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In einer Vorstudie soll zunächst der grundlegende Einsatz von Interaktions- und Visualisierungs-konzepten für entfernte Wanddisplays (Public Space) untersucht werden. Es soll vor allem der Frage nachgegangen werden, ob die Interaktions- und Visualisierungskonzepte die Arbeit auf entfernten Wanddisplays unterstützen und somit für den Einsatz in einer Mehrbenutzerumgebung förderlich sind. Das Interaktionskonzept der Überwachungs- und Diagnoseebene muss sowohl die Auswahl als auch das Verschieben eines Fokus innerhalb der Prozessvisualisierung effizient unterstützen.

Wie bereits zuvor beschrieben, werden die Überwachungs- und Diagnosetätigkeiten vornehmlich auf dem entfernten Wanddisplay ausgeführt. Das bedeutet, dass es vom Operator nicht direkt er-reichbar ist. Somit ist eine direkte Manipulation mittels Touch-Display beispielsweise für den tägli-chen Überwachungsbetrieb nicht effizient einsetzbar. Die virtuellen Prozessbilder in Leitwarten wie Straßen-, Schienen- oder Stromnetze sind netzwerkartig strukturiert. Die topologischen Informati-onen der Objekte sind für den Operator enorm wichtig. Diese können neben der Orientierung im Raum zusätzlich zur Navigation, d. h. zum Setzen oder Verschieben eines Fokuspunktes, herange-zogen werden. Aufgrund der großen Entfernung zum Display ist es erforderlich, dass zum einen Fokuspunkte exakt positioniert werden können und zum anderen auch inexakte Eingaben des Ope-rators ausgeglichen werden. Somit ist der Einsatz einer Maus als Eingabegerät als Basis für die

Er-Überwachung und Diagnose

füllung der Anforderungen nicht zielführend. Die Nutzungskontextanalyse in Abschnitt 3.2.3 hat gezeigt, dass bei Überwachungs- und vor allem bei Diagnosetätigkeiten eine direkte und schnelle Navigation zu einem markanten Punkt möglich sein muss, um so die entsprechenden Prozessdaten zu analysieren. Darüber hinaus ist es auch maßgeblich für die Arbeit der Operatoren, dass diese Detailinformationen sequenziell entlang auffälliger Bereiche, z. B. des Straßenverlaufs, der Ver-kehrsdichte oder der aktuellen Lastverteilung an den Spannungsleitungen in der Netzleitstelle, abge-rufen werden können.

Unter Berücksichtigung der Überwachungs- und Diagnosetätigkeit von Operatoren wird nachfol-gend ein Interaktions- und Visualisierungskonzept im Kontext der Verkehrsleitzentrale vorgestellt, das die Kombination von Detailinformationen mit inhaltssensitiver Navigation bereitstellt. Auf der Basis der Analyse vor Ort ergeben sich folgende Fragestellungen:

(F1) Wie kann die Navigation in der Kartendarstellung verbessert werden?

(F2) Wie kann die Navigation entlang von Straßen optimiert werden?

(F3) Wie können Detailinformationen durch geeignete Visualisierungen dargestellt werden?

Um diese Fragen zu beantworten, sind die Konzepte in einer experimentellen Benutzerstudie über-prüft worden.

Interaktions- und Visualisierungskonzept

Interaktionskonzept – Nachfolgend wird ein Interaktionskonzept beschrieben, das sowohl ein auf die Primärtätigkeiten abgestimmtes joystickähnliches Eingabegerät als auch Navigationstechniken mit einem oder mehreren Fokuspunkten unterstützt. Dabei werden die Bedarfe aus dem Leitwarten-kontext, d. h. die Einbeziehung von Kanten (z. B. Straßen) und Knoten (z. B. Kreuzungen) in die Interaktion, berücksichtigt. Im Konzept gibt es eine Unterscheidung zwischen der freien und der inhaltssensitiven Navigation. Für die Interaktion wird ein Eingabegerät (SpaceNavigator27) mit sechs Freiheitsgraden (Degrees of Freedom; DOF) eingesetzt, das im CAD-Bereich für die Manipulation von Objekten im dreidimensionalen Raum verwendet wird (siehe Abbildung 57a-c). Der SpaceNavigator ist ein selbstzentrierendes Eingabegerät (Self-centering Device) und somit von den Eigenschaften her ein Joystick. Wie Abbildung 57a-c verdeutlicht, unterstützt das Eingabegerät die Parameter der Translation und Rotation.

Abbildung 57 SpaceNavigator als Eingabegerät zur Steuerung des Wanddisplays

Die Abbildungen zeigen die Eingabemodalitäten: (a) Kippen; (b) Drücken oder Ziehen; (c) Drehen (Schwarz, Butscher, et al., 2011).

Die Kartenausschnitte können in der freien Navigation durch entsprechendes Kippen des SpaceNaviga-tors verschoben werden. Dabei bewegt sich der Ausschnitt (Fokus) entsprechend der Kipprichtung.

Untersuchungen von Zhai, Milgram und Drascic (1993), die auf dem Vector-Scrolling basieren, zeigen im Zusammenhang mit Navigationstechnik erhebliche Einflüsse im Hinblick auf die Effek-tivität der Interaktion. So eignen sich Eingabegeräte mit sechs DOF wie der SpaceNavigator durch eine automatische Selbstzentrierung besonders für die vektorbasierte Navigation (Zhai et al., 1993).

27 http://www.3dconnexion.de/products/spacenavigator.html, zuletzt aufgerufen am 23.05.2014.

(c)

(a) (b)

Überwachung und Diagnose

Diese Eingabeform ermöglicht gegenüber dem mausbasierten Pannen eine kontinuierliche Naviga-tionsbewegung. Somit wird die Interaktion nicht in einzelne Navigationsschritte unterteilt. Je nach Kippausschlag wird die Navigationsgeschwindigkeit dynamisch angepasst. Für die Überbrückung von großen Distanzen im Informationsraum wird bei maximal gekipptem SpaceNavigator die höchste Geschwindigkeit erreicht. Hingegen ist bei einem geringen Kippausschlag ein exaktes Annavigieren eines spezifischen Punkts möglich, da sich die Geschwindigkeit der Navigation reduziert. Das Groß- und Kleinzoomen der Straßenkarte ist durch Drücken bzw. Ziehen möglich.

Das polymodale Navigationselement im mittleren Bereich (siehe Abbildung 58a) unterstützt den Opera-tor bei der Navigation. Das Navigationselement fungiert in der freien Navigation als Fadenkreuz, um einen Punkt gezielt ansteuern zu können. Außerdem wird ein Richtungspfeil im Navigationsele-ment angezeigt. Dieser gibt die gegenwärtige Kipprichtung wieder. Abbildung 58b zeigt das polymo-dale Navigationselement kurz vor dem Verbinden einer Straße, um in die inhaltssensitive Navigation an Kanten entlang zu wechseln. So deutet beispielsweise das Navigationselement an, dass eine Verbin-dung zu einer Kante (Straße) möglich ist oder welche Straße vom Knoten (Kreuzung) aus selektiert worden ist.

Abbildung 58 Polymodales Navigationselement in der freien Navigation

(a) Die Abbildung stellt ein polymodales Navigationselement mit Anzeige des Richtungspfeils dar. (b) Das Navigationselement zeigt an, dass ein Übergang in die inhaltssensitive Navigation möglich ist (Schwarz, Butscher, et al., 2011).

Eine Verbindung zu einer Straße kann mit einer Drehbewegung am SpaceNavigator hergestellt wer-den. Mit einer erneuten Drehbewegung kann eine Verbindung gelöst werwer-den. Damit in der freien Navigation einzelne Straßen gezielt angesteuert werden können, wird das Navigationselement mag-netisch von diesen angezogen. Das wird über dynamische Kraftfelder (Dynamic Force Fields) nach Ahlström, Hitz und Leitner (2006) realisiert. Bei unmittelbarer Nähe des Navigationselements zur Straße, wird die Navigationsgeschwindigkeit verringert und eine exaktere Navigation erreicht.

Der Operator kann bei einer Verbindung zu einer Straße mit dem SpaceNavigator entsprechend dem Verlauf folgen. Hierfür sind zwei Varianten mit dem Werkzeug Conceptual Blending entwickelt und verglichen worden. Das Folgen der Straße wird in der ersten Variante über eine Kippbewegung vollzogen. Es genügt, den SpaceNavigator grob zum gewünschten Straßenverlauf zu bewegen. Der Input Space 1 beinhaltet die bekannten realweltlichen physikalischen Gesetze der Schwerkraft, die gelten, wenn beispielsweise eine Kugel auf einer Platte positioniert wird. Die Kugel folgt der Kipp-bewegung der Platte. Input Space 2 orientiert sich an der digitalen Welt und repräsentiert den digita-len Fokuspunkt auf der Karte. Die Kombination aus diesen Konzepten, d. h., der resultierende Blend, ermöglicht eine Art der Navigation, die für den Operator durch den Bezug zu gegebenen Naturgesetzen einfach zu verstehen ist. Dabei muss er nicht über die korrekte Kipprichtung des Eingabegeräts nachdenken, um die antizipierte Navigation auszuführen. Die inhaltssensitive Navigation hat die Besonderheit, dass der topologische Informationsraum (Straßennetz) für die Navigation herangezogen wird. Im Sinne des Conceptual Blending handelt es sich um eine Verknüpfung aus

einer-(a) (b)

Überwachung und Diagnose

seits dem Konzept des Folgens eines Straßenverlaufs (Input Space 1), und andererseits dem Blend des Vector-Scrolling, der als Input Space 2 herangezogen wird. Die inhaltssensitive Navigation besteht aus zwei hierarchisch aufeinander aufbauenden Blends. Mit Hilfe des daraus resultierenden Blend (inhalts-sensitive Navigation) können sich Operatoren je nach Aufgabesituation an einer Straße andocken. Der Operator kann bei einer bestehenden Straßenverbindung mit dem Eingabegerät dem Straßenverlauf folgen, indem er dieses in die entsprechende Navigationsrichtung kippt. Durch die Verwendung eines sich selbst zentrierenden Eingabegeräts, das die Blindbedienung unterstützt, ist keine genaue Positionierung des Zeigegeräts notwendig.

Der Operator kann innerhalb der zweiten Variante durch eine Drehbewegung am SpaceNavigator in Abhängigkeit zur Drehrichtung dem Straßenverlauf folgen (siehe Abbildung 59a). Auch hier ist Conceptual Blending genutzt worden, um die Interaktion an den Alltagserfahrungen der Nutzer auszu-richten. Input Space 1 lehnt sich an die physikalischen Gesetze an, wenn ein Rad entlang einer Stre-cke bewegt wird. Die Drehrichtung gibt an, in welche Richtung sich das Rad fortbewegt. Wie zuvor im Konzept der Kippbewegung setzt sich Input Space 2 durch das Konzept des digitalen Fokus-punktes der Karte zusammen. Der daraus resultierend Blend ist auch an die bekannten Naturgesetze angelehnt. Den Straßen, die sich zur vertikalen Achse nach rechts ausdehnen, kann durch eine Rechtsdrehung gefolgt werden. Dasselbe Konzept wird auch für Straßen, die sich nach links erstre-cken, angewendet. Dabei besteht eine Abhängigkeit der Dreh- und Navigationsrichtung vom Stra-ßenverlauf. Das polymodale Navigationselement wird um eine zusätzliche Visualisierung ergänzt. Diese unterstützt bei der Auswahl der Drehrichtung (siehe Abbildung 59a).

Abbildung 59 Polymodales Navigationselement in der inhaltssensitiven Navigation

(a) Polymodales Navigationselement mit geschlossenem Kreis als Rückmeldung für die Verknüpfung zur Straße und Pfeilvisualisierung als Richtungscode bei der Wahl zur Drehrichtung; (b) Auswahl der Straße an einer Kreuzung mit Einfär-bung der Straße (Schwarz, Butscher, et al., 2011)

Beide Varianten ermöglichen während der inhaltssensitiven Navigation eine Änderung der Zoomstufe durch Drehen, Drücken und Ziehen. Bei der Navigation einer Straße entlang wird der Kartenaus-schnitt unter dem polymodalen Navigationselement verschoben. So folgt der Operator dem realen Stra-ßenverlauf und überbrückt nicht wie beim Pannen geradlinige Distanzen. Darüber hinaus wird im Gegensatz zum Pannen die Navigation nicht in Teilschritte (stetiges Nachgreifen) zerlegt. Nach Igarashi und Hinckley (2000) wird eine adaptive Navigationsgeschwindigkeit eingesetzt, die sich je nach Zoomstufe dynamisch anpasst. Durch diese kann bei einer geringen als auch hohen Zoomstu-fe komfortabel navigiert werden.

Zusätzlich wird durch die Positionierung des polymodalen Navigationselements im Mittelpunkt des Dis-plays sichergestellt, dass periphere Informationen (Straßenverlauf und Verkehrsaufkommen) nicht aus dem Anzeigebereich verschwinden. Die Navigation wird automatisch an Straßenkreuzungen angehalten. Durch eine Farbänderung signalisiert das polymodale Navigationselement (blaue Hervorhe-bung der Straße), dass der Kreuzungsmodus aktiv ist (siehe Abbildung 59b). Zur Selektion des Straßenverlaufs an Kreuzungen sind zwei unterschiedliche Varianten gestaltet worden. Es kann die

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Überwachung und Diagnose

gewünschte Straße per Drehbewegung ausgewählt werden. Dadurch wird zwischen den einzelnen Straßen durchgeschaltet. Außerdem wird der antizipierte Verlauf der Straße mit Hilfe einer Kipp-bewegung in die entsprechende Richtung selektiert. Um dem Straßenverlauf zu folgen, muss die Bewegung nur grob ausgeführt werden. Hierbei wird die Straße ausgewählt, die der Kipprichtung am ehesten entspricht (vgl. Link Sliding nach Moscovich et al., 2009; siehe Abschnitt 5.1.2).

Die animierte Navigationsfunktion ermöglicht eine schnelle Überbrückung großer Distanzen zwi-schen Kreuzungen. Beim Folgen der ausgewählten Straße über eine Kippbewegung, kann durch zweimaliges kurzzeitiges Kippen in die entsprechende Richtung die automatische Funktion gestar-tet werden. Hingegen kann in der alternativen Variante durch doppeltes Drehen eine Kreuzung gezielt angewählt werden.

Visualisierungskonzept – Für den Operator müssen Prozessvisualisierungen zur Verfügung gestellt werden, die die Menge und die Dichte an Informationen beherrschbar machen, um sowohl den Überblick als auch bei Bedarf detailliertere Betrachtungen von Teilbereichen zu unterstützen. Maß-geblich bei der Betrachtung von Detailinformationen ist das Bewusstsein, an welcher Stelle sich der Operator aktuell im Prozess befindet, um Fehlinterpretationen der Daten zu verhindern. Die inhalts-sensitive Navigation ermöglicht den ständigen Zugriff auf Detailinformationen in Abhängigkeit von der aktuellen Straßenposition. Die Detailinformationen können gefiltert und im Bedarfsfall ange-zeigt werden. Der Kontext bleibt dem Operator ständig erhalten. Um eine Überdeckung des In-formationsraums zu vermeiden, ist es notwendig, dem Operator die Möglichkeit zu bieten, Infor-mationen auch gänzlich auszublenden und diese nur bei Bedarf darzustellen. Bei Überwachungstä-tigkeiten im Kontext der Verkehrsleitzentrale sind vor allem das Verkehrsaufkommen pro Fahrspur sowie die dazugehörigen Kamerabilder von Bedeutung. Um das zu realisieren, sind eine view+Detail- und eine Focus+Context-Darstellung umgesetzt worden. Zum einen ist für die Over-view+Detail-Darstellung eine Split Screen-Visualisierung und zum anderen für die Focus+Context-Darstellung eine Fisheye-Linse entwickelt worden.

Im ersten Visualisierungskonzept wird eine räumliche Trennung von Detail- und Kontextinforma-tionen umgesetzt (siehe Abbildung 60).

Abbildung 60 Visualisierung der Prozessvariablen mit Split Screen-Darstellung

Im oberen Bereich werden in der Übersichtkarte die Detailinformationen und im unteren Teil die Kontextinformationen dargestellt (Schwarz, Butscher, et al., 2011).

Die Detailinformationen werden im unteren Randbereich des Bildschirms dargestellt. Dabei wer-den pro Fahrtrichtung die Fahrspuren mit dem Verkehrsaufkommen und wer-den Richtungspfeilen, die die jeweilige Fahrtrichtung angeben, angezeigt. Zusätzlich sind in der jeweiligen mittleren Position

Überwachung und Diagnose

der Fahrtrichtungen die Kamerabilder in den unteren Bereich integriert. Diese Integration der Ka-merabilder ist anhand der Prinzipien des Conceptual Blending abgeleitet worden. Dabei kommt es zu einer Verbindung zwischen Konzepten der realen Welt und den digitalen Möglichkeiten. Dem Operator wird durch die Position der Kamerabilder eine Sicht vermittelt, als ob er aus dem Fenster eines fahrenden Fahrzeugs blickt (Input Space 1).

Als Input Space 2 dienen die digitalen Eigenschaften wie die automatische Durchschaltung der jewei-ligen einzelnen Kameras entlang der Straßenabschnitte. Der Ausschnitt der Detailinformationen wird parallel zum polymodalen Navigationselement verschoben. Darüber hinaus werden durch die Sen-soren die aktuellen Verkehrsinformationen detektiert. Im unteren Bereich bedeutet die grüne Ein-färbung freier Verkehr, gelb stockender Verkehr und rot Stau. Im oberen Bereich wird die Darstel-lung der Verkehrsaufkommen kumuliert dargestellt. Durch die Trennung der Detail- und Kontex-tinformationen wird eine visuelle Überdeckung verhindert. Der abgeleitete Blend erlaubt es dem Operator bei Überwachungs- und Diagnosetätigkeiten in den jeweiligen Streckenabschnitten, sich Kontextinformationen wie das aktuelle Verkehrsaufkommen detailliert anzeigen zu lassen, um die Situation zu analysieren.

Die Fokuspunkte werden beim Konzept der Hybriden Magic Lens-View um sog. Hybride Magic Lenses (HML) erweitert. Die HML kann vom Operator durch die inhaltssensitive Navigation platziert werden.

Sie liefert damit eine sowohl transformierte, grafisch vergrößerte als auch semantisch angereicherte Ansicht der Prozessvisualisierung (siehe Abbildung 61a-d). Der Operator kann interessante Berei-che sowie Detailinformationen im zu überwaBerei-chenden Prozess exakter betrachten, der räumliBerei-che Kontext bleibt erhalten. Die HML ist als eine Kombination aus einer Fisheye-Verzerrung sowie einem Magic Lens-Filter zu verstehen. Über eine Fisheye-Verzerrung wird ein grafisch vergrößerter Bereich dargestellt, der sich nahtlos anpasst. Hingegen schafft der Magic Lens-Filter im Fokusbe-reich der Fisheye-Verzerrung eine semantische InformationsanFokusbe-reicherung.

Auf Basis des Conceptual Blending wird die digitale Prozessvisualisierung in Form einer Übersichts-darstellung mit realen physischen Konzepten angereichert. Das Konzept der HML mit ihrer ver-zerrten Darstellung ähnelt einem physischen Pyramidenstumpf (Input Space 1), der mit einem elasti-schen Material überzogen worden ist. Durch die Dehnbarkeit des Außenmaterials kann der Pyra-midenstumpf vergrößert oder verkleinert werden, wobei alle Bereiche für den Nutzer weiterhin sichtbar bleiben. Die Prozessvisualisierung, die Input Space 2 bildet, liefert die digitalen Funktionen wie im Beispiel das Ein- und Ausblenden von Detailinformationen mit dem Konzept des Magic Lens-Filters sowie die Navigation auf dem Wanddisplay.

Mit Hilfe des abgeleiteten Blend, also der HML, wird dem Operator beispielsweise ermöglicht, mar-kante Verkehrsbereiche ohne Kontextverlust genauer zu beobachten. Das führt zu einer semanti-schen und grafisch geometrisemanti-schen Vergrößerung von Streckenabschnitten. Generell bleiben die Straßenverläufe (Kontextinformationen) innerhalb des Sichtbereichs. Somit wird die Problematik der geteilten Aufmerksamkeit abgeschwächt. Der Fokusbereich der Fisheye-Lens wird nur vergrö-ßert, aber nicht verzerrt dargestellt. Lediglich im Fokusbereich werden über einen zusätzlichen Magic Lens-Filter Detailinformationen (Verkehrssituation auf einzelnen Fahrspuren und Kamerabil-der) visualisiert. Dabei erleichtert die Imitation des Pyramidenstumpfs als realweltliches Konzept die Übergänge zwischen der HML und dem gesamten Informationsraum.

Die HML ist immer im Mittelpunkt des Bildschirms platziert und erweitert somit das polymodale Navigationselement. Der Kartenausschnitt wird hierbei unter der HML hindurchgeführt. Der Detail-grad an Informationen kann über vier Zoomstufen angepasst werden (siehe Abbildung 61a-d).

Überwachung und Diagnose

Abbildung 61 Hybride Magic Lens-View mit vier unterschiedlichen Zoomstufen

(a) Keine Linse; (b) Kumulierte Verkehrssituation pro Fahrtrichtung; (c) Ver-kehrssituation pro Fahrspur; (d) VerVer-kehrssituation auf jeder Fahrspur mit zusätz-lichen Kamerabildern (Butscher, Schwarz, Müller & Reiterer, 2011)

Die Einfärbung der Verkehrssituation ist an die Overview+Detail-Darstellung angelehnt. Die An-ordnung der Kamerabilder erfolgt in Abhängigkeit vom Straßenverlauf. Diese basiert auf einer Approximation, die die Position mit der geringsten Überlagerung der Fahrbahnen errechnet. Dem-nach wird keine Linse dargestellt, wenn der Operator weit aus der Übersichtskarte herausgezoomt ist. Dagegen werden bei einer sehr hohen Zoomstufe alle Detailinformationen in der Linse ange-zeigt. In der höchsten Zoomstufe werden innerhalb der HML die Kamerabilder entsprechend dem Straßenverlauf so platziert, dass eine möglichst geringe Überlagerung der Informationen sicherge-stellt ist. Die Kamerabilder werden bei Änderung des Straßenverlaufs dynamisch optimal positio-niert, um so den Operator möglichst nicht bei der Diagnose zu behindern.

Versuchsaufbau

Für die Evaluation wird ein 64“ großes vertikal ausgerichtetes Display mit einer Auflösung von 4.096 × 2.160 Pixeln eingesetzt. Zur Steuerung des entfernten Displays wird der SpaceNavigator verwendet.

Die Aktivitäten der Testpersonen im Kartenmaterial werden per Videokamera aufgenommen. Die Bedienung des SpaceNavigators wird zusätzlich per Webcam aufgezeichnet. Anwesend sind neben dem Versuchsleiter zwei zusätzliche Personen. Diese erheben mit standardisierten Beobachtungs-protokollen Daten.

(c)

(b) (a)

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Überwachung und Diagnose

Versuchsablauf

Die Benutzerstudie wird in drei Aufgabenblöcke gegliedert: die freie Navigation, die inhaltssensitive Navigation und die operatorspezifischen Aufgaben und dauert etwa 90 Minuten. Um ein einheitliches Wissen für alle Teilnehmer zu schaffen, erfolgt vor den drei Aufgabenblöcken eine Standardeinfüh-rung durch den Versuchsleiter. Im Anschluss folgt eine kurze Explorationsphase, um die Teilneh-mer mit dem System bekannt zu machen.

Am Anfang eines jeden Versuchsdurchlaufs werden mit Hilfe von Fragebögen die Vorerfahrungen bezüglich der Interaktion erfasst. Im ersten Aufgabenblock, der freien Navigation, werden den Teil-nehmern einfache Navigationsaufgaben gestellt. Hierzu wird beispielsweise folgender Hinweis ge-geben: „Sie sind auf der Karte irgendwo in Deutschland ausgesetzt worden. Ihre erste Aufgabe besteht nun darin, zum Hauptbahnhof München zu navigieren.“ Anschließend wird die subjektive Einschätzung in Bezug auf die Interaktion mit Hilfe eines Fragebogens festgehalten.

Im zweiten Aufgabenblock, der inhaltssensitiven Navigation, wird ermittelt, wie die Probanden sich in den Konzepten beim Folgen des Straßenverlaufs sowie der Selektion von Straßenkreuzungen zu-rechtfinden. Die Bearbeitung der Aufgaben erfolgt nach einer Einführungs- und Explorationspha-se. In diesem Zusammengang wird beispielsweise folgende Anweisung gegeben: „Folgen Sie der A99 bis zum Kreuz München-West. Wechseln Sie hier auf die A8 und folgen dieser bis zum Dreieck München-Eschen-ried. Navigieren Sie von hier aus über das Dreieck München-Allach zurück zum Dreieck München-Feldmoching.“

Die Versuchspersonen werden in vier unterschiedliche Gruppen eingeteilt. Die Bedingungen wer-den innerhalb der einzelnen Gruppen (Within-subjects Design) sowie zwischen wer-den vier Gruppen (Between-subjects Design) ausbalanciert. Es ergeben sich vier Kombinationsmöglichkeiten mit dem SpaceNavigator: (V1) Straßenverlauf folgen und Straßenwechsel über Kippbewegung. (V2) Straßen-verlauf folgen und Straßenwechsel über Drehbewegung. (V3) StraßenStraßen-verlauf folgen über Kippen und Straßenwechsel über Drehen. (V4) Straßenverlauf folgen über Drehen und Straßenwechsel über Kippen.

In jeder Gruppe werden die Aufgaben in zwei Durchgängen bearbeitet. Im Versuchsdurchlauf wird bei Probandengruppe 1 die Bedingung, unter der der Straße gefolgt worden ist, gewechselt (Ver-gleich von V1 mit V4 bzw. V2 mit V3). Bei der zweiten Probandengruppe wird diese Eingabebe-dingung konstant gehalten. Demgegenüber wird der Straßenwechsel an einer Kreuzung verändert (Vergleich von V1 mit V3 bzw. V2 mit V4).

Im Anschluss an die Bearbeitung der Aufgaben sind die subjektiven Einschätzungen zu den unter-schiedlichen Navigationskonzepten anhand eines Fragebogens ermittelt worden. Zusätzlich sind diese mit Hilfe eines weiteren Fragebogens miteinander verglichen worden.

Innerhalb der Versuchsphase operatorspezifische Aufgaben müssen die Teilnehmer die Operatorrolle übernehmen. Die Probanden müssen beispielsweise bei der inhaltssensitiven Navigation (z. B. Folgen der Straße über ein Kippen) das Verkehrsaufkommen beobachten oder gegebenenfalls anhalten, wenn sich ein Stau auf allen drei Fahrspuren gebildet hat. Beide Darstellungskonzepte werden wie-derum in einem Within-subjects Design verglichen. Wie zuvor sind die subjektiven Einschätzungen mittels eines Fragebogens erfasst und verglichen worden. Abschließend ist den Teilnehmern eine

Innerhalb der Versuchsphase operatorspezifische Aufgaben müssen die Teilnehmer die Operatorrolle übernehmen. Die Probanden müssen beispielsweise bei der inhaltssensitiven Navigation (z. B. Folgen der Straße über ein Kippen) das Verkehrsaufkommen beobachten oder gegebenenfalls anhalten, wenn sich ein Stau auf allen drei Fahrspuren gebildet hat. Beide Darstellungskonzepte werden wie-derum in einem Within-subjects Design verglichen. Wie zuvor sind die subjektiven Einschätzungen mittels eines Fragebogens erfasst und verglichen worden. Abschließend ist den Teilnehmern eine