Wähler hat hierbei eine Stimme. Es gibt zwölf Wahlkreise, in denen die 107 Mandate vergeben werden. Es gibt für Parteien eine Fünf-Prozent-Sperrklausel.

Durch ein spezielles Verrechnungsverfahren von Stimmen in Mandate werden in Estland speziell große Parteien bei der Mandatsverteilung begünstigt. Als kleine Besonderheit kann die Möglichkeit der Stimmabgabe durch das Internet gelten.

Finnland:

Das Einkammerparlament wird durch ein reines Verhältniswahlrecht gewählt.

Deswegen ist in Finnland auch immer eine hohe Anzahl von Parteien im Parla-ment vertreten. Es gibt keine formale Sperrklausel, so wie in Deutschland; sehr wohl gibt es aber eine virtuelle Sperrklausel dadurch, dass die Stimmen in den Wahlkreisen verrechnet und nicht auf das gesamte Staatsgebiet wie in Deutsch-land bezogen werden. Deswegen existiert eine de facto höhere Sperrklausel als die Fünf-Prozent-Hürde in Deutschland. Gleichwohl übt das finnische Wahlrecht nur eine sehr geringe Konzentrationswirkung aus, zehn und mehr Parlamentspar-teien sind üblich. Vor allem in dicht besiedelten Wahlkreisen haben kleine Par-teien reale Chancen, Mandate zu gewinnen. Deswegen ist das finnische politische System sehr konsensorientiert und bindet somit viele unterschiedliche gesell-schaftliche Akteure und Gruppen mit ein.

Frankreich:

Die zweite Kammer des französischen Parlaments, die Nationalversammlung, be-steht aus 577 Abgeordneten, die nach reinem Mehrheitswahlrecht in Einerwahl-kreisen, in bis zu zwei Wahlgängen, gewählt werden. Jeder Wahlberechtigte hat eine Stimme. Um im ersten Wahlgang gewählt zu werden, bedarf es nicht nur der 50-Prozent-Mehrheit der abgegebenen Stimmen, sondern auch einer Mindest-wahlbeteiligung im jeweiligen Wahlkreis von 25 Prozent aller Wahlberechtigten.

Hervorstechendes Merkmal ist das Romanische Mehrheitswahlrecht, das es er-möglicht, dass jeder Kandidat, der im ersten Wahlgang mehr als 12,5 Prozent der abgegebenen Stimmen erhalten hat, am zweiten Wahlgang teilnehmen kann. Für den zweiten Wahlgang einigen sich normalerweise die Parteienfamilien dann auf einen gemeinsamen Kandidaten. Im zweiten Wahlgang ist der gewählt, der am meisten Stimmen hat. Die erste Kammer des Parlaments, der Senat wird von ca.

150 000 Wahlpersonen gewählt, vor allem Bürgermeistern.

Eine besonders wichtige Wahl in Frankreich ist die Direktwahl des Präsiden-ten. Auch hier gilt das Romanische Mehrheitswahlrecht. Bisher war es jedoch meistens so, dass sich die beiden gegnerischen Parteienfamilien, die Linke und die Rechte, auf je einen Kandidaten einigen konnten, so dass drei Kandidaten, in-klusive des Rechtsradikalen Le Pen, zur Wahl antraten. Der Präsident kann via Dekret direkt Gesetze erlassen, ohne Beteiligung des Parlaments.

Griechenland:

In Griechenland gibt es das interessante Beispiel, dass die 300 Abgeordneten nach dem sogenannten verstärkten Verhältniswahlrecht gewählt werden (mit Wahl-pflicht). Um das Regieren zu erleichtern, erhält demnach diejenige Partei, die am meisten Stimmen hat, automatisch die Mehrheit der Mandate im Parlament. Es gibt weiterhin eine Drei-Prozent-Hürde.

Der Präsident wird vom Parlament mit Zwei-Drittel-Mehrheit gewählt, das heißt, hier haben auch die Oppositionsparteien Einfluss. Der Präsident kann ein Veto gegen Gesetze einlegen, dieses kann aber mit absoluter Mehrheit der Abge-ordneten überstimmt werden (die absolute Mehrheit hat aber automatisch die Re-gierungspartei!).

Die Wahlen 2007 zeigen als Beispiel für die Verzerrungen, die das Wahlrecht auf die Mandatsverteilung hat, dass die Nea Demokratia bei 41,9 Prozent der Stimmen 152 Sitze bekam, wohingegen die PASOK bei 38,1 Prozent am Ende nur über 102 Sitze verfügte.

Großbritannien:

Das Parlament Großbritanniens besteht aus 646 Abgeordneten, diese werden in ebenfalls 646 Einerwahlkreisen nach dem einfachen Mehrheitswahlrecht gewählt.

Das heißt, dass es so viele Wahlkreise wie Abgeordnete gibt. Derjenige, der die einfache Mehrheit erhält (also die höchste Stimmzahl, es ist nicht die absolute

Mehrheit von 50 Prozent nötig), bekommt das Mandat – dies entspricht dem be-kannten Abba-Prinzip: »The-Winner-Takes-It-All«.

Das britische Wahlrecht kann zu einer Mehrheitsumkehr bei der Verrechnung von Stimmen in Mandate führen: Bei der Wahl 1951 hatte Labour mehr Stimmen erhalten, aber die Tories gewannen, das Gleiche geschah 1974 – nur umgekehrt.

1997 erhielt Labour 43,3 Prozent der abgegebenen Stimmen, aber 63,6 Prozent der Mandate. 1983 erhielt die liberale Allianz 25,4 Prozent der abgegebenen Stimmen, aber nur 23 Sitze im Parlament, d. h. 3,5 Prozent der Mandate.

Dieses Wahlrecht zwingt die Wähler zu taktischer Stimmenabgabe. Im Zeital-ter des InZeital-ternets entstehen deswegen inZeital-teressante Versuche, über taktisches Wählen zwischen unterschiedlichen Wahlkreisen progressive Kandidaten zu un-terstützen. Bei diesem »tactical voting« unterstützt man in seinem Wahlkreis ei-nen Kandidaten, den man nicht von vornherein gewählt hätte, unter der Versiche-rung, dass in einem anderen Wahlkreis dies auch für einen Abgeordneten der eigenen politischen Familie geschieht.1

Es gibt eine lange Diskussion über eine Aufweichung der Mehrheitswahl. In Wales und in Schottland sind die Regionalparlamente 1999 erstmals im Verhält-niswahlrecht gewählt worden.

Irland:

Irland besitzt ein Zweikammerparlament mit 166 Volksvertretern und 60 Senato-ren. Das Abgeordnetenhaus wird für fünf Jahre mit Verhältniswahl in 42 kleinen Wahlkreisen (drei bis fünf Sitze) gewählt.2Hierbei erstellt der Wähler eine Rei-henfolge der von ihm präferierten Politiker.

Von den 60 Abgeordneten des Senats werden elf vom Premier ernannt, 49 indi-rekt (!) gewählt, sechs aus dem Kreis der UniversitätsabsolventInnen (stimmen dürfen hier die nationalen Universitäten, nicht die nachgeordneten Bildungsinsti-tutionen, d. h. Universitätssenatoren werden gewählt), die restlichen 43 Senato-rInnen müssen aus fünf Berufsgruppen stammen. Diese Gruppen sind: Kultur-schaffende, Arbeiter, Mitarbeiter des Agrar- und Fischereisektors, der öffentlichen Verwaltung und des Sozialservice und Mitarbeiter in Handel und Industrie.

Island:

Gewählt wird das Einkammerparlament für vier Jahre durch Verhältniswahl mit Parteienstimme und Personenranking in Mehrpersonenwahlkreisen, ohne jede formelle Sperrklausel. Um ein Mandat zu erlangen, muss die faktische Sperrklau-sel überwunden werden. Bei neun Sitzen sind dies ca. zehn Prozent. Das Ranking der Listen kann von den Wählern verändert werden.

1 Siehe als Beispiel: http://www.votedorset.net/.

2 Die Wahlkreise werden den demographischen Gegebenheiten regelmäßig angepasst.

Italien:

Die beiden Kammern des Parlaments, die Abgeordnetenkammer und der Senat, sind fast gleichberechtigt in Italien, sowohl in Gesetzgebung als auch in ihrer Auf-gabe der Regierungsüberwachung haben beide Kammern nahezu identische Kom-petenzen.

Die 630 Abgeordneten und 315 Senatoren werden alle fünf Jahre durch ein ge-mischtes Wahlrecht aus Mehrheits- und Verhältniswahl gewählt. Dabei sieht das Wahlrecht einen Bonus für den Sieger vor, ähnlich wie in Griechenland, nur nicht so ausgeprägt. Sollte die stärkste Partei, oder Parteienkoalition nicht von selbst ca.

55 Prozent der Mandate erhalten, wird ihre Mandatsmenge künstlich erhöht. Um den Konzentrationsprozess des Parteiensystems noch weiter zu verstärken, also um den Einzug kleiner Parteien zu verhindern, gibt es eine Zehn-Prozent-Hürde für Parteiengruppen, und eine Vier-Prozent-Sperrklausel für einzelne Parteien.

Lettland:

Lettland ist ein kleiner Zentralstaat und hat folgerichtig ein Einkammerparlament, dessen 100 Abgeordnete durch das Verhältniswahlrecht alle vier Jahre gewählt werden. Hierbei müssen Parteien eine Fünf-Prozent-Hürde überwinden. Bisher gab es in Lettland nur Mitte-Rechts-Regierungen.

Litauen:

Wie Lettland besitzt auch Litauen ein Einkammerparlament mit einer vierjährigen Legislaturperiode. Aber anders als sein nördlicher Nachbar werden von den 141 Abgeordneten 71 durch das absolute Mehrheitswahlrecht in 71 Wahlkreisen ge-wählt. Die restlichen 70 Sitze werden über Parteienlisten vergeben. Es gibt eine Vier-Prozent-Sperrklausel – allerdings nicht für nationale Minderheiten. Das Staatsoberhaupt wird durch Mehrheitswahl in bis zu zwei Gängen gewählt.

Luxemburg:

In der konstitutionelle Monarchie Luxemburg herrscht Wahlpflicht. Der Groß-herzog ernennt den Regierungschef, kann das Parlament auflösen und besitzt neben dem Parlament das Gesetzgebungsinitiativrecht.

Das Einkammerparlament wird für fünf Jahre durch Verhältniswahlrecht nach Listen gewählt. Die Wahl der 60 Abgeordneten unterliegt keiner formellen klausel. Aber wegen der großen Wahlkreise gibt es eine de facto höhere Sperr-klausel als in Deutschland, je nach Wahlkreis zwischen fünf bis zehn Prozent.

Malta:

Malta besitzt ein Einkammerparlament, dessen 115 Mandate in 13 Wahlkreisen vergeben werden. Wie in Irland gibt es hier das Prinzip der übertragbaren Einzel-stimmgebung mit drei Präferenzstimmen je Wähler. Zusätzlich bekommt die stärkste Partei weitere Sitze, um regierungsfähige Parlamentsmehrheit zu

gewähr-leisten. Es besteht ein Zweiparteiensystem, das stark polarisierend auf weite Teile des öffentlichen Lebens wirkt.

Niederlande:

Alle vier Jahre werden die 150 Abgeordneten des niederländischen Parlaments durch ein reines Verhältniswahlrecht gewählt. Der Senat besteht aus 75 Mitglie-dern und wird von den Vertretern der Provinzen gewählt. Da es keine Sperrklausel gibt, können kleine Parteien relativ problemlos in das Parlament einziehen. Somit gibt es üblicherweise Koalitionsregierungen, was lange Jahre ein konsensorien-tiertes Parteiensystem ähnlich demjenigen in Finnland förderte.

Norwegen:

Die 169 Abgeordneten des »Stortings« werden für vier Jahre nach dem Verhält-niswahlrecht gewählt. 150 Abgeordnete werden direkt vom Volk gewählt, die restlichen 19 Mandate werden für Mandatsausgleich benutzt. Es gibt keine for-melle Sperrklausel, jedoch muss eine Partei mindestens vier Prozent erhalten, um vom Mandatsausgleich zu profitieren.

Österreich:

Das österreichische Parlament wird alle fünf Jahre nach dem Verhältniswahlrecht gewählt. Jeder Wähler hat nur eine Parteistimme und eine Vorzugsstimme für einen Politiker. Die Stimmabgabe darf allerdings nicht wie in Deutschland ge-splittet werden. Die Vier-Prozent-Hürde soll auch hier den Einzug von kleinen Parteien verhindern. Der Bundespräsident wird direkt vom Volk in bis zu zwei Wahlgängen gewählt. Er ernennt den Regierungschef.

Polen:

Der Staatsaufbau in Polen basiert auf einer Zentralverwaltung mit Elementen regionaler Selbstverwaltung und ähnelt damit dem Staatsaufbau in Frankreich.

Die 460 Abgeordneten werden alle vier Jahre nach einem komplizierten Ver-hältniswahlrecht gewählt, das jedoch Mehrheitswahlelemente beinhaltet. Um ins Parlament einziehen zu können, müssen Parteien fünf Prozent überwinden und Bündnisse von Parteien acht Prozent. Der Staatspräsident in Polen hat we-sentlich mehr Rechte als der Bundespräsident in Deutschland. Er wird direkt vom Volk in bis zu zwei Wahlgängen für fünf Jahre gewählt. Er kann bei Geset-zen Veto einlegen. Um dieses Veto zu überstimmen, benötigt das Parlament eine 60-Prozent-Mehrheit.

Portugal:

Das portugiesische Parlament besteht nur aus einer Kammer. Es umfasst 230 Sitze, die für vier Jahre nach dem Verhältniswahlrecht in Mehrpersonenwahlkrei-sen gewählt werden. Hierbei wirken die Mehrpersonenwahlkreise wie formale

Sperrklauseln. Von dieser Disproportionalität profitieren die großen Parteien. Im Vergleich zu Deutschland hat der Präsident in Portugal wesentlich größere Rechte, da er Regierungen entlassen kann, den Regierungschef beauftragt, eine Regierung zu bilden, und das Parlament auflösen kann. Das Staatsoberhaupt wird in bis zu zwei Wahlgängen direkt vom Volk gewählt.

Rumänien:

Das Parlament Rumäniens besteht aus zwei Kammern, die alle vier Jahre dem Verhältniswahlrecht folgend gewählt werden. Es gibt 143 Senatorenmandate und 341 Mandate für das Abgeordnetenhaus. Vergleichbar mit der Lage in Italien ha-ben die beiden Kammern sehr ähnliche Rechte und Pflichten in Bezug auf das Ge-setzgebungsverfahren. Parteien müssen bei der Wahl eine Fünf-Prozenthürde überwinden. Das Staatsoberhaupt wird für fünf Jahre mit Mehrheitswahlrecht ge-wählt, mit Stichwahlmöglichkeit. Der Präsident bestimmt den Regierungschef und kann das Parlament auflösen.

Schweden:

In Schweden gibt es keine Vertretung der Regionen, demnach nur ein Einkam-mersystem. Von den 349 Sitzen im schwedischen Parlament werden 310 durch das Verhältniswahlrecht direkt in den Wahlkreisen gewählt. Die restlichen 39 wer-den verteilt, damit die Proportionen auf nationaler Ebene zwischen wer-den Parteien gewahrt bleiben. In Schweden gibt es – und zwar ohne jede Pflicht – sehr hohe Wahlbeteiligungen von 85 bis 90 Prozent. Der Wähler kann neben der Partei auch einem der Kandidaten eine Vorzugsstimme geben. Kandidaten, die Vorzugsstim-men erhalten haben, sind bei der Mandatsverteilung im Vorteil gegenüber den an-deren Kandidaten. In das Parlament gelangen aber nur Parteien, die die Vier-Pro-zent-Hürde überwunden haben, oder mindestens in einem der 29 Wahlkreise mindestens zwölf Prozent erreicht haben.

Slowakei:

Das Einkammerparlament der Slowakei umfasst 150 Abgeordnete und wird durch Verhältniswahl alle vier Jahre gewählt. Parteien müssen hier eine Fünf-Prozent-Sperrklausel überwinden. Von dieser Fünf-Prozent-Sperrklausel ausgenommen ist die ungarische Minderheit. Der Präsident wird für fünf Jahre direkt vom Volk in bis zu zwei Wahl-gängen gewählt. Er hat ein aufschiebendes Veto und ernennt den Regierungschef.

Slowenien:

Die zweite Kammer des slowenischen Parlaments wird alle vier Jahre neu ge-wählt. Die 90 Abgeordneten müssen sich hierbei einer Wahl durch das Verhältnis-wahlrecht stellen. Parteien müssen dabei die Vier-Prozent-Sperrklausel überwin-den, um überhaupt in den Genuss von Mandaten zu kommen. Der Staatsrat ist ähnlich korporatistisch wie in Irland aufgebaut. Druck von außen kann hier durch

eine Unterschriftenaktion mit 5 000 Unterschriften erzeugt werden, mit dieser An-zahl an Unterstützern kann jeder Bürger einen Gesetzesvorschlag machen. Der Präsident wird direkt vom Volk in bis zu zwei Wahlgängen gewählt.

Spanien:

Nach der Diktatur Francos begann ein bis heute währender Prozess der Dezentra-lisierung des spanischen Staatsapparates. Er begann 1980 in Katalonien und im Baskenland, als die ersten spanischen Regionen Autonomiestatus erhielten. Das Staatsoberhaupt ist der König, er kann das Parlament auflösen und ernennt den Regierungschef. Die zweite Kammer des spanischen Parlaments umfasst 350 Ab-geordnete, die alle vier Jahre durch Verhältniswahlrecht in 52 Wahlkreisen mit Drei-Prozent-Sperrklausel in jedem Wahlkreis gewählt werden. Die Wahlkreisein-teilung und das Verrechnungssystem (das Herz eines jeden Wahlrechts) begünsti-gen große Parteien systematisch. In der Provinz Soria benötigt man so nur 26 143 Stimmen, um ein Mandat zu erhalten, in Barcelona hingegen 124 578 Stimmen!

Trotz dieser Sperren (es gibt auch eine formelle Drei-Prozent-Sperrklausel) sind recht viele Parteien im Parlament vertreten, da die Regionalparteien durch die Un-gleichgewichte kaum beeinträchtigt werden. Dies liegt daran, dass Regionalpar-teien ihre Hochburgen haben und somit die formellen und die De-facto-Sperren überspringen können.

Tschechien:

Der Staatspräsident wird von den beiden Kammern für fünf Jahre gewählt, er er-nennt den Regierungschef, besitzt Veto-Rechte bei Gesetzen und kann das Abge-ordnetenhaus auflösen. Die 200 Abgeordneten der zweiten Kammer werden für vier Jahre nach dem Verhältniswahlrecht gewählt. Tschechien ist in acht Wahl-kreise unterteilt, und es werden Parteilisten mit Personenpräferenzstimmen ver-wendet. Um kleineren Parteien den Einzug in das Parlament zu verwehren, gibt es für einzelne Parteien eine Sperrklausel von fünf Prozent, für Parteienkoalitionen eine Sperrklausel von sieben Prozent und für Parteienbündnisse von mehr als drei Parteien eine Sperrklausel von elf Prozent.

Türkei:

Die 550 Abgeordneten des türkischen Parlaments werden durch einfaches Ver-hältniswahlrecht für vier Jahre gewählt, es herrscht Wahlpflicht. Die Militärs, die sich für die Zeit von 1980 bis 1983 an die Macht geputscht hatten, hatten darauf geachtet, dass das Wahlrecht, nach der Rückkehr zur Demokratie, zum einen zu stabilen Regierungen führt (durch Bevorzugung großer Parteien) und zum ande-ren eine kurdische Repräsentanz im nationalen Parlament verhindert. Das Wählerpotential kurdischer Parteien liegt Schätzungen zufolge bei sechs bis sie-ben Prozent. Trotz Reformen des Wahlrechts, die letzte war 2007, hat sich dieser Anteil bis heute gehalten. So müssen Parteien in mindestens der Hälfte der

81 Provinzen vertreten sein und darüber hinaus eine Zehn-Prozent-Sperrklausel überwinden. Über die Zulassung einer Partei entscheidet der Hohe Wahlrat.

Durch diese hohe Sperrklausel fanden sich bei den Wahlen 2002 45 Prozent der Wähler nicht im Parlament vertreten.

Ungarn:

Ungarn hat als Zentralstaat ein Einkammerparlament, dessen 386 Abgeordnete für vier Jahre mit gemischtem Wahlsystem, also Mehrheits- und Verhältniswahlrecht, gewählt werden. 176 der 386 Abgeordneten werden per Mehrheitswahlrecht ge-wählt. Am zweiten und letzten Wahlgang kann jeder teilnehmen, der mehr als 15 Prozent im ersten Wahlgang erhielt (also ähnlich dem Romanischen Mehr-heitswahlrecht). 152 Mandate werden in Mehrpersonenwahlkreisen gewählt, die restlichen 58 Mandate sind sogenannte Kompensationssitze. Parteien, die die sehr hohen Anforderungen für die Unterstützerlisten geschafft haben, müssen dann noch eine Fünf-Prozent-Hürde überspringen. Für Parteienkoalitionen gibt es eine Zehn-Prozent-Hürde und für Bündnisse sogar eine von 15 Prozent. Der Präsident wird in bis zu drei Wahlgängen vom Parlament gewählt. Er hat mehr Macht als der deutsche Bundespräsident, gemeinsam mit Parlament und Regierung besitzt er die Gesetzesinitiative.

Zypern:

Das Einkammerparlament Zyperns wird durch Verhältniswahlrecht gewählt. Es

Das Einkammerparlament Zyperns wird durch Verhältniswahlrecht gewählt. Es