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DIE LINKE in Deutschland will sich nicht abfinden mit einer Welt, in der »einige Hundert Konzerne über die Lebensperspektive von Milliarden Menschen ent-scheiden und brutale Ausbeutung, Kriege um Rohstoff- und Absatzmärkte und Imperialismus ganze Länder von Hoffnung und Zukunft abschneiden«. Die Partei will gemeinsam mit gewerkschaftlichen Kräften, sozialen Bewegungen, mit ande-ren linken Parteien, mit Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland, Europa und weltweit nach einer gesellschaftlichen Alternative suchen, »eine Gesellschaft des demokratischen Sozialismus aufbauen, in der die Freiheit und Gleichheit jeder und jedes Einzelnen zur Bedingung der solidarischen Entwicklung Aller wird«1. So formuliert DIE LINKE ihren programmatischen Anspruch im 1. Entwurf ihres neuen Parteiprogramms.

Drei Grundideen sollen dazu miteinander verknüpft werden: Erstens die indivi-duelle Freiheit und Entfaltung der Persönlichkeit für jede und jeden durch soziale Gleichheit der Teilhabe an den Bedingungen eines selbstbestimmten Lebens und Solidarität. Zweitens die Unterordnung von Wirtschaft und Lebensweisen unter die solidarische Entwicklung und den Erhalt der Natur und drittens die Verwirkli-chung dieser beiden Ideen durch einen emanzipatorischen Prozess, »in dem die Vorherrschaft des Kapitals durch demokratische, soziale und ökologische Kräfte überwunden wird und die Gesellschaft des demokratischen Sozialismus ent-steht«2.

Der nachfolgende Beitrag soll zeigen, über welche Potentiale die Partei DIE LINKE für einen solchen anspruchsvollen Weg verfügt.

Stellung im Parteiensystem

DIE LINKE in Deutschland hat das Parteiensystem verändert. Mit ihrer stabilen Präsenz im bundesdeutschen Parteiensystem seit 2005, die sich mit den Bundes-tagswahlen 2009 bestätigte, verfestigte sich in Deutschland das fluide Fünf-Par-teien-System mit den beiden großen Volksparteien CDU (Konservative) und SPD (Sozialdemokraten) und den drei mittleren Parteien: Grüne, FDP (Liberale) und DIE LINKE. Alle fünf Parteien stehen sich in einem offenen Wettbewerb gegen-über. Es gibt keine strukturellen Asymmetrien, d. h. weder das bürgerliche bzw.

1 DIE LINKE (2010): 1. Entwurf für ein Programm der Partei DIE LINKE. Entwurf der Programmkommission, S. 3 (Präambel).

2 Ebenda.

rechte Lager noch ein mögliches linkes Lager, bestehend aus SPD, Grüne und LINKE, verfügen über eine strukturelle Mehrheit. »Der fluide Charakter be-schreibt eine Tendenz offener Koalitionsoptionen, die sich mit der seit Jahren nachlassenden Bindungsfähigkeit der Volksparteien und erneut mit der Gründung der Linkspartei gravierend veränderte. Während 1998 die beiden Volksparteien CDU und SPD noch 37,5 Millionen Wähler repräsentierten und damit 76,1 Pro-zent der gültigen Stimmen und 61,7 ProPro-zent der Wahlberechtigten, liegt dieser Anteil 2009 nur noch bei 24,6 Millionen Stimmen, das sind 56,8 Prozent der gül-tigen Stimmen und 39,7 Prozent der Wahlberechtigten, d. h. ein Drittel der Stim-men von 1998.«3Die Folge sind zunehmend erforderliche Drei-Parteien-Koalitio-nen. Eine rot-rot-grüne Regierungskoalition scheiterte bei den Landtagswahlen 2008 in Hessen und 2010 in Nordrhein-Westfalen an der SPD, die eine Regie-rungsbeteiligung der Linken bzw. eine Tolerierung durch die Linkspartei aus-schloss. Im Saarland (2009) scheiterte eine rot-rot-grüne Koalition an den Grü-nen, deren Ausscheiden aus dem Landtag von der LINKEN als »die beste Gewähr für einen Regierungswechsel« betrachtet wurde.4

Bei den Bundestagswahlen 2009 wurde DIE LINKE mit 11,9 Prozent viert-stärkste Partei. 76 Abgeordnete bilden die Fraktion der LINKEN im Deutschen Bundestag. Sie ist in der Linken Fraktion (GUE/NGL) im Europaparlament mit acht Abgeordneten und inzwischen in 13 von 16 Landtagen mit über 200 Land-tagsabgeordneten vertreten. Sie hat über 6.200 Kommunalmandate.

Für den Erfolg der LINKEN bei den Bundestagswahlen war die soziale Frage ausschlaggebend. Sie wurde als gesamtdeutsche Protestpartei gegen Sozial- und Demokratieabbau der Agenda 2010 gewählt, als die Partei, die für angemessene Löhne, Arbeit in Würde, für die Sicherung der Altersvorsorge und gute Bildungspo-litik sorgen will. Vor allem Arbeiter, Arbeitslose, Gewerkschafter und Rentner wähl-ten die LINKE. Jeder vierte Arbeitslose gab seine Stimme der LINKEN. Sie wähl-tendiert immer mehr zu einer »Männerpartei« (Männer: 13,3 Prozent, Frauen: 10,6 Prozent).

Sie konnte jedoch ihre soziallibertären Wählerschichten nicht in gleichem Maße er-reichen: Ihre Wahlergebnisse in ihren früheren westdeutschen Hochburgen – z. B.

den Universitätsstädten – blieben hinter dieser Aufwärtsentwicklung zurück.

Der Erfolg der LINKEN war außerdem mit einer politischen Machtoption der Partei als Teil eines möglichen politischen Projekts zur Verhinderung von Schwarz-Gelb verbunden, ohne dass die geringsten parteipolitischen Voraussetzungen für ein positives rot-rot-grünes Projekt auf Bundesebene gegeben waren. Das politi-sche Dilemma – so Jörg Prelle in seiner Einschätzung der Wahlergebnisse für Hessen – bestand jedoch darin, dass »viele Genossen und Genossinnen eigentlich

3 Horst Kahrs (2009): Zwei Gewinner ein Absturz. Eine Zwischenbilanz für den Gesprächskreis Parteien und so-ziale Bewegungen der RLS; in: http://www.rosalux.de/themen/parteien-demokratie/ specials/parteien-und-so-ziale-bewegungen/deutsch/parteien-und-bewegungen/wahlanalysen/zwei-gewinner-ein-absturz.html; abgerufen am 1.7.2010.

4 Oskar Lafontaine: Rot-rote Mehrheit und Regierungs-Wechsel möglich bei Scheitern der Ökopartei, Süddeut-sche Zeitung vom 5. August 2009.

auf einen ganz anderen Schub gewartet haben: Den Schub von der ›Straße‹ als öffentliche Krisenreaktion«5. Die parlamentarische Stärkung der LINKEN ist seit ihrer Gründung 2007 bisher kein Ergebnis einer ebensolchen Stärkung des außer-parlamentarischen Widerstands.

DIE LINKE hat – und dies unterscheidet sie maßgeblich von den anderen Par-teien – im bundesdeutschen ParPar-teiensystem widersprechende Funktionen wahrzu-nehmen – als Folge der noch immer regional unterschiedlichen Elektorate in den ostdeutschen und westdeutschen Bundesländern. So erreichte die Linke bei den Bundestagswahlen 2009 in den ostdeutschen Bundesländern durchschnittlich 26,4 Prozent und wurde stärkste oder zweitstärkste Partei. Sie erhielt in den west-deutschen Bundesländern durchschnittlich 8,3 Prozent der Wählerstimmen. Sie ist im Westen vor allem Sozialstaats- und Protestpartei. Ihre Wähler kommen über-durchschnittlich aus den unteren sozialen Gruppen der Gesellschaft, und es sind insbesondere Männer mittlerer Jahrgänge mit eher mittleren oder niedrigeren for-malen Bildungsabschlüssen, die der LINKEN ihre Stimme geben. Im Osten ist DIE LINKE sowohl der Zusammensetzung ihrer Wählerschaft nach als auch bei der Formulierung ihrer Politikangebote die Partei »für Alle – niemand soll ausge-schlossen werden«. Sie wird auch hier vor allem von den unteren sozialen Schich-ten gewählt, darüber hinaus aber auch von AngestellSchich-ten, BeamSchich-ten, LandwirSchich-ten, kritischen Intellektuellen, Auszubildenden und maßgeblich auch von Rentnern.

Sie wird in den ostdeutschen Bundesländern von Frauen ebenso zahlreich wie von Männern gewählt, ihre Wählerschaft hinsichtlich der formalen Bildungsab-schlüsse ist ausgeglichen.

Tabelle 1:Wahlergebnisse der Partei DIE LINKE nach Beruf, Bildung und Alter, in Prozent

Gesamt West Ost

(11,9 Prozent (8,3 Prozent (26,4 Prozent LINKE-Wähler) LINKE-Wähler) LINKE-Wähler)

Arbeiter 17 12 31

Angestellte 12 8 29

Beamte 8 6 26

Selbstständige 8 6 21

Hauptschule 12 9 28

Mittlere Reife 14 9 30

Abitur 1 6 28

Unter 30 10 23

30 – 44 9 26

45 – 59 10 33

5 Jörg Prelle (2009). Hessische Aspekte der Bundestagswahl 2009. http://www.rosalux.de/themen/

parteien-demokratie/publikationen/publikation/datum/2010/01/24/der-blick-in-die-laender-1/thema/sprachen/

parteien-demokratie/priorisierung-regional.html.

Aus dem differenzierten Wählerzuspruch Ost und West wird durch die Vertre-ter der Partei selbst ein unVertre-terschiedliches Parteienverständnis abgeleitet: Protest-partei und im Osten Deutschlands zugleich VolksProtest-partei zu sein. Dieses Span-nungsverhältnis wird von der Gesamtpartei bisher kaum beachtet. So relativiere das Konzept der Volkspartei den Fokus auf die sozial Schwachen, sei beliebig und widerspreche dem Verständnis der Partei als Klassenpartei der Erwerbstätigen und Erwerbslosen. Auf der anderen Seite grenze der Ansatz, Protestpartei der so-zial Schwachen zu sein, wichtige gesellschaftliche Wählerschichten der Linken aus der Mitte der Gesellschaft aus, schreibe die LINKE als Oppositionspartei fest und verzichte so auf eine parlamentarische Gestaltung als linke Regierungspartei.

Aber gerade Letzteres werde von den Wählern der LINKEN in den ostdeutschen Bundesländern erwartet und finde seinen Ausdruck in Wahlergebnissen von mehr als 20 Prozent. DIE LINKE ist in den ostdeutschen Bundesländern stärkste oder zweitstärkste parlamentarische Kraft, und in Berlin und Brandenburg ist sie in der Regierung. Sie ist also einerseits Fünf- und Mehrprozentpartei, andererseits 20- und Mehrprozent-Partei (dies in den sechs ostdeutschen Bundesländern und im Saarland). Sie ist parlamentarisch stark verankert im Osten und gilt dort noch immer als Kümmererpartei. Weniger als 23 Prozent ihrer kommunalen Mandat-sträger in Städten, Gemeinden und Kreisen kommen bisher aus den westdeut-schen Bundesländern.

Nach den Bundestagswahlen 2009 hat sich die Stellung der LINKEN im Par-teiensystem verändert. Unter den Bedingungen einer konservativ-liberalen Regie-rungskoalition teilt die LINKE ihre Oppositionsrolle nunmehr mit der Sozialde-mokratie und den Grünen. Eine rechnerische Mehrheit für die Parteien links der Mitte, bestehend aus SPD, Grünen und PDS bzw. DIE LINKE, wie es sie 2005 noch gab, ging verloren.6Dieser Verlust geht jedoch nicht auf ein Erstarken der Parteien rechts der Mitte zurück, sondern auf den Einbruch der SPD, deren Wählerschaft sich seit 1998 halbiert hat. Sie hat mit 23 Prozent ihr historisch schlechtestes Ergebnis erzielt und ist auf das Niveau von 1893 zurückgefallen. Sie hat nach links (1,49 Millionen Wähler) wie auch nach rechts (1,05 Millionen Wähler) verloren. 1,6 Millionen frühere SPD-Wähler wanderten zu den Nicht-wählern ab. Verloren hat sie in allen Altersgruppen und vor allem bei jungen Wählern: minus 20 Prozent, bei den jungen Frauen sogar 21 Prozent. Ebenso überdurchschnittlich verlor sie bei ihrer klassisch-sozialdemokratischen Klientel:

Arbeitern, Angestellten, Gewerkschaftsmitgliedern. Wie sich die SPD künftig ent-wickeln wird, bleibt eine offene Frage, d. h. die LINKE kann sich nicht länger über die Schwäche der SPD definieren.

Wenn es aber gesellschaftliche wie politische Mehrheiten für einen politischen Richtungswechsel geben soll, muss die LINKE ihr Verhältnis zur Sozialdemokra-tie klarer bestimmen. Gegenwärtig agieren Linke, SPD und Grüne in der

Opposi-6 Vgl. Kahrs (2009): Zwei Gewinner, ein Absturz; in: http://www.rosalux.de/cms/fileadmin/rls_uploads/pdfs/

Kahrs_2009-10-07-BTW_WahlanalyseRLS.pdf; abgerufen am 1.7.2010.

tion beziehungslos nebeneinander, ein gemeinsames politisches und gesellschaft-liches Projekt ist nicht erkennbar. Das Verhältnis der Linkspartei zur Sozialdemo-kratie ist unklar. Gesine Lötzsch, eine der beiden Parteivorsitzenden der Linken, sieht in der SPD nicht ihren politischen Gegner, sondern eine Partei, mit der sie sich eine Zusammenarbeit vorstellen könne.7Klaus Ernst erklärte seinerseits, dass die teilweise Abkehr der SPD von der Arbeitsmarktreform Hartz IV nach den Bundestagswahlen zwar ein erster Schritt sei, dieser aber nicht genüge. Um regie-rungsfähig zu werden und hierzu die Unterstützung der Linken zu erhalten, bedarf es personeller Veränderungen und weiterer Schritte wie der Unterstützung der Forderungen nach einem flächendeckenden Mindestlohn, einer Vermögenssteuer und in der Friedenspolitik den Rückzug der Bundeswehr aus Afghanistan noch 2010.

Im 1. Programmentwurf der Partei DIE LINKE vom März 2010 finden sich zur Sozialdemokratie nur historische Bezüge. DIE LINKE betrachtet deren Grün-dungsverständnis als Teil ihres historischen Erbes. Die Grünen werden mit Bezug auf die Kritik des rot-grünen Regierungsprojektes genannt. Relativ unbestimmt heißt es in der Präambel, dass sich die LINKE von jenen Parteien unterscheide,

»die sich devot den Wünschen der Wirtschaftsmächtigen unterwerfen und deshalb kaum noch voneinander unterscheidbar sind«. Und weiter: »Die Politik kann heute nicht mehr von einem Kartell der neoliberalen Parteien beherrscht werden.«8 DIE LINKE sieht sich »in grundsätzlicher gesellschaftlicher und politischer Op-position zu Neoliberalismus und Kapitalherrschaft, imperialistischer Politik und Krieg«. Sie beschreibt als ihre Kernaufgabe die Veränderung gesellschaftlicher Kräfteverhältnisse, um eine »solidarische Umgestaltung der Gesellschaft und eine linke demokratische, soziale, ökologische und friedliche Politik durchzusetzen«

und dies durch Veränderung der Macht- und Eigentumsverhältnisse. Dazu gehöre eine demokratische Wirtschaftsordnung, »die die Marktsteuerung von Produktion und Verteilung der demokratischen, sozialen und ökologischen Rahmensetzung und Kontrolle unterordnet. Sie muss dazu auf öffentlichem und demokratisch kontrolliertem Eigentum der Daseinsvorsorge, an der gesellschaftlichen Infra-struktur, in der Energiewirtschaft und im Finanzsektor sowie der demokratischen Vergesellschaftung weiterer strukturbestimmender Bereiche auf der Grundlage von staatlichem, kommunalem, genossenschaftlichem oder Belegschaftseigentum beruhen und den privaten Sektor strikter Wettbewerbskontrolle unterwerfen.«9 Um dies realisieren zu können, werde ein breites gesellschaftliches linkes Bünd-nis gebraucht. Die hierzu notwendigen politischen BündBünd-nisse seien nur dann einzugehen, wenn diese einen politischen Richtungswechsel in Politik und Ge-sellschaft fördern, wenn die Kernforderungen der Linken wie: der Rückzug der Bundeswehr aus Afghanistan, die Abschaffung der neoliberalen

Arbeitsmarkt-7 Gesine Lötzsch: Die SPD ist nicht mein Feind, in: http://www.welt.de/politik/deutschland/article6292554/Ge-sine-Loetzsch-Die-SPD-ist-nicht-mein-Feind.html; abgerufen am 1.7.2010.

8 DIE LINKE (2010): 1. Entwurf für ein Programm der Partei DIE LINKE, S. 23.

gesetze Hartz IV, die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes und die Ab-lehnung der Rente ab 67, die den Markenkern der Linken beschreiben, übernom-men werden und sichtbar bleiben.

Mitgliedschaft und Sozialstruktur der Linken

Die LINKE hat über 78 400 Mitglieder. Sie ist die einzige Partei, die entgegen dem allgemeinen Parteientrend Neumitglieder gewinnt. 37 Prozent der Parteimit-glieder sind Frauen, wobei der Anteil in den ostdeutschen Landesverbänden zwi-schen 44 und 46 Prozent liegt, in den westdeutzwi-schen Landesverbänden durch-schnittlich bei 24 Prozent. Dies gilt gleichermaßen für die Neumitglieder der Partei.10

Über ihre Sozialstruktur lassen sich aufgrund fehlender Daten nur sehr vage Aussagen treffen, die sich auf Publikationen über die Partei DIE LINKE,11 Aussa-gen von Funktionsträgern der Partei und – soweit vorhanden – auf Datenbanken und auf Berichte der Mandatsprüfungskommissionen von Parteitagen stützen. Die Mitgliedschaft der Linken korrespondiert stark mit ihren jeweiligen regionalen Wählergruppen, d. h. die Mehrheit der Mitgliedschaft aus den westdeutschen Bundesländern gehört eher zur Gruppe der sozial Schwachen, darunter ein be-achtlicher Anteil von Erwerbslosen. Die Mitgliedschaft in den ostdeutschen Bun-desländern wird noch immer durch den Anteil der Rentner dominiert. Anders da-gegen die aktive Mitgliedschaft – hier dargestellt am Beispiel der Delegierten der Parteitage, die sich über 90 Prozent aus Vertretern der Basisorganisationen oder Kreisverbände zusammensetzen.12Hier liegt der Anteil von Arbeitern und Ange-stellten 2010 bei 33,8 Prozent (2008: 32,6), von Selbstständigen bei 19,5 Prozent (2008: 17,3), von Studierenden bei 2,8 Prozent (2008: 2,7), von Schülern bei 0,7 Prozent (2008: 2,0), von Arbeitslosen bei 2,3 Prozent (2008: 3,4) und von Rentnern bei 6,0 Prozent (2008: 5,2).13Vergleicht man diese Daten mit denen der Mandatsprüfberichte der PDS von 1999, 2002 und 2004, wird deutlich, dass der Anteil von Arbeitern und Angestellten von 60 Prozent (1999) auf 41 Prozent (2006) zurückging. Seit 2007 liegt dieser Wert bei ca. einem Drittel der

Delegier-9 Ebenda, S. 3 (Präambel).

10 Angaben der Mitgliederentwicklung vom Parteivorstand DIE LINKE vom Mai 2010.

11 Vgl. Sören Messinger/Jonas Rugenstein: Der Erfolg der Partei die Linke. Sammlung im programmatischen Ne-bel, in: Felix Butzlaff/Stine Harm/Franz Walter (Hg.): Patt oder Gezeitenwechsel? Deutschland 2009, Wiesbaden 2009.

12 Bei einem Vergleich von Mandatsprüfberichten der Parteitage 2004, 2006 und 2010 wird deutlich, dass sich der Anteil der Vertreter von Basisorganisationen leicht erhöht hat von 22 Prozent 2006 auf fast. 26 Prozent 2010.

Der Anteil von Vertretern der Kreis- und Regionalverbände liegt nahezu konstant bei 45 Prozent. Deutlich wird das Problem der Doppelfunktionen. Alle summierten Angaben liegen seit 2006 deutlich über 100 Prozent. Be-merkenswert sind die Veränderungen des Anteils von Delegierten, die Mitglied einer Gewerkschaft sind. Dieser Anteil stieg von 44 Prozent 2006 auf knapp 60 Prozent 2010.

13 DIE LINKE (2010): Bericht der Mandatsprüfungskommission an den 2. Parteitag vom 15./16. Mai in Rostock.

ten. Der Anteil von Selbstständigen liegt relativ konstant bei ca. 20 Prozent. Ab-genommen hat unter den Delegierten der Parteitage der Anteil der Arbeitslosen.

Dieser lag 1999 bei 6,9 Prozent und liegt seit 2007 zwischen zwei und drei Pro-zent. Der Anteil der Rentner liegt seit 2008 bei ca. fünf Prozent der Delegierten.

Bei den Neumitgliedern hat sich der Anteil von Erwerbstätigen und Nichtwerbstätigen zwischen 2004 und 2007 verschoben. Während 2004 48 Prozent er-werbstätig und 52 Prozent nicht erer-werbstätig waren, betrug der Anteil der Erwerb-stätigen 2007 56 Prozent, der Anteil der NichterwerbErwerb-stätigen 44 Prozent. Die Motive der Neumitglieder verbinden sich vor allem mit Fragen sozialer Gerech-tigkeit. Dazu gehören die wachsende soziale Ungleichheit, Arbeit, von der man leben kann, Sozialleistungen und Renten, die ein Leben in Würde ermöglichen, gleiche Rechte für alle. Von untergeordneter Bedeutung sind Friedensfrage, öko-logische und bildungspolitische Fragen.14

Eine enge Korrelation zwischen Mitglieder- und Wählerschaft findet sich bei der Altersstruktur: Ihr größtes Wählerpotential hat die LINKE in den Altersgrup-pen von 46 bis 60 Jahren. Circa 50 Prozent der Mitglieder der westdeutschen Lan-desverbände sind zwischen 41 und 60 Jahre alt, ca. 25 Prozent bis 35 Jahre und über drei Prozent sind über 70. Anders die Altersstruktur in den ostdeutschen Lan-desverbänden. Hier beträgt der Anteil von Mitgliedern bis 35 Jahre lediglich sie-ben Prozent, ca. 24 Prozent sind zwischen 41 und 60 Jahre alt und über 50 Prozent ihrer Mitglieder über 70 Jahre. Die Altersstruktur der aktiven Mitgliedschaft – wie sie sich beispielhaft in der Zusammensetzung der Delegierten der Parteitage dar-stellt – ergibt wieder ein anderes Bild. Zunächst ist diese Altersstruktur über die Jahre seit 1999 bis 2010 nahezu gleichbleibend. Der Anteil der Delegierten bis 25 Jahre liegt zwischen sechs und sieben Prozent, zwischen 25 und 45 Jahren zwi-schen 13 bis 17 Prozent. Ungefähr 30 Prozent der Delegierten sind zwizwi-schen 45 und 55 Jahre alt. Leicht erhöht hat sich der Anteil von Delegierten zwischen 55 und 65 Jahren von 18 (2006) auf 23 Prozent im Jahr 2010. Der Anteil der über 65-Jährigen liegt seit 1999 zwischen fünf und sieben Prozent.

DIE LINKE verändert mit dem wachsenden Anteil der westdeutschen Mitglie-der ihre Sprache und ihr bisheriges Image als Ostpartei. 2006 kamen fast 80 Pro-zent ihrer Mitglieder aus den ostdeutschen Bundesländern, 2009 sind es nur noch 63 Prozent. Seit 2006 haben die ostdeutschen Landesverbände insgesamt ca.

5 000 Mitglieder verloren, die westdeutschen Landesverbände konnten 13 000 Mitglieder neu gewinnen. Die politische Ost-West-Gewichtung wurde bereits im Fusionsprozess der beiden Quellparteien WASG und PDS über Kooperations-abkommen ausgeglichen, alle Gremien wurden Ost-West, d. h. PDS-WASG-aus-balanciert zusammengesetzt, bis hin zu den Übergangsregelungen der Delegier-tenschlüssel der Parteitage, auch wenn die Delegierten aus den ostdeutschen

14 Kajo Tetzlaff/Alexander Reetz (2009): Statistische Untersuchung der Parteieintritte DIE LINKE 2004/2007 (Mai-August), Power-Point-Präsentation.

Bundesländern etwa dreimal so viele Mitglieder repräsentierten wie ein Delegier-ter aus westdeutschen Landesverbänden.

Unterschiedliche bis gegensätzliche oder einander ausschließende Erwartun-gen werden an die Partei gerichtet, auch an ihre Möglichkeiten, unmittelbare (Le-bens-)Hilfe zu leisten. Für viele ist die Partei Ort der gemeinsamen Suche nach mehr Gerechtigkeit und/oder gesellschaftlichen Alternativen, für andere ist sie Heimatort gemeinsamer Geschichte oder für Gespräche und gesellschaftliche wie gesellige Aktivitäten. Für wieder andere bietet die Partei berufliche Karrieren, Macht- und Einflussnahme oder Raum privater Lebensbewältigung. Nicht jeder will aktiv sein, manchen reicht die Zahlung ihrer Beiträge, für andere finden sich derzeit nicht die geeigneten Strukturen, um selbst aktiv zu sein. Unklar ist, ob die LINKE sich basisnah und partizipatorisch organisieren will mit vielen lokalen und bürgernahen Begegnungsmöglichkeiten und unterschiedlichsten Räumen lo-kaler Selbstorganisation oder aber, ob sie sich auf den Aufbau von Kompetenz-zentren konzentriert – zur Ausweitung ihrer Kompetenzen und parlamentarischen Verankerung. Beides wäre notwendig und müsste – gemessen am konkreten Be-darf und der Gesamtverantwortung der Partei – beim weiteren Parteiaufbau berücksichtigt werden.

Zur Organisationsfrage und innerparteilichen Demokratie

DIE LINKE ist in der Geschichte der internationalen Arbeiterbewegung, der Frie-densbewegung verwurzelt und dem Antifaschismus verpflichtet. Sie steht den Ge-werkschaften und sozialen Bewegungen nahe und schöpft aus dem Feminismus und der Ökologiebewegung. Sie versteht sich als plural und offen »für jede und jeden, die oder der gleiche Ziele mit demokratischen Mitteln erreichen will«15. Die Partei gliedert sich in Landesverbände, jedes Mitglied gehört zu einem Kreis-verband, in der Regel zu dem seines Wohnsitzes. Die Linke hat umfassende

DIE LINKE ist in der Geschichte der internationalen Arbeiterbewegung, der Frie-densbewegung verwurzelt und dem Antifaschismus verpflichtet. Sie steht den Ge-werkschaften und sozialen Bewegungen nahe und schöpft aus dem Feminismus und der Ökologiebewegung. Sie versteht sich als plural und offen »für jede und jeden, die oder der gleiche Ziele mit demokratischen Mitteln erreichen will«15. Die Partei gliedert sich in Landesverbände, jedes Mitglied gehört zu einem Kreis-verband, in der Regel zu dem seines Wohnsitzes. Die Linke hat umfassende